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Geschichte, 5./6. Schuljahr, 7./8. Schuljahr, 9./10. Schuljahr, Oberstufe, Gymnasium

Anno 2

Anno 2
Herausgegeben von Askani, Bernard et al.
Erschienen Braunschweig: Westermann, 2007
Seitenanzahl 288
ISBN 978-3-14-110942-9
Geeignet für Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein
Rezensiert von Grupe, Merle, Merel Neuheuser, Hellen Niemann und Christina Pieper (Studierende), 1. March 2010
Projekt Universität Osnabrück, Sommersemester 2009, Mittelalter im Schulbuch

Rezension von Grupe, Merle, Merel Neuheuser, Hellen Niemann und Christina Pieper (Studierende)


Die Schulbuchreihe ANNO für die Schuljahrgänge 5-10 aus dem Westermann-Verlag besteht insgesamt aus vier Bänden, die chronologisch aufeinander aufbauen.

Im Folgenden steht das Mittelalter im Blickpunkt, d.h. vor allem Band 2 („Vom Mittelalter bis zum Ende des Absolutismus), aber auch das letzte Unterkapitel von Band 1 („Das Frankenreich“).

In dieser Rezension sind zusätzlich Meinungen von Schülerinnen und Schülern einer Evaluationsklasse des Jahrgangs 7 einbezogen.

Konzept
Die Thematik „Das Frankenreich“ wird am Ende des ersten Buches im Kapitel „Die Erben Roms“ aufgegriffen. Leider wird vom Autorenteam an dieser Stelle nicht erwähnt, dass es sich hierbei um den Beginn des Mittelalters handelt. Dann aber blickt ANNO 2 sehr differenziert auf das Mittelalters. Die darauf folgenden fünf Kapitel in ANNO 2 reichen von der Reformation („Das Zeitalter der Reformation“) über den Absolutismus („Der Absolutismus in Europa") bis zum Aufstieg der USA („England und der Aufstieg der USA“).

Die drei Kapitel aus ANNO 2, die sich auf das Mittelalter beziehen, stammen jeweils aus anderer Feder. „Herrschaft und Kirche“ bilden das erste Kapitel und markieren die „Geschichte von oben“. In chronologischer Reihenfolge werden dabei Herrschaftsabfolgen sowie Differenzen zwischen den Herrscherhäusern erläutert. Im zweiten Kapitel „Menschen im Mittelalter“ hingegen wird ein Perspektivwechsel vollzogen und die „Geschichte von unten“ beleuchtet. Zuletzt wird im Kapitel „Europa im Mittelalter“ ein Europabezug geschaffen. Da im weiteren Verlauf des Buches neben Europa auch die USA betrachtet werden, ist Multiperspektivität in ANNO 2 grundsätzlich gegeben und positiv hervorzuheben. Das nächste Kapitel, „Das Zeitalter des Umbruchs“, stellt in der Überschrift zwar deutlich heraus, dass es sich bei den Ereignissen dieser Zeit um einen Prozess handelte, doch macht die ungenaue Zeitspanne von 1350-1600 in enger Verknüpfung mit der Bezeichnung „Renaissance und Humanismus“ auf der damit zusammenhängenden Seite wenig klar, ab wann von einer nächsten Epoche gesprochen werden kann. Schon die Einteilung der Kapitel in den Büchern macht deutlich, dass eine standardisierte Aufteilung in die Epochen Altertum, Mittelalter, Frühe Neuzeit und Moderne vermieden wird. Vielmehr entwickelt sich die Geschichte von Kapitel zu Kapitel. Dies ermöglicht den Schülerinnen und Schülern eine schemafreie Betrachtungsweise der fließenden Übergänge, erschwert jedoch eine grobe zeitliche Einordnung und einen Überblick.

Aufbau
Die Kapitel sind in einer bestimmten, immer gleichen und leicht nachvollziehbaren Abfolge gegliedert, die Klarheit und Übersichtlichkeit gewährleistet. Auf die doppelte Eröffnungsseite, die mit einem großen Bild und einem einführenden Text auf das Thema einstimmt, folgen eine Einführungsseite und Darstellungs- und Arbeitsteil. Letzterer ist sehr gut bebildert und setzt sich aus Primär-, Sekundärquellentexten und Arbeitsvorschlägen zusammen. Am Ende eines Kapitels rundet eine Zusammenfassungsseite das Thema ab. Diese wurde von den befragten Schülerinnen und Schülern aufgrund der komprimierten Informationen und der Wiederholung der wichtigsten Begriffe äußerst positiv bewertet. Eine besondere Vertiefung bietet das „Geschichtslabor“, das meist handlungsorientiert ist (Experimente, Forschung etc.) und durch eine anschauliche Präsentation von Themen wie beispielsweise sakrale Architektur (Romanik und Gotik; S. 52f.) oder Archäologie („Was fand sich im Klo?“, S. 108f.) besticht. Besonders schülerfreundlich fasst ANNO auf den letzten sieben Seiten Erklärungen in Form eines Mini-Lexikons, einer Datentabelle und eines Registers die wichtigsten Aspekte zusammen.

Layout
Der Darstellungs- und Arbeitsteil folgt generell einer bestimmten Aufteilung: Zwei Drittel der Seite nimmt der Text ein, während das linke Drittel mit Abbildungen und Überschriften für die einzelnen Textabschnitte versehen ist. Dieses Schema wird teilweise durch größere Abbildungen unterbrochen, wodurch es aber an Bildqualität und Anschaulichkeit gewinnt. Die schriftlichen Quellen befinden sich im Fließtext und sind schwarz umrahmt. Besonders ansprechend sind die stets farbig abgedruckten Bildquellen. Ebenso auffallend schülerfreundlich werden wichtige Wörter durch kursiven Druck betont. Daneben visualisiert der Zeitstrahl auf der Einführungsseite den Schülerinnen und Schülern sehr präzise den zeitlichen Kontext. Ein Manko ist bei den Arbeitsaufträgen anzumerken, da sie in der Regel am Ende eines Abschnitts erfolgen, teilweise jedoch mitten im Unterkapitel gestellt werden, was zu einer Unterbrechung des Gesamtkontextes führt. Dagegen bildet die grün eingefärbte Zusammenfassungsseite einen umfassenden Abschluss des Kapitels und erhält durch eine weitere anschauliche Zeitleiste mit Bildsymbolen (Geschichtsfries) einen einprägsamen Charakter.

Autorentext – fachwissenschaftliche Aspekte
Im neuen niedersächsischen Kerncurriculum für Gymnasien für die Jahrgänge 5 bis 10 für das Fach Geschichte ist vorgeschrieben, dass die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 und 8 für die Epoche des Mittelalters im Bereich der „Lebensformen im Hoch- und Spätmittelalter“ sowie im Bereich der „religiöse[n] und politische[n] Machtstrukturen im Hoch- und Spätmittelalter“ fachwissenschaftliche Kompetenzen erwerben. Im erstgenannten Bereich erfüllt das Schulbuch ANNO 2 im Großen und Ganzen die formulierten Erwartungen des niedersächsischen Kultusministeriums. Das zweite Kapitel des Buches „Menschen im Mittelalter“ bildet fast schon einen Spiegel des Kerncurriculums, indem seine Unterkapitel jeweils Menschen in den Dörfern, in den Klöstern, in den Burgen und in den Städten thematisieren. Die Veränderungen im europäischen Mittelalter werden in den vorgelagerten Unterkapiteln „Lebensbedingungen der Menschen“ und „Vorstellung von der Ordnung der Welt“ deutlich. Positiv ist hervorzuheben, dass speziell auf zwei Seiten (S. 62f.) die Lebensbedingungen der Kinder dargestellt werden, so dass bequem Gegenwartsbezüge hergestellt und auch der sonst nicht leicht zu erreichende affektive Lernbereich aktiviert werden kann.

Um den Schülerinnen und Schülern im Bereich der religiösen und politischen Machtstrukturen fachliche Kenntnisse zu vermitteln, ist das Schulbuch nicht ideal. Das erste Hauptkapitel „Herrschaft und Kirche im Mittelalter“ beinhaltet in seinen ersten beiden Unterkapiteln das Karolingerreich und die Sachsenkönige – Themenbereiche, die bereits für die Jahrgangsstufe 6 vorgesehen sind. Einerseits muss man so „mitten im Buch“ anfangen, andererseits könnte man einzelnes bestimmt zur Wiederholung und zum Einstieg in das Thema nutzen. Der Investiturstreit, seine Rahmenbedingungen und Folgen werden auf fünf Seiten anschaulich dargestellt. Das nächste Thema, die Kreuzzüge, ist dagegen wesentlich zu kurz geraten. Zwar werden auch hierfür sechs Seiten in Anspruch genommen, doch reduziert sich die Informationsfülle stark durch die zahlreichen Bildquellen. Negativ ist außerdem anzumerken, dass die Machtverlagerung im Reich (Kurfürsten, Goldene Bulle ...) nicht mehr in diesem ersten Kapitel zu finden ist, sondern erst im dritten Kapitel „Europa im späten Mittelalter“ und auch auf nur drei Seiten thematisiert wird.

Sprache
Sprachlich unterscheiden sich die Kapitel verschiedener Autorinnen und Autoren nur wenig. Generell kann gesagt werden, dass die Texte eine hohe Kompressionsdichte an Informationen aufweisen und sprachlich recht anspruchsvoll sind. Besonders auffallend ist, dass der Schwierigkeitsgrad des Textes auf der Eröffnungsseite wesentlich niedriger ist als der folgende Fließtext auf der Einführungsseite. Wird auf der Eröffnungsseite des Kapitels „Herrschaft und Kirche im Mittelalter“ suggestiv gefragt: „Kannst du dir vorstellen, dass heute in einer Kirche der amerikanische Präsident und alle seine Vorgänger auf den Fenstern einer Kirche abgebildet werden?“, so beginnt die darauf folgende Einführungsseite mit dem komplexen Satzbau: „Aus dem Mittelalter, der Zeit zwischen 500 und 1500, greift dieses Kapitel den Zeitraum heraus, in dem sich die typischen Formen gebildet haben“ - ein Unterschied wie der zwischen einem Kinderbuch und Fachliteratur. Insgesamt sind die Kapitel in ANNO 2 zwar anspruchsvoll, aber durchaus angemessen.

Arbeitsmaterialien
Bezüglich der Arbeitsmaterialien beschreiben die Autorinnen und Autoren in ihrer Einleitung zu ANNO 1 ihre Intention, Geschichte anschaulich und verständlich darstellen zu wollen. Hierzu dienen die von ihnen verwendeten zahlreichen Abbildungen, Rekonstruktionen, Schaubilder, Karten und Tabellen als Erweiterung der Geschichtsdarstellung. Weiterhin sollen die Schülerinnen und Schüler sofort erkennen können, wann Menschen vergangener Zeit selbst zu Wort kommen; deshalb sind die Quellen schwarz umrahmt. Jedoch erfolgt die Erklärung, um welche Quellengattung es sich handelt, erst am Ende des Kästchens durch die Quellen-/Literaturangaben, welche teilweise uneinheitlich sowie lückenhaft und somit schlecht zu interpretieren sind. Zudem tauchen die Angaben manchmal auch durch einleitende Worte im Autorentext auf, wodurch die Schülerinnen und Schüler lernen, historische Texte als selbstverständliche Informationsquelle zu nutzen. (z.B. S. 191).

Besonders positiv hervorzuheben ist, dass regelmäßig vielfältige Quellengattungen verwendet werden, welche leicht verständlich sind. Weiterhin ist ihre Länge angemessen und ein sehr guter Themenbezug durch die Einbindung in den Autorentext gegeben. Dies lobten die Schülerinnen und Schüler der Evaluationsklasse sehr. Auch die Auswahl der Bildquellen ist durch das breite Spektrum sowie durch gute Qualität und Format sehr gelungen und ziehen laut Schülermeinungen die Aufmerksamkeit auf sich; sie wirken sehr motivierend und innovativ.

Weiterhin ist durch die Beachtung verschiedener, sowohl schriftlicher als auch bildlicher Quellengattungen, die zudem aus verschiedenen Standpunkten verfasst und auf die unterschiedlichen Themen abgestimmt sind, Multiperspektivität gewährleistet. Zu bemängeln ist hingegen, dass nur durch die Aufgabenstellungen eine Auseinandersetzung mit den Quellen erfolgt. Doch führen die Aufgabenstellungen weder bei den schriftlichen Quellen zu einer kritischen Analyse noch bei den bildlichen zu einer methodischen Erschließung, so dass die Schülerinnen und Schüler kaum entsprechende Fachkompetenzen erwerben können.

Aufgabenstellungen
Die Aufgabenstellungen erfolgen immer nach dem Ende eines Abschnittes, der sich meistens aus Autorentext und Quellen zusammensetzt. Sie sind inhaltlich deutlich formuliert und aus ihnen geht auch klar hervor, welche Materialien zur Beantwortung herangezogen werden sollen. In den meisten Fällen wird in den Arbeitsaufträgen direkt Bezug auf den vorgelagerten Darstellungsteil genommen, partiell auch „versteckt“, d.h. die Schülerinnen und Schüler müssen selber überlegen, ob die Antwort in der Quelle oder im Autorentext zu finden ist. Genau dies empfanden die Schülerinnen und Schüler der Evaluationsklasse als große Schwierigkeit.

Bei den Fragestellungen selbst lässt sich ein Gleichgewicht zwischen W-Fragen und Operatoren festmachen. Jedoch sind die Fragen teilweise recht unpräzise bzw. neutralisieren den verwendeten Operator („Du könntest einmal versuchen…“, „Versuche zu erklären…“).

Ansonsten ist eine große Variabilität an Operatoren vorhanden.

In der Einleitung zu ANNO 1 trifft das Autorenteam über seine Arbeitsvorschläge die Aussage, dass sie dazu anleiten sollen, die Abbildungen und Quellen zu befragen, sowie bestimmte Zusammenhänge genauer zu betrachten und Karten oder Schaubilder auszuwerten. Die Umsetzung dieses Vorhabens lässt sich insofern bestätigen, als die Aufgaben überwiegend der Vertiefung und Wiederholung sowie durch Verknüpfung mehrerer Quellen miteinander dem Transfer dienen. Jedoch erfolgt nur selten ein Problematisierungszusammenhang, was zu bemängeln ist.

Fazit
ANNO 2 ist durch den schülergerechten Zugang über direkte Ansprache, Bezüge zur Gegenwart und gezielte Arbeitsaufträge didaktisch sinnvoll angelegt. Auch fachwissenschaftliche Aspekte, wie regelmäßige und effiziente Quellenarbeit oder Blicke auf wenig beachtete Themen, wie Frauen im Kaisertum (Theophanu, Adelheid), kommen nicht zu kurz. Jedoch geben die uneinheitlich abgefassten Angaben in beiden Bänden Anlass zur Kritik, da Historiker auf korrekte Quellenangaben größten Wert legen.

Die befragten Schülerinnen und Schüler äußerten sich insgesamt sehr positiv sowohl über das Layout als auch über die das Lernen erleichternden Hilfestellungen des Buches. Folgt man den Schülermeinungen, haben die Autorentexte eine zu hohe Informationsdichte und sind zu häufig mit unbekannten Wörtern übersät. Unserer Meinung nach erreichen die Schüler aber durch das Erlernen unbekannten Vokabulars und durch herausfordernde Texte bzw. Aufgaben einen Wissenszugewinn.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Grupe, Merle, Merel Neuheuser, Hellen Niemann und Christina Pieper. Rezension zu: Anno 2 von Askani, Bernard et al. (Hg.). Braunschweig: Westermann 2007, ISBN 978-3-14-110942-9, Edumeres 2010, https://edu-reviews.edumeres.net/en/reviews/reviews/grupe-merle-merel-neuheuser-hellen-niemann-und-christina-pieper/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.