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Ethik / Philosophie, 9./10. Schuljahr, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium

Normen und Werte 9/10

Normen und Werte 9/10
Herausgegeben von Eisenschmidt, Helge
Erschienen Leibzig: Militzke, 2012
Seitenanzahl 110
ISBN 978-3-861-89555-8
Geeignet für Niedersachsen
Rezensiert von Tran, Anna (Studentin), 28. April 2015
Projekt Leibniz Universität Hannover, Wintersemester 2014/15, Schulbuchanalysen: Säkular-weltanschauliche Diversität im Werte und Normen-Unterrichtsmaterial

Rezension von Tran, Anna (Studentin)


Einleitung
Das Fach Werte und Normen bietet eine Vielfalt an Themen, die in der heutigen Gesellschaft im Diskurs stehen. Der Prozess des Lebens, Konflikte und Gewalt, die Frage nach der eigenen Identität, Wahrheit und Wirklichkeit sind nur einige Beispiele dafür, die im Schulbuch untersucht werden.  Speziell das letztgenannte Kapitel des Lehrbuches „Weltreligionen und Weltanschauungen“ findet Eingang in den Unterricht. Innerhalb des eben genannten Themenkomplexes wird den Schülern ein kurzer Einblick in die fernöstliche Kultur gewährt, indem auf die zwei Religionen Hinduismus und Buddhismus eingegangen wird. Aufgrund der multikulturellen Gesellschaft spielt Toleranz gegenüber anderen Lebensmustern eine große Rolle, sodass in dem Kapitel die Bedeutung der Religionen und Weltanschauungen aufgedeckt und den Lernenden näher beigebracht werden soll. In dieser Rezension wird sich mit dem Aufbau dieses Kapitels und der Untersuchung der Aufgabenstellungen sowie die Erfüllung der Kompetenzanforderungen des Kerncurriculums durch das Buch beschäftigt.

Zusatzmaterial und Aufgabenstellung
Zum Lehrbuch „Normen und Werte“ gibt es ein Lehrerbegleitbuch, das der Lehrkraft eine Einführung in die einzelnen Themengebiete geben soll. Hilfreich sind die Ratschläge zur Behandlung der einzelnen Unterkapitel und konkrete Zielformulierungen, die in den Unterrichtseinheiten erreicht werden sollen. Des Weiteren beinhaltet das Lehrerbegleitbuch auch Zusatzmaterialien, die in den Unterricht zur Vertiefung und zum reflektierten Umgang mit dem Inhaltsstoff verwendet werden können. Schüler können sich, über weitere Texte, noch eingehender mit dem Lerninhalt beschäftigen.
Die Aufgabenstellungen auf jeder Seite des Schülerbandes sind größtenteils mit Operatoren versehen, die der Aktivierung des Kompetenzerwerbes dienen. Zur Veranschaulichung der Themen werden verschiedene Quellentexte und Grafiken benutzt, die bibliografisch belegt sind, sodass man auch außerhalb des Unterrichts auf das Material im Internet oder in der Bibliothek zugreifen kann. Als hilfreich erweisen sich auch die Definitionen neuer Fachbegriffe. Im Unterkapitel „Meine Weltanschauung – Deine Weltanschauung“ ist eine solche Definition zum Inhalt des Fundamentalismus enthalten. Begriffe, wie etwa „Evolution“ sind mit einem Sternchen versehen, das auf das im Anhang verweist. 

Aufbau
Einen ersten Eindruck bekommen die Schüler durch die Einführung in das Thema durch Aussagen und Stellungnahmen von Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren  zur religiösen Kultur und zum eigenen Glauben. Hierbei ist nicht erkennbar, ob die Autorentexte von Jana Paßler, die für die ersten beiden Unterkapitel zuständig ist, konstruiert oder authentisch sind. Es werden zu den Aussagen Bilder verwendet, die die fernöstliche Kulturen und ihre Religionen widerspiegeln. Den Schülern wird eine Vorstellung der beiden Religionen in Kapitel 5.1. „Fernöstliche Religiosität – Hinduismus und Buddhismus“  gegeben. Dadurch sollen Grundlagen zu den Religionen erarbeitet werden. so wird das ewige Gesetz „Dharma“ des Hinduismus erklärt. Gleichsam lernen die Schüler das „Karma“ und das Urprinzip Brahman als „Urgrund allen Seins“ kennen.
Im Buddhismus dagegen, werden ihnen der achtfache Pfad und die vier edlen Wahrheiten vorgestellt und erklärt. Die Kapitel sind von Grafiken begleitet, mit denen sich der Schüler beschäftigen soll, um auch eigene Denkanstöße zu gewährleisten. Schüler werden dabei animiert, Informationen zu reproduzieren und für die Lösung einiger Aufgaben im Internet zu recherchieren.
Religion beeinflusst die Weltanschauung, ebenso wie sie ein Teil von ihr ist, daher wird sich ebenjener fernöstlichen Weltanschauung in Kapitel 5.2. und 5.3 gewidmet. Die Thematik wird vertieft und problematisiert und dem Schüler werden unter anderem Gründe für das Abwenden von der Religion und von Gott genannt. Das Kapitel wird mit dem Unterkapitel „Religion in der Kritik“ geschlossen, in dem die Religionen sowie die Weltanschauungen zusammengefasst und daraus Kritik gezogen wird. Hierbei stützt sich das Lehrbuch unter anderem auf prominente Aussagen von Karl Marx und Sigmund Freud. Die Kritik selbst wird im Anschluss noch einmal ambivalent betrachtet. Die einzelnen Unterkapitel sind sowohl eigenständig als auch aufeinander aufbauend. Der Schüler wird in den einzelnen Kapiteln in die Themen eingeführt und muss die gewonnenen Informationen reflektiert umsetzen und mit anderen im Kapitel genannten Themengebieten verknüpfen. Gruppenarbeiten, Diskussionen, Vergleiche mit anderen Thematiken, die bereits im Lehrbuch erwähnt sind oder auch schon allgemein behandelt wurden, werden aufgearbeitet und in den Unterricht einbezogen, sodass es eine vielfältige Auswahl an Aufgabenstellungen gibt.

Weltreligionen und Weltanschauungen
Der Aufbau des Kapitels ist den Autoren Jana Paßler und Dominik Fehrmann in allererster Linie gelungen. Sie verstehen es, die Schüler behutsam durch die Themengebiete zu leiten. Durch eine Skizze des Hinduismus und Buddhismus werden die letzten beiden großen Religionen behandelt, nachdem Islam, Christentum und Judentum bereits in Bänden für frühere Klassenstufen behandelt wurden. Zur Auffrischung der anderen Religionen wird in Kapitel 5.1. in den Aufgabenstellungen auf die monotheistischen Religionen eingegangen. So sollen die Schüler etwa zum Hinduismus die Lehre des ewigen Gesetzes mit einer der drei monotheistischen Religionen vergleichen. Die Aufgaben regen zur Vertiefung des Inhaltes an, sind verständlich formuliert und der Klassenstufe angemessen. Ein Überblick über die Weltreligionen wird im Anschluss von Kapitel 5.2. gegeben, indem sie auch miteinander verglichen werden. Das Wissen aus den vorangegangenen Lehrinhalten wird noch einmal resümiert und reflektiert. Außerdem werden auch Experten. So findet man in Kapitel 5.2. ein Interview mit einem deutschen Buddhisten, der in Hannover seinen Glauben auslebt. Hier wird ein liberales Bild des Buddhismus geschaffen. Anknüpfend an den Überblick wird die Thematik Weltanschauung eingeführt und der Begriff definiert. Darunter wird demnach „die Gesamtheit von Auffassungen über Aufbau, Ursprung und Ziel, Sinn und Wert der Welt und des menschlichen Lebens“ (Alexander Ulfig: Lexikon der phil. Begriffe. Bechtermünz, Eltville 1993) verstanden. Die Schüler werden in der Aufgabenstellung angeregt, die Definition mit der der Religion zu vergleichen und daraus Unterschiede zu ziehen. So lernen sie den Umgang mit verschiedenen Thematiken kennen und wie man diese hinterfragt.
Das Heranführen an das Thema geschieht durch eine Begriffserklärung von Atheismus und Agnostizismus. Ein Gedicht von Heinz Kahlau gibt einen Anriss für ein nichtreligiöses Handeln, das demnach eigenverantwortlich ist und die Gründe für das eigene Handeln und die daraus resultierenden Folgen nicht in der Religion beziehungsweise in Gott zu finden ist. Im Kapitel werden zudem atheistische Ideologien vorgestellt und erklärt, und zwar Kommunismus und Anarchismus. Allerdings bleibt der Begriff „Ideologie“ unerklärt, sowohl innerhalb des Lehrbuches, als auch im Glossar, sodass es problematisch für Schüler sein kann, Ideologie womöglich mit Weltanschauung gleichzusetzen. An dieser Stelle rät das Lehrerbegleitbuch, zuerst diesen Begriff zu klären, um Missverständnisse im Unterricht zu vermeiden, was ein sehr hilfreicher Tipp ist.
Das Kapitel 5.4 „Meine Weltanschauung – Deine Weltanschauung“ wird durch Aussagen von Prominenten wie Angela Merkel und Xavier Naidoo gestützt, die mit Quellen belegt sind. Der Kernpunkt der Aussage betrifft ihre Weltanschauung und wie zu dieser gefunden haben. Genannte Faktoren sind das Elternhaus und die Erziehung. Frau Merkel und Herr Naidoo sind Personen des öffentlichen Lebens. Sie sind Leitbilder der Öffentlichkeit und daher muss man sich fragen, ob nur die Vorbildfunktion verantwortlich für die Aussage ist oder ob sie sich auch ohne ihre Stellung so äußern würden.
Ralf König (Comiczeichner) und Mina Ahadi (Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime) stehen weniger unter dem Druck der Öffentlichkeit und deren Meinung, sodass man vermuten könnte, dass sie sich freier in ihrer Weltanschauung bewegen können, denn sie müssen nicht unbedingt als Vorbilder dienen. Auf die Themen Atheismus und Agnostizismus folgen im Kapitel der Fundamentalismus und Fanatismus, was aufgrund des starken Widerspruchs zwischen Fundamentalisten und Atheisten eine seltsame Nähe ist.
Das letzte Kapitel „Religion in der Kritik“ verleitet zur Irreführung, wie im Lehrerbegleitbuch ebenfalls erwähnt wird. Es wird nicht Religion an sich kritisiert, sondern eine evolutionäre Sicht auf die Religiosität vorgestellt. So kristallisiert sich heraus, dass Gott von Menschen geschaffen wird, Religion ein erträgliches Leben gewährt und auch bestimmte Funktionen inne hat.
Das Kapitel schließt mit der „Kritik an der Religionskritik“, die sich allerdings deutlich auf einen atheistischen Fundamentalismus bezieht und in der Toleranz eine tragende Rolle zugewiesen bekommt. Außerdem wirkt die Kritik allgemein überspannt. In einem Ausschnitt von Peter Hahne Ausschnitt wird der Eindruck vermittelt, dass eine ausschließlich atheistische Weltanschauung die gesellschaftliche Ordnung gefährde, Chaos ausbrechen würde, und auch alles andere dem Untergang geweiht sei. Laut Hahne würde Ethik nicht existieren, gäbe es keine Religion. Was die Überlegung zulässt, dass es ohne Religion auch keine Moral existiere und der Mensch somit verkomme.
In dieser Kritik findet sich religiöser Fundamentalismus wieder, was eigentlich unpassend für ein Schulbuch ist. Wir müssen bedenken, dass Europa seit seiner historischen Entwicklung aufgeklärt ist, was in dem Textausschnitt unerwähnt bleibt.

Fazit
Die Aufgaben sind abwechslungsreich gestaltet und ermöglichen eine gute Auseinandersetzung mit dem Themengebiet „Weltreligionen und Weltanschauungen“. Außerdem decken sie die Anforderungsbereiche des Kerncurriculums ab und bieten mit der Auswahl der Aufgaben einen guten reflektierten Umgang mit dem Thema. Die Kompetenzen Wahrnehmen und Verstehen, Analysieren und Reflektieren sowie Diskutieren und Urteilen werden aktiviert und auch kontinuierlich im Buch durch die Aufgabenstellungen gefördert. Schüler lernen mit Informationen umzugehen, sich mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen und schaffen Verbindungen zu anderen Themenbereichen. Die Zusatzmaterialien sind eine gute Ergänzung. Das Schulbuch „Normen und Werte“ kann bedenkenlos für den neunten und zehnten Jahrgang benutzt werden.

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