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Geschichte, 7./8. Schuljahr, Gymnasium

Geschichte und Geschehen 2

Geschichte und Geschehen 2
Herausgegeben von Bernlochner, Ludwig
Erschienen Stuttgart: Klett, 2010
Seitenanzahl 211
ISBN 978-3-12-411260-6
Geeignet für Bayern
Rezensiert von Wallner, Jonas und Matthias Schönberger (Studierende), 23. February 2012
Projekt Universität Regensburg, Wintersemester 2011/12

Rezension von Wallner, Jonas und Matthias Schönberger (Studierende)


Einleitung
Den Impuls für diese Rezension bot mein studienbegleitendes fachdidaktisches Praktikum, in dem ich dieses Buch zur Vorbereitung nutzte. Ich hatte es auch außerhalb des Praktikums öfters zur Hand, was einige MitstudentInnen aufmerksam machte und sie um Einsicht bitten ließ. Der einhellige Tenor war: „So schöne Schulbücher hatten wir nie!“ Insbesondere die Übersichtlichkeit und die gute Auswahl von Text und Bild wurden gelobt. Dies war der Anlass, das Lehrwerk genauer und systematischer zu untersuchen.

Aufbau/Struktur
Die Schülerinnen und Schüler werden auf S. 3 direkt angesprochen und auf ihre Reise in die Geschichte vorbereitet. Ein gut illustriertes Inhaltsverzeichnis bietet einen raschen Überblick. Darauf werden Hinweise für die Benutzung des Buches gegeben: „Wie arbeite ich mit diesem Buch?“
Insgesamt gibt es in dem Lehrwerk vier große Themenbereiche, die sich am Lehrplan orientieren und denen eine längere Vertiefung folgt. Der erste dieser Bereiche wird hier ausführlicher beschrieben, die übrigen nur kurz. Die Bereiche folgen in ihrem Inhalt weitgehend den Vorgaben den curricularen Vorgaben des bayerischen Kultusministeriums.
Das erste Großkapitel ist mit „Europa im Mittelalter“ überschrieben, zieht sich zeitlich im Bereich der politischen Geschichte von Karl dem Großen bis zu Friedrich Barbarossa; querschnittartig wird aber auch z.B. auf das Leben der Bauern, die Welt der Ritter oder die Stadt im Mittelalter eingegangen. Die thematisch-inhaltlich orientierten Kapitel werden um einige Methodenteile und „Erlebnis Geschichte“ ergänzt, z.B.  „Erlebnis Geschichte: Wir werden Burgherr.“ Dadurch wird das vielfach vorhandene Interesse der Schülerinnen und Schüler an Burgen und Burgenbau mit Hilfe von Anleitungen zum Modellbauen spielerisch gefördert. Der zweite Bereich thematisiert „Die europäische Staatenwelt auf dem Weg in die Neuzeit“. Er ist der deutlich kürzeste Bereich, aber verfügt auch über eine „Vertiefung“ und einen Teil „Erlebnis Geschichte“. Das dritte Kapitel beschäftigt sich eher mit dem ideengeschichtlichen Aspekt Europas und ist mit „Neue geistige und räumliche Horizonte“ betitelt. Das letzte Kapitel trägt die Überschrift „Frankreich und England setzen neue Maßstäbe“. Es geht auf die beiden speziellen Wege Frankreichs und Englands in die Neuzeit ein.
Ein Grundwissensteil und das Text- und Bilderverzeichnis vervollständigen diese Ausgabe von Geschichte und Geschehen.
Innerhalb der einzelnen Themenbereiche ist das Buch in Einzelkapitel gegliedert, die aus einem Informationsteil und einem Arbeitsteil bestehen. Am Anfang jedes Großkapitels steht eine Auftaktdoppelseite, die eine Einführung in den Bereich gibt. Die Auftaktdoppelseiten sind alle aufwändig gestaltet, d.h. mit viel Bildmaterial und Hinweisen auf das folgende Kapitel. Auf allen ADS wird in einem darstellenden Text grob der Inhalt des folgenden Kapitels zusammengefasst. Dies geschieht in einfach verständlichen, verdichteten Sätzen. Der restliche Teil der Doppelseite besteht aus Bildmaterial mit kurzen Erklärungen.

Autorentexte/Verfassertexte
In den einzelnen Kapiteln unterscheiden sich die Autorentexte sehr, was einerseits durch die unterschiedlichen Thematiken und die daraus resultierenden unterschiedlichen Herangehensweisen zu erklären ist, aber andererseits wohl auch an den verschiedenen Schreibstilen der einzelnen Autoren liegt. Sehr gelungen ist z. B. der Darstellungsteil des Kapitels „Stadtluft macht frei“ (S. 56f.). Der Text liefert eine schöne Einführung in das Thema und ist für 13-jährige gut verständlich. Ein klar logischer und problemorientierter Aufbau ist in dem Kapitel ebenfalls gegeben. Sehr schön wird erklärt, wie und warum sich Städte vor allem an Verkehrsknotenpunkten bildeten. Ursache und Wirkung sind hier klar erkennbar und können von Schülerinnen und Schülern gut erfasst werden.
Ein weiterer sehr guter Verfassertext befasst sich mit dem Leben und Regieren Friedrichs II. (S. 100f.). So werden Biographie und Beurteilungen von Zeitgenossen übersichtlich dargestellt und durch fordernde Fragen ergänzt. Der Konflikt zwischen Kaiser und Papst, Friedrichs Offenheit gegenüber fremden Kulturen und die Förderung von Kunst und Wissenschaft kommen dabei besonders zur Geltung. Schwierigkeiten könnten den Schülerinnen und Schülern hier nur einige Fachbegriffe machen. Der Satz „ Im Propagandakampf bezeichneten sich das Oberhaupt der Kirche und deren weltlicher Beschützer gegenseitig als ‚Antichrist’“ (S. 100) beispielsweise bedarf sicher für die meisten Siebtklässler einer Erklärung durch die Lehrkraft. Aber bei entsprechender Unterstützung durch die Lehrkraft stellt das kein großes Problem dar. Insgesamt werden den Schülerinnen und Schülern sehr viele gut ausgewählte Informationen über Friedrich geliefert, welche sie mit Hilfe der Lehrkraft auch aufnehmen und bewerten können.
Man kann die Verfassertexte des Buches insgesamt als gelungen bezeichnen, hier ist sehr gut gearbeitet worden, zumal ja das Verfassen dieser Texte insofern sehr viel Feingefühl verlangt, als auf die kognitiven Bedingungen der Schülerinnen und Schüler sehr detailliert eingegangen werden muss.

Text- und Bildmaterialien
Zu jedem Unterkapitel werden zahlreiche Text- und Bildmaterialien geboten, immer gekennzeichnet durch ein orangenes M. Auf die für das historische Denken wichtige Unterscheidung zwischen Darstellungen und echten Quellen (z. B. durch die Buchstaben D oder Q) wird in dem Buch leider verzichtet. Die Rubrik „Fragen und Anregungen“ liefert Möglichkeiten, mit den Materialien zu arbeiten und sie in Bezug zum Darstellungsteil zu setzen. Oft wird hier das Reflexionsgeschick der Schülerinnen und Schülern gefördert, d.h. es werden auch Bewertungen zum Thema verlangt. Die abgedruckten Bildquellen sind immer mit einem ausreichen guten Erklärungstext ausgestattet (z. B. S.58:
M 5: Marktplatz der Reichsstadt Augsburg, Jörg Breu, Vier Jahreszeiten, um 1530).

Kulturgeschichtliche Spurensuche und Multiperspektivität
Einen ganz anderen Blick auf die Vergangenheit bietet der letzte Bereich des Buches. Hier heißt es: „Auf den folgenden Seiten begeben wir uns auf Spurensuche. Wir erproben dabei für uns neue Quellen. So versuchen wir zu verfolgen, wie Filmemacher mit Quellenmaterial umgehen, wie Geschichte im Film transportiert wird.“ (S. 192) Dazu lautet das erste Kapitel:  „Darf man das glauben? Geschichte im Spielfilm.“ (S. 194f.). Es soll die Kompetenz im Umgang mit Filmmaterial zur Geschichte fördern. Dazu steht eine Fülle von Bildern und Fragenmaterial zu Verfügung. Man kann sich gut vorstellen, davon ausgehend einige Unterrichtsstunden sinnvoll zu konzipieren. Anhand dieses Kapitels lässt sich auch ein in diesem Buch verwirklichtes Prinzip der Geschichtsdidaktik – die Multiperspektivität – veranschaulichen. Während im konventionellen Geschichtsunterricht – wohlbekannt aus der eigenen Schulzeit – ein Thema sowohl inhaltlich wie auch methodisch nur eindimensional betrachtet wird, liefert dieser Bereich vor allem die Möglichkeit, einen methodisch vielgestaltigen Blick auf den Schulstoff zu werfen.
In weiteren Kapiteln werden Architektur und herrschaftliche Symbole behandelt: „Wir wenden uns auch der Architektur zu: Geschichte wird nicht zuletzt an Gebäuden sichtbar. Wenn wir zum Beispiel Burgen und Schlösser betrachten, kommen dabei ganz unterschiedliche Lebens- bzw. Machtvorstellungen zum Ausdruck. Wie sich Herrschaft ausdrückt, welche Symbole dabei wichtig sind, wird in einem eigenen Kapitel beleuchtet.“ (S. 193) Auf den entsprechenden Seiten folgt allerdings dazu weniger als vermutet. Hier werden die angesprochen Themengebiete leider nicht in der Ausführlichkeit behandelt, die die Übersicht zu hoffen gibt. Erwähnte Punkte werden nur kurz angerissen und nicht weiter verfolgt, was etwas schade ist.

Aufgabenstellung
Hin und wieder sind die Einzelkapitel hinsichtlich der „Fragen und Anregungen“ ein wenig spärlich ausgestattet. Beim Kapitel „Die Welt der Ritter“ (S. 45) versuchen nur drei Fragen die Lerngruppe zu einer abschließenden Auseinandersetzung mit dem Kapitel zu bewegen. Dabei sind jene an sich durchaus präzise und zielführend: z.B.: „Beschreibe aus den Bildern und Texten die Ausrüstung, die ein Ritter besaß. (M2, M3, M6)“ oder: „Notiere in dein Heft, welche Fähigkeiten und Eigenschaften der ideale Ritter besaß und welches das Ideal einer Frau dieser Zeit war, (M7, M8).“ Ein wirklicher Zusammenhang zwischen den gestellten Fragen, in dem Sinne, dass sie aufeinander aufbauen würden und zu einer umfangreichen Hypothesenbildung führen könnten, besteht aber nicht.
Anspruchsvollere Fragenstellungen finden sich aber im Folgenden durchaus. Ein paar Seiten weiter heißt es als Anregung zu einer kombinierten Text- und Bildanalyse: „Beschreibe die Situation der Stadt Konstantinopel möglichst sachlich genau, ebenso die Personengruppen, die du erkennen kannst. Überlege, welche Ziele die Kreuzzüge ursprünglich hatten. Vergleiche sie mit den Umständen der Eroberung Konstantinopels, wie sie im Text erklärt sind (VT, M5).“ (S. 49)
Von „Beschreibe“ über „Überlege“ zum „Vergleiche“: Diese Aufgabe verlangt dem oder der Lernenden einiges an Überlegung ab. Positiv hervorzuheben ist das Bemühen, stets Operatoren und möglichst wenig W-Fragen zu verwenden. Bei den Fragestellungen ergibt sich also ein wechselvolles Bild wobei die positiven Aspekte doch deutlich überwiegen.

Fazit
Bis auf kleinere Schwächen fällt das Gesamturteil für Geschichte und Geschehen 2 durchweg positiv aus. Design und Layout genügen modernen Ansprüchen vollkommen, durch den Methodenteil und die Vertiefung am Ende werden kleine Ausrufezeichen gesetzt, die auch größtenteils (mit Einschränkungen) halten, was sie versprechen. Gravierende Fehler finden sich genauso wenig wie wichtige, elementare Teile eines modernen Schulbuchs - eine klare Kapiteleinteilung, gelungene Verfassertext, methodische Anweisungen, etc. - fehlen.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Wallner, Jonas und Matthias Schönberger. Rezension zu: Geschichte und Geschehen 2 von Bernlochner, Ludwig (Hg.). Stuttgart: Klett 2010, ISBN 978-3-12-411260-6, Edumeres 2012, https://edu-reviews.edumeres.net/en/reviews/reviews/wallner-jonas-und-matthias-schoenberger/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.