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Geschichte, 9./10. Schuljahr, Gymnasium

Anno 10

Anno 10
Herausgegeben von Askani, Bernhard und Elmar Wagener
Erschienen Braunschweig: Westermann, 2000
Seitenanzahl 192
ISBN 978-3-14-110960-3
Geeignet für Thüringen
Rezensiert von Dreyer, Katharina, Kristin Steffen und Cindy Thode (Studierende), 1. Juni 2009
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Projekt Christian-Albrechts-Universität Kiel, Wintersemester 2008/09

Rezension von Dreyer, Katharina, Kristin Steffen und Cindy Thode (Studierende)


Einleitung
Den Begriff „Anno“ verbindet man im Alltag zumeist mit dem gleichnamigen Computer- beziehungsweise Kartenspiel oder mit der Kennzeichnung des Erbauungsjahres von Gebäuden. In beiden Fällen meint man damit zurückliegende historische Geschehnisse. In eben dieser Intention hat sich der Westermann Verlag den Namen „Anno“ als Titel einer Geschichtsbuchreihe ausgewählt. Im Folgenden soll der Band „Anno 10, Thüringen“ auf formal-praktische, fachdidaktische, fachwissenschaftliche und methodische Aspekt hin untersucht werden. Exemplarisch wurden hierzu drei Kapitel aus unterschiedlichen Zeitebenen herangezogen. Die übrigen Kapitel wurden hingegen nur stichprobenartig hinsichtlich der Untersuchungsergebnisse geprüft.

Formal-praktische Kriterien
So gut der Titel „Anno“ bereits einen historischen Bezug herstellt, so nachteilig ist die graphische Aufmachung des Hardcover-Einbandes zu beurteilen. Dieser erinnert an Sandschichten oder die Rinde eines Baumes und kann nur schwer das geschichtliche Interesse des Betrachters auf Anhieb ansprechen. Er lässt auch nicht darauf schließen, dass dieses Lehrbuch, mit Ausnahme des Titels, historischer Natur ist. Der anschließende Blick ins Inhaltsverzeichnis kann wiederum überzeugen, denn es profitiert von Übersichtlichkeit, die sich aus einer Aufteilung in Ober- und Unterkapitel und der dazu passenden graphisch-intensiveren Unterlegung der Kapitelüberschriften ergibt.
Betrachtet man die graphische Aufmachung der Kapitel, so setzt sich diese deutlich von der des Covers ab: Sie wirkt freundlich und erscheint durch den Einsatz verschiedener farbiger Graphiken sehr motivierend. Blättert man auf die jeweils erste Seite eines neuen Kapitels, so sieht man zunächst einen Zeitstrahl. Auf diesem befinden sich Jahreszahlen, gestaffelt in 10 Jahresabschnitte, und eine Markierung, die den Gegenstand des Kapitels zeitlich einordnet. Leider ist der Einsatz dieses Zeitstrahls nicht stringent durch alle Kapitel hindurch durchgehalten worden, denn er fehlt im letzten Buchkapitel zur Antike, bei dem es gerade spannend zu sehen ist, in welcher zeitlichen Proportion Neuzeit und Antike zueinander stehen. Des Weiteren gibt es am Ende jedes neuzeitlichen Themenbereiches eine Zusammenfassung des Kapitels und einen Exkurs, der sich „Geschichtslabor“ nennt. Beide Elemente finden sich nicht im Themenbereich vier der Antike wieder. Insgesamt kann man einen strukturierten Aufbau der Kapitel feststellen, da Quellen zumeist sichtlich vom Verfassertext abgehoben werden, die Karten farblich gedruckt sind und auch auf jeder Seite immer eine Überschrift zur Orientierung innerhalb der Kapitel vorhanden ist. Bei der Ausstattung des Buches hat man eindeutig an das Wohl der SchülerInnen gedacht. Das leichte Gewicht von 562 Gramm ermöglicht eine einfache Handhabung im Schulalltag. Auch aus der Sicht der Schule besticht das Schulbuch zunächst schon durch seinen angemessenen Preis von nur 16,50 Euro.

Fachdidaktische Kriterien

Betrachtet man zunächst den Lehrplanbezug des Schulbuches, zeigt sich, dass dieser Band thematisch genau auf den Thüringer Lehrplan abgestimmt ist. Wünschenswert und spannend für die SchülerInnen an dieser Stelle wäre, auch aufgrund der expliziten Deklarierung zum Thüringer Geschichtsbuch, ein Regionalbezug gewesen, auch wenn dieser nicht direkt in Stufe 10 des Lehrplans verlangt wird. So bekommt die Lehrkraft kein Handwerkszeug über die im Lehrplan verbindlich vorgesehenen Inhalte hinaus an die Hand. Ausgleichend dafür gibt es mit Ausnahme im Themenschwerpunkt der Antike die Rubrik des „Geschichtslabors“, ein das Thema jeweils erweiternder Exkurs, den sich Lehrende mit dem Ziel eines eigenständigeren Arbeitens der SchülerInnen oder zum Zwecke des Projektunterrichts zu Nutze machen kann. Die Lernenden können an dieser Stelle, aufgefordert durch die gestellten Aufgaben, die unterschiedlichen Sichtweisen der Geschichte kennen lernen. Dieses Kapitel verdient zu Recht die Titulierung „Labor“, denn es fördert die Kreativität und die kontroverse Denkweise der SchülerInnen (beispielsweise durch Rollenspiele, selbstverfasste Interviews sowie durch Pro- und Contra-Debatten). Während das „Geschichtslabor“ den Lernenden des 10. Jahrgangs „wie ein Bonbon“ erscheinen mag, ist man hingegen bei der Gestaltung der insgesamt sehr anspruchsvollen Verfassertexte nur wenig auf sie als Zielgruppe eingegangen. So häufen sich in den Verfassertexten Fremdworte, die teils kurz, teils gar nicht erklärt sind, so dass selbst motivierte SchülerInnen bei selbstständiger Textarbeit durch das permanente Nachschlagen im unvollständigen Glossar entmutigt werden könnten. Daher ist das selbstständige Handeln der Lernenden wegen der fehlenden Selbstkontrolle nur begrenzt möglich. Insgesamt ist in den Kapiteln aber der im Gegensatz zu Bildquellen größer ausfallende Textanteil positiv zu bewerten, da er für die Altersstufe angemessen ist und eine gute Vorbereitung auf die Oberstufe erfolgen kann.
Die Kapitel beginnen nach der Einstiegsdoppelseite mit einem Verfassertext, worin elementare Grundkenntnisse vermittelt werden. Auch die Bildquellen, die ab der ersten Seite eines jeden Kapitels eingesetzt werden, sorgen für Anschaulichkeit. Folglich kann man das Verhältnis von Verfassertext und Bildquellen oder Materialien als ausgewogen bezeichnen. Leider nimmt der Verfassertext, beispielsweise auf der Einstiegsdoppelseite 6/7, bereits diejenigen Ansätze vorweg, die ansonsten in interpretatorischer Bildarbeit herausgefunden werden könnten. Auf gelungene Art und Weise bemüht man sich wiederum um den Aspekt der Multiperspektivität, die sich nicht nur in Verfassertexten, sondern auch in den Quellen zeigt. Insofern bildet zum Beispiel die Rede Andrej Schdanows auf Seite 26 einen deutlichen Gegensatz zum Vortrag George Marshalls vom 05.06.1947. Auf diese Weise werden sowohl die sowjetische als auch die amerikanische Sichtweise auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau dargestellt. Dahingegen mangelt es im Themenschwerpunkt der Antike an multiperspektiven Darstellungen, so dass sich dieser Bereich als Schwachpunkt herausstellt. Noch intensiver als die Multiperspektivität ist dagegen die Kontroversität durch nahezu alle Kapitel hindurch berücksichtigt worden. Sie kann im Unterricht durch verschiedene Methoden, etwa der Nachbildung öffentlicher Gesprächsformen wie dem Interview, einer Pro-Contra-Debatte, einer Talkshow oder mittels sonstiger Streitgespräche realisiert werden. So zeigt sich anhand der nach diesem Modell umgesetzten Arbeitsaufträge beispielsweise auf den Seiten 87, 108 und 135 ein großes Bemühen in der Umsetzung dieses Kriteriums.

Fachwissenschaftliche Kriterien
Die Aktualität des Forschungsstandes zeigt sich zunächst in den Verfassertexten, aber auch darüber hinaus durch die Integration aktueller Kontroversen. So versuchen die SchulbuchautorInnen immer wieder aktuelle Meinungen von Historikern zu dem jeweiligen Thema mit einzubeziehen.
Die Autorentexte sind allgemein als sachlich zu charakterisieren und sind somit im Rahmen ihrer Möglichkeiten werturteilsfrei. Darüber hinaus sind sie aufgrund ihres parataktischen Satzbaus leicht verständlich. Es ist auffällig, dass in die Verfassertexte immer wieder Quellenzitate integriert beziehungsweise Inhalte aus Quellen paraphrasiert werden, was in zweierlei Hinsicht als positiv zu bewerten ist. Den Lernenden wird auf diese Weise zum einen wird gezeigt, dass Geschichte ein Konstrukt ist, zum anderen, dass der Quelleninhalt nicht immer für realitätsgetreu gehalten werden darf. Beide Aspekte finden sich zum Beispiel auf Seite 130 wieder: „Während der Geschichtsschreiber HERODOT von 1,7 Millionen Soldaten spricht, schätzen moderne Historiker die Truppenstärke auf etwa 150 000 Kämpfer“. Inhaltlich lässt sich sagen, dass im Großen und Ganzen eine gute Reduktion der Texte vorliegt; vereinzelt geht diese jedoch zu Lasten der Verständlichkeit. Dies zeigt sich beispielsweise auf Seite 131 im Absatz zu der Schlacht bei den Thermopylen.
Die Quellen- und Bildnachweise erscheinen korrekt, nur ist die Auflistung im Bildverzeichnis in alphabetischer Form ungeeignet. Besser wäre an dieser Stelle eine Auflistung nach Seitenzahlen, um eine Einordnung der Bildquellen auf den ersten Blick zu ermöglichen.

Methodische Kriterien
Zunächst scheint es, als lasse sich das Schulbuch im Unterricht gut verwenden, denn es wird eine große Vielfalt an Material geboten, die von Quellen, Karten und Schaubildern bis zu Tabellen, Abbildungen oder Karikaturen reicht. Mit diesem abwechslungsreichen Arbeitsmaterial haben die SchülerInnen die Möglichkeit sich unterschiedliche Methoden des historischen Lernens anzueignen und zu verwenden. Leider wird dies nicht in angemessener Weise durch das Schulbuch unterstützt, denn alle Arbeitsaufträge oder Fragestellungen des Schulbuches beziehen sich ausschließlich auf Textquellen. Das übrige Abbildungsmaterial erscheint somit nur als bunte Untermalung der Textinhalte. Da das Schulbuch zu diesem Material also keine Impulse anbietet, liegt es allein im Ermessen der Lehrerkraft, selbst Aufgaben zu erstellen, um den Lernenden zu ermöglichen, unterschiedliche Arbeitsmethoden anzuwenden. Werden ausschließlich die vorhandenen, sich ähnelnden Aufgabenstellungen im Unterricht verwendet, kann dies zu einem eintönigen Unterricht führen. Unabhängig von der fehlenden Aufgabenvielfalt, lassen sich die vorhandenen Arbeitsanweisungen jedoch gut in den Unterricht integrieren, denn sie sind kurz und präzise gestellt und somit leicht verständlich.

Fazit
Auf den ersten Blick erscheint das Schulbuch durch seine motivierende graphische Gestaltung, die abwechslungsreiche Materialauswahl, seinen Preis und sein geringes Gewicht sowohl für Lehrkraft als auch für SchülerInnen attraktiv. Nach einer detaillierten Analyse kann jedoch nur ein mittelmäßiges Gesamturteil für „Anno 10“ Thüringen abgeben werden. Positiv erscheinen, wie oben ausgeführt, der gut strukturierte Kapitelaufbau, die genaue Abstimmung auf den Lehrplan, das Bemühen um Multiperspektivität und Kontroversität sowie die Integration aktueller Kontroversen. Weitere Stärken des Buches liegen in der Darstellung der Geschichte als Konstrukt sowie der präzisen und klar verständlichen Formulierungen der Arbeitsaufträge. Auch die Kapitelzusammenfassung, das „Geschichtslabor“ und der Zeitstrahl, die die Themenbereiche zur Neuzeit aufwerten, bestätigen den  positiven Eindruck. Letztgenannte drei Aspekte finden sich jedoch leider nicht im Themenbereich Antike wieder. Eine weitere gravierende Schwäche weist das Schulbuch im Bereich der Methodik auf. Mit den in großer Anzahl und Vielfalt vorkommenden Bildquellen lässt sich nur bedingt arbeiten, da hierzu keinerlei Arbeitsaufträge gestellt werden. An dieser Stelle ist es die Aufgabe der Lehrerkraft das Buch durch ergänzende Aufgabenstellungen Gewinn bringend zu nutzen und durch die dadurch entstehende Abwechslung einen Lernerfolg mit Spaßfaktor im Fach Geschichte zu erwirken.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Dreyer, Katharina, Kristin Steffen und Cindy Thode. Rezension zu: Anno 10 von Askani, Bernhard und Elmar Wagener (Hg.). Braunschweig: Westermann 2000, ISBN 978-3-14-110960-3, Edumeres 2009, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/dreyer-katharina-kristin-steffen-und-cindy-thode/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.