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Ethik / Philosophie, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

ethikos – Arbeitsbuch für die Oberstufe

ethikos – Arbeitsbuch für die Oberstufe
Herausgegeben von Applis, Stefan et al.
Erschienen München: Oldenbourg, 2013
Seitenanzahl 440
ISBN 978-3-637-01228-8
Geeignet für Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Hamburg, Berlin, Thüringen
Rezensiert von Keßler, Andreas, Eleni Traianou und Melina Möhring (Studierende), 4. September 2015

Rezension von Keßler, Andreas, Eleni Traianou und Melina Möhring (Studierende)


Einleitung
Das neue Oberstufenlehrbuch des Oldenbourg-Verlags heißt „ethikos“ und man fragt sich sogleich, was dieser Titel wohl bedeutet. Der Begriff der „Ethik“ leitet sich schließlich vom griechischen Wort „ethos“ ab. „Ethikos“ hingegen klingt zunächst fremd. Leider findet sich im gesamten Schulbuch kein Hinweis darauf, was dieses Wort, dessen Bedeutung als Titel des Lehrbuchs zentral zu sein scheint, nun bedeuten mag. Glücklicherweise spricht eine der Rezensentinnen muttersprachlich Griechisch und konnte uns diesen Begriff als „ethisch handelnder Mensch“ übersetzen, was die Vermutung nahe legt, dass sich dieses Schulbuch eingehend mit eben solchen Menschen beschäftigt bzw. Schülerinnen und Schüler dazu anleitet, eben solche Menschen zu werden.
Rein optisch macht der ansprechend gestaltete Softcover-Einband Lust, einen Blick hineinzuwerfen. Auch beim ersten Durchblättern besticht das Buch durch ein angenehm-unauffälliges, der Oberstufe angepasstes Design und sehr aktuelle Themen. Einige dieser Themen werden bereits auf dem Cover in einem „Wörter-Dschungel“ präsentiert. Man erhofft sich, dass der Inhalt des Buches nun Ordnung in dieses „Chaos“ bringt.

Konzept
Die elf Autoren haben das Schulbuch, angelehnt an die Lehrpläne, in die vier Überkapitel „Theorie und Praxis moralischen Handelns“, „Voraussetzungen des Urteilens und Handelns“, „Recht und Gerechtigkeit“ und „Religion und Religionskritik“ eingeteilt, die sich dem Leser nur erschließen, wenn er die Einleitung liest. Anders als man es erwarten würde, sind die Überkapitel im Inhaltsverzeichnis dünn gedruckt, während die Unterkapitel optisch hervorgehoben sind, was zunächst zu Verwirrung führt. Ein Blick auf die Einführungsseite lohnt sich jedenfalls, da hier die Struktur des Inhaltsverzeichnisses und die durch das Lehrbuch führenden Piktogramme erläutert werden. Dabei handelt es sich vorwiegend um Basiskästen, methodische Hinweise und multimedial weiterführende Informationen und Lektürehinweise. Von diesen sind im Buch zahlreiche zu finden; so werden beliebte Methoden, wie z. B. die Interpretation von Karikaturen, kurz erklärt und dem Umgang mit den oftmals sperrigen Texten der philosophischen Klassiker eine eigene Einheit gewidmet. Zudem wird hier auf das am Ende des Buches befindliche „ethikos-Lexikon“ für Begriffe und Methoden sowie auf das Personen- und Sachregister, das sich daran anschließt, verwiesen. Nach der Einführungsseite beginnt die Auflistung des Inhaltsverzeichnisses, wobei auffällt, dass auch die Unterkapitel stark an dem Hessischen Lehrplan orientiert sind – aber auch die zusätzlichen Themen weiterer Lehrpläne werden berücksichtigt. Dadurch kommt es zu teilweise nicht nachvollziehbaren Themeneinteilungen sowie zu Zuordnungen, die weder stimmig noch sinnig sind. Beispielsweise erscheint es uns sinnvoll den Bereichsethiken das Kapitel über Recht und Gerechtigkeit anzuschließen, anstatt die anthropologischen Themen dazwischenzuschieben. Da „Recht und Gerechtigkeit“ jedoch ein eigenständiges Halbjahresthema ist, kann die Auslagerung nachvollzogen werden.

Die Themen an sich sind wiederum größtenteils schülergerecht und problemorientiert gestaltet, da in den Aufgabenstellungen oftmals ein Alltagsbezug hergestellt werden soll. Zudem sind sehr viele der Themen recht aktuell, da beispielsweise auf die Flüchtlingsproblematik etc. eingegangen wird. Größtenteils altersangemessen nähert sich das Lehrbuch den Thematiken. Zu kritisieren ist, dass – bis auf wenige Ausnahmen – philosophische, religionskundliche und sozialwissenschaftliche Aspekte nebeneinander her, statt aufeinander bezogen dargestellt werden. Beispielsweise wird zum Thema „Religiöses Freiheitsverständnis“, dessen Auslagerung an sich schon recht fragwürdig ist, einzig und allein Luthers mehrere Jahrhunderte alte Perspektive aufgeführt. Hier hätten wir uns mindestens eine weitere Ansicht gewünscht.

Inhalt
Eines der Piktogramme führt verschiedene Methoden ein, die den Kompetenzaufbau schulen sollen. Beispielsweise fordert eine Aufgabenstellung die Erstellung einer Mindmap, deren Anfertigung im Methodenkasten darunter erklärt wird. Dabei wurde darauf Wert gelegt, dass sämtliche Methoden zur Texterschließung und -präsentation eingeführt werden, die teilweise Oberstufenschülern bereits bekannt sein sollten. Im Verlaufe des Buches werden bereits eingeführte Methoden wieder aufgegriffen, während andere versanden. So wird die Mindmap-Erstellung zu Beginn des Buches eingeführt und bis zum Schluss immer wieder in den Aufgabenstellungen gefordert, während die Erarbeitung von Lernplakaten lediglich an der Stelle der methodischen Einführung genutzt wird.
Hierbei ist hervorzuheben, dass den Schülerinnen und Schülern der Kompetenzaufbau aufgrund der eingeführten Methodenkästen transparent gemacht wird.
Bezüglich der Leseförderung ist zu sagen, dass die Aufgabenstellungen auf eine facettenreiche Auseinandersetzung mit den Texten angelegt sind. Die Quellentexte werden durch eine Einleitung angemessen eingeführt und durch zugehörige Aufgabenstellungen erarbeitet und somit vertieft. Darüber hinaus werden zusätzliche Aufgabenstellungen angeschlossen, die zur weiterführenden Beschäftigung anregen.
Die Texte sind größtenteils nur mit Portraits der Autoren illustriert; dafür werden aber schwierige Gedankengänge gelegentlich mit erklärenden Graphiken, Schemata etc. veranschaulicht. Generell gibt es viele Textquellen, jedoch nur wenige Bildquellen.

Die Textsortenauswahl ist im Wesentlichen auf Auszüge aus den philosophischen Klassikern fokussiert, die als Originaltexte in Übersetzung präsentiert werden. Daneben gibt es ein paar Zeitungsartikel beziehungsweise Interviews, die für eine gewisse Vielfalt sorgen. Bei der Wahl der Autoren lassen sich bestimmte Favoriten der Herausgeber erkennen, deren Verortung bei bestimmten Themen fragwürdig ist. Beispielsweise beginnt die philosophische Betrachtung des Freiheitsproblems mit Aristoteles, dessen Behandlung in diesem Zusammenhang ein wenig erzwungen wirkt. Durch die im Folgenden behandelnden Autoren wird die Thematik ziemlich gut auf dem Punkt gebracht, sodass Aristoteles in diesem Fall eigentlich überflüssig wird.

Aufgaben
Die Aufgabenstellungen wurden dem Niveau der Oberstufe entsprechend formuliert, da nur sehr vereinzelt W-Fragen gestellt und größtenteils mit Operatoren gearbeitet wurde. Zudem sprechen die Aufgabenstellungen unterschiedliche Schwierigkeitsstufen an, die sich von der reinen Reproduktion bis zum Transfer erstrecken. Zum Großteil stringent wurde der Dreischritt eingehalten, wobei nur sehr selten zunächst das bereits vorhandene Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aktiviert werden soll. Bei den Aufgabenstellungen werden von dem Lehrbuch eingeführte Methoden gefördert und gefordert, sodass die Verknüpfung von theoretisch gelernter Methode und direkter Anwendung dieser hergestellt wird. Besonders die Transferaufgaben sind größtenteils an die Lebenswelt von Oberstufenschülerinnen und -schülern angepasst, während einige Reproduktionsaufgaben schlicht unter den erwartbaren Anforderungen an Schülerinnen und Schüler in diesem Alter liegen. So soll bei einigen Aufgaben ein Begriff in eigenen Worten erläutert werden, zu dem im Anschluss an die Aufgabenstellung ein anderthalbseitiger Basiskasten folgt, der eben diesen geforderten Begriff ausführlich definiert. Die Vielfalt der zu bearbeitenden Aufgaben ist groß, da oftmals ganze Aufgabenblöcke, bestehend aus bis zu 21 Aufgaben zu einem Thema, zur Verfügung stehen, die zudem noch in einem strukturierten Zusammenhang zueinander stehen. Dadurch hat sowohl die Lehrkraft als auch die Schülerin / der Schüler selbst die breite Auswahl an ganz unterschiedlichen Aufgabentypen. Auf Seiten der Lehrkraft wird also die Möglichkeit eines binnendifferenzierten Arbeitens erleichtert. Was die Aufgabenstellungen dieses Lehrbuchs angeht, bietet „ethikos“ also ein breites Spektrum an klar formulierten und gut durchdachten Möglichkeiten.

Fazit
Wie die Rezension überblickend zeigt, weist das Oberstufenlehrbuch „ethikos“ Stärken und Schwächen auf. Sowohl die Textauswahl als auch die Aufgabenstellungen bestechen durch Vielseitigkeit und Lebensweltbezug. Leider zeigt sich bei der Betrachtung des Konzepts, dass kein roter Faden eingehalten wurde, was wahrscheinlich an der großen Autorenanzahl liegt. Dies hat Uneinheitlichkeit bei der Seitengestaltung zur Folge, wodurch einige Thematiken ansprechend bzw. andere weniger ansprechend eingeführt werden.

Wie durch den Titel des Lehrbuchs intendiert, erhalten Schülerinnen und Schüler einen Überblick über ethisch handelnde Menschen und werden durch die Aufgabenstellungen, Thematiken etc. dazu motiviert, sich und ihre Lebenswelt aus ethischer Perspektive zu betrachten und zu hinterfragen. Durch die Bearbeitung und Auseinandersetzung mit dem Buch wird es den Jugendlichen ermöglicht, ihre ganz persönliche Struktur und Ordnung in den von uns eingangs erwähnten „Wörter-Dschungel“ zu bringen. Dies ist besonders positiv zu sehen, da die Beschäftigung mit philosophischen Begriffen in keiner Weise den Anspruch stellt, definitorisch einheitlich zu arbeiten, sondern gerade auf Vielfalt und Meinungspluralität setzt.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Keßler, Andreas, Eleni Traianou und Melina Möhring. Rezension zu: ethikos – Arbeitsbuch für die Oberstufe von Applis, Stefan et al. (Hg.). München: Oldenbourg 2013, ISBN 978-3-637-01228-8, Edumeres 2015, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/kessler-andreas-eleni-traianou-und-melina-moehring/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.