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Geschichte, 7./8. Schuljahr, 9./10. Schuljahr, Oberstufe, Andere Schulart, Gesamtschule, Gymnasium

Invitation to History – Volume 1

Invitation to History – Volume 1
Herausgegeben von Weeke, Annegret
Erschienen Berlin: Cornelsen, 2006
Seitenanzahl 144
ISBN 978-3-06-064263-2
Geeignet für Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Berlin, Bayern, Thüringen
Rezensiert von Schuh-Fricke, Ulrike (Lehrerin), 1. August 2008
Reihe Materialien für den bilingualen Unterricht

Rezension von Schuh-Fricke, Ulrike (Lehrerin)


Einleitung zur Konzeption des Buches
In dem Titel wird ein Anspruch des Buches deutlich gemacht: die Schülerinnen und Schüler werden eingeladen, die Entwicklungen und Veränderungen vom 18. Jahrhundert bis in unsere moderne Zeit nachzuvollziehen, zu verstehen und zu begreifen. Und dies alles in einer fremden Sprache.
Sinnvollerweise erheben die Autoren nicht den Anspruch, die letzten 250 Jahre umfassend darzustellen; stattdessen werden an exemplarisch ausgewählten Themen die Ursachen und Ergebnisse von grundlegenden Umbrüchen und Veränderungen der neuzeitlichen Geschichte dargestellt und unter verschiedenen Fragestellungen beleuchtet. So ist es auch nur konsequent, dass das vorgelegte Buch von seinen Autoren selbst nicht als Geschichtsbuch deklariert wird, sondern als „Materialien für den bilingualen Unterricht – Geschichte“. Und Materialien und Aufgaben liefert das Buch in großer Fülle.

Aufbau des Buches
Gehen wir zurück auf den eigentlichen Titel - „Invitation to History“ - und lassen wir uns einladen auf einen Weg durch

- die Geschichte der Entstehung und Gründung der USA,

- die Geburt und das Heranwachsen der Industriellen Revolution zunächst in Großbritannien, dann in Europa und dem Rest der Welt,

- die Französische Revolution

- die Geschichte der deutschen Nation im 19. Jahrhundert: von der gescheiterten Revolution im Jahre 1848 bis zur Einigung mit „Blut und Eisen“ im Jahre 1871 - orchestriert und dirigiert von Bismarck,

- die Aufteilung Afrikas und Asiens durch die Großmächte der damaligen Welt,

- das Fegefeuer des 1. Weltkrieges.

Gestaltung und Bildmaterial
Der Einband des Buches ist sehr einladend und die beiden Bilder zeigen deutlicher als der Aufbau und die Texte das bildungspolitische Anliegen des Buches: In dem einen Bild überreichen die Vertreter der englischen Kolonien in Amerika ihrem König bzw. dessen Vertretern ihre Kündigung (besser bekannt als die Unabhängigkeitserklärung), in der nicht nur die Beschwerden der Siedler aufgezählt werden, sondern die Menschenrechte als die Grundlage eines demokratischen Staatswesens aufgeschrieben und zum ersten Mal politisch umgesetzt werden. Das gewählte Gemälde macht dies in der Art und Weise, wie die Protagonisten dargestellt werden, bereits deutlich: Selbstbewusst und aufrecht, gekleidet wie ihre englischen „Peers“, stehen die Vertreter der zukünftigen USA ihren ehemaligen Herren gegenüber.
Das zweite Bild zeigt Deutschland, so wie es sich in vielen klischeehaften Darstellungen wiederfindet: Männer in Uniform, mit Säbeln, Schärpen und militärischen Ehrenzeichen, die Rangunterschiede deutlich machen, und der Betrachter merkt, dass es sich bei den in diesem Bild Versammelten um einen erlauchten Kreis handelt.
Zwei Wege der Entwicklung und Entstehung von Nationen und demokratischen Systemen werden hier dargestellt und sind auch eines der zentralen Themen des Buches: der Weg von unten, bei dem die Bürger selbst ihre Einheit und Freiheit erkämpfen (USA und Frankreich) und der Weg von oben: Die herrschende Klasse gibt Deutschland die Einheit und ein bisschen Freiheit. Der Kontrast der Bilder regt zur Diskussion an, fordert zu Spekulationen auf, die den Unterricht leiten und strukturieren können, eine gelungene Einladungskarte.
Auf den inneren Klappentexten finden sich Zeitleisten, die den Schülerinnen und Schülern das chronologische Gerüst zur Einordnung und Orientierung der Kapitel liefern.
So schön der Eingang (= Einband und Klappentext) in das Gesamthaus ist, so wenig einladend ist allerdings der Eingang in die einzelnen Räume (= Kapitel) gestaltet. Anders als bei vielen anderen eingeführten Geschichtsbüchern für die SEK I werden die Kapitel nicht mit einer Doppelseite mit Bildern oder graphischem Material, die den Schülerinnen und Schüler einen Vorgeschmack auf das kommende Kapitel geben und zur Bildung von Thesen und Hypothesen anregen, begonnen. In der Regel findet sich auf der Auftaktseite eine mehr oder weniger große bildliche Darstellung, an die sich der Autorentext anschließt.

Fachdidaktisches Konzept
Die Konvention diverser Schulbücher aus dem angelsächsischen Sprachraum, dass den Schülerinnen und Schülern zu Beginn eines jeden Kapitels deutlich gesagt wird, welche inhaltlichen und methodischen Kompetenzen sie im Verlauf der folgenden Unterrichtseinheiten erwerben sollen und was sie nach dem Ende der Einheit wissen und können (sollen), ist leider nicht aufgegriffen worden. Damit wird eine Chance vertan, Ideen und Anregung zu einem kompetenzorientierten Geschichtsunterricht zu geben und dessen Realisierbarkeit zu demonstrieren.

Bild- und Quellenmaterial, Autorentexte
Positiv hervorgehoben werden muss die große Vielfalt von unterschiedlichen Quellen; die Auswahl der Bilder und Karten und deren Druckbild sind sehr gut und anregend und bieten die für den bilingualen Unterricht unabdingbar notwendigen Sprechanlässe; die zahlreichen Aufgaben zur sprachlichen Arbeit sind weitere sinnvolle und notwendig Hilfsmittel („Scaffolds“), die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, sich auch über komplexe historische Abläufe in sprachlich adäquater Form austauschen bzw. verständigen zu können. Sehr sinnvoll und gut sind die in nahezu jedem Kapitel zu findenden „Sprachübungsaufgaben“ und sprachlichen Hilfen („Activate your English“).
Alle Kapitel beginnen mit einem Autorentext, der einen Überblick über eine Epoche, die Ursachen und Wirkungen von Veränderungen gibt und die politisch bzw. historisch handelnden Personen und/oder Gruppen vorstellt. Diese Autorentexte sind gut verständlich und es gelingt, auch komplexe Zusammenhänge begreiflich zu machen ohne zu stark zu simplifizieren.
Den Autorentexten folgen dann Primär- und/oder Sekundärquellen der unterschiedlichsten Art. Die Quellen vertiefen und illustrieren die Aussagen der Autorentexte. Sie sind auch die Grundlage für die sich anschließenden Aufgabenapparate.
Die Verbindung zwischen Autorentext, Quellen und Aufgabenapparat ist allerdings nicht immer nachvollziehbar und eine doch recht große Zahl der Aufgaben kann nur sinnvoll bearbeitet werden, wenn zusätzliche Materialien in den Unterricht einbezogen werden (War das die Absicht?).

Aufgabenstellung und didaktisch-methodische Aspekte
Insgesamt sind die recht umfangreichen Aufgabenapparate die „Achillesferse“ des Buches: Häufig sind die Aufgabenapparate ebenso umfangreich oder umfangreicher als Autorentext und Quellen (z.B. 9 Seiten Autorentext und Quellen zum Thema „Französische Revolution und Napoleon“ und dazu 31 Aufgaben, von denen 16 noch einmal unterteilt sind). Zudem werden in einigen Aufgaben Möglichkeiten der graphischen Darstellung historischer Abläufe vorgestellt („tree diagram“, „Venn diagram“, „cause-and-effect diagram“), die ihrerseits zunächst erklärt und verstanden werden müssen, bevor sie von den Schülerinnen und Schülern so verwendet und angewandt werden können, wie es die dazu gestellten Aufgaben erfordern.
Die Verfasser werden sicher einwenden, dass nicht alle Aufgaben bearbeitet werden müssen, dass es sich um Angebote und nicht um Gebote handelt. Dies ist sicher zum Teil richtig, aber leider nur zum Teil: In der Regel bauen die Aufgaben aufeinander auf (ein sehr sinnvolles didaktisches und methodisches Konzept), und will man sich im Unterricht nicht nur auf Reproduktion und Transfer beschränken, so müssen doch die meisten Aufgaben bearbeitet werden, bevor die Schülerinnen und Schüler eine fundierte Beurteilung vornehmen können.
An jedes Kapitel schließt sich ein zusammenfassender Teil an, der allerdings in der Regel sehr knapp gehalten und mit einem weiteren, relativ umfangreichen Aufgabenapparat versehen ist. Es besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler (vielleicht auch die Kolleginnen und Kollegen) die Einladung zu einer weiteren Besichtigung und Erkundung der Geschichte ablehnen oder etwas verwirrt einen „Notausgang“ suchen.
Positiv zu beurteilen sind die Seiten, auf denen die Schülerinnen und Schüler das Handwerkszeug eines Historikers (Analyse von Karikaturen, Primär- und Sekundärquellen etc.) erlernen und in die Lage versetzt werden, mit diesem Handwerkszeug im weiteren Verlauf des Buches zu arbeiten.

Fazit
Trotz aller kritischen Einwände überzeugt das Buch durch die Vielfalt des Quellenmaterials, den schülergerechten Autorentext und die Vielzahl von methodischen und sprachlichen Hilfsmittel; man darf auf den Folgeband gespannt sein.