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Sozialkunde / Politik, 9./10. Schuljahr, Gymnasium, Gesamtschule

Politik & Co. Sozialkunde für das Gymnasium Thüringen

Politik & Co. Sozialkunde für das Gymnasium Thüringen
Herausgegeben von Riedel, Hartwig
Erschienen Bamberg: C. C. Buchner, 2012
Seitenanzahl 242
ISBN 978-3-7661-8845-8
Geeignet für Thüringen
Rezensiert von Lehmann, Rocco (Student), 30. January 2015

Rezension von Lehmann, Rocco (Student)


Einleitung
Das Lehrbuch Politik & Co. Sozialkunde für das Gymnasium Thüringen ist für zwei Schuljahre ausgelegt und soll den Lernenden einen Einblick in die verschiedenen Themengebiete des Lehrplans bietet.

Überblick zu Inhalten, Zielgruppen, Gestaltung
Das Buch ist in neun Kapitel untergliedert, welche zumindest auch im Inhaltsverzeichnis farblich sehr gut zu unterscheiden sind. Folgende Themen werden in Politik & Co. behandelt:

1)     Wir entdecken Politik

2)     Demokratische Mitgestaltung in Schule, Gemeinde und Land

3)     Grundzüge der politischen Ordnung in Deutschland

4)     Der politische Entscheidungsprozess

5)     Extremismus und wehrhafte Demokratie

6)     Wandel und Herausforderungen in der modernen Gesellschaft

7)     Politik in Europa - ein Erfolgsmodell?

8)     Leben in einer globalisierten Welt

9)     Wege zum Frieden

Angesprochen werden soll natürlich der Jugendliche in der neunten und zehnten Klasse im Gymnasium. Mit dezenten Farben, aktuellen Fotos und einer guten Schülerorientierung bei der Gestaltung der Beispiele ist das dem Autorenteam gelungen.

Überblick über das Konzept und den Aufbau
Jedes Kapitel beginnt mit einer Auftaktdoppelseite, welche mit vielen Bildern, teilweise auch Statistiken versehen sind. Ebenfalls auf diesen Seiten sind erste kleinere Arbeitsaufträge untergebracht, die dem Lehrenden als Lernstandserhebung dienen sollen. Darüber hinaus erfährt der Lernende auf diesen Seiten, welche Kompetenzen und welches Wissen er am Ende des Kapitels erworben haben soll.
Jedes Kapitel setzt dann mit dem Materialienteil fort, der sich hauptsächlich aus Textquellen speist, aber auch Karikaturen, Grafiken und Statistiken sowie Abbildungen umfasst.
Es gibt insgesamt acht Extra-Methodenseiten mit Erläuterungen zur jeweiligen Methode (z.B. „Rechtstexte verstehen“ oder „ein politisches Urteil fällen“). Am Ende eines jeden Kapitels steht die Doppelseite „Was wir wissen - was wir können“. Hier wird noch einmal elementares Wissen zusammengefasst, aber auch eine etwas umfangreichere Übungsaufgabe den Lernenden zur Anwendung angeboten.
Auf dem breiten Rand der Seiten sind an gegebener Stelle Begriffserläuterungen zur Unterstützung des Textverständnisses eingefügt. Jedoch werden nicht alle Begriffe erläutert. So wird beispielsweise in einer Grafik (S. 126) der Begriff „Dezil“ als Bezugsgröße verwendet und weder auf der Seite noch im Glossar erläutert.

Texte und Materialien
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Texte sich immer auf den Freistaat Thüringen beziehen. Sei es bei der Auswahl der Gesetze („Thüringer Schulgesetz“) oder beim Thema Extremismus.
Ein weiterer Aspekt, der beim Durchsehen des Lehrbuches ins Auge fällt ist die teilweise sehr verhaltene Verwendung von Abbildungen, Grafiken, Karikaturen und Schemata. Einzelne Abschnitte des Buches sind sehr textlastig gestaltet worden. Gegebenenfalls könnte dies zu Frustration bei den Lernenden führen.
Auf Seite 38 ist die erste Karikatur zu finden. Jedoch wird diese hier nur zur Zierde eingesetzt, da es keine Aufgabe dazu gibt. Die Erläuterungen zur Analyse einer Karikatur befinden sich darüber hinaus sehr weit hinten im Buch (S. 171).
Es fällt jedoch auf, dass ab dem dritten Kapitel „Grundzüge der politischen Ordnung in Deutschland“ vermehrt Schaubilder, Karikaturen und Statistiken zum Einsatz kommen und die Gestaltung dadurch abwechslungsreicher und gefälliger wird.
Angesichts Entwicklungen, wie zum Beispiel im Fall Paris-Veolia, ist die unkrititsche Befürwortung von Public-Private-Partnerships im Buch: „[...] regelmäßige Investitionen in moderne und neueste Technik [erfolgen]. Veraltete Technik würde vom Kunden wahrgenommen und der gute Ruf des privaten Investor würde darunter leiden“ (S. 41), zu verallgemeinernd und gibt nicht die Realität wieder. Gut gelungen ist die Aufschlüsselung des Wahlsystems zum Deutschen Bundestag. Wichtige Begriffe wie Erst- und Zweitstimme sowie Überhangmandate werden hier erläutert und auch zum Teil gut visualisiert.
Verbesserungsfähig ist im Kapitel 4 eine Quelle, die sich den Aufgaben des Bundeskanzlers (S. 88) widmet. Es wird zum einen nur die männliche Anrede verwendet, obwohl auf den Bildern Frau Merkel zu sehen ist und augenscheinlich beschränken sich ihre Aufgaben auf vier Gebiete: Sitzungen abhalten, Menschen treffen, Staatschefs begrüßen und Pressekonferenzen abhalten. Sind dies wirklich alle Aufgaben einer Bundeskanzlerin? Auch wenn auf der übernächsten Seite der Auftrag formuliert ist, zu recherchieren, welche Aufgaben eine Bundeskanzlerin/ein Bundeskanzler  hat, entsteht durch diese Bilder erst einmal ein verzerrter Eindruck.
Der Punkt „Wie ein Gesetz entsteht“ (S.100) wird anhand der komplizierten und vielschichtigen Verfahrensweisen zum Atomausstieg der BRD in den vergangenen Jahren deutlich gemacht. Es wird hier sehr gut gezeigt, dass durch unvorhergesehene Ereignisse Entscheidungen revidiert und andere Wege eingeschlagen werden können.

Arbeitsaufträge und Methodenvorschläge
Im Einleitungstext wird von binnendifferenzierten Aufgabenstellungen gesprochen. Deutlich zeigt sich dies im Verlauf des Buches, in dem verschiedene Aufgabentypen einsetzt werden, um den unterschiedlichen Lernertypen zu entsprechen. Neben den regulären Aufgaben gibt es insgesamt fast 15 Zusatzaufgaben, welche mit einem Plus markiert sind, die über das übliche Maß hinausgehen. Des Weiteren gibt es, leider nur sehr wenige, Verweise auf Internetquellen, welche mit einem Pfeil gekennzeichnet sind. Letztere werden aber auch ohne Markierung auf dem Seitenrand aufgeführt.
Verschiedene Methoden werden auf Extraseiten, verteilt auf alle Kapitel, etwas ausführlicher erläutert. Gut gelungen ist dies beispielsweise mit der Methodenseite „Rechtstexte verstehen“ (S. 19). Die Erläuterungen sind schülergerecht und sehr verständlich aufbereitet. In dem Kapitel wird dann auch vermehrt auf Rechtstexte zurückgegriffen, so dass die Lernenden hier das neu erlernte Anwenden und Verstehen können. Gelungen ist ebenso die Methode „Eine Erkundung durchführen“ (S. 35). Mit knappen Worten wird hier das wichtigste deutlich gemacht, was vorab beachtet werden sollte und wie man während einer Erkundung vorgehen sollte.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Methoden, die nicht besonders hervorgehoben sind, sondern einfach der Nummerierung im Materialienteil folgen. U.a. wird das Inselspiel als Minimethode vorgestellt (S. 9), welche gerade in einer aktiven und diskussionsfreudigen Klasse auch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Zum Einsatz können auch die Placemat-Methode (S. 21) und die Zeitungsrecherche (S. 90) kommen.
Die Aufgaben unter der Rubrik „Was wir wissen - Was wir können“ sind teilweise eine gute Wiederholung, jedoch lassen sich die Aufgaben meist sehr einfach mit den nebenstehenden Angaben lösen. Hier ist es fraglich, wie der Lehrende diese Klippe umschifft. Andere Aufgaben müssen sowieso vom Lehrenden aufbereitet werden (siehe „Schaubild zusammenfügen“, S. 25), da eine Bearbeitung sonst das Zerschneiden der Lehrbuchseite nötig machen würde bzw. zeitfressende Abschreibe- und Ausschneidearbeit anstehen würde. Im Rahmen der Übung „Verfassungsquiz“ sollen Begriffe den richtigen Beschreibungen zugeordnet werden. Das klingt zunächst simpel, setzt aber eine aufmerksame Auseinandersetzung mit dem im Kapitel behandelten Stoff voraus. Ein Beispiel für gelungene Schülerorientierung bzw. die Orientierung an Themen, die die Lernenden bewegen ist das Schema eines Konfliktmodells über die Einrichtung eines Skaterparks (S. 28).
Eine weitere Aufgabe (S. 79) versetzt die Lernenden gedanklich in die Situation, dass sie als Wahlbeobachter in die DDR reisen und anhand des wenigen Materials einen Bericht über Verstöße gegen demokratische Grundsätze bei der Wahl formulieren sollen.
Im Rahmen der Methode „Parteien im Internet - einen Steckbrief erstellen“ (S. 74) sollen die Lernenden verschiedene Arbeitsaufträge erfüllen, welche teilweise durch die Lehrkraft konkretisiert werden müssen. Beispielsweise gilt es herauszufinden „welche prominenten Mitglieder [...]“ die Partei hat. Doch - was ist schon prominent?, gerade für Schülerinnen und Schüler. Weiterhin sollen die Lernenden die Internetseiten anhand „verschiedener Kriterien“ bewerten. Doch auch hier stellt sich die Frage: Welche Kriterien, welcher Maßstab soll hier angelegt werden? Durchdacht ist die Aufgabe anhand eines aktuellen Themas die Internetauftritt zu durchsuchen. Hier lassen sich sicher spannende Ergebnisse und Diskussionen erzielen.
Die persönliche Meinungsbildung wird an einem sehr schönen Beispiel geübt. Unter der Überschrift „WikiLeaks - Dürfen wir alles wissen?“ (S. 85) sollen sich die Schülerinnen und Schüler positionieren. Wenn hier noch Internetquellen zur weiteren Recherche, wie an anderen Stellen im Lehrbuch, angegeben wären, würde dies die Aufgabe abrunden.
An anderer Stelle sollen die Lernenden eine Mindmap über Rechts-, Linksextremismus und Islamismus erarbeiten (S. 123). Wie eine solche aussehen soll, wird jedoch nicht erklärt. Der Lehrende sollte hier unbedingt vorab die Kenntnisse abfragen.
Als Einstieg in das sechste Kapitel (S. 125) soll die Klasse eine, zeitlich begrenzte, Diskussion über die Verteilung eines fiktiven Geldbetrages durchführen. Einige Schüler sollen das ganze protokollieren. Dies stellt eine gute Möglichkeit dar, in das Thema motivierend einzuführen. Den Abschluss dieses Unterkapitels „soziale Ungleichheit“ bildet die Aufgabe eine eigene Verfassung anhand verschiedener Kriterien Rawls zu erarbeiten (S. 141). Dies ist ein sehr schöner handlungsorientierter Auftrag, der auch zu interessanten Ergebnissen führen wird. Die Formulierungen Rawls könnten eventuell zu Nachfragen durch die Lernenden führen.
Das siebte Kapitel (S. 152) beginnt leider mit einer etwas unglücklichen Aufgabe. Die Lernenden sollen die abgebildete Europakarte abzeichnen und dann die Länder benennen. Hier muss die Sinnhaftigkeit des Ganzen nachgefragt werden.
Eine letzte Aufgabe (S. 227), die leider ebenfalls, nicht ganz geglückt ist, ist die Aufgabe ein fiktives Interview mit einem Taliban durchzuführen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich hier in die Rolle eines Talibankämpfers und auf der anderen Seite als Pressevertreter gegenüberstehen und ein Interview durchführen. Einzige Anhaltspunkte sind Informationen über Frageformen und Ablauf des Gesprächs. Ob hier wirklich sinnhafte Ergebnisse produziert werden können, wage ich zu bezweifeln.

Sonstiges
Die im Buch vorgestellten Mitwirkungsmöglichkeiten der Demokratie (S. 29) umfassen nur einige der tatsächlichen Mittel die Bürger nutzen könnten um sich politischen Prozess zu beteiligen.
Da die Erstauflage 2012 erschienen ist, wird in diesem Buch leider noch von der Kommunalwahl 2009 (S. 36) und der Bundestagswahl 2009 gesprochen. Unter Anderem bleiben so beispielsweise neue, aber derzeit relevante Parteien, wie die Piratenpartei und die AfD unberücksichtigt.
Unter dem Punkt „Mediendemokratie“ wird der Fall von Christian Wulff, Bundespräsident a.D. aufgerollt (S. 80f.). Verschiedene Presseinstitutionen werden hier zitiert und machen den unterschiedlichen Umgang der Medien mit solchen Ereignissen deutlich.

Fazit
Das Buch formuliert eingangs zwei große Ziele: politische Mündigkeit zu vermitteln und die Lehrenden mit diesem Buch zu unterstützen und einen modernen und binnendifferenzierten Unterricht zu ermöglichen (S. 3).
Das zweite Ziel wird mit diesem Lehrbuch sehr wohl erreicht. Der Unterricht lässt sich mit diesem Buch im großen und ganzen sehr gut gestalten, wenn auch an manchen Stellen weitere Hilfestellungen und Informationen von Nöten sind. Ob das Ziel der politischen Mündigkeit erreicht wird lässt sich ohne den Einsatz dieses Buches im Unterricht nicht vollumfänglich bejahen. Sie lässt sich wohl auch nur schwer überprüfen.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Lehmann, Rocco. Rezension zu: Politik & Co. Sozialkunde für das Gymnasium Thüringen von Riedel, Hartwig (Hg.). Bamberg: C. C. Buchner 2012, ISBN 978-3-7661-8845-8, Edumeres 2015, https://edu-reviews.edumeres.net/en/reviews/reviews/lehmann-rocco-22/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.