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Religion, Grundschule

Mein Islambuch 1/2

Mein Islambuch 1/2
Herausgegeben von Erkan, Serap et al.
Erschienen München: Oldenbourg, 2009
Seitenanzahl 96
ISBN 978-3-637-00553-2
Geeignet für Nordrhein-Westfalen
Rezensiert von Nordbruch, Götz (Wissenschaftler), 21. September 2012

Rezension von Nordbruch, Götz (Wissenschaftler)


Einleitung
Das Schulbuch zielt darauf, die Schülerinnen und Schüler in „ihrer Identität als Muslim/Muslima und ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Muslime (zu stärken, G.N.). Es gibt ihnen Orientierungshilfen und unterstützt sie, ihren Platz in einer Gesellschaft zu finden, die durch kulturelle, religiöse und weltanschauliche Vielfalt gekennzeichnet ist." (4) Damit folgen die Autoren einer in der pädagogischen Debatte oft geäußerten Einschätzung, nach der eine gefestigte religiöse Identität die Begegnung mit Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften erleichtere. In diesem Sinne räumen die Autoren der Auseinandersetzung mit dem Christentum und Judentum einigen Raum ein. Hier geht es ihnen darum, über das Wissen um die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede das Besondere der eigenen Religion erfahrbar zu machen und eine Identifikation mit dem Islam zu ermöglichen. Dabei beschränkt sich die Auseinandersetzung mit Diversität und Differenz allerdings ausdrücklich auf die nicht-muslimischen Teile der Gesellschaft. Das Schulbuch, so erklären die Autoren im Vorwort, „thematisiert nicht die Vielfalt konfessioneller Orientierungen (im Islam, G.N.), sondern vermittelt religiöse Grundlagen, auf die sich die Mehrheit der Muslime bezieht." (4)
Dementsprechend bilden die „fünf Säulen des Islam" und die „sechs Glaubenssätze des Islam" den Rahmen des Schulbuchs. Das Glaubensbekenntnis, das Gebet, das Fasten, das Spenden und die Pilgerfahrten werden den Unterrichtseinheiten in einer doppelseitigen Illustration einer Moschee, die auf diesen fünf Pfeilern ruht, vorangestellt. Den Abschluss des Buches bildet eine kurze Zusammenfassung der Glaubenssätze, die den Kern des islamischen Glaubens in seiner mehrheitlichen Deutung ausmachen.

Aufbau/Struktur
Das Buch selbst gliedert sich in zehn Einheiten, von denen die ersten fünf im ersten Schuljahr behandelt werden: „Ich, Familie, Gemeinschaft", „Die Schöpfung", „Mit Gott sprechen und beten", „Die Propheten und der Koran" und „Der Islam und andere Religionen". Die Themen der folgenden fünf Unterrichtseinheiten für das zweite Schuljahr sind mit jenen des ersten Schuljahrs identisch, behandeln diese Themen allerdings auf einem entsprechend höheren Niveau.

Inhalte und didaktische Umsetzung
Die jeweils erste Unterrichtseinheit widmet sich dem unmittelbaren persönlichen Umfeld der Schüler und thematisiert Freundschaft, Familie und individuelle Interessen und Vorlieben. Dabei werden Rollenverteilungen in der Familie ebenso angesprochen wie Konflikte, die sich im Zusammenleben ergeben. Betont wird hier die Notwendigkeit, sich auch als Kind in den familiären Alltag einzubringen, ohne dass dabei eindeutige Geschlechterrollen vorgegeben werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf die unterschiedlichen Biographien hingewiesen, von denen Muslime in Deutschland geprägt sind. Neben Kindern, die in Deutschland geboren wurden, kommen hier auch solche zu Wort, die in Bosnien und Afghanistan zur Welt kamen und erst später – aus unterschiedlichen Gründen – mit ihren Familien nach Deutschland emigrierten. Eine ausdrücklich religiöse Perspektive wird erst in der zweiten Unterrichtseinheit sichtbar, in der es um die Schöpfung durch Gott geht. Allah – der Begriff wird im Schulbuch synonym mit dem Wort Gott verwendet – ist der, „der die ganze Welt geschaffen hat". (25) Die ausgewählten Texte spiegeln auch hier nicht immer ausdrücklich islamische Sichtweisen. Mit Gedichten, in denen es ganz allgemein um die Natur und den Menschen geht, werden ganz allgemeine Fragen über den Ursprung der Welt aufgeworfen.
Das Verhältnis zu Gott steht in den folgenden Einheiten im Mittelpunkt. Neben der Bismillah und dem Glaubensbekenntnis werden dabei auch unterschiedliche Bittgebete und die rituelle Gebetspraxis angesprochen. Die Person des Propheten Mohammed und die Geschichte der Offenbarung, die im Koran niedergeschrieben wurde, bilden schließlich einen weiteren Schwerpunkt. Hier steht das Gemeinschaftsstiftende der Religion im Vordergrund. Mohammed erscheint dabei vor allem in seinem Wirken als Vorbild, der den „Menschen ihre Pflichten gegenüber Gott und Seiner Schöpfung und die Regeln für ein gutes Zusammenleben" (40) erläuterte. Über Geschichten aus seinem Leben erfahren die Schüler etwas vom Charakter des Propheten, der „alle Lebewesen" (46) liebte und zur Bewahrung der Schöpfung aufrief.
In den zwei Unterrichtseinheiten, die sich mit den Festen im Judentum, Christentum und Islam beschäftigen, werden schließlich ausdrücklich auch Bezüge zu den beiden anderen großen monotheistischen Religionen hergestellt. Allerdings werden nur im Zusammenhang mit den islamischen und jüdischen Beschneidungsritualen ausdrücklich Ähnlichkeiten benannt, die Muslime mit Juden teilen.
Bei der didaktischen Umsetzung der Themen dominieren Aufgabenstellungen, die direkt an die Texte anknüpfen. Nur in einigen wenigen Einheiten werden dagegen Methoden vorgeschlagen, die zu einer spielerischen und kreativen Auseinandersetzung mit den Unterrichtsthemen anregen.

Text- und Bildmaterialien
Zur Gestaltung der Einheiten dienen oft ganzseitige Illustrationen, die durch Zeichnungen und Fotos von Alltagssituationen und religiösen Motiven ergänzt werden. In kurzen Bildbeschreibungen werden die Bilder erläutert und zu dem jeweiligen Thema in Bezug gesetzt. Erst in den späteren Unterrichtseinheiten finden sich längere Texte, die über Geschichten in die Thematik einführen. Auffallend ist zudem die gleichzeitige Verwendung von religiösen und nicht-religiösen Texten, die zur Vermittlung der Inhalte gewählt wurden. Neben Suren und Hadithen finden sich hier Gedichte und Liedzeilen, die nicht unmittelbar religiöse Botschaften enthalten.
Entsprechend vielfältig sind die Aufgabenstellungen, die sich direkt an die Schülerinnen und Schüler richten. Auch hier geht es vielfach zunächst um allgemeine Fragen des Selbstverständnisses und des Zusammenlebens, die erst im weiteren Verlauf mit religiösen Inhalten verknüpft werden.
Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung der Illustrationen. Neben einigen wenigen Motiven, die der Darstellung von Geschichten aus der Frühzeit des Islam dienen, dominieren Bilder von Kindern und Erwachsenen in Situationen aus dem Alltag in Deutschland: in Familie, Schule oder Wohnviertel. Religiöse Symbole wie das Kopftuch spielen hier auch in öffentlichen Situationen, wie zum Beispiel bei der Darstellung eines Hausfestes, nur eine untergeordnete Rolle.

Aufgabenstellung
Durch die Kombination von religiösen Texten – hier vor allem Suren und Hadithe – mit nichtreligiösen Textformen wie Liedern und Gedichten gelingt es den Autoren, die unterschiedlichen religiösen Themen in den lebensweltlichen Alltag der Schülerinnen und Schüler einzubinden. Dies wird auch in den Aufgabenstellungen deutlich. So werden sie beispielsweise aufgefordert, über die Rollenverteilungen in ihren Familien oder über ihre persönlichen Erlebnisse während des Opferfestes zu berichten.
Damit bietet das Schulbuch zumindest indirekt Raum für Unterschiede, die sich in der religiösen Praxis der Familien zeigen können.

Fazit
Mit seinen Inhalten wendet sich das Schulbuch ausdrücklich an muslimische Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die in ihrem Alltag mit gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Vielfalt konfrontiert sind. Trotz der vorhandenen Vielfalt in den Unterrichtseinheiten, sticht jedoch das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf religiöse Unterschiede zwischen Muslimen ins Auge. So findet sich in den Texten selbst kein Hinweis auf unterschiedliche Varianten des Glaubensbekenntnisses, wie es beispielsweise von Schiiten gefasst wird. Durch die Rahmung des Schulbuches durch die „fünf Säulen des Islam" werden zudem andere Lesarten des Islam ausgeblendet, die nicht zuletzt von alevitischen Schülern gelebt werden. Das Schulbuch betont insofern die Einheit der Muslime, ohne dass dabei explizit auf mögliche theologische und rituelle Unterschiede eingegangen wird.
Die Entscheidung für eine solche Darstellung lässt sich mit der Schwierigkeit erklären, entsprechende Unterschiede für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 und 2 verständlich aufzubereiten. Dennoch wäre es sinnvoll, sie bereits in diesem Alter mit der Existenz unterschiedlicher Glaubensvorstellungen und –praktiken vertraut zu machen. Die Bilder, die von den Autoren zur Illustration gesellschaftlicher Diversität gewählt wurden, weisen in diese Richtung. Es wäre wünschenswert, wenn diese auch in den Texten selbst angesprochen und damit als Ausdruck gesellschaftlicher Realität vermittelt werden würde.