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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

Kurshefte Geschichte: Das Mittelalter

Kurshefte Geschichte: Das Mittelalter
Herausgegeben von Grohmann, Martin und Wolfgang Jäger
Erschienen Berlin: Cornelsen, 2007
Seitenanzahl 232
ISBN 978-3-06-064262-5
Geeignet für Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Berlin, Bayern, Thüringen
Rezensiert von Große Harmann, Manthana (Studentin), 24. Mai 2010
Projekt Universität Osnabrück, Sommersemester 2009, Mittelalter im Schulbuch

Rezension von Große Harmann, Manthana (Studentin)


Einleitung
Das Schulbuch „Kurshefte Geschichte“ aus dem Cornelsen Verlag ist ein Lehrbuch für die Oberstufe. Es beschäftigt sich ausschließlich mit dem Mittelalter. Das Thema wird allerdings nicht chronologisch erarbeitet, vielmehr versuchen die Autoren, es durch eine thematische Aufteilung zu erschließen. Diese Aufteilung wird durch Methoden- und Themensonderseiten ergänzt. Das Buch legt seinen Schwerpunkt eher auf eine methodische Erarbeitung von Arbeits- und Umgehensweisen mit dem Thema Mittelalter und mittelalterlichen Quellen als auf das Erarbeiten von allgemeinen Daten und Fakten der Epoche.
Es ist daher sehr wichtig, dass sich die Lernenden mit der Epoche des Mittelalters auskennen. Deshalb und weil die Autorentexte relativ kurz und nicht chronologisch aufgebaut sind, ist es sehr wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler profunde Kenntnisse über die Epoche des Mittelalters besitzen oder diese auch aus anderen Quellen beziehen. Dies erfordert eine gute Vor- und Nachbereitung durch die Lehrkraft.
In dieser Rezension sollen auch einige Schülermeinungen einfließen. Es wurden sieben Schülerinnen und Schüler eines Leistungskurses Geschichte der 13. Stufe zu ihrer Meinung zum „Kursheft Geschichte: Das Mittelalter“ befragt. Vorher sollten sie ausgewählte Quellen und die dazugehörigen Aufgaben bearbeiten.

Konzept des Buches
Nach Angaben der Autoren bzw. des Verlages handelt es sich bei „Kurshefte Geschichte“ um eine Materialsammlung für die Oberstufe. Diese zeichnet sich durch einen umfangreichen Quellenteil, eine einführende Darstellung sowie Methoden- und Themenseiten aus.
In der Tat ist das Buch eine fast reine Materialsammlung. Die Autorentexte sind im Vergleich zum Quellen- und Materialteil relativ gering. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Erarbeitung von Quellen und dem Umgang mit verschiedenen Historikermeinungen. Das Buch dient der Vertiefung und Vorbereitung auf das Abitur und auf das spätere Studium.
Anhand des dritten Kapitels aus „Kurshefte Geschichte“, das sich mit dem Thema „Annäherungen an das Fremde – Zur Mentalität der Menschen im Mittelalter“ beschäftigt, soll ein kleiner Einblick in die Arbeitsweise des Buches gegeben und exemplarisch aufgezeigt werden, was es leistet und was nicht.

Das gesamte Buch ist thematisch gegliedert. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem im Lehrplan vorgesehenen Thema „Mentalitätsgeschichte“. Der Einführung in das Thema dienen die Autorentexte, die sich mit den Unterthemen „Glauben und Kirche“, „Leben und Tod“, „Inquisitionsprozesse“ und „Folter und Strafe“ beschäftigen. Danach folgt eine kurze Unterweisung zur Umgangsweise mit dem Material. Der darauffolgende Materialteil beinhaltet sowohl Quellen als auch Historikermeinungen zu den vorher eingeführten Themenbereichen. Allerdings sind Quellen und Historikermeinungen nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen, da beides mit einem vereinheitlichenden „M“ für Materialien gekennzeichnet ist. Nach dem Materialteil folgen zwei Themenseiten, die sich mit „Geschlechterverhältnissen im Mittelalter“ und „Lebensrisiken in Mittelalter und Gegenwart“ beschäftigen. Zum Abschluss werden noch weitere Arbeitsanregungen gegeben. In diesem Kapitel handelt es sich hierbei um Tipps und Anregungen für Hausarbeiten zum Thema „Biografien“.

Autorentexte
Die Autorentexte sind kurz gehalten und orientieren sich an den Themen, mit denen sich das nachfolgende Material beschäftigt und leisten lediglich eine Hilfestellung für die Bearbeitung des Materials. Sie sind reich an Querverweisen zu bestimmten Quellen oder geben sogar explizite Hintergrundinformationen. Wichtige Schlagwörter zum Gesamtthema sind fett gedruckt und zu den wichtigsten Begriffen werden Definitionen bereitgestellt. Diese stammen meist von Historikern und werden auch als Zitate mit Autorenangaben gekennzeichnet. Ein Beispiel hierfür ist ein Ausschnitt aus dem Einleitungstext zur Mentalitätsgeschichte. Hier wird das Wort ’Mentalität’ von Hans-Werner Goetz im Zusammenhang mit mittelalterlicher Geschichte definiert: „‚Doch das ‚Gottesurteil’, das der erwähnte Richter herbeiführen wollte, entsprach der mittelalterlichen ‚Mentalität’, d. h. „der Art und Weise, wie Menschen denken, handeln, wahrnehmen und empfinden’ (Hans-Werner Goetz).“ (S. 28, 1. Absatz)
Auch wichtige Aspekte für die Bearbeitung bestimmter Quellen werden vorgegeben: „Die Allgegenwart von Glauben und Kirche spiegelt sich in den Quellen. Die meisten Textquellen sind von Menschen verfasst worden, die sich wie Kleriker, Mönche und Nonnen dem Kirchen- und Glaubensleben verschrieben haben und die meist als einzige lesen und schreiben konnten.“ (S. 30, 1. Absatz) Hier werden die Lernenden darauf aufmerksam gemacht, dass der Kreis potentieller Verfasser von Texten im Mittelalter relativ beschränkt war. Allerdings wird hier auch etwas zu schnell suggeriert, dass alle Textquellen ausschließlich einen religiös-kirchlichen Hintergrund haben.
Es ist nicht erkenntlich, wer die Autorentexte verfasst hat. Zu Anfang werden lediglich die Verantwortlichen des Buches genannt und ihr Konzept kurz vorgestellt.

Arbeit mit Textquellen

Das thematische Hauptaugenmerk liegt auf der Geschichte Europas. So werden fast ausschließlich europäische Quellen behandelt. Wie bereits erwähnt, sind alle Materialien, gleich ob Textquellen, Bilder, Fotos und Historikermeinungen, mit einem M für Material gekennzeichnet. Dies gestaltet die Einordnung des Materials für Schülerinnen und Schüler kompliziert. Es wird verlangt, dass sie das Material eigenständig mithilfe der Aufgabenstellung einordnen und erarbeiten, was wiederum gute Vorarbeit und Vorkenntnisse erfordert, die teilweise durch die Lehrkraft geleistet werden müssen.
Bei der Auswahl der Materialien wurde versucht, darauf zu achten, dass Quellen mit unterschiedlichen Aussagen und Positionen zur Bearbeitung bereitstehen. Oftmals wird in den Aufgabenstellungen dazu aufgefordert die Quellen zu vergleichen und in Bezug zueinander zu setzen. Auch die Historikermeinungen sind aufeinander abgestimmt, um Multiperspektivität zu vermitteln. Allerdings werden fast immer nur zwei Textquellen zu einem Thementeilbereich bereitgestellt.
Die im Zusammenhang mit dieser Rezension befragten Schülerinnen und Schüler waren mit der Präsentation der Quellentexte nicht zufrieden. Sie sollten die zwei Quellentexte auf Seite 24 bearbeiten, welche die Rolle der Frau im Mittelalter zum Inhalt hatten. Als Kritik wurde angeführt, dass der Quellentext (12c) durch Auslassungen, die nicht erklärt werden, unverständlich ist.

Arbeit mit Bildmaterial

Das Verhältnis von Bildern zum Text beträgt ungefähr ein Drittel zu zwei Drittel. Angaben zu den Bildern sind immer vorhanden. Das Bildmaterial ist sehr abwechslungsreich gestaltet und umfasst verschiedene Bildarten wie Drucke, Fotos und weitere Abbildungen, wie zum Beispiel Karten, Diagramme und Schautafeln. Letztere sind von hoher Qualität und fast immer gut erkennbar. Allerdings können nicht alle Bilder für sich stehen. Es benötigt gesonderte Methodenkompetenzen, um mit den Bildquellen umgehen zu können. Diese werden teilweise durch die Aufgabenstellung angeleitet. Trotzdem verlangt das Arbeiten mit den Bildquellen eine bereits gefestigte Kompetenz in der Bildanalyse und -interpretation. So war es zum Beispiel für die Lernenden schwierig, ein Bild (S. 42 rechts) zu bearbeiten. Der Grund dafür war, dass zu wenig Erkennungsmerkmale darin waren und diese auch nicht im Buch aufgeführt wurden. So konnte das Bild nicht explizit mit den Textquellen verbunden werden, was aber Teil der Aufgabenstellung war.

Begleitmaterial und neue Medien

Der Schlussteil des Buches beinhaltet weitführende Links zum Thema Mittelalter, allerdings sind diese schwer zu finden und werden erst gegen Ende des Buches aufgeführt. Weiteres Begleitmaterial in Form von CD-ROMs etc. ist nicht beigelegt. Auf der Rückseite des Buches wird für aktuelle Neuerungen auf die Homepage des Cornelsen Verlages verwiesen.

Aufgabenstellungen

Die Aufgabenstellungen richten sich deutlich an einen Oberstufenkurs. Die Formulierungen der Aufgabenstellungen erfordern eine genaue Unterscheidung, da sie sich sehr ähneln und dadurch häufig eine weitere Erläuterung durch die Lehrkraft erforderlich machen. Es wird zum Beispiel oft mit Worten wie, „Befunde“, „Thesen“, „Vorstellungen“, „verallgemeinerbare Schlüsse“ und „Erläuterungen“ gearbeitet. Die Aufgabenstellungen sind damit vielseitig, aber auch weit interpretierbar und nicht konkret genug. Es wird an keiner Stelle erläutert, was konkret unter diesen Begriffen verstanden wird. So erhielten die Schülerinnen und Schüler zwei Aufgabenstellungen (S. 43, Nr. 25a und b), die sie für „doppeltgemoppelt“ hielten. Zuerst sollten sie die Befunde über die Geschlechterrollen herausarbeiten und dann Thesen zu ihren eigenen Befunden formulieren. Dabei war den Lernenden nicht klar, wo der Unterschied zwischen Befunden und Thesen liegen sollte und somit auch nicht die Zielstellung der Aufgabenstellung.

Fachdidaktische Positionen und Fragestellungen
Die kritische Auseinandersetzung mit den Quellen wird durch die Aufgabenstellung und den didaktischen Ansatz der Aufgaben angeregt. Die Aufgabenstellungen enthalten fast immer Operatoren aller drei Anforderungsbereiche, die auch für die Abiturklausuren und deren Bewertung relevant werden. Sie lassen sich in deskriptive, analysierende und positionierende Aufgabenstellungen einteilen.
Die Aufgaben und die weiterführenden Anregungen zu Referaten und Präsentationen verstehen sich als Zusatzangebot. Die Lernenden erhalten oft Verweise auf mögliche Hausarbeits- und Referatsthemen mit Literaturtipps und Ansatzmöglichkeiten.
Auch Gruppenarbeiten, gemeinsame Projekte und Rollenspiele sind Teil des didaktischen Konzeptes. Sie werden durch ein rotes Männchen gekennzeichnet. Ein Beispiel ist die Anleitung zu einem Referat mit dem Thema: „Frauen an die Macht? Reichsäbtissinnen im Heiligen Römischen Reich“ (S. 43). Auch die relevante Literatur ist bereits angegeben.
Das didaktische Konzept will zu einer selbstständigen Arbeitsweise anregen und ein effektives Arbeitsverhalten für das spätere Studium antrainieren. Allerdings ist ein langsamer Aufbau der nötigen Arbeitsweise durch die Aufgabenstellung nicht erkennbar. Das Buch schreitet rasch voran und versucht so viele Kompetenzen wie möglich zu vermitteln, ohne dabei auf den sukzessiven Aufbau zu achten.

Fachwissenschaftliche Aspekte

Historikermeinungen sind ein fester Bestandteil des Buchkonzeptes. Alle Thementeilbereiche werden durch unterschiedliche Historikermeinungen weiter ausgearbeitet. Statt der Beschränkung auf Autorentexte wird den Lernenden dadurch ein Einblick in die Diskussionen unter Historikerinnen und Historikern gewährt. Der fachwissenschaftliche Anteil ist somit recht hoch und gut belegt.
Auch die Angaben zu den verschiedenen Materialien sind detailliert und leicht nachvollziehbar. So werden zum Beispiel im Themensonderteil „Geschlechterverhältnisse im Mittelalter“ zwei verschiedene Standpunkte zur Stellung der Frau im Mittelalter einander gegenübergestellt (S. 43). Dabei sind die Literaturangaben zu beiden Meinungen gut erkennbar und nachvollziehbar. So ist es möglich, sich die Stelle bei Interesse noch einmal herauszusuchen und zu überprüfen.

Fazit

Das Buch bietet für die Erarbeitung und Vertiefung der Epoche Mittelalter eine gute Grundlage. Es überzeugt durch einen hohen Materialanteil und viele Ideen für Vertiefungen der einzelnen Themen. Die thematische Annäherung an die Epoche bietet sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte eine neue Herangehensweise und neue Perspektiven.
Das Buch arbeitet methodische Aspekte sehr stark heraus. Die Hälfte des Buches soll den Lernenden nicht nur Einführung in die Epoche des Mittelalters sein, sondern auch bestimmte Fachkenntnisse und wissenschaftliche Arbeitsschritte vermitteln.
Der Anhang des Buches ist sehr umfangreich. Er wartet mit vielen weiterführenden Tipps für Facharbeiten im Fach Geschichte auf und bietet gute Grundlagen, um weiter in das Thema Mittelalter einzusteigen.
Ein großer Nachteil ist hingegen die starke Spezialisierung der Themen. Sie verlangt eine sehr hohe Arbeitsbereitschaft und muss eventuell durch weitere Geschichtsbücher ergänzt werden, die eher auf chronologische Überblicke der Epoche mit Handbuchcharakter setzen als auf eine thematische Aufteilung.
Das „Kursheft Geschichte“ hat größtenteils gute Urteile von den befragten Schülerinnen und Schülern bekommen. Der Kurs war sich einig, dass sie das „Kurshefte Geschichte“ wählen würden, um sich auf das Abitur für das Fach Geschichte vorzubereiten. Allerdings bemängelten sie auch, dass ihnen die Möglichkeit eines Überblickes fehle, um nur mit dem „Kursheft“ zu arbeiten. Es ist daher eher einem Leistungskurs zu empfehlen, der sich mit der Epoche des Mittelalters auseinandersetzt und über genügen entsprechendes Vorwissen verfügt.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Große Harmann, Manthana. Rezension zu: Kurshefte Geschichte: Das Mittelalter von Grohmann, Martin und Wolfgang Jäger (Hg.). Berlin: Cornelsen 2007, ISBN 978-3-06-064262-5, Edumeres 2010, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/grosse-harmann-manthana/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.