Geschichte, Oberstufe, Gymnasium
Horizonte I: Geschichte für die Oberstufe.
Herausgegeben von | Bahr, Frank |
---|---|
Erschienen | Braunschweig: Westermann, 2006 |
Seitenanzahl | 376 |
ISBN | 978-3-14-110935-1 |
Geeignet für | Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen |
Rezensiert von | Lerch, Melanie und Mareike Sternberg (Student), 1. July 2010 |
Projekt | Christian-Albretchts-Universität Kiel, Wintersemester 2009/10 |
Rezension von Lerch, Melanie und Mareike Sternberg (Student)
Einleitung
Mit der „Horizonte“-Reihe hat der Westermann Verlag 2007 ein neues dreibändiges Unterrichtswerk für die Oberstufe herausgebracht. Bereits das Vorwort lässt die hochgesteckten Ziele des Werkes erahnen. Das Buch soll den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, „Horizonte des Vergangenen aus der Perspektive der Gegenwart freizulegen“. Dabei sollen Multiperspektivität, ein kritischer Umgang mit der Geschichte und das Verständnis von Geschichte als Konstruktion ebenso berücksichtigt werden wie der Blick über die nationale Politikgeschichte hinaus. Dabei hat sich der Westermann Verlag nicht nur die Vermittlung von Fachwissen, sondern auch ein intensives Methodentraining auf die Fahne geschrieben. Ob das Lehrwerk seinen Ansprüchen gerecht wird, soll die vorliegende Rezension klären. Dazu werden im Folgenden die Kapitel „Griechenland“ und „Frühe Neuzeit“ des ersten Bandes exemplarisch näher untersucht. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Formalia des Werkes, seinem Konzept, den Autorentexte und der Aufgabenstellung sowie auf fachwissenschaftlichen Aspekten und – aus fachdidaktischer Perspektive – u.a. auf den Aspekten der Multiperspektivität und der Kontroversität liegen.
Formalia und Layout
„Horizonte I“ ist als dreibändiges Unterrichtswerk für die Oberstufe an Gymnasien in Berlin, Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen konzipiert und deckt alle vorgeschriebenen und empfohlenen Inhalte gemäß den Curricula der einzelnen Länder ab. Es umfasst den Zeitraum von der Antike bis zur Frühen Neuzeit. Anders als die ebenfalls existierende zweibändige Ausgabe enthält das Werk ein zusätzliches Kapitel über die islamische Welt und die Moderne und ein Kapitel zu Arbeitstechniken und Methoden sowie ein Glossar und eine weiterführende Bibliographie. „Horizonte I“ ist als Softcover erschienen. Ein Lehrerband ist derzeit nicht verfügbar.
Die Gestaltung des Einbandes (drei Abbildungen auf grünem Grund) bietet einen interessanten Bildeinstieg in die im Buch behandelten Epochen. Die verwendeten Abbildungen stellen Ausschnitte größerer Werke dar und wecken die Neugierde des Lernenden auf das Gesamtbild. Die vollständige Abbildung findet sich dann auf den einführenden Doppelseiten zu jeder Epoche wieder. Dort wird sie im Autorentext erklärt und ihre Symbolhaftigkeit für die jeweilige Epoche erörtert.
Die Gestaltung der Darstellungstexte ist übersichtlich und gut strukturiert. Die Unterkapitel werden nochmals durch Überschriften sinnvoll unterteilt und das Format bietet Raum für die zahlreichen, oft auch großflächigen Abbildungen. Die Gestaltung des Quellenteils unterscheidet sich nur unwesentlich von der des Darstellungsteils. Darin liegt jedoch auch ein gewisser Nachteil, denn die immer gleiche Gestaltung ohne farbliche Abwechslung oder klare Trennung wirkt etwas nüchtern.
Konzept
„Horizonte I“ ist als Lehr- und Arbeitsbuch konzipiert und kann darüber hinaus auch für selbständiges Lernen und Projektarbeit genutzt werden. Es besteht im Wesentlichen aus vier Teilen. Die „Einführung in die Geschichte“ (13 Seiten) klärt zunächst darüber auf, dass es sich bei Geschichte um ein Konstrukt handelt und führt anschließend in die Arbeit eines Historikers ein. Es schließen sich die Kapitel zur Antike (unterteilt in „Griechenland“ und „Rom“), zum Mittelalter, zur frühen Neuzeit und schließlich zur islamischen Welt an (318 Seiten). Das letzte Kapitel bilden die „Arbeitstechniken und Methoden“ (14 Seiten), welche farblich vom Rest des Buches abgehoben sind. Darin werden die „Werkzeuge des Historikers“ zusammenfassend dargestellt, Leitfragen aufgelistet und der Umgang mit Quellen anhand von Beispielen aufgezeigt. So werden hier eine Urkunde (Wormser Konkordat), eine Bildquelle (Otto III, Liuthar- Evangeliar), eine Karikatur (Holzschnitt von Sebald Beham), eine Statistik und eine Karte (Weltkarte aus dem Leipziger Kodex, 11. Jahrhundert) exemplarisch analysiert. Den Abschluss bilden das Glossar mit 110 Begriffen, ein Register und der Bildnachweis sowie eine Liste mit weiterführender Literatur.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Auftaktdoppelseite, die aus einem illustrierten Teil und einer allgemeinen Einführung ins Thema besteht. Sie gibt dem Lernenden bereits einen ersten Eindruck von der jeweilig zu behandelnden Epoche und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Kerngedanken der Darstellung. Daran schließen sich Autorentexte an, die – zum besseren Verständnis des Textes – durch Bilder, Karten, Schemata etc. ergänzt werden. Manche dieser Darstellungen dienen lediglich der Illustration, während andere später im Aufgabenteil als Quellen wieder aufgegriffen werden.
Klassische Leitfragen zu Beginn der Kapitel fehlen leider ganz, an wechselnder Stelle gibt es jedoch „Fragen an die Geschichte“. Diese sollen die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, das Gelernte noch einmal zu rekapitulieren und in einen größeren Zusammenhang zu setzen. An das Kapitel „Rom“ schließt sich beispielsweise die Fragestellung „Warum gehen große Reiche unter?“ (S. 137) an, welche sich ebenfalls auf die Inhalte des Kapitels „Griechenland“ bezieht. Positiv anzumerken sind die Schlagworte am Rand der Darstellungstexte. Diese ermöglichen einen schnellen Zugriff auf relevante Textstellen und strukturieren die Texte zusätzlich. An die Autorentexte schließt sich bei politikgeschichtlichen Unterkapiteln eine Chronologie an, welche die wichtigsten im Text genannten politischen Daten noch einmal aufgreift. Jedes Unterkapitel schließt mit einem Quellen- und Aufgabenteil. Die Gewichtung Darstellungsteil zu Quellenteil beträgt dabei in etwa ein Drittel zu zwei Drittel. Der Gesamteindruck des Werkes lässt sich als eher nüchtern beschreiben. Der Aufbau der einzelnen Kapitel erfolgt nach einem einheitlichen Schema. Dies fördert einerseits die Orientierung, ist jedoch andererseits recht langweilig. Dass ebenfalls auf farbliche Hervorhebungen, Infokästen mit zusätzlichen Informationen oder Zusammenfassungen verzichtet wurde, fördert diesen Eindruck noch zusätzlich.
Fachdidaktische Aspekte
Im Folgenden sollen u.a. die Autorentexte, die Aufgabenstellungen und die Beachtung der fachdidaktischen Prinzipien Multiperspektivität sowie Kontroversität untersucht werden.
Die Autorentexte behandeln neben politikgeschichtlichen Sachverhalten auch solche der Wirtschafts-, der Alltags- und Mentalitätsgeschichte, der Frauengeschichte und der Kulturgeschichte. Dabei bedienen sich die Autoren einer klaren und für die Schüler/innen der Oberstufe gut verständlichen Sprache, die sich durch ein hohes Maß an Sachlichkeit auszeichnet. Auf Beispiele wird allzu selten zurückgegriffen und auf Problematisierung zumeist verzichtet. Vor allem in der Alltags- oder Mentalitätsgeschichte fehlt das ein oder andere illustrierende Beispiel, welches die Sachverhalte anschaulich und spannend machen würde. So werden Ereignisse und Zusammenhänge nur aneinandergereiht, was auf Dauer für die Schülerinnen und Schüler ermüdend sein dürfte. Fachtermini werden von den Autoren entweder im Fließtext eingeführt („[...] entstand der für Griechenland typische Stadtstaat, Polis genannt.“ (S. 34) oder in Klammern übersetzt („[...] bedurfte es weiterer Zahlungen, um einen Dispens (Ausnahmebewilligung) von Papst Leo X. zu erhalten.“ S. 288) und zentrale Begriffe im Glossar näher erläutert.
Dass es nicht „die“ Geschichte gibt, sondern dass sie von Historikern anhand von Quellen rekonstruiert wird, stellen die Autoren an verschiedenen Stellen heraus („der Ursprung der Spiele liegt in vorhomerischer Zeit. Die übliche Datierung auf das Jahr 776 v. Chr. ist eine aus der Rekonstruktion der Siegerlisten herrührende Festsetzung.“ S. 37; „Die große Mehrzahl der Historiker sieht in der Zeit um 1500 die entscheidende Zäsur zwischen Mittelalter und Neuzeit [...]“ S. 259). Die Schülerinnen und Schüler lernen daraus, dass es kein allgemeingültiges, unumstößliches Geschichtswissen gibt, sondern dass es sich hierbei um Festlegungen von Historikern auf der Basis von Quellenmaterial handelt, die Vergangenheit mithin rekonstruiert wurde. Der falsche Nimbus der Unanfechtbarkeit wird hier – zumindest an einigen Stellen – zerstört und den Schülerinnen und Schülern Raum für eine kritische Auseinandersetzung mit Geschichtsdeutungen eröffnet. Positiv auf einen solchen Prozess hätte zusätzlich eine fragende Formulierung der Überschriften wirken können. Diese Methode wird von den Autoren jedoch leider nur in den als positiv zu bewertenden Abschnitten „Fragen an die Geschichte“ angewendet (z.B. „Warum werden aus Fragen des Glaubens politische Konflikte?“, S. 300). Dort werden die Schülerinnen und Schüler dazu animiert, das im Kapitel zuvor Gelernte noch einmal zu rekapitulieren bevor sie sich mit dem Darstellungstext und den angefügten Quellen näher auseinandersetzen.
Der Aufgabenkomplex findet sich jeweils zu Ende der Unterkapitel im direkten Anschluss an den Quellenteil. Begonnen wird zunächst mit Fragen aus den ersten beiden Anforderungsbereichen („Beschreiben Sie die Organisation der Polis“, S. 66, „ Erklären Sie, worauf die wirtschaftliche Macht der Fugger beruhte“, S. 286), wobei sich auch „W-Fragen“ finden („Wie legitimierte Aristoteles die Sklaverei?“ S. 73). Die letzten Fragen eines Aufgabenkomplexes entstammen dann zumeist dem dritten Anforderungsbereich („Vergleichen Sie die Stellung der Frau in Athen mit Sparta“ S. 73, „Beurteilen Sie die griechische Erziehungsmethoden aus heutiger Sicht“ S. 73). So wird den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben, ihr Wissen sowohl zu festigen als auch auf komplexere Sachverhalte zu transferieren und eigene Lösungsansätze zu finden.
Getrübt wird dieses Vorgehen dadurch, dass bei den Fragen zu den Anforderungsbereichen I und II Anmerkungen eingefügt sind (z.B.: „Charakterisieren Sie das Verständnis, das Karl V. von seiner eigenen Herrschaft besaß.“ Mit dem Hinweis auf M3, M9, S. 286), die dem Lernenden aufzeigen, wo die „richtige“ Antwort zu finden ist. Dies lenkt den Blick der Schülerinnen und Schüler in hohem Maße und verhindert die eigenständige Auseinandersetzung mit der Frage. Der Sinn einer Fragestellung liegt in den Augen der Autoren anscheinend darin, die entsprechenden Textpassagen bzw. Quellentexte nach der geforderten Lösung zu durchsuchen. Darüber hinaus werden die Schülerinnen und Schüler an keiner Stelle dazu angeregt, Lösungsansätze anhand von Medien abseits des Unterrichtswerkes zu finden. Aufgabenstellungen, die z.B. die Sozialkompetenz fördern würden („Diskutieren Sie...“) sowie kreative Aufgaben (Verfassen von Streitgesprächen etc.) fehlen in den von uns untersuchten Kapiteln leider gänzlich.
Die Autoren von „Horizonte I“ betonen im Vorwort den multiperspektivischen Ansatz des Buches, „bei dem klassische historische Texte mit solchen aus anderen Fachgebieten in jeweils unterschiedlicher Gewichtung kombiniert werden“. Die reichhaltig vorhandenen Text- und Bildquellen, die die Autorentexte im Umfang überwiegen, bieten dem Schüler ein multiperspektivisches Bild von den jeweiligen historischen Ereignissen. Die Textquellen gliedern sich in historisch- politische Primärquellen und wissenschaftliche Sekundäranalysen. Dies eröffnet dem Leser eine erhebliche Bandbreite an Erschließungsmöglichkeiten der Vergangenheit.
Neben den klassischen historischen Texten finden sich auch Quellen aus anderen Fachgebieten. Berücksichtigt werden dabei u.a. verschiedene Aspekte der Politikwissenschaft, der Sozialgeschichte und der Ökologie. Im Kapitel 5.3., mit dem Thema Reformation, macht z.B. ein Kunsthistoriker deutlich, wie sehr die Reformation mit einer Medienrevolution einherging (S. 295, M7). Die Gegenüberstellung von Bild- und Textquellen bietet dem Lernenden zudem einen vielseitigen Zugriff auf Geschichte.
Kritisch gegenüberstellen kann man dieser multiperspektivischen Vorgehensweise allerdings, dass einige wenige Kapitel des Buches gänzlich auf diesen Aspekt zu verzichten scheinen. So zum Beispiel im Kapitel 5.6., welches Glaubenskämpfe in Europa thematisiert (S. 318-S. 323). Hier beschränkt sich die Quellenauswahl ausschließlich auf Bildmaterial, das nicht ausreichend ist, um eine multiperspektivische Sicht auf die Geschehnisse dieser Zeit zu ermöglichen. So schreiben die Autoren im Anhang des Buches unter „Arbeitstechniken und Methoden“ selbst, dass der „schriftlichen Überlieferung eine überragende Bedeutung zufällt“. Ohnehin fällt dieses Kapitel mit knapp 5 Seiten und nur 3 Aufgabenstellungen, wovon nur eine Frage direkten Bezug zu den Bildquellen herstellt, sehr kurz aus. Wenngleich das Bestreben der Autoren bei der Quellenauswahl im Hinblick auf das gesamte Werk auf einen erhöhtes Interesse an Multiperspektivität schließen lässt, so muss das Fehlen dieses Gesichtspunktes im oben genannten Kapitel negativ bewertet werden.
In den Autoren- und Darstellungstexten des Buches nimmt der Begriff der Kontroversität überhaupt keinen Raum ein. Der Leser bekommt einen Überblick und eine Zusammenfassung über die historischen Ereignisse. Es wird allerdings auch der Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Aneinanderreihung von Daten und eine Zusammenstellung von Tatsachen, die eine kontroverse Interpretation hemmen und nicht fördern. Zudem tragen die Texte aus dem eben genannten Gründen nicht dazu bei ein offenes Geschichtsbild für den Lernenden entstehen zu lassen.
Durchweg positiv zu bewerten ist, im Hinblick auf die Quellenauswahl, aber auch auf die Gesamtkonzeption des Buches, der hergestellte Gegenwartsbezug. Den Lernenden wird dadurch ermöglicht, die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart zu sehen. Das Verständnis der zeitlichen Dimensionen von Geschichte, die Historizität, und die Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, braucht der Lernende um ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein ausbilden zu können. Es werden nicht nur verschiedene Forschungsansätze im Materialteil präsentiert, und damit an diesen Stellen auch Ansätze der Kontroversität bedacht, sondern es werden mit den Kapiteln „Fragen an die Geschichte“ auch Bezüge zur Gegenwart hergestellt und problematisiert. Auf das 3. Kapitel des Buches mit dem Thema „Rom – Vom Stadtstaat zum Weltreich“ folgt zum Beispiel ein problemorientierter und vertiefender Teil „Fragen an die Geschichte“. Hier stellen die Autoren eine Verbindung zur Sowjetunion, zum indischen Mogulreich, und zum Osmanischen Reich her. Die Schülerinnen und Schüler erfahren eine erweiterte Dimension des vorangegangenen Lernens, indem sie auf diachronem Wege Vergleiche herzustellen lernen. Die Ausweitung der Perspektive auf außereuropäische Themen ist ebenso positiv zu bemerken. Gegen Ende des Buches findet der Leser einen umfangreichen Ausblick auf die islamische Welt. Dadurch gelingt die Verknüpfung historischen Lernens mit aktuellen historisch- politischen Problemlagen.
Fachwissenschaftliche Aspekte
Eine umfassende Quellenauswahl spiegelt nicht unbedingt den aktuellen Forschungsstand wieder. Wie im oberen Abschnitt bereits erwähnt, besticht das Buch zunächst mit einem ausführlichen, multiperspektivisch gewählten Quellenteil. Bei der Wahl der Sekundärliteratur ist allerdings nicht unbedingt Aktualität erkennbar. Das Erscheinungsjahr der aufgeführten Sekundärquellen bewegt sich zwischen den 60er und 90er Jahren. Um einen aktuellen Forschungsstand wiedergeben zu können, müssten auch Werke neueren Erscheinungsjahres berücksichtigt werden.
Es werden sozialgeschichtliche, ökonomische und ökologische Aspekte sowie Frauen- und Mentalitätsgeschichte kapitelübergreifend behandelt. Insbesondere der Komplex Gender findet sich in diesem Buch in einigen problematisierenden Abschnitten wieder. Unter „Aspekte der griechischen Gesellschaft“ im 2. Kapitel des Buches wird die Rolle der spartanischen Frau und die soziale Rolle der Frau in Athen betrachtet (S. 72-S. 73). Das 4. Kapitel über das Mittelalter widmet einen Unterpunkt den „Frauen im Mittelalter“ (S. 223f.) und auch Kapitel 6 „die islamische Welt und die Moderne“ problematisiert die gesellschaftliche Stellung der Frau (S. 336-S. 337). Frauenbilder und ihre Realität in verschiedene historische Zusammenhänge zu stellen, ermöglicht einen Einblick in die Frauengeschichte. Keinen Einklang in das Schulbuch findet allerdings die Geschlechtergeschichte. Die alleinige Gewichtung auf die Frau und ihre Geschichte entspricht nicht der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung. Nur im heterogenen Geschlechterkontext kann ein zeitgemäßes Bild von diesem Aspekt der Geschichte für die Schülerinnen und Schüler aufgezeigt werden.
Kritisch zu erwähnen gilt es bei der Verwendung der Fachtermini, dass manche Begriffe im Fließtext falsch verwendet werden. So sprechen die Autoren im Kapitel „Griechenland“ von Perikles als „Führer der demokratischen Partei“ (S. 58), obwohl man für das antike Athen wohl kaum von der Existenz von Parteien sprechen kann.
Fazit
„Horizonte I“ stellt ein ansprechendes Schulbuch dar. Sowohl der Darstellungs- als auch der Quellenteil sind übersichtlich gestaltet und gut strukturiert. Die Schlagworte am Rand des Darstellungstextes ermöglichen dem Leser einen schnellen Zugriff auf relevante Textstellen. Die Einführung in jedes Kapitel des Buches ist mithilfe einer Abbildung veranschaulicht, die einen gelungenen Einstieg in die Thematik darstellt. Auch im Quellenteil folgt anschaulich gestaltetes Material, das die Vielseitigkeit historischer Quellen widerspiegelt, und damit auch unterschiedliche Blickwinkel auf historische Ereignisse zulässt. Der Aspekt der Multiperspektivität wurde also bei der Konzeption des Buches durchaus berücksichtigt. Leider folgen die Autoren nicht in jedem Kapitel diesen Vorsätzen, lässt doch ein Kapitel die durchaus vorhandenen Möglichkeiten an Quellenmaterial eher außer Acht.
So übersichtlich der darstellende Teil des Bandes auch gestaltet sein mag, es fehlen die kontroversen Ansätze dort komplett. Dass dieses übergeordnete Kriterium für ein Geschichtsbuch nur in einige Teilbereiche eingeflossen ist, muss negativ angemerkt werden.
Wenngleich das Buch einen anschaulichen Methodikteil und nützliche Arbeitstechniken an seinem Ende aufführt, so fehlen bei den Aufgabenstellungen Hinweise dieser Art. Die Fragestellungen zielen eher darauf ab die Autorentexte nach den Antworten zu durchsuchen und wiederzugeben. Eine eigenständige Herangehensweise der Schülerinnen und Schüler an die Quellen und Texte könnte dadurch gehemmt werden.
Den einleitenden Bemerkungen zu Beginn des Buches kommen die Autoren nur an einigen Stellen nach. Mit einigen selbstständigen Modellierungen von Seiten der Lehrkraft ist dieses Schulbuch allerdings für die Sekundarstufe II durchaus mit Gewinn einzusetzen. Insbesondere der Quellenteil besticht in den meisten Kapiteln durch Anschaulichkeit und Vielseitigkeit.