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Geschichte, 5./6. Schuljahr, Gymnasium

Zeiten und Menschen 1

Zeiten und Menschen 1
Herausgegeben von Lendzian, Hans-Jürgen und Wolfgang Mattes
Erschienen Paderborn: Schöningh, 2004
Seitenanzahl 227
ISBN 978-3-14-034505-7
Geeignet für Baden-Württemberg
Rezensiert von Nitschke, Jens (Lehrer), 1. April 2008

Rezension von Nitschke, Jens (Lehrer)


Einleitung
Generationen von Schülern wurden mit dem Werk „Zeiten und Menschen“ in das Fach Geschichte eingeführt. Ihnen allen wird sicherlich in Erinnerung sein, wie sie sich vor den Unterrichtsstunden noch schnell die Zusammenfassungen in Form von Daten, Ereignissen und Begriffen eingeprägt haben. Auch in der jüngsten Auflage wurde dieses Konzept eines zusammenfassenden Rückblicks (unter dem Begriff „Stopp – Ein Blick zurück“) beibehalten, wobei die Wiederholungen keine zusammenfassenden Texte mehr bieten, sondern in kreative Arbeitsaufträge integriert sind: Mal sollen archäologische Funde verglichen, mal einer Touristengruppe Sehenswürdigkeiten vorgestellt werden. Auch spielerische Elemente sind vorhanden, indem in einem Kreuzworträtsel die wichtigsten Fakten wiederholt werden oder ein Quiz angeboten wird.

Äußeres
Der rezensierte Band 1 ist zugelassen für die sechsten Klassen der Gymnasien und Gesamtschulen in Baden-Württemberg sowie der Schweiz. Ein Übungsheft im Format DIN A4 von 48 Seiten trägt den Titel „Schüleraufgaben mit Pfiff“ und wird diesem Anspruch auch gerecht. Die im Buch behandelten Themengebiete werden auf dem Umschlag mit je einer charakteristischen Abbildung beleuchtet (Höhlenmalerei, ägyptische Wandmalerei, Akropolis und Caesar). Das Buchformat ist quadratisch, womit der Verlag sicherlich verhindern will, dass leichtfertig aus dem Buch kopiert werden kann. Ein bequemer und Platz sparender Transport wird damit jedoch verhindert.
Beim ersten Durchblättern des Buches fällt auf, dass das Buch durchgängig bebildert ist. Die Qualität der Abbildungen lässt keine Wünsche offen. Umfassendere Arbeitsaufträge sind in gelb unterlegten Kästen verzeichnet, speziellere Aufgaben am Seitenende blau hervorgehoben. Das Papier ist etwas dicker, so dass von diesem Gesichtspunkt aus einer mehrjährigen Benutzung nichts im Wege stehen würde. Allerdings begannen sich mehrere Seiten meiner Ausgabe schon während der Rezension aus der Bindung zu lösen.

Konzept und Gestaltung
Zunächst wird den Schülern das Lehrbuch vorgestellt (S. 6-7): Eine Aufmacherseite soll auf das jeweilige Thema vorstellen und den Schülern die Möglichkeit geben, bereits vorhandenes Wissen abzurufen. Dadurch wird es für die Lehrkraft leichter, das Vorwissen der Schüler in die Arbeit mit dem Schulbuch zu integrieren und den Unterricht entsprechend zu strukturieren.
Methodenboxen sollen in Methoden und Arbeitstechniken einführen: Die Analyse von Diagrammen, Quellen, Karten, Schaubildern und anderem Bildmaterial, das Erstellen von Stichwortzetteln sowie Simulationen werden über das Buch hinweg vorgestellt. Allerdings ist zu bemerken, dass diese Fähigkeiten eigentlich an allen Stellen der Arbeit benötigt werden, so dass eine Verteilung auf das gesamte Buch kaum sinnvoll ist. Ein Verweis auf das jeweilige Arbeitskapitel  oder - besser noch - eine Art Methodenglossar wäre hier sicherlich sinnvoller gewesen.
Sehr gelungen ist der Ansatz, Forschungsstationen in die Kapitel mit einzugliedern. Hier können die Schüler selbst versuchen, ein eingegrenztes Thema unter einer Leitfrage zu analysieren.
Auf das bewährte und auch bei den Schülern beliebte Konzept von „Zeiten und Menschen“, das sich dadurch auszeichnet Darstellungstexte dem Stoff angemessen wiederzugeben (auf die Mängel im Detail soll jedoch im Folgenden eingegangen werden) und die wichtigsten Fakten nochmals abrufbereit aufbereitet, hat auch die Neuauflage nicht verzichtet.

Gewichtung der Kapitel
In Bezug auf den Aufbau des Buches fällt die Akzentuierung der verschiedenen Themengebiete auf:
Zunächst wird über die Geschichte reflektiert und versucht, den Schülern die Relevanz des Faches vor Augen zu führen (S. 6-21). Anschließend werden die Themen „Unseren Vorfahren auf der Spur“ (S. 22-57) und „Ägypten – eine frühe Hochkultur“ (S. 56-93) abgehandelt. Sicherlich interessiert Schülern der unteren Klassen die Thematik und sie wird von den Schulbehörden eingefordert, aber rechtfertigt das einen Umfang von jeweils gut 15%? Gerade der erste Teil (Vorfahren) hätte auch bedeutend kürzer ausfallen können. Tipps und Hinweise zum Weiterlesen und Weiterarbeiten hätten die Schüler besser aktivieren und im Sinne der Selbständigkeit unterstützen können. Zudem wären mit einem solchen Verfahren Seiten für die Beschäftigung mit der griechisch-römischen Antike übrig geblieben. Hier kommen nämlich einige Aspekte viel zu kurz, worauf im Folgenden noch einzugehen sein wird.

Autorentexte
In dem einleitenden Kapitel sollen die Schüler einen persönlichen Zugang zum Fach bekommen. Hierzu werden einerseits zahlreiche Überlegungen zur Familiengeschichte angestellt, die jedoch nicht immer gelungen sind (vgl. Pkt. 6). Zum anderen stellen die Autoren die Untergliederung der Geschichte nach Cellarius in die drei klassischen Epochen Antike, Mittelalter und Neuzeit dar (S.11). Dieses Einteilungsprinzip wird jedoch nicht in die Visualisierungshilfen (Zeitstrahl S.10 f. oder die Zeituhr S. 21) integriert. Warum die Autoren Themengebiete wie das Mittelalter oder den Holocaust ansprechen, ohne weiter darauf einzugehen, bleibt unklar.
Wesentlich gelungener ist das zweite Kapitel, welches die Frühgeschichte zum Thema hat und mit einem Vergleich über die Naturvölker endet. Die Autorentexte sind motivierend und altersadäquat geschrieben. Bezüge zu den Materialien werden hergestellt. Dasselbe Lob ist für die Autorentexte des Ägyptenkapitels auszusprechen. Selbst eine für Schüler dieser Altersstufe so abstrakte Frage „Wie groß waren die gesellschaftlichen Unterschiede?“ kann gemeistert werden, indem die Lernenden durch altersgerechte Erklärungen in die Lage versetzt werden, die Frage zu reflektieren.
Die Texte über die Griechen sind weitgehend anschaulich geschrieben, Bildmaterial und Rekonstruktionen illustrieren die verschiedenen Aspekte. Problematisch sind aber die Darlegungen zur Politik: Solons Reformprogramm auf S. 121 kann nur verstehen, wer das Reformprogramm bereits kennt. Unverständlich und ungenau sind die Darlegungen zur Phylenreform des Kleisthenes (S.122 f.). In einer neueren Auflage wäre für diesen Text sicherlich eine gründliche Überarbeitung und altersangemessene Umarbeitung nötig. Sätze wie „Ein weiteres demokratisches Element war die Einteilung Attikas in zehn Wahlbezirke, die gleichzeitig militärische Abteilungen bildeten und von je einem Strategen (=Kommandeur, Feldherr) angeführt wurden.“ können in ihrer inhaltlichen Tragweite kaum erfasst werden. Auch die Schlussüberlegungen über Alexander d.Gr. erscheinen in der Auswahl unglücklich, da die Schüler einen fiktiven Dialog analysieren sollen, der sich auf den Seiten 149-153 befindet. Das ist entschieden zu lang.
Auch in dem Kapitel über Rom ist festzustellen, dass diejenigen Abschnitte, die die Politik und Gesellschaftsstruktur Roms berühren, für Schüler unterer Klassen zu kompliziert sind, während die Teile, die sich mit dem Familien- und Alltagsleben beschäftigen, sehr gelungen sind. Die Darlegungen zur Gründungssage und weiterführende Literaturtipps sind unbedingt zu loben (S. 158 f.). Danach wird der Wandel vom Königreich zur Republik beschrieben und immer wieder von „gesellschaftlichen Gruppen“ gesprochen, eine Terminologie, die nur den wenigstens Schülern etwas sagen dürfte (S.160 f.), auch wenn sie bei den Ägyptern (S.76) schon einmal erklärt wurde; ein Verweis auf das vorherige Kapitel wäre erforderlich gewesen. Auf S. 171 wird von einem „Proprätor“ gesprochen, ohne dass der Begriff hier geklärt wird. Vollends unverständlich sind die Darlegungen über die Zeit zwischen dem 2. Punischen Krieg und dem Untergang der Republik. Gerade für diese Epoche ist es unerlässlich, den Zusammenhang zwischen den Veränderungen im Militär und der innenpolitischen Entwicklung zu verdeutlichen, was leider unterbleibt. Kurz: Die Autorentexte müssen hier grundlegend überarbeitet werden.

Aufgabenstellungen und Material
Im ersten Kapitel versuchen die Autoren, den Schülern die Relevanz des Faches vor Augen zu führen, indem sie sich näher mit ihrer Familie und Herkunft befassen sollen. Dabei gelingt es den Autoren jedoch nicht immer sinnvolle Aufgaben zu entwickeln. Die Frage „Wie weit, genau, allgemeingültig und zuverlässig lässt sich die Familiengeschichte und damit auch ein Stück der allgemeinen Geschichte der Menschheit auf dem Wege der mündlichen Überlieferung über Generationen überliefern?“ (S.14) ist nicht nur viel zu komplex; sie wird zudem auf S.18 von den Autoren selbst beantwortet.
Der Abschnitt über die Frühgeschichte ist wesentlich besser gelungen. Die Autoren haben ein breites Spektrum an Material ausgewählt: Rekonstruktionen, Malereien, Abbildungen von Fundstücken, sogar Diagramme über Essgewohnheiten und die Lebenserwartung finden sich. Die Aufgaben sind abwechselungsreich und wenden verschiedenste Methoden an (z.B. Tabellen erstellen, Vorträge konzipieren oder Geschichte einer Jagd schreiben). Besonders zu loben ist der Abschnitt Forschungsstation auf S. 32 f., in dem unterschiedliche moderne Forschungsansätze über die Beurteilung der Neandertaler zur Sprache kommen. Die Schüler werden hierbei zum Vergleichen und Erklären der Unterschiede aufgefordert.
Ähnliches gilt für das Ägyptenkapitel: Hervorzuheben sind vor allem die Aufgaben zu den Hieroglyphen (z.B. S.62) und Darstellungen zu den Pyramiden und Mumien (S.80-93). Es ist lediglich zu kritisieren, dass zahlreiche Fragen mit „W-Wörtern“ eingeleitet werden. Statt etwa zu fragen, „Wer ist Pharao – wer ist Gott?“ (S.66) ließe sich auch folgender Arbeitsauftrag geben: „Suche aus dem Bild den Pharao/den Gott heraus und begründe Deine Entscheidung.“
Die Autoren des Buches sind bei der Auswahl des Materials über die Griechen nicht immer altersadäquat vorgegangen. Grundsätzlich gelungen sind auch hier wieder diejenigen Teile des Kapitels, die sich mit dem Alltagsleben befassen. Zu erwähnen sind hierbei vor allem die Vergleiche zwischen der griechischen Kolonisation und modernen Migrationen (S.114 f.) sowie Rollenspiele zur athenischen Volksversammlung (S.133). Lediglich der Text zur Hochzeit in Athen ist in Teilen zu kompliziert (S.140 f.). Deutlich schwieriger sind andere Stellen. Sätze wie „Es ist nicht so, wie Aristoteles sagt, dass König Lykurgos es aufgegeben hätte, die Frauen zu bessern, weil er der Zügellosigkeit und Weiberherrschaft nicht habe Herr werden können wegen der vielen Feldzüge der Männer, während deren diese genötigt waren, den Frauen das Regiment zu überlassen und sie daher über Gebühr ehrten und sie Herrinnen nannten.“ dürften sich Schülern von 12 Jahren auch nach dem dritten Lesen kaum erschließen (S.119, M5).
Ein unglückliches Händchen bewiesen die Autoren zum Teil bei den Aufgabenstellungen: Auf S. 103 finden sich insgesamt sechs Aufgaben, von denen die ersten fünf mit dem Wort „Wir“ beginnen. Wieso auf S.106 ein altgriechischer Reporter als Fernsehreporter oder Zeitungsjournalist die antiken Spiele darstellen soll, ist unklar. Wenn moderne Medien mit ins Spiel kommen sollen, wäre es chronologisch sachrichtiger gewesen, die Schüler einen Dokumentarbericht für das Fernsehen oder ein Printmedium über die antiken Spiele erstellen zu lassen. Ähnlich anachronistisch soll auf S.117 ein Brief geschrieben werden, der mit den Worten „Sehr geehrter Herr Plutarch!“ (sic!) beginnt. Um den Schülern aber den Unterschied zwischen den verschiedenen Geschichtsepochen zu verdeutlichen, sind anachronistische Aufgabenstellungen nicht hilfreich.
Das Romkapitel bietet sehr abwechslungsreich gestaltete Arbeitsaufträge. Schon in dieser Altersstufe wird an die Schulung von systematischem und analytischem Denken gedacht, indem die Schüler Quellen tabellarisch auswerten sollen (z.B. S.162 und S.166). Die Forschungsstationen, etwa zu den Lebensumständen der Kinder in Rom (S.168 f.), gehören zweifelsohne zu den Stärken des Buches, indem die Schüler die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kindheit in der Antike und Gegenwart begreifen lernen (S.169). Ähnlich kreativ ist zum Teil der Umgang mit Bildmaterial (Methodenbox Herrschaftsdarstellungen, S. 182 f.). Hier wird Augustus und seine Bildpropaganda dargestellt. Zweifellos würde sich ein Vergleich zur Moderne („Wie stellen sich Herrscher/Politiker heutzutage dar?“) lohnen. Wenn es darum geht, das Leben zu schildern, werden altersadäquate Texte, anschauliche Abbildungen und sinnvolle Fragen ausgewählt (S.184-209); hier hat das Buch wirkliche Vorzüge. Quizkarten, die das Wissen sichern und abfragbar machen sollen (S.210 f.), müssen ebenfalls gelobt werden. Die Quellen sind abwechslungsreich ausgewählt und für Schüler dieser Altersgruppe verständlich. Sie werden methodisch dazu geführt, Quellen nicht isoliert zu betrachten, sondern miteinander zu vergleichen (S.175). Das Bildmaterial gibt nur die nötigsten Erklärungen und lässt den Schülern somit genug Raum für eigene Entdeckungen.

Fazit
Dem vorliegenden Werk fehlt die ordnende Hand für das Gesamtwerk. Manche Teile sind zu stark gewichtet, andere wieder zu oberflächlich bzw. kurz. Die Qualität der Autorentexte und die Auswahl der Quellen sind nicht in allen Kapiteln gleichermaßen gelungen.
Abwechslungsreich ist das Angebot an Unterrichtskonzepten, das von Fragen über Handlungsaufträge bis hin zur Problematisierung reicht. Verschiedene fachdidaktische Konzepte integrieren Multiperspektivität, Emotionalität und Empathiefähigkeit. Dennoch sollten die Schüler in Teilen des Werkes nicht durch einen zu ausgeprägten Abstraktionsgrad vom Fach abgeschreckt werden. In den Bereichen, in denen es um das alltägliche Leben geht, kann das Buch nur empfohlen werden. Insgesamt werden damit jedoch nur wenige Dimensionen der Geschichte behandelt (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Alltagsleben) - andere Aspekte werden nur peripher erwähnt.
Die seit Jahrzeiten in dieser Reihe typischen Zusammenstellungen wichtiger Aspekte und Begriffe sind beibehalten worden, wobei die Wiederholungen jetzt nicht mehr aus kurzen Texten und Begriffen bestehen, sondern aus Arbeitsaufträgen, die spielerisch zur Wiederholung animieren.