Geschichte, Sozialkunde / Politik, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule
Globale Perspektiven im Geschichtsunterricht
Herausgegeben von | Abelein, Werner et al. |
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Erschienen | Stuttgart: Klett, 2010 |
Seitenanzahl | 96 |
ISBN | 978-3-12-430066-9 |
Rezensiert von | Almodt, Mario (Student), 19. Februar 2012 |
Rezension von Almodt, Mario (Student)
Einleitung
„Angesichts des erreichten Grades der Globalisierung muss sich der Geschichtsunterricht für globale Perspektiven öffnen.“ Mit dieser doch sehr klaren und zukunftsorientierten Aussage wollen die Autoren im Vorwort des im Jahre 2010 erschienenen Themenhefts „Globale Perspektiven im Geschichtsunterricht – Quellen zur Geschichte und Politik“ deutlich machen, dass unser vermitteltes Geschichtsdenken höchst nationalstaatlich geprägt und es angesichts der fortschreitenden Globalisierung nun für eine neue und vor allem globalgeschichtliche Perspektive Zeit sei. Durch konkrete Beispiele aus gängigen Themenfeldern, wie Industrialisierung, Transport- und Kommunikationsrevolution, Migration und Wirtschaftskrise sollen globale und multinationale Zusammenhänge und Wechselwirkungen aufgezeigt werden, die sich im Zuge der Globalisierung entwickeln und entwickelt haben. Die Autoren weisen darauf hin, dass das Buch weder ein sprödes Nebeneinanderstellen von Ländergeschichten bietet, noch eine nationalstaatliche oder eurozentrische Quellenauswahl präsentiert. Das Selbstverständnis des Buches lässt sich vor allem durch das Aufzeigen von neuen multinationalen Perspektiven und das Überdenken von alten Stereotypen skizzieren.
Aufbau
Das Heft bietet seinen Lesern auf über 96 Seiten insgesamt sieben Themenschwerpunkte an. Wie im Inhaltsverzeichnis schon deutlich wird, handelt es sich hierbei um eine Quellen- und Materialsammlung zum Thema Globalisierung. Jedes Themenfeld wird durch einen kurzen Autorentext eingeleitet und stellt mehrere Unterthemen mit Materialien und Quellen bzw. Quellenausschnitte zur Verfügung. Das Kapitel "Eine Welt – eine Kultur?" beispielsweise hat 3 Unterthemen mit insgesamt 26 Materialien. Durch die rote Farbgebung lassen sich Material und Autorentext gut voneinander unterscheiden.
Autorentexte – fachwissenschaftliche Aspekte
Die Autorentexte sind größtenteils knappe und allgemein verständliche Zusammenfassungen, die einen kurzen Überblick zu den Themenfelder geben sollen. Positiv in Erscheinung treten Querverweise in den einleitenden Texten, die auf Quellen der Folgeseiten hinweisen. Hier wird dem Leser eine erste Orientierung für die weitere Arbeit mit den Quellen und Materialien gegeben. An einigen Stellen der Autorentexte finden sich allerdings auch Aussagen, die über das Ziel hinaus reichen und eine Wertung vornehmen. Beispielsweise ist im ersten Autorentext davon die Rede, dass es "kein Zeichen von Amerikanisierung" sei, "wenn die palästinensische Hisbollah in ihr Fernsehprogramm Donald Duck und die Schlümpfe integriert, um im Anschluss Märtyrerfotos mit Spendenaufrufen zu zeigen". Ein derartiges Werturteil müsste, wenn es überhaupt in einem einleitenden Text gefällt wird, zumindest ausführlicher begründet werden. Das Materialheft hat gerade einmal 96 Seiten, sodass man davon ausgehen muss, dass nicht alle Aspekte der Globalisierung behandelt werden. Die im Vorwort genannten "gängigen Themenschwerpunkte" sind aber weitestgehend mit viel Quellenmaterial, Statistiken und Bildern angereichert.
Schriftliche Quellen
Die im Vorwort angestrebte Multiperspektivität wird durch die große, abwechslungsreiche und gut ausgewählte Auswahl von Materialen erreicht. Neben den üblichen Historikertexten findet der Leser eine große Bandbreite an Firmenjahresberichte, Verfassungs- und Gesetzesartikelausschnitte, (historische) Zeitungsartikel, Ausschnitte aus literarischen und lyrischen Werken, Zeitzeugenbefragungen, Staatsverträgen, politischen Reden etc.
Ein Beitrag zum Thema Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre mit der Überschrift „Die Folgen der Weltwirtschaftskrise für die indischen Bauern“ lässt vielleicht schon erahnen, mit welcher Mühe die einzelnen Themenfelder im Hinblick auf den angestrebten multinationalen Perspektivenwechsel bearbeitet worden sind.
Die Quellen wurden weitestgehend sinnvoll gekürzt. Falls der Nutzer eine Vertiefung der einzelnen Themenschwerpunkte wünscht, können die Weblinks oder die Quellenangaben, die direkt unter dem Text stehen, in Anspruch genommen werden.
Diagramme / Statistiken
Nicht nur schriftliche Quellen sorgen für eine gute Grundlage für den alltäglichen Geschichtsunterricht. Tabellen, Säulen-, Balken-, Linien-, und Punktdiagramme dokumentieren rationell wichtige globale Ereignisse. Die Auswahl der Stauchung und Dehnung der Diagramme ist optimal gewählt, sodass optische Fehlinterpretationen weitestgehend ausbleiben. Eine sehr gute Dokumentation bietet die im zweiten Themenfeld eingebettete Statistik zur Entwicklung der Baumwolle als Wirtschaftsfaktor für Großbritannien. Hier wurde nicht nur der Importwert der Baumwollgüter statistisch festgehalten, sondern auch die Entwicklung des Exportwertes. Im Geschichtsunterricht wird dadurch sinnvoll und problemorientiert zu einer weiterführenden Diskussion angeregt.
Bilder und Illustrationen
Wer eine große Anzahl von Bildern und Illustrationen erwartet, muss leider enttäuscht werden. Was aber nicht heißen soll, dass sie gänzlich fehlen. Auf den insgesamt 96 Seiten sind politische Karikaturen, Kunstwerke, Fotografien, Zeichnungen, Werbeplakate und Illustrationen mit kurzen Erläuterungen vorhanden, die in den jeweiligen Themenschwerpunkten eingebettet sind. Bildern und Illustrationen sind kurze Erläuterungen bzw. Informationen zu der Quellenangabe und zum historischen Kontext beigefügt. Bei einigen Bildern wird die Quelle zwar genannt, es fehlen allerdings wichtige Informationen zum historischen Kontext. Alle Illustrationen besitzen eine gute Qualität und sind in angemessener Größe abgedruckt.
Fazit
Das Themen- und Materialheft "Globale Perspektiven im Geschichtsunterricht. Quellen zur Geschichte und Politik" zeichnet sich besonders durch die vielseitige und multiperspektivische Auswahl der Materialien aus und bietet somit die Grundlage zur weiteren Ausbildung der Methoden- und Analysekompetenz der Schülerinnen und Schüler im Umgang v.a. mit schriftlichen Quellen.
Durch die hohe Qualität der Diagramme kann sich der Nutzer wichtige historische Ereignisse erschließen. Für das in Nordrhein-Westfalen abiturrelevante Thema Globalisierung im Fach Geschichte eignet sich das Heft hervorragend für die Prüfungsvorbereitung im Leistungskurs. Für Grundkursschüler ist es weniger gut geeignet, da die Quellen oftmals ein ausgeprägtes Vorwissen in den Themenfelder der Globalisierung voraussetzt. Es kann daher lediglich als Ergänzung dienen. Das bereitgestellte Material muss durch den Geschichts- oder Politiklehrer fachdidaktisch aufbereitet werden.
Dies ist auch ein Nachteil des Heftes: Fachdidaktische Anweisungen, Aufgaben, Erläuterungen etc. fehlen leider komplett, sodass das Buch automatisch eine, wenn nicht die wichtigste Lesergruppe, die Schülerinnen und Schüler, vernachlässigt. Viele Lernende werden höchstwahrscheinlich durch die hohe Quantität eher überfordert sein, obwohl oftmals eine wirklich sehr komfortable Quellenkürzung vorgenommen wurde. Gut vorstellbar wäre die Nutzung durch Studenten, die die Arbeit und den Umgang mit Quellen bereits kennen und das Materialheft für Hausarbeiten, Seminarvorbereitungen oder einfach nur als Wissensquelle nutzen können.
Neben der Tatsache, dass das Materialheft "Globale Perspektiven im Geschichtsunterricht. Quellen zur Geschichte und Politik" eher eine Vertiefung und weniger eine Grundlage für Themen der Globalisierung bietet, überzeugt es durch seine multinationalen Sichtweisen, seinen abwechslungsreichen Standpunkten und seinen konkreten Beispielen.
Den Anspruch "weltweite Zusammenhänge und Wechselwirkungen in einer transnationalen Perspektive aufzuzeigen", der im Vorwort des Materialheftes so eindringlich versprochen wird, kann durchaus als erreicht angesehen werden.