Geschichte, Oberstufe, Gesamtschule, Gymnasium
Geschichte und Geschehen. Themenhefte
Herausgegeben von | Doerry, Janine |
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Erschienen | Stuttgart: Klett, 2006 |
Seitenanzahl | 72 |
ISBN | 978-3-12-430044-7, 978-3-12-430031-7, 978-3-12-430030-0 |
Geeignet für | Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Berlin, Bayern, Thüringen |
Rezensiert von | Bendick, Rainer (Lehrer), 1. März 2008 |
Rezension von Bendick, Rainer (Lehrer)
Einleitung
Speziell für das niedersächsische Zentralabitur hat der Klett-Verlag Themenhefte herausgebracht, die eine gezielte Vorbereitung auf die Prüfung versprechen. Die Hefte zu den Themen „Deutsche Außenpolitik 1914 bis 1945“, „Imperialismus“ und „Spätantike“ wurden vom Verfasser dieser Besprechung in den letzten eineinhalb Jahren selbst im Unterricht verwendet.
Konzept der Hefte
Die Hefte im Format DIN A 4 umfassen 64 und 72 Seiten und zeichnen sich durch einen günstigen Anschaffungspreis von 8,25 Euro aus. Alle folgen in ihrem Aufbau einem einheitlichen Muster: Die Kapitel beginnen mit einem knappen Darstellungstext von selten mehr als vier Seiten. Sie sind – je nach Heft verschieden – aufgelockert durch Fotos, Karten oder zeitgenössische Abbildungen. Darauf folgt ein umfangreicher Materialteil, in dem Quellen und Darstellungstexte wiedergegeben sind, deren Länge höchst unterschiedlich ist (zwischen wenigen Zeilen und einer DIN A 4 Seite). Auch hier finden sich, von Heft zu Heft verschieden, Statistiken, Fotographien, Karikaturen und Karten. Jedes Kapitel schließt mit Arbeitsvorschlägen, die in Anlehnung an die Terminologie der EPA-Operatoren den Material- und Darstellungsteil durchdringen. Die Hefte schließen mit einer chronologischen Übersicht und einem Glossar (nicht das Heft zur Spätantike), in dem für das Thema wichtige Ereignisse und Begriffe erfasst werden, sowie mit Hinweisen auf weiterführende Literatur und auf Informationsquellen im Internet. Dagegen sind eigene Methodenkapitel zum Umgang mit Quellen, Karikaturen oder Statistiken, zum Abfassen von Texten, Referaten oder Probeklausuren in den Heften nicht zu finden.
Heft zur deutschen Außenpolitik
Inhalte und Arbeit mit Bildmaterialien
Das Heft zur deutschen Außenpolitik 1914 bis 1945 setzt die von den niedersächsischen Schwerpunktthemen verlangten Aspekte vollständig um. Einzelne Kapitel thematisieren die Juli-Krise und die deutschen Kriegsziele, den Versailler Vertrag, die Außenpolitik der Weimarer Republik und der Nationalsozialisten einschließlich des Zweiten Weltkriegs. Das Heft schließt mit Ausführungen zum Kriegsgedenken in Deutschland. Zwei Sonderkapitel sind der Nationalitätenfrage in Polen während der Zwischenkriegszeit und der Kollaboration in Frankreich gewidmet.
Zahlreiche Geschichtskarten bereichern das Heft. Sie zeigen beispielsweise die territorialen Veränderungen in den 1920er und 1930er Jahren oder die Verteilung der Volksgruppen in Zentraleuropa während der Zwischenkriegszeit. Diese Karten sind ein wichtiges Hilfsmittel für den Unterricht und die Vor- und Nachbereitung durch die Schüler, weil sie zu jedem behandelten Thema die geographische Situierung der relevanten Vorgänge erlauben und Anlass zu Versprachlichungen unter verschiedenen Aspekten geben. Jedoch werden hier auch Möglichkeiten verschenkt, denn das Heft verzichtet auf historische Karten, die die Sichtweisen, die Mentalitäten und Ziele der Zeitgenossen widerspiegeln. Zeitgenössische Karten zu den deutschen Kriegszielen, zur Revisionspropaganda aus der Weimarer Republik oder Karten zum „deutschen Volks- und Kulturraum“ aus den 1920er und frühen 1930er Jahren könnten die Frage nach der Kontinuität der deutschen Außenpolitik in sinnfälliger Form präsentieren und den Schülern vielfältige inhaltliche und methodische Arbeitsmöglichkeiten bieten.
Besonders hervorzuheben ist der vielfältige Einsatz von zeitgenössischen Plakaten und Karikaturen. So erscheinen die Ereignisse auch in der Perspektive der Wahrnehmung der damaligen Zeit, etwa die deutsche Anti-Versailles-Propaganda oder die Appelle des Vichy-Regimes zur Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Damit wird ein historisches Verständnis der Vorgänge ermöglicht. Jedoch stellt sich auch die Frage der Repräsentativität. Die Logik der Appeasement-Politik gegenüber der nationalsozialistischen Außenpolitik ist heute, in Anbetracht ihrer Folgen, nur schwer zu vermitteln. Insofern ist die bekannte Karikatur „Stepping stones to glory“ (S. 44) aus dem Jahr 1936, die Hitlers Aufstieg mit der nachgiebigen Politik der Demokratie erklärt, didaktisch problematisch, weil sie die Appeasement-Politik nicht erklärt, sondern als Fehler entlarvt, was heute ohne Zweifel feststeht. Sinnvoller wäre es zu zeigen, warum die Westmächte so scheinbar defensiv auf die Nationalsozialisten reagierten: die Erschöpfung der westlichen Demokratien in der Kriegskultur des Ersten Weltkriegs, die eine erneute Mobilisierung der Öffentlichkeit für einen Krieg zur Durchsetzung von Demokratie und Freiheit verhinderte. Dieser Gedanke wird nur kurz und indirekt in einem fünf Zeilen langen Auszug aus einem Bericht des deutschen Militärattachés in London angedeutet (S. 48). Dem geht ein aus zweiter Hand zitierter Auszug aus den Memoiren des französischen Botschafters in Berlin, André François-Poncet, voraus. Seine kritische Beschreibung der französischen Außenpolitik wird aber nicht als eine nachträgliche Analyse klassifiziert, sondern mit der Bemerkung eingeführt „Frankreichs Reaktion. Der französische Botschafter in Berlin André François-Poncet“. Hier wird nicht klar, warum die Warnungen des französischen Botschafters am Quai d’Orsay ungehört blieben. Hilfreicher wären hier vielleicht Hinweise auf den französischen Regierungschef Albert Sarraut zur Zeit der Rheinlandbesetzung und dessen Positionen im Ersten Weltkrieg oder Auszüge aus Marcel Déats berühmtem Leitartikel „Mourir pour Danzig“ oder auch Léon Blums Kommentar zum Münchner Abkommen, er fühle sich „zerrissen zwischen einem Gefühl der feigen Erleichterung und der Schande.“
Diese inhaltliche Kritik kann das Heft aber nicht in Frage stellen. Ausdrücklich hervorzuheben sind die Kapitel über die Nationalitätenfrage in Polen während der Zwischenkriegszeit und die Kollaboration des Vichy-Regimes. Hier werden Themen aufgegriffen, die im deutschen Geschichtsunterricht zu wenig behandelt werden. Das gilt besonders für die innenpolitischen und ethnischen Probleme, mit denen sich der polnische Staat seit 1919 konfrontiert sah. Eine politische und eine ethnographische Karte sowie umfangreiches Bildmaterial ermöglichen zusammen mit den zahlreichen Texten (Quellen wie Darstellungen) vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Das Kapitel zum Vichy-Regime stellt mit Hilfe von Plakaten besonders den Pétain-Kult heraus und geht am Beispiel des Prozesses gegen Klaus Barbie auch auf den Umgang mit dieser Vergangenheit in Frankreich nach 1945 ein.
Die gut lesbaren Darstellungs- und Quellentexte, insbesondere aber die vielfältigen Zugangsmöglichkeiten, die das Heft zu den einzelnen Themen bietet, machen es zu einem wertvollen, auch von den Schülern sehr geschätzten Arbeitsinstrument.
Heft zum Imperialismus
Inhalte und Arbeit mit Bildmaterialien
Das Heft zum Imperialismus unterscheidet sich von diesem Befund. Das Versprechen des Klett-Verlags – „bereiten Sie Ihre Schüler passgenau auf die Prüfungen vor“ – erfüllt es nicht in allen Belangen. Der gesamte erste Bereich des Schwerpunkthemas zur industriellen Revolution wird in diesem Heft ebenso wenig berücksichtig wie der verbindlich vorgeschriebene Imperialismus der USA. Der Schwerpunkt des Heftes liegt auf dem britischen Empire. Ausführlich werden hier die Debatte über formelle und informelle Herrschaft aufgegriffen und die verschiedenen Konzepte des britischen Imperialismus dargestellt. Statistiken zu In- und Exportdaten des britischen Empires, Karikaturen und zeitgenössische Abbildungen ermöglichen einen produktiven, schülerorientierten Unterricht. Das Heft weist zwei historische Karten (S. 11, S. 34/35) zur Ausdehnung des britischen Kolonialbesitzes auf. Die Qualität der Reproduktion erlaubt jedoch nicht immer eine eindeutige Entzifferung der Legenden und Beschriftungen, was die Verwendbarkeit im Unterricht beeinträchtigt. Hier fehlt eine Geschichtskarte, die die britische Expansion darstellt und die konkrete geographische Situierung der geschilderten Ereignisse ermöglicht.
Das längste Kapitel ist mit 17 Seiten Indien gewidmet. Es behandelt die gesamte englische Präsenz in Indien, von der Gründung der East India Company bis zur Unabhängigkeit der britischen Kronkolonie im Jahre 1947. Jedoch taucht Indien in dem niedersächsischen Schwerpunktthema nicht explizit auf. Gewiss lässt sich der britische Imperialismus ohne Indien kaum darstellen, hier wären aber knappere Bemerkungen möglich, um Raum für andere verlangte Themen (Industrialisierung, USA) zu schaffen.
Jeweils ein Kapitel ist China und Japan gewidmet. Ganz im Sinne des niedersächsischen Schwerpunktthemas gelingt es hier, die unterschiedlichen Reaktionen der beiden asiatischen Länder auf den Kontakt mit den westlichen Industriestaaten darzustellen. Das bereitgestellte Text- und Bildmaterial erlaubt es, das chinesische Beharren in Traditionen dem japanischen Aufgreifen bestimmter Elemente westlicher Technologie und Zivilisation gegenüberzustellen (etwa durch den Vergleich des chinesischen Hofzeremonielles mit einer Szene aus dem japanischen Parlament der Medij-Ära). Der Aufstieg Japans zur imperialistischen Großmacht, die bald den europäischen Mächten Konkurrenz machte, wird hier ebenso nachvollziehbar wie die Dynamik imperialistischer Politik, und das anhand schülerorientierter Materialien.
Die drei letzten Kapitel sind wieder ganz aus britischer Perspektive dem „Scramble for Africa“, der kolonialen Herausforderung Großbritanniens durch andere Großmächte und schließlich der Wandlung des Empire zum Commonwealth of Nations gewidmet. Die hier präsentierten Textquellen, besonders aber die Karikaturen ermöglichen es herauszuarbeiten, wie der Wettlauf um Kolonien das Verhältnis der europäischen Mächte zueinander krisenhaft zuspitzte und wie die deutsche Flottenrüstung schließlich von Großbritannien als vitale Bedrohung empfunden wurde, so dass es die kolonialen Konflikte mit Frankreich beilegte. Hier ist leicht ein Bezug zu den Ursachen des Ersten Weltkriegs und damit zu dem Schwerpunktthema „deutsche Außenpolitik“ herzustellen. Der Zuschnitt dieser Kapitel ermöglicht es daher die vom niedersächsischen Zentralabitur ausdrücklich verlangten themenübergreifenden Zusammenhänge anzusprechen. Dennoch hinterlässt das Themenheft Zweifel. Es präsentiert gewiss schülerorientierte Materialien, die produktiv im Unterricht einzusetzen sind. Es erfüllt die thematischen Vorgaben des niedersächsischen Zentralabiturs aber nur in Teilen, da es sich in erster Linie um eine Geschichte des britischen Imperialismus handelt.
Heft zur Spätantike
Inhalte und Arbeit mit Bildmaterialien
Das Themenheft zur Spätantike überzeugt durch Zuschnitt und Aufbau der Kapitel. Diese bilden die vom Zentralabitur geforderten Themen exakt ab: das zweite Jahrhundert, das Christentum im Imperium, Krise und Anpassungsschwierigkeiten des Imperiums, Deutungen: Fortleben oder Untergang des Imperium Romanum. Der konsequent problemorientierte Zugriff macht das Heft zu einem gelungenen Arbeitsinstrument für die gymnasiale Oberstufe. Die Ausführungen im Darstellungsteil zur Wirtschaft im 2. Jahrhundert und die Materialien zur Bedeutung der Städte im Imperium für die Einbindung der lokalen Eliten schaffen Sensibilität für Fragestellungen, die im weiteren Verlauf die krisenhaften Entwicklungsprozesse verstehen helfen. Das Kapitel zum 3. Jahrhundert thematisiert zunächst den Begriff „Krise“. Hier lernen Schüler die Bedeutung und die differenzierte Verwendung von Begrifflichkeiten kennen, so dass sie in den Stand versetzt werden, sich an Hand der dargebotenen Materialien insbesondere zur wirtschaftlichen Entwicklung und der Veränderungen im Sozialgefüge der Städte selbst ein Urteil zur krisenhaften Entwicklung im 3. Jahrhundert zu bilden.
Hilfreich sind die graphischen Darstellungen zur politischen Verfasstheit des Imperiums. Sie ermöglichen den Vergleich und die Herausarbeitung der Veränderungen zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert. Gleiches gilt auch für die zahlreichen Geschichtskarten. Sie erlauben je nach Thema die geographische Verortung der gerade behandelten Vorgänge. So werden politische, strategische oder religiöse Veränderungen sinnfällig und können unter verschiedensten Aspekten versprachlicht werden. Hier erweist sich das Themenheft als ein exzellentes Arbeitsbuch. Irritierend ist jedoch manchmal die gleichzeitige Verwendung von lateinischer und deutscher Begrifflichkeit. So fragt man sich warum bei einer Karte zur Krise des 3. Jahrhunderts „Mare Germanicum“ statt „Nordsee“ verwendet wird, die in der Karte verzeichneten germanischen Völker aber in deutscher Sprache benannt werden. Derartige Vermischungen lösen in der Praxis bei Schülern Irritationen aus.
Störend und hinderlich sind die zahlreichen Rechtschreibfehler, die sich in allen Kapiteln finden. Hier geht es nicht um beckmesserische Kritik. Schulbücher sollten formale Fehler deshalb vermeiden, weil ihre Leser, die Schüler, für solche Fehler sanktioniert werden. Über das offensichtliche Vertauschen von Jahreszahlen wie in der Zeittafel am Ende des Heftes könnte man hinweg sehen. man hinweg sehen. Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der verdienstvollen Aufgabenvorschläge zu den Materialien (z.B. S. 13, die Aufgaben 7 und 8: M 14 – ein Augustusstandbild – kann hier nicht gemeint sein) erschweren die Verwendung im Unterricht. Schwerer wiegt die sinnentstellende Verstümmelung von Quellen. So fehlt dem Auszug aus Tacitus’ „Agricola“ (S. 11, M 12) in einigen Heften der 2006 erschienen ersten Auflage der entscheidende Satz („Und so etwas hieß bei den Ahnungslosen Lebenskultur, während es doch nur ein Bestandteil der Knechtschaft war.“), der die Romanisierung der Briten erst in die von Tacitus intendierte Perspektive rückt, während andere Hefte der gleichen Auflage diesen Satz bringen. Derartige Unstimmigkeiten torpedieren einen problemorientierten Unterricht und erschüttern bei den Schülern die Glaubwürdigkeit, die das eingeführte Lehrwerk bei ihnen haben sollte. Sie sind dem Autor des Heftes kaum anzulasten, eher dem nachlässigen Lektorat des Verlages. Solche Versäumnisse eines renommierten Verlags zeigen letztlich nur, unter welch schädlichen Druck das niedersächsische Zentralabitur auch die Schulbuchverlage setzt.
Fazit
Insgesamt hinterlassen die drei Themenhefte einen zwiespältigen Eindruck. Die formalen Fehler, die die Arbeit mit einem eigentlich guten Lehrwerk erschweren, wie beim Heft zur Spätantike, oder die nur unzureichende Umsetzung der von den Schwerpunktthemen geforderten Inhalte, wie beim Heft zum Imperialismus, deuten eher auf großen Zeitdruck bei Konzeption und Realisierung der einzelnen Hefte hin als auf strukturelle Defizite des den Heften zugrunde liegenden Konzepts.