Ethik / Philosophie, Oberstufe, Gymnasium
Philosophie-Navigator für die gymnasiale Oberstufe
Herausgegeben von | Wittschier, Michael |
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Erschienen | Paderborn: Schöningh, 2017 |
Seitenanzahl | 183 |
ISBN | 978-3-14-025410-6 |
Geeignet für | Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen |
Rezensiert von | Bitterlich, Simon und Julia Angela Wartenberg-Demand (Studierende), 6. Juni 2018 |
Rezension von Bitterlich, Simon und Julia Angela Wartenberg-Demand (Studierende)
1. Einleitung
Der Name „Philosophie – Navigator für die gymnasiale Oberstufe“ erweckt bereits vor dem ersten Blick ins Buch hohe Erwartungen und bietet zudem Raum zur Spekulation über die Frage, wo die Reise mit diesem Navigator hingehen soll. Zum einen denkt man bei dem Titel an einen Navigator, der die Schülerinnen und Schüler durch die gesamte Oberstufe führen soll und als Ziel das erfolgreiche Bestehen des Abiturs hat. Zum anderen könnte es sich jedoch auch um einen Navigator handeln, der sich als Ziel gesetzt hat, die Schülerinnen und Schüler durch das breite Feld der Philosophie zu führen und ihnen einen groben, aber doch guten Überblick über die Themenvielfalt des Fachs Philosophie zu geben und zudem Möglichkeiten zum Weiterdenken zu bieten.
2. Konzept
Bei dem Konzept handelt es sich, laut Autor, um eine „neuartige Lern- und Verständnishilfe zur (Weiter)-Entwicklung aller Kompetenzen.“ Während der Arbeit mit dem Lehrwerk wird jedoch recht schnell deutlich, dass es sich nicht wirklich um eine neuartige Lernhilfe handelt und die im Lehrplan geforderten Kompetenzen nicht alle berücksichtig werden oder nur wenig mit ihnen gearbeitet wird. In dem Lehrwerk werden nur Methodenkompetenzen explizit vorgestellt, es bleibt jedoch fraglich, inwieweit Sach-, Urteils- und Handlungskompetenzen mit diesem Buch gefördert werden. Auf diesen Punkt werden wir im weiteren Verlauf dieser Rezension noch etwas genauer eingehen.
Zudem bietet das Buch, laut eigener Aussage, „alle für NRW relevanten Schwerpunkte“, die zur Vorbereitung für das Abitur notwendig sind. Hierbei wird dem Leser jedoch nicht transparent gemacht, welche Inhaltsfelder für das Abitur tatsächlich relevant sind und inwieweit das Lehrwerk diese Inhaltsfelder aufgreift. Im Lehrplan für NRW werden sechs verschiedene Inhaltsfelder für die gymnasiale Oberstufe vorgeschrieben. Hierzu gehören „Der Mensch und sein Handeln“, „Menschliche Erkenntnis und ihre Grenzen“, „Das Selbstverständnis des Menschen“, „Werte und Normen des Handels“, „Zusammenleben in Staat und Gesellschaft“ und „Geltungsansprüche der Wissenschaft“. Beim Vergleich des Lehrplans von NRW und dem Kerncurriculum aus Hessen hat man jedoch den Eindruck, dass es sich stärker an Kompetenzerwartungen der E-Phase, Q1 und Q2 des hessischen Kerncurriculums orientiert, anstatt auf das Abitur in NRW vorzubereiten.
3. Kapitelaufbau
Jedes Kapitel beginnt mit einem Advanced Organizer, welcher einen wirklich guten Überblick über das Kapitel verschafft und somit die Orientierung und das Arbeiten mit dem jeweiligen Kapitel vereinfacht. Alle Kapitel sind gleich aufgebaut, was sehr stark zur übersichtlichen Gestaltung des Buches beiträgt. Jedes Kapitel deckt mehrere Unterthemen ab, die jeweils auf einer Doppelseite vorgestellt und behandelt werden. Die linke Seite bietet den Schülerinnen und Schülern immer ein bis zwei didaktisch reduzierte Primärtexte, die verschiedene philosophische Grundgedanken zu den einzelnen Themen vorstellen. Da das Buch den Anspruch hat, auf das Abitur vorzubereiten, die Texte jedoch mitunter sehr stark didaktisch reduziert sind, ist es fraglich, ob der Möglichkeit der Arbeit mit philosophischen Primärtexten in diesem Werk genügend Raum geboten wird. Die Texte sind mit gezeichneten Portraits der jeweiligen Philosophen versehen, was dazu beiträgt, bekannten Namen der Philosophie ein Gesicht zu verleihen und die sonst vorherrschende Bleiwüste etwas aufzulockern.
Auf der rechten Doppelseite befindet sich immer ein Sekundärtext des Autors, in dem ein Überblick über das jeweilige Thema im Allgemeinen gegeben wird. Hierbei bezieht sich der Autor teilweise auf die Philosophen der linken Buchseite, verweist aber auch auf andere Philosophen, die etwas Essenzielles zu diesem Themenbereich beigetragen haben.
Sowohl die rechte als auch die linke Seite sind mit „Weiterdenken-Aufgaben“ versehen, die jedoch leider nicht immer ihrem Namen gerecht werden. Hinter den „Weiterdenken-Aufgaben“ verbergen sich Aufgaben aus den drei Anforderungsbereichen des Abiturs, die mit Hilfe der Operatoren des Fachbereiches formuliert werden. Die Bezeichnung „Weiterdenken“ ist hierbei eher irreführend, vor allem, wenn es sich um Aufgaben handelt, bei denen nur die Hauptaussagen eines Textes zusammengefasst werden sollen. Es finden sich jedoch weder Aufgaben, die aufeinander aufbauen, noch Aufgaben, die Möglichkeiten zur Differenzierung bieten. Man vermisst an dieser Stelle, neben einer generellen Differenzierung, eine Differenzierung zwischen den Leistungsanforderungen von Leistungs- und Grundkurs. Schülerinnen und Schülern wird nicht transparent, auf welche Kursform sich die Aufgaben beziehen. Zu jeder der Aufgaben findet man eine Musterlösung am Ende des Werkes, was dem eigenständigen Lernen zwar zuträglich ist, jedoch bei der Arbeit im Klassenverband Schüler dazu verleiten kann, nicht selbstständig zu arbeiten beziehungsweise zu denken. Daher ist es sehr fraglich, wie sinnvoll es ist, das Buch im Klassensatz anzuschaffen.
4. Kompetenzen
In diesem Buch wird am Ende jedes Kapitels je eine Seite einer Methodenkompetenz gewidmet. Auf diesen Seiten wird je eine von insgesamt fünf Methodenkompetenzen kurz vorgestellt. Im ersten Kapitel geht es um das Formulieren philosophischer Fragestellungen. In den darauffolgenden Kapiteln finden sich die Methodenkompetenzen „Philosophische Texte analysieren“, „eigene Gedanken in philosophischen Essays formulieren“ und „philosophisch argumentieren“. Die Methodenkompetenz im letzten Kapitel dreht sich darum, philosophische Begriffe zu erklären und sie veranschaulichen. Diese Kompetenzen sollen mit Hilfe einer kurzen Übungsaufgabe und einem stark didaktisch reduzierten philosophischen Textausschnitt angewendet und „vertieft“ werden. Dieser gut gemeinte Aspekt des Buches scheitert jedoch leider an seiner Umsetzung.
Wie bereits im Punkt „Konzept“ kritisch erwähnt, fehlen in diesem Buch die Sach-, Urteils- und Handlungskompetenzen. Außerdem werden in diesem Buch leider nur fünf grundlegende Methodenkompetenzen vorgestellt. Bei diesen fünf vorgestellten Methodenkompetenzen wird nicht transparent, anhand welcher Kriterien der Autor die 13 im Lehrplan von NRW vorgestellten Methodenkompetenzen auf fünf reduziert.
Ein weiterer kritisch zu bewertender Punkt ist es, dass abgesehen von der Methodenkompetenz, die am Ende des ersten Kapitels vorgestellt wird, keine der anderen Kompetenzen an das vorangegangene Thema des jeweiligen Kapitels anknüpft. Da die Methodenkompetenzen am Ende des Kapitels stehen, nimmt der Autor dem Lehrwerk die Möglichkeit, die erworbenen Kompetenzen an den Inhalten des Kapitels anzuwenden und zu festigen.
5. Fachwissenschaftliche Aktualität
Das Buch bleibt, in Bezug auf die fachwissenschaftliche Aktualität, der zweiten Lesart seines Titels treu und navigiert durch die allgemeinen Themen der Philosophie, ohne dabei auf aktuelle Probleme und fachübergreifende Inhalte näher einzugehen. Gleichzeitig erfüllt es die erste Assoziation mit seinem Titel, nämlich auf das Abitur vorzubereiten, indem es philosophische Sachkompetenzen vermittelt, ohne dabei jedoch einen konkreten Alltagsbezug für die Schülerinnen und Schüler herzustellen.
6. Fazit
Im Großen und Ganzen bietet das Buch eine gute Übersicht über die grundlegenden Themen und einige der wichtigsten Methodenkompetenzen der Philosophie. Aufgrund der Struktur des Buches ist es jedoch fraglich, ob sich das Buch als Lehrwerk für den regulären Unterricht eignet. Ein wichtiger Punkt hierbei sind zum Beispiel die Musterlösungen, denn welchen Anreiz hat ein Schüler selbstständig „weiterzudenken“, wenn das Buch die zentralen Punkte eines Themas in Form von „Lösungsvorschlägen“ für jede Aufgabe bietet?
Bereits in der Einführung stellte sich die Frage, inwiefern das Buch seinem Titel gerecht wird. Diese ist selbst nach intensiver Auseinandersetzung mit diesem Werk nicht zufriedenstellend zu beantworten. Navigiert das Buch einfach nur grundlegend durch die Gefilde der Philosophie? Dann wird es seinem Namen gerecht. Wenn dies das Ziel des Buches ist, dann eignet es sich jedoch eher für die Lehrkraft als Orientierungshilfe oder für interessierte Schüler und Schülerinnen, die sich zusätzlich zum normalen Philosophieunterricht weiterbilden wollen. Soll das Buch jedoch die Schülerinnen und Schüler durch die Philosophie der gymnasialen Oberstufe mit dem Ziel Abitur navigieren und dazu als einziges eigenständiges Lehrwerk dienen, besteht Zweifel daran, dass es dieser Aufgabe gerecht wird und sich als eigenständiges Lehrwerk eignet.