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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

Zeit für Geschichte 11

Zeit für Geschichte 11
Herausgegeben von Egner, Anton und Andrea Kimmi-Bühler
Erschienen Braunschweig: Schroedel, 2010
Seitenanzahl 408
ISBN 978-3-507-36805-7
Geeignet für Baden-Württemberg
Rezensiert von Brockmann, Anna-Kathrin (Studentin), 29. Dezember 2011
Projekt Leibniz Universität Hannover, Sommersemester 2011

Rezension von Brockmann, Anna-Kathrin (Studentin)


Einmal Zeit für… eigene Interessen haben. Damit knüpft der Titel des Lehrbuches „Zeit für Geschichte. Herausforderungen der Moderne.“, zugelassen für den 11. Jahrgang in Baden-Württemberg an die Wünsche der Schülerinnen und Schüler an. Durch den Einband des Lehrbuchs wird auf den ersten Blick deutlich, dass die Industrielle Revolution sowie die Bildung eines Deutschen Reiches, aber auch der Weg zur Europäischen Union thematisiert werden.

Aufbau
Das Buch ist in sieben Kapitel unterteilt: „Industrielle Revolution“, „Politische Revolutionen“, „Neue Lebensformen entstehen“, „Die Revolution von 1848“, „Das deutsche Kaiserreich“, „Die Weimarer Republik“ und „Der Nationalsozialismus“. Diese bis zu 90 Seiten umfassenden Kapitel werden nicht wie üblich durch eine „bunte“ Doppelseite, die Assoziationen wecken könnte, eingeleitet, sondern steigen mit Hilfe der Autorentexte direkt ins Thema ein. Die Geschichte Deutschlands wird in der Reihenfolge der Kapitel chronologisch dargestellt. An die Autorentexte schließen sich in der Regel Quellen und Materialien an, die den Inhalt der Autorentexte vertiefen. Am Ende des Buches befindet sich ein Stichwortverzeichnis, das es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, unbekannte Begriffe nachzuschlagen. Die Begriffe oder Personen werden jedoch nicht erklärt, sondern häufig lediglich im Kontext genannt oder zitiert.

Methoden
Auffallend ist, dass neben den eigentlichen Kapiteln vier Methoden vorgestellt und eingeübt werden. Diese reichen von der Arbeit mit Statistiken, sowie Text-, Film- und Fotografiequellen bis zum historischen Vergleich. Hier werden unterschiedliche Untersuchungsaspekte erörtert und die Schülerinnen und Schüler wenden diese bei den vorangegangenen Themen an. Die Thematisierung dieser Methoden mag für den 11. Jahrgang bereits eine Wiederholung sein, jedoch sind die genau zu beachtenden Unterschiede der Quellen hervorgehoben und eine detailgetreue Übung wird systematisch begleitet, sodass eine Verbesserung der Schülerleistung möglich ist. Des Weiteren gibt es einen Exkurs zur aktuellen Forschungsmeinung zum Scheitern der Weimarer Republik. Dieser Teil ist ebenso wie die Methoden deutlich markiert, jedoch ist die Darstellung der wissenschaftlichen Position sehr einseitig, da nur eine einzelne Historikerin zitiert wird. In der optischen Hervorhebung der Methoden ist auch ein Exkurs zur Wiederholung von Begrifflichkeiten gesetzt. Hier werden knapp und prägnant Aspekte zu Terror und Völkermord unter dem NS-Regime genannt, um dieses Wissen in die eigentliche Thematik, den Nationalsozialismus, einzubetten. Dieser Exkurs erscheint jedoch relativ überflüssig, da der Völkermord bereits vorher differenziert dargestellt wurde.  
Im Unterkapitel „Historisches Denken und Arbeiten“ werden historisches Denken, die sich darauf beziehenden Prozesse und das Denken als Methode problematisiert. Es wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, Handlungen in einen historischen Bezugsrahmen zu setzen, um sie bewerten zu können. Hierbei wird hervorgehoben, wie wichtig die Berücksichtigung anderer Meinungen ist. Weiterführende Fragen stellen sich aus diesen Beweggründen, die in den Kontext eingebunden werden müssen, um durch die Bewertung einer Synthese zu einem Ergebnis kommen zu können. Der Prozess des historischen Denkens ist anhand eines Schaubildes vereinfacht dargestellt.

Didaktisches Konzept
Die Autoren von „Zeit für Geschichte...“ werden weder vorgestellt, noch gibt es eine „Bedienungsanleitung“ für Schülerinnen und Schüler oder Lehrer. Im Vorwort wird lediglich darauf verwiesen, dass historische Fallbeispiele mit diachronen Fragestellungen erfasst und erarbeitet werden sollen. Dies ist aber nur bedingt gelungen, da lediglich im dritten Kapitel Bezüge zwischen den Epochen hergestellt werden. Hier kann die Schülerin/ der Schüler ein kleines „Experiment“ ausprobieren, in dem sie/er die eigene Migration hinterfragt und Vergleiche zu den historischen Beispielen herstellt. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Problematisierung der Umweltverschmutzung. Hier werden sowohl Quellen aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts als auch Platon zitiert. Ein Pollendiagramm zeigt die jeweilige Beeinflussung der Natur von der Eisen- bis zur Neuzeit.  
Die vielseitige Quellenauswahl ermöglicht und fördert die Multiperspektivität. Besonders gelungen ist dies bei der Darstellung der Reichspräsidentenwahl von 1932. Neben einer Wahlrede zu Gunsten Hindenburgs wird ein Aufruf der SPD gestellt. Außerdem sind noch zwei Stellungnahmen von Historikern angeführt, die jedoch relativ alt (1978 und 1985) sind.    
Die didaktische Konzeption ist sowohl darstellend als auch problemorientiert. So wird zum Beispiel die Durchsetzung der NS-Diktatur zuerst in einem Autorentext dargestellt, anschließend werden verschiedene Meinungen zu diesem Thema angeführt und die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, diese anhand der Differenzierung von „Machtübergabe“, „Ermächtigung“, „Machtergreifung“ und „Gleichschaltung“ zu problematisieren.  

Autorentexte
Die Texte sind verständlich und altersgemäß verfasst. Unbekannte Fachbegriffe, wie z. B. „Schisma“, werden am Rand eines Autorentextes knapp erklärt. Der Inhalt ist objektiv bis leicht wertend, wobei die Wertung am deutlichsten in der Umweltgeschichte wird. Die Zäsur im Verhältnis von Mensch und Umwelt werde „niemand ernsthaft bestreiten“. Außerdem würden die „massiven Eingriffe in die natürliche Umwelt“ immer deutlicher. Diese Wertung motiviert Schülerinnen und Schüler den Wandel der Natur in den letzten 1000 Jahren nachzuvollziehen und die anschließende Stellungnahme eines Historikers zu diskutieren.

Quellen und Materialien
Neben den kurz gehaltenen Autorentexten sind viele Quellentexte vorhanden, die bis zu zwei Seiten lang sein können. Unterschiedliche Meinungen werden dargestellt und häufig in den aktuellen Forschungsstand eingebettet. Sowohl Zitate aus Memoiren, Briefen, Reden und Büchern als auch Gesetze und Zeitungsartikel sind als Quellen angeführt.
Die Auswahl der bildlichen Quellen ist sehr weit gefächert. Neben Fotos und Karikaturen gibt es auch Gemälde, Zeichnungen, Postkarten, Flugblätter, Wahlplakate und Landkarten, wobei letztere leider nur sehr vereinzelt vorkommen. Alle Darstellungen sind groß genug aufgelöst, sodass genaue Analyse und Interpretation möglich sind. Des Weiteren gibt es viele Diagramme und Graphiken, die schnell zu erfassen und in den Kontext einzubinden sind.
Die Quellenauswahl ist in das jeweilige Thema eingebettet und ergänzt die Autorentexte argumentativ. Die vielseitigen Quellen motivieren Schülerinnen und Schüler und bieten dem Lehrer eine für seinen Unterricht passende Auswahl an Materialien. Jede Quelle hat vollständige bibliographische Angaben, sodass eine Einbettung in den Kontext leicht fällt.  

Aufgabenstellungen
Aufgabenstellungen werden mit präzisen Operatoren (erörtern, beschreiben, bewerten, etc.) eingeleitet und beziehen sich nicht nur auf ein Material, sondern lassen die Quellenauswahl offen. Es werden überwiegend die ersten beiden Anforderungsbereiche abgedeckt. Der dritte Anforderungsbereich (beurteilen, entwickeln, interpretieren, etc.) wird nur selten in die Arbeitsaufträge einbezogen. Dies ist sehr schade, da nur hier eine wirkliche Transferleistung erbracht wird. Die Reihenfolge der Aufgaben lässt auf einen kausalen Zusammenhang schließen, wobei der Schüler schrittweise seine eigene Meinung bilden kann. Die Aufgabenstellungen sind nicht an Sozialformen und Handlungsmuster geknüpft.

Fachwissenschaftliche und Fachdidaktische Aspekte
Durch regelmäßige methodische Übungen wird ein Kompetenzmodell erkennbar, das Schülerinnen und Schüler zu einer weiten Sichtweise animieren soll. Verschiedene Dimensionen der Geschichte werden problematisiert. So werden unter anderem sowohl geschlechterspezifische als auch kulturgeschichtliche Fragestellungen aufgeworfen und mit einem Gegenwartsbezug verknüpft. Jedoch wird nur selten eine Parallele zwischen deutscher und anderen Kulturen aufgezeigt und ein Zusammentreffen unterschiedlicher Länder fast nur in einen kriegerischen Kontext gesetzt. Dies wird besonders durch den Schluss hervorgehoben, da hier eine Sonderrolle Deutschlands im heutigen Europa thematisiert und durch die Meinungen von Historikern untermauert wird. Dies erscheint in einer globalisierten Welt, in der Schülerinnen und Schüler schon früh durch das Internet weltumspannende Freundschaften haben, grotesk.   
Das Schulbuch stellt Geschichte als einen aus vielen Teilen und Handlungen bestehenden Prozess dar, der alle Bereiche des menschlichen Lebens umfasst. Dieser wird zum einem chronologisch aufgezeigt; durchgeführte diachrone Längsschnitte ermöglichen die Vertiefung eines Themas, wie z. B. Revolutionen, deren Ereignisse sowohl chronologisch als auch vergleichend aufgeführt werden. Ein fachwissenschaftlich gesicherter Forschungsstand wird durch die stete Berücksichtigung von Forschermeinungen gewährleistet.

Fazit
Insgesamt kann gesagt werden, dass „Zeit für Geschichte“ ein sehr in die Tiefe gehendes Buch ist, dessen Darstellung der historischen Prozesse leicht verständlich und nachvollziehbar erscheint. Die Herausforderungen der Moderne, wie im Untertitel genannt,  werden angemessen problematisiert. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass das Buch für einen alltäglichen Gebrauch, wenn es die Schülerinnen und Schüler nicht in der Schule lassen können, recht schwer ist. Seine 400 Seiten wiegen über 1100 Gramm.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Brockmann, Anna-Kathrin. Rezension zu: Zeit für Geschichte 11 von Egner, Anton und Andrea Kimmi-Bühler (Hg.). Braunschweig: Schroedel 2010, ISBN 978-3-507-36805-7, Edumeres 2011, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/brockmann-anna-kathrin/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.