Ethik / Philosophie, 7./8. Schuljahr, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium, Hauptschule
Ich und die Werte 7/8
Herausgegeben von | Eisenschmidt, Helge |
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Erschienen | Leipzig: Militzke, 2004 |
Seitenanzahl | 232 |
ISBN | 978-3-86189-207-6 |
Geeignet für | Niedersachsen |
Rezensiert von | Christiansen, Jesper, Carolin Schmieding und Christine Witerspan (Studierende), 13. April 2015 |
Projekt | Leibniz Universität Hannover, Wintersemester 2014/15, Schulbuchanalysen: Säkular-weltanschauliche Diversität im Werte und Normen-Unterrichtsmaterial |
Rezension von Christiansen, Jesper, Carolin Schmieding und Christine Witerspan (Studierende)
Einleitung
„Wir wünschen euch bei der Arbeit mit dem Buch viel Freude, produktive Diskussionen und interessante Einsichten für euer Leben“, so richten sich die Autorinnen und Autoren, Herausgeber und der Verlag in „Werte und Normen, Ich und die Werte“ an ihre Rezipienten. Das Lehrbuch und das dazugehörige Arbeitsheft sind für die Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Klasse konzipiert. Eine explizite Schulform, für die das Buch geeignet sein könnte, wird nicht genannt. Das Material bezieht sich auf das Schulfach Werte und Normen.
Besonders auffällig ist die farbenfrohe Gestaltung des Lehrbuch-Covers. Es ist bunt, dabei überwiegend grün und ohne genaue Formen gestaltet. Das Cover stellt beim ersten Anblick keine Assoziation zum Fach her. Der Titel fällt im besonderen Maß ins Auge: „Ich und die Werte.“ Das Personalpronomen „ich“ geht voran und stellt die Schülerin oder den Schüler in das Zentrum. Der Rezipient/die Rezipientin fühlt sich angesprochen.
Überblick über Aufbau, Inhalt und Konzept
Das Lehrbuch und Arbeitsheft machen einen hochwertigen Eindruck. Auf der ersten Seite finden sich direkt einige Hinweise für die Rezipientinnen und Rezipienten, die das Arbeiten mit dem Lehrbuch vereinfachen sollen. So werden die Symbole, die im Buch immer wieder auftauchen abgebildet und erläutert. „Q“ steht für Quellentexte, „A“ für Fragen und Aufgabenstellungen, die zur selbstständigen Arbeit anregen sollen, „U“ steht für Übungen und Tests und schließlich „P“ für Projekte. Der einleitenden Erläuterung folgt ein knappes Vorwort, das sich direkt an den Rezipienten/die Rezipientin richtet. Es wird darauf hingewiesen, dass wichtige Begriffe im Glossar erläutert werden. Weiterhin richten sich die Autorinnen und Autoren, Herausgeber und der Verlag motivierend an die Schülerinnen und Schüler. Dabei wird angebracht, dass Hinweise zur Verbesserung des Lehrbuches von den Schülerinnen und Schülern erfolgen und sie diese an den Verlag heran getragen werden können. Das folgende Inhaltsverzeichnis ist übersichtlich gestaltet und präsentiert die acht Kapitel und ihre vier Unterkapitel in angemessener Weise, wobei die Oberkapitel wie folgt betitelt sind: „Auf der Suche nach Sinn und Glück“, „Vom Erwachsenwerden“, „Bewältigung schwieriger Lebenssituationen“. „Über Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“, „Suche nach religiöser Identität“, „Alternative religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften“, „Mensch und Natur“ und schließlich „Leben in der modernen Welt“.
Jedem Kapitel geht eine Auftaktseite voraus, die Bilder zu dem jeweiligen Thema präsentiert. Weder gibt es einen einleitenden Text zu den jeweiligen Kapiteln, noch einen Ausstieg. Stattdessen erfolgt ein direkter Einstieg in die unterschiedlichen Themen. Zusammenfassungsseiten sind nicht vorhanden. Da die Zuordnung zu Schulform und Bundesland nicht gegeben ist, muss die Eignung des Buches für den Werte und Normen-Unterricht in der gymnasialen Sekundarstufe I anhand des zugehörigen Kerncurriculums untersucht werden. Eine solche Untersuchung ergibt, dass sowohl die Kapitel als auch die Unterkapitel die Leitthemen des niedersächsischen Kerncurriculums einschließen. Auch die vorgegeben Operatoren finden sich in den Übungen und Aufgabenstellungen wieder. Diese werden in dem Werk jedoch nicht extra aufgezählt und erklärt. Bereits innerhalb der Kapitel werden Fragen und Probleme aufgeworfen, wie zum Beispiel „Was ist typisch männlich, typisch weiblich?“ oder „Wer bin ich?“ Immer wieder wird für die Schülerinnen und Schüler ein Alltagsbezug hergestellt durch Fragestellungen, wie zum Beispiel „Wer sagt mir wo es langgeht?“. Der Rezipient fühlt sich durch die Frage- und Problemstellungen direkt angesprochen und die Formulierungen sind immer personalisiert. Durch die Alltagsrelevanz der Problemstellungen ist den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben das zuvor Erarbeitete als Orientierungshilfe auf das eigene Handeln zu beziehen – es ist eine Handlungsorientierung gegeben. Durch die Fragestellungen, aber auch die Inhalt an sich, werden Schüler verschiedenster kultureller Hintergründe und Wissensstände eingebunden. Dieses Konzept der Differenzierung findet sich im gesamten Werk wieder. Die Autorentexte sind sprachlich altersangemessen formuliert und klar verständlich. Die behandelten Themen (zum Beispiel Drogenkonsum) entsprechen dem Alter der Lerngruppe, die verwendeten Beispiele (Ravekultur/Technoszene der 90er), welche die Problematiken veranschaulichen sollen, sind veraltet und deshalb zu weit von der Lebenswelt der Schüler entfernt. Dadurch wird der Zugang zu der Problemstellung erschwert, da durch das veraltete Beispiel eine Entfremdung zwischen dem Lerngegenstand und der Lerngruppe entsteht. Ähnliches gilt für die Quellentexte, zum Beispiel der Leserbrief über einen Rave-Gottesdienst aus der Shell Studie Jugend/97. Heutige Siebt- oder Achtklässler/-innen waren zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich noch nicht geboren. Daher kann auch hier nicht der Bezug hergestellt werden. Auch das verwendete Bildmaterial macht es den Schülern nicht leicht an die hinter dem Material liegenden Themen heranzutreten. Beim Anblick der Abbildungen könnte die Aufmerksamkeit zunächst von dem Thema weggeführt werden, zu groß ist die amüsierte Verwunderung über veraltete Haarschnitte oder Kleidung. Das Alter des Buches bringt eine weitere Problematik mit sich. Zwar werden Themen behandelt, die damals wie heute relevant sind, Phänomene der Jetztzeit fehlen jedoch gänzlich, zum Beispiel der gesamte Themenbereich Internet, oder der Umgang mit modernen, sozialen Medien. Die Schüler befassen sich nicht nur gerne mit diesen Inhalten, wodurch eine hohe Motivation zu erwarten ist, auch aus pädagogischer Sicht wird ein essentielles Ziel erfüllt, indem der verantwortungsvolle Umgang mit dem Web 2.0 erlernt wird.
Säkular-weltanschauliche Aspekte
Obwohl im Lehrbuch ein ganzes Kapitel den alternativen religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften gewidmet ist, befasst sich dieser Themenkomplex nicht explizit mit säkular weltanschaulichen Gruppierungen, wie zum Beispiel dem Humanistischen Verband Deutschland (HVD) oder ähnlichen Vereinigungen. Den HVD oder ähnliche Gruppierungen in ihrer Organisationsstruktur und Weltanschauung vorzustellen ist wichtig, um den Schülern ein möglichst breites Spektrum für die eigene Identitätssuche und geistige Orientierung zu bieten, was ein guter Werte und Normen Unterricht eigentlich voraussetzt. Es werden zwar Alternativen, wie Okkultismus oder Esoterik dargestellt, aber diese Bewegungen orientieren sich nicht am Konzept der Säkularität. Es handelt sich hierbei zwar nicht um organisierte Religionen, doch diese Gruppierungen befassen sich durchaus mit dem überweltlichem. Somit wird der säkular weltanschauliche Grundgedanke, der Ausschluss des überweltlichen und das rein weltliche, immanente Denken, vernachlässigt.
Allerdings finden sich in dem Schulbuch durchaus Aspekte säkularer Weltanschauung. Diese werden als eine von vielen Perspektiven in einigen Kapiteln dargestellt. So wird in dem Unterkapitel „Lebensbegleitende Feste und Feiern“ des Kapitels 2 „Vom Erwachsenwerden“ neben religiösen Festen, wie der Bar Mizwa oder der Konfirmation, auch die Jugendweihe als Alternative von „nicht religiös gebundenen Familien“ genannt. Außerdem erwähnt das Unterkapitel „Wenn uns Schuld trifft“ des 3. Kapitels nicht religiöse Schuld Gott gegenüber, sondern auch rechtliche Schuld gegenüber dem Gesetz. Im selben Kapitel, dieses Mal zu dem Thema „zur Ehrlichkeit bereit“, wird ehrliches Verhalten nicht nur mit dem religiösen Geboten verbunden, sondern auch mit dem Gebot der Vernunft begründet. Als letztes Beispiel stellt das 7. Kapitel „Mensch und Natur“ zunächst das Naturverständnis verschiedener Religionen vor, fügt dann aber noch Albert Schweitzers philosophische Begründung für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur an.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass das grundlegende Konzept des Schulbuches zielführend ist, da relevante Fragen des Faches Werte und Normen aufgegriffen werden und für die Lernenden zugänglich gemacht werden. Es bietet eine große Auswahl an Orientierungshilfen und erfüllt die Vorgaben des Kerncurriculums Niedersachsen für die Sekundarstufe I.
Obwohl das 6. Kapitel durch den Titel „Alternative religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften“ etwas irreführend wirkt, bietet dieses Schulbuch reichlich säkular weltanschauliche Alternativen für die Schülerinnen und Schüler. Lediglich das veraltete Bild- und Textmaterial bedürfen einer Überarbeitung. Außerdem sollte dringend, in einer überarbeiteten Ausgabe, ein Kapitel über das Internet und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Schülerinnen und Schüler hinzugefügt werden. Dann steht einem erfolgreichen Arbeiten, auf Seiten der Lernenden und der Lehrenden, nichts mehr im Wege