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Sozialkunde / Politik, 5./6. Schuljahr, 7./8. Schuljahr, 9./10. Schuljahr, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium

Migration und Integration

Migration und Integration
Herausgegeben von Poma Poma, Sara und Moritz Friese
Erschienen Schwalbach/Ts.:Wochenschau, 2017
Seitenanzahl 32
ISSN Bestellnummer 1617
Geeignet für Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen
Rezensiert von Dallmer, Jochen (Wissenschaftler), 5. Juli 2018

Rezension von Dallmer, Jochen (Wissenschaftler)


Einleitung
Das Heft „Migration und Integration“ des Wochenschau Verlages bietet auf nur knapp 30 Seiten eine gute Einführung in die vielen Aspekte des hochaktuellen Themas. Es umfasst eine gelungene Mischung aus Texten, Bildern, Graphiken und Karikaturen sowie praktische Arbeitsvorschläge.

Aufbau, Inhalt und Konzept
Das Heft gliedert sich in drei Hauptteile:
1. Migration: Die Welt in Bewegung
2. Migrations- und Integrationspolitik
3. Ich und die Anderen

Im ersten Teil geht es einführend um einen breiten Blick auf das Thema Migration. Zahlen zur globalen Migration werden genannt und zeigen, wo weltweit Migration am größten ist. Begrifflich werden Flucht, Migration und Asyl erklärt. Verschiedene Gründe zur Migration werden anhand biographischer Beispiele anschaulich erläutert. Eine historische Perspektive erzählt von den Millionen Menschen, die im 18. und 19 Jh. aus Deutschland nach Amerika auswanderten. Im zweiten Teil geht es um aktuelle Debatten um „Migration und Integration“ auf gesellschaftlicher und politischer Ebene, etwa die Frage um die doppelte Staatsangehörigkeit, den Zuzug von Arbeitskräften und die „Festung Europa“. Der dritte Teil behandelt die Fragen von Integration anhand von Alltagsthemen von SchülerInnen: der Umgang mit Vielfalt im Klassenzimmer oder wie Sprache ausgrenzen kann. Dazu gehört auch der Blick auf Rassismus als Alltagsphänomen in Deutschland.
Die drei Teile beinhalten jeweils 3-6 Kapitel von denen jedes eine Einzel- oder Doppelseite umfasst (detaillierte Untergliederung siehe: http://www.wochenschau-verlag.de/migration-und-integration.html). In der Mitte des Heftes finden Lehrkräfte auf fünf Seiten didaktische und methodische Hinweise zum Heft. Für AbonnentInnen des Wochenschau Verlages gibt es weitere Begleitmaterialien im Internet.

Charakterisierung der didaktischen Gestaltung

Ausgerechnet die Titelseite ist in Farb- und Bildwahl die unattraktivste Seite des gesamten Heftes: ein dunkles Lila rahmt das Bild einer Schultafel eines Deutschkurses. Die inneren Seiten des Heftes sind jedoch allesamt ansprechend gestaltet: Viele Bilder, Graphiken und Karikaturen wechseln sich mit kurzen Texten ab. Die Texte sind für Jugendliche gut verständlich, die Bilder vermeiden stereotype Darstellungen.
Das Thema ist allein schon durch seine Aktualität und die Intensität der politischen Debatte sehr alltagsbezogen und natürlich auch für Jugendliche relevant. In der Anwendung dürfte wichtig sein, wie sehr die entsprechende Schulklasse durch Migration geprägt ist. Hierauf geht das Heft ein, indem es eine Innen-Außen Perspektive vermeidet und nicht über „die MigrantInnen“ versus „wir Deutsche“ redet. Dennoch könnten je nach Klassenzusammensetzung wertvolle und lebhafte Debatten entstehen, die vom Heft nicht antizipiert werden. Die persönlichen und individuellen Erfahrungen der SchülerInnen sind gerade bei diesem Thema eine wertvolle Ressource und sollten nicht vergessen, sondern aktiv genutzt werden.
Inhaltlich werden Kontroversen aus der gesellschaftlichen Debatte in ihrer Vielfalt gut dargestellt und alle Textbeispiele sind aktuell von 2016 oder 2017. Die Kürze der Texte führt leider manchmal dazu, dass sie nur punktuelle Aspekte des Themas aufzeigen. Dies gilt etwa für das Thema doppelte Staatsbürgerschaft (S. 14-15), bei der zwei Meinungen dargestellt sind, es aber nur wenige Hintergrundinformationen und Zahlen gibt, um sich fundierter eine Meinung bilden zu können. Hier vertiefter einzusteigen, ist dann der Lehrkraft überlassen.
Einzig der Beitrag zur Festung Europa fällt als schwach auf. Eine „Karika-Tour“ vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck, es sei Ansichtssache, ob und wie Europa seine Grenzen sichert. Von den über zehntausend Menschen, die laut UNHCR in den letzten Jahren im Mittelmeer ertrunken sind, kein Wort.
Zu jedem Thema finden sich eine Reihe von Arbeitsvorschlägen, die klar beschrieben sind. Meistens sind die vorgestellten Texte, Bilder, Graphiken und Karikaturen zu analysieren, zu besprechen und zu bewerten. Dabei wird eine differenzierte Betrachtung verlangt und zum kritischen Denken angeregt. Die Aufgaben verbleiben vorwiegend im klassischen Schulrepertoire und sind eher kognitiv ausgerichtet. Einige Methoden wie Ja-Nein Aufstellungen oder ein Rollenspiel ergänzen dies und sorgen damit für Auflockerung. Der Methodenvorschlag, eine eigene Ausstellung zum Thema zu erstellen (S. 19) ist schön, aber vermutlich für die meisten Schulen leider zeitlich nicht in den Unterricht integrierbar. Hier ist den Schulklassen zu wünschen, dass auch Projekttage genutzt werden, um das Thema zu bearbeiten und solche Methoden der non-formalen Bildung zu nutzen.
Für eine erweiterte, tiefgründige Behandlung des Themas wären auch die Zusammenhänge von globaler Entwicklung, Weltwirtschaft, Weltgeschichte etc. stärker in den Blick zu nehmen. Das kann das Heft aber allein vom Umfang her nicht leisten. Aus kritischer Perspektive fällt die Reflexion der Idee von Nationalstaat und Nationalkultur etwas knapp aus. Hier wäre es schön, auch mal einen positiv-visionären Blick nach vorne zu werfen: Wie wäre es in einer Welt ohne Grenzen zu leben, in der aber auch niemand mehr flüchten muss? Bei Jugendlichen, die in einer schon vielfach globalisierten Kultur aufwachsen, würde dies der so oft implizierten Problematik von Migration sicher etwas mehr Optimismus und Gestaltungswillen entgegensetzen.

Abschließende Beurteilung

Wie in anderen Wochenschau Heften üblich bietet auch diese Ausgabe eine sehr lehrerfreundliche Aufbereitung des Themas mit nach Anforderungsbereichen strukturierten Arbeitsvorschlägen. Aufgrund der kurzen Kapitel lassen sich Elemente des Heftes gut anwenden und in die Unterrichtsgestaltung einbauen, sowohl komplette Seiten als auch einzelne Übungen. In das ebenso aktuelle wie komplexe Thema wird gut und differenziert eingeführt, die inhaltliche und graphische Gestaltung ist für Jugendliche attraktiv. Ein gelungenes Heft!