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Ethik / Philosophie, 5./6. Schuljahr, Gesamtschule

Wege. Werte. Wirklichkeiten 5/6

Wege. Werte. Wirklichkeiten 5/6
Herausgegeben von Arnold, Doris et al.
Erschienen München: Oldenbourg, 2011
Seitenanzahl 208
ISBN 978-3-637-01141-0
Geeignet für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Hamburg, Brandenburg, Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen
Rezensiert von Darwichpour, Gilak und Sophie Schmidt (Studierende), 7. November 2012
Projekt Justus-Liebig-Universität Gießen, Sommersemester 2012, Schulbücher im Ethik- und Philosophieunterricht

Rezension von Darwichpour, Gilak und Sophie Schmidt (Studierende)


Ein erster Ausblick Das Lehrbuch „Wege, Werte, Wirklichkeiten" erhebt den Anspruch, Schülerinnen und Schülern ethische Orientierung zu vermitteln und soll dem Einzelnen helfen, moralische Fragestellungen im Alltagsleben zu bewältigen. Dieser Strukturfaden ist im gesamten Werk vorzufinden und zieht sich durch alle sechs Kapitel des Lehrbuchs. So beginnt jeder Themenkomplex mit einer Doppeleinstiegsseite, welche Neugier wecken und anregend auf das folgende Kapitel wirken soll, in welchem die Schülerinnen und Schüler Texte, Fragen und Bilder vorfinden. Diese sollen Hilfestellung geben, sich mit ethischen Fragen und der Reflexion persönlicher Erfahrungen zu befassen. Das Lehrbuch bietet sich für alle Schulformen an, wobei es dem Gesamteindruck nach besonders für Haupt- und Realschulen geeignet ist. Dies wird zum einen bei der Themenauswahl ersichtlich als auch im Anspruch der Aufgabenstellungen. Das Buch besticht zudem durch sein modernes und zeitnahes Auftreten und bietet in diesem Zusammenhang einen starken Lebensweltbezug für die Schülerinnen und Schüler. Dieser spiegelt sich in der Auswahl der Fotos und Abbildungen als auch im Layout und der Qualität des Buchdrucks wider. Erwähnenswert ist die Besonderheit, dass das vorliegende Exemplar bereits mit Einband ausgeliefert wird und sich somit deutlich von anderen Büchern abhebt

Vorstellung des Konzepts
Bereits im Vorwort gehen die Autoren explizit auf die Schülerinnen und Schüler ein und verdeutlichen das dem Buch zugrunde liegende Konzept. An dieser Stelle erläutern sie den Umgang mit dem Buch, sodass den Schülerinnen und Schülern eine erste Orientierung gegeben wird. Der Aufbau der Kapitel folgt einer sachlogischen Gliederung, wonach jedes der Kapitel aufgebaut ist und somit ein routiniertes Arbeiten gewährleistet wird. Die sechs aufeinander aufbauenden Kapitel mit jeweils zwei Unterkapiteln beinhalten einen Methodenbereich, eine Infobox, Anwendungsaufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsniveaus sowie eine alternative Weiterführung mit Internetrecherche. Zusätzliches Material für weiterführende Aufgabenstellungen ist in Form eines „Rückblicks" und einer Lerngelegenheit zum „Weiterdenken" angehängt. Inhaltlich sind die einzelnen Themen der Kapitel sinnvoll aufeinander abgestimmt und folgen einer logischen Konzeption. Zudem wurde der Inhalt hinsichtlich der didaktischen Reduktion der Sekundarstufe I angemessen gewählt.
Die Struktur der Kapitel ermöglicht den Einbezug der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und bindet zusätzlich gesellschaftliche Fragen mit ein. So werden u.a. viele Beispiele aus dem Alltag Jugendlicher herangezogen. Einen besonders gelungenen Versuch, den Bezug zu den Schülerinnen und Schülern herzustellen, wird an dieser Stelle auch durch das Eingehen auf die Gefühle von Jugendlichen erreicht. Es werden beispielsweise Schülerkommentare zum Thema „Vom Umgang mit Ängsten" aufgegriffen und thematisiert. In Bezug auf den inhaltlichen Aspekt der Kapitel ist zudem festzustellen, dass nicht alle Kapitel mit philosophischen, religionskundlichen oder sozialwissenschaftlichen Aspekten versehen sind. Nur an ausgewählten, aber sinnvollen Stellen, wurden die einzelnen Teildisziplinen entsprechend verknüpft.

Fachdidaktische Auseinandersetzung
Die Aufgabenstellungen in den einzelnen Themengebieten folgen, soweit es didaktisch sinnvoll ist, einem lernprogressiven Ansatz. So wird jeweils zu Beginn mit einer Reflexion des bereits Erlernten begonnen, woraufhin ein persönlicher Bezug durch eigenes Agieren, Formulieren oder Handeln des Schülers oder der Schülerin hergestellt wird. Anschließend folgt eine weiterführende Aufgabe, die der Auseinandersetzung mit der Thematik dient. Das differenzierte Angebot macht es möglich, das Buch für unterschiedliche Leistungsniveaus einzusetzen. Interessendifferenzierung hingegen findet nur sehr selten und an einigen wenigen Stellen statt. Jedes Kapitel beinhaltet zudem Aufgaben, die sich meist auf einen vorangegangenen Text oder ein Bild beziehen. Dementsprechend sind diese unterschiedlich konzipiert. So dienen sie teilweise zur Erzielung eines besseren Text oder Kontextverständnisses, oftmals erscheinen sie jedoch auch in Form von Fragen, die den Schülerinnen und Schülern einen kreativen Anreiz geben sollen. Beispielsweise sollen sich sie sich mit dem Auftrag auseinandersetzen, andere Personen zu malen, sich in diese hineinzuversetzen und deren Gefühle wiederzugeben. In dem aufgeführten „Rückblick" eines jeden Kapitels nimmt der Schwierigkeitsgrad der Fragestellungen zu und gibt noch einmal einen sprichwörtlichen Anreiz zum „Weiterdenken". Was die Heterogenität der Schülerschaft angeht, wurde diese nur teilweise berücksichtigt. So wurde auf diesen Aspekt in verschiedenen Kapiteln in Form von Bildern oder Geschichten eingegangen, an anderer Stelle wiederum fehlt jedoch dieser Bezug.
Die Methodenkompetenz wird auf speziellen Methodenseiten in den einzelnen Kapiteln berücksichtigt und sinnvoll mit dem jeweiligen Themenkomplex in Verbindung gebracht. Dennoch dienen die Methodenseiten eher der Reflexion und Festigung des Erlernten, wohingegen die Vermittlung von Kompetenz an dieser Stelle eher im Hintergrund steht. Sie bilden dennoch einen sehr guten Ansatz für den routinierten Umgang mit einer Methode. So stellt u.a. der sogenannte „Denkraum", welcher in regelmäßigen Abständen erscheint, eine gute Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler dar, selbst Stellung zu beziehen und Bezüge aufzubauen. Die erzielte Leistung des Schülerinnen und Schülers in den Denkräumen dient auch den Lehrkräften, die dadurch Gelegenheit erhalten, mehr über den Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler in Erfahrung zu bringen. Im Hinblick auf das fachdidaktische Konzept wird deutlich, dass eine Vielfalt an Methoden zur Verfügung gestellt wird. So werden Denkmethoden in Form einer Dilemmadiskussion, eines Diskurses, Methoden zum Perspektivenwechsel, Szenisches Spiel, Sokratisches Gespräch, Gedankenexperiment, Infobox oder Mythisches Erzählen angeboten. In philosophischer Hinsicht ist diesbezüglich jedoch vergleichbar wenig vorzufinden. Lediglich anhand des „Methodischen Zweifels", wird der Bezug zum Philosophischen hergestellt. Ebenfalls positiv anzumerken ist die Verwendung eines angehängten Lexikons. Hier werden im Buch verwendete wichtige Begriffe noch einmal aufgegriffen und auf eine für die Schülerinnen und Schüler verständliche Weise erklärt. Definitionen unbekannter Begriffe werden aber auch schon in kleinen Randbemerkungen gegeben oder es wird auf die entsprechende Seite verwiesen, auf denen die Erklärung zu finden ist. Das Methodenglossar gibt einen zusätzlichen Überblick über jene Methoden, die innerhalb einer Aufgabenstellung anzuwenden sind oder die als Tipp zur besseren Aufgabenbewältigung in einer Randbemerkung festgehalten sind.
Der grundlegende Entwurf dieses Konzeptes ist allerdings eher eintönig gestaltet, da meist ein Text im Zentrum steht und die Aufgabenstellungen und Methoden auf diesen ausgerichtet sind. Orientiert sich die Lehrkraft eng am Buch, steigt sie meist anhand eines Textes oder eines Bildes ein. Diese Einseitigkeit relativiert sich allerdings durch die gegebene Methodenvielfalt. Sie wird auch dahingehend aufgebrochen, dass beispielsweise in den „Denkräumen" in Gruppen gearbeitet werden oder die Ergebnispräsentation der Schülerinnen und Schüler in Form eines Vortrags vor der Klasse erfolgen soll, ohne dass die Lehrkraft eine zentrale Rolle innerhalb des Unterrichts einnimmt.
Im Hinblick auf die Handlungs und Problemorientierung lässt sich feststellen, dass beispielsweise das Themenfeld „Mobbing" als auch die Thematik „Surfen im Internet" problemorientiert angegangen wird.
In Bezug auf die für den Ethikunterricht relevanten Kompetenzen fällt auf, dass diese insbesondere bei der Auswahl der Methoden Berücksichtigung finden. Dies wird beispielsweise anhand der Methode des Sokratischen Gesprächs deutlich, bei der vor allem die Argumentations und Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler geschult wird, welche einen zentralen Bestandteil der Kompetenzbereiche bilden. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Kompetenz der ethischen Urteilsfähigkeit mit der aufgeführten Methode einer Dilemma-Diskussion, spezifisch gefördert wird.

Texte und Materialien
Hinsichtlich der Texte lässt sich eine gewisse Vielfalt feststellen. So werden Geschichten, literarische Auszüge oder Teile religiöser Texte wiedergegeben. Sie sind in vielerlei Hinsicht an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler orientiert. So finden sich an vielen Stellen persönliche Bezüge zu Fragen, die Kinder in der heutigen Gesellschaft betreffen. Inhaltlich dienen die Texte eher informativen und aufklärerischen Zwecken. Einseitige Darstellungen und interessenbezogene Positionen werden ausgeklammert. Auch ethische Fragen werden auf vielfältige Art und Weise aufgeworfen und behandelt. So verdeutlicht das Einstiegsbild der jeweiligen Kapitel, auf welches Thema und welche Fragen im Folgenden abgezielt werden. Die nachfolgenden Texte beleuchten diese Frage auf vielfältige Art und Weise und bieten diverse Möglichkeiten, die Thematik zu vertiefen. Dem Versuch, den Schülerinnen und Schülern Lösungsansätze zu bieten, sollte jedoch ein wenig mehr Raum zugestanden werden.
Betrachtet man die Texte und stellt diese in Analogie zu den aufgeführten Bildern, so wird ein logischer Zusammenhang ersichtlich. Die Abbildungen visualisieren die Thematik auf sinnvolle Weise und dienen der Textergänzung. Zudem nehmen die Bilder jeweils Bezug auf mehrere Positionen, was den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, unterschiedliche Sichtweisen wahrzunehmen und nachzuvollziehen (Bsp. Thema Mobbing). Auch die Auswahl der verschiedenen Charaktere in Text und Bild weisen eine gewisse Diversität auf, welche zeitangemessen erscheint.
Hinsichtlich der Einbindung weiterer Medien wird eine Vielzahl von Buchempfehlungen aufgeführt, die inhaltlich gut zu der Thematik passen bzw. das Thema weiterführend ergänzen (Bsp. „Sofies Welt", „Momo", „Die unendliche Geschichte" etc.).

Bezugnahme auf Bildungsstandards und Inhaltsfelder
An dieser Stelle soll ein Kompetenzbereich etwas genauer beleuchtet werden. So spiegelt sich beispielsweise der Kompetenzbereich „Wahrnehmen und Deuten" sehr transparent im vierten Kapitel des Buches wider. Hier wird die Thematik „Mensch, Natur und Technik" aufgegriffen. Die Auseinandersetzung mit der komplexen Lebenswirklichkeit ist ein zentraler Bestandteil dieses Kapitels, insbesondere wenn man das Wechselspiel zwischen Mensch und Natur beleuchtet. Die Umwelt des Menschen wird hier ganz konkret erfasst, woraus sich ethische Fragestellungen wie beispielsweise in Bezug auf den Einfluss der Menschen auf die Natur ergeben können. Auch die Empathiefähigkeit der Schülerinnen und Schüler wird hier gefordert. Durch die Einsicht in andere Lebensräume, wie dies z.B. durch das „Watershed"-Projekt geschieht, lernen sie, sich in andere Lebenssituationen hineinzuversetzen. Während die Schülerinnen und Schüler hier lediglich indirekt dazu aufgefordert werden, gewisse Gegebenheiten wahrzunehmen, liegt die Wahrnehmung im darauffolgenden Kapitel deutlich formuliert vor, sprich als etwas, was bewusst von den Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden soll. Hier geht es darum, sich explizit mit dem Begriff „Wahrnehmungsurteil" auseinanderzusetzen. Somit ist dieser Kompetenzbegriff nicht nur progressiv angewandt, sondern wird zusätzlich transparent für die Schülerinnen und Schüler.

Ausrichtung am Fachkonzept Ethik
Das Buch orientiert sich klar am Fachkonzept Ethik. Praktische Philosophie findet hier keine Anwendung, was unter Berücksichtigung der Sekundarstufe I auch angemessen ist. Den philosophischen Aspekt findet man lediglich in stark heruntergebrochener Form vor wie beispielsweise in der bereits erwähnten Methode „Zweifel" oder jener des „Sokratischen Gesprächs". Der Religionswissenschaft wird ein komplettes Kapitel gewidmet. Hier wird auf die großen Religionen eingegangen. Eine gewisse Vorarbeit wird durch die Erörterung von Vorurteilen und die Förderung der Empathie geleistet. Das Buch umfasst ebenfalls sozialwissenschaftliche Aspekte. Die Konfrontation mit dem Thema „Gleich und ungleich" leitet beispielsweise dazu an, innergesellschaftliche Unterschiede zu überbrücken und thematisiert im Folgenden den gemeinsamen Ursprung der Menschheit. Hier wird auch konkret auf die didaktischen Leitprinzipien Bezug genommen. Hinsichtlich des didaktischen Leitprinzips „Individuum", wird beispielsweise darauf eingegangen, wer man ist: „Bin ich wie alle? Oder bin ich einzigartig?". Das Leitprinzip „Gesellschaft" wird ganz konkret im Kapitel „In der Gemeinschaft leben" aufgegriffen, in dem es um Freundschaft, Liebe und Zusammenleben geht.

Aktualitätsbezug
Das Buch bietet nur wenige aktuelle Kontroversen bzw. aktuelle ethische Diskussionen an. Hier liegt es bei der Lehrkraft, Verknüpfungen zu aktuellen Kontroversen herzustellen, wie dies beispielsweise in Bezug auf die aktuelle problematische Umweltthematik möglich wäre. Hinsichtlich der Lebenssituation der Jugendlichen beinhaltet das Buch jedoch Themen, welche in diesem Alter stets von Aktualität sind. So haben Themenfelder wie Freundschaft, Liebe oder Familie eine grundlegende Relevanz in dieser Altersstufe. Eine gewisse Zeitlosigkeit spiegelt sich auch in den Literaturverweisen wider, welche eher auf Werke hindeuten, die mehr oder weniger generationenübergreifend sind (Bsp. „Harry Potter").

Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Lehrwerk, trotz punktueller Schwächen, durch seine durchdachte Struktur und Methodenvielfalt besticht und dadurch eine hilfreiche Unterstützung für den heutigen Ethikunterricht darstellt.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Darwichpour, Gilak und Sophie Schmidt. Rezension zu: Wege. Werte. Wirklichkeiten 5/6 von Arnold, Doris et al. (Hg.). München: Oldenbourg 2011, ISBN 978-3-637-01141-0, Edumeres 2012, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/darwichpour-gilak-und-sophie-schmidt/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.

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