Sozialkunde / Politik, Oberstufe, Gesamtschule, Gymnasium
Anstöße – Sozialkunde 11
Herausgegeben von | Stich, Ansgar |
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Erschienen | Stuttgart: Klett, 2009 |
Seitenanzahl | 208 |
ISBN | 978-3-12-065610-4 |
Geeignet für | Bayern |
Rezensiert von | Drawert, Helena und Tim Uredat (WissenschaftlerInnen), 8. November 2010 |
Rezension von Drawert, Helena und Tim Uredat (WissenschaftlerInnen)
Einstieg und Kurzvorstellung
Auf seiner Homepage www.klett.de präsentiert der Ernst Klett Verlag u.a. die neu erschienene Buchreihe „Anstöße“, die maßgeschneiderte Unterrichtsbücher für die aktuellen Lehrpläne in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen sowie Bayern bereitstellt. „Anstöße“ möchte Interesse für gemeinschafts- und sozialkundliche Themen sowie für Politik und Wirtschaft wecken. Das hier zu diskutierende Lehrbuch „Anstöße 11“ für das gleichnamige Schuljahr orientiert sich speziell an den Anforderungen des bayerischen G8-Lehrplans und will das erforderliche Grundwissen für den bayerischen Sozialkunde-Unterricht vermitteln und auf das Abitur vorbereiten. Das Buch verfolgt das Ziel, grundlegende sozialwissenschaftliche Fachbegriffe einzuführen und durch ausgewählte Themeneinheiten einen sozialkundlichen Überblick zu verschaffen. So wird der Lernstoff für den ein- und zweistündigen Unterricht innerhalb der jeweiligen Themeneinheiten entsprechend dargebracht. Darüber hinaus werden aber auch fächerübergreifende Lerneinheiten für den Unterricht mit dem Fach Geschichte angeboten, die über den Lehrplan des Sozialkunde-Unterrichts hinausgehen.
Erste Orientierung
Der Titel „Anstöße 11“ erscheint gerechtfertigt, versucht das Buch doch auf insgesamt 208 Seiten den Schülerinnen und Schüler Denk- und Handlungsanstöße zu geben für Fragen und Probleme im Hinblick auf gesellschaftliche, soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge.
In das Lehrbuch eingeführt wird mit einem an die Schülerinnen und Schüler gerichteten Text der Herausgeber, Autoren und der Redaktion. Hier wird noch einmal näher erläutert, welche Ansprüche und Zielsetzungen das Buch verfolgt, die Arbeit mit dem Lehrwerk erklärt und eine systematisch organisierte Übersicht der einzelnen Elemente und des Aufbaus dargeboten. Vorgestellt werden auch die anregenden Auftaktdoppelseiten am Beginn eines jeden Kapitels und die entsprechenden Themen- und Methodenseiten. Der Begrüßungstext liefert außerdem erste Hinweise zum Umgang mit den im Buch befindlichen Miniglossar und Stichwortverzeichnis und den themenbezogenen Aufgaben und Arbeitsaufträgen. Erwähnt werden auch die sogenannten Wiederholen- und Anwenden-Seiten am Ende der jeweiligen Kapitel, die mit dem Ausdruck „check it“ gekennzeichnet sind und dazu dienen sollen, das Gelernte noch einmal zu überprüfen und erneut ins Gedächtnis zu rufen.
Bereits auf den ersten Blick wird erkennbar, dass das Buch durch seine illustrative Vielfalt hervorsticht. Blättert man etwas weiter, zeigt sich dies insbesondere an der Darbietung anregender Inhalte durch die Verwendung verschiedener Textsorten, Tabellen und Grafiken sowie an der Fülle von diversen Bildern und Karikaturen.
Demgegenüber offenbart die Inhaltsübersicht des Buches leider kleinere Unvollständigkeiten bezüglich der sozialkundlichen Themenzusammenstellung. Auffallend ist, dass sich „Anstöße 11“ fast ausschließlich auf Deutschland bezieht und ein internationaler Bezugsrahmen nur am Rande berücksichtigt wird. Nur wenige Kapitelüberschriften deuten auf internationale Themengebiete hin. Diese beschränken sich wiederrum auf Europa und stellen Bezüge zu internationalen Kontexten lediglich von Deutschland aus gesehen, her.
Dafür verspricht das Buch bei genauerem Hinsehen eine gründliche Bearbeitung der dargebotenen Inhalte. So werden in den ersten Kapiteln des Buches bspw. die Schwerpunktthemen Demographie und Familie mit den u.a. darunter fallenden Subthemen: Das Altern der Bevölkerung, Geschlechtsspezifische Unterschiede und Perspektiven in Arbeit und Bildung und das Infragestellen alter Werte und Normen umfänglich präsentiert und für weitere ausführliche Unterrichtsdiskussionen sorgfältig aufbereitet.
Konzept der Autoren, Materialien und Neue Medien
Wie in allen sieben Kapiteln des Buches beginnt auch das Kapitel 1 zu Struktur und Wandel der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland mit „Anstößen“ in Form von Zitaten, Bildern und Fragen auf einer Auftakt- bzw. Anstoß-Doppelseite, die den Einzelnen und die Gesellschaft betreffen. Die Leserinnnen und Leser werden in einem ersten ausholenden Schritt an das Thema herangeführt und mit herausfordernden oder gar provozierenden Fragen zur entsprechenden Thematik konfrontiert. Als Beispiel für diese Art der Themenannäherung in Kapitel 1 ist das ausgewählte Zitat des Familienministers Franz-Josef Wuermeling vom 18. Mai 1962 zu nennen: „Eine Mutter daheim ersetzt vielfach Autos, Musiktruhen und Auslandsreisen, die doch allzu oft mit ihrer Kinder gestohlener Zeit bezahlt wurden.“ (Anstöße 11, S. 8). Ein Zitat, das zum kritischen Nachdenken anregt, nicht bloß alleinstehend wegen seiner Aussage, sondern auch bezugnehmend auf die weiter unten auf der Seite stehende Karikatur zum Thema „Weltuntergang“, die ein zwiespältiges Szenario wegen der Bevölkerungsexplosion einerseits und des Geburtenrückgangs andererseits zeigt. Auf der Folgeseite stachelt die Gegenüberstellung des Ausspruchs aus dem ersten Buch Mose in Kapitel 2 zur Erschaffung der Frau: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ (S. 9) mit einigen allgemeingesellschaftlichen Problemen Fragen fast schon sinnsuchenden Charakters an, die von der Gesellschaft selbst, dem eigenen Platz darin und der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung handeln. Daneben sorgen zeitgemäße Bilder von jungen Menschen mit darunter stehenden Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unseres gesellschaftlichen Daseins und Handelns für weiteres Diskussionspotential.
In den folgenden Kapitelanfängen geben darüber hinaus auch Zeichnungen, Schaubilder und Tabellen oder Beispielanalysen weitere Impulse zu Themen wie Sozialstaat und soziale Sicherung, Demokratie, Diktatur, Zwischen Demokratie und Diktatur, und Weiterentwicklung der Demokratie. Sie gewährleisten erste methodische Zugänge und vermitteln inhaltliche Grundlagen für die im jeweiligen Kapitel verarbeiteten Schwerpunkte. Ergänzend muss hierbei erwähnt werden, dass jedem dieser Themenkomplexe eine spezifizierende Unterzeile beigeordnet ist, die auf teils repräsentative Aussagen zum oben genannten Gegenstand hinlenkt oder konkrete Fragen aufwirft, wie bspw. unter Kapitel 6 „Zwischen Demokratie und Diktatur“ die Fragestellung „Auf welche Seite neigt sich die Waage?“ (S. 6).
Die einzelnen Kapitel, gekennzeichnet durch die bereits erwähnte Auftaktdoppelseite, sind jeweils in weitere Subkapitel unterteilt und werden im Buch auf zwei bis vier Themenseiten dargestellt. Diese folgen durchgehend einem konstanten Aufbau bestehend aus den folgenden Teilbausteinen: dem Verfassertext (VT) mit zentralen Basisinformationen zum Themenschwerpunkt, den verschiedenen Unterrichtsmaterialien (M), dem Miniglossar mit wesentlichen Kurzinformationen zum besseren Verständnis der Thematik, einer farblich unterlegten Spalte zur Erklärung zentraler sozialwissenschaftlicher Begrifflichkeiten und dem Aufgabenteil mit Arbeitsanregungen verschiedenster Art. So reiht sich Themenseite an Themenseite bis das entsprechende Oberthema bzw. Hauptkapitel durch eine Methodendoppelseite und die bereits erwähnten „Wiederholen- und Anwenden-Seiten“ abgeschlossen werden. Besonders hervorgehoben werden sollten an dieser Stelle noch einmal die angegeben Online-Links auf der Auftaktseite zur weiterführenden Internetrecherche.
Fachdidaktische Positionen und fachwissenschaftliche Aktualität
Der erkennbare Einsatz verschiedener Materialien und die Darbietung einer Methodenvielfalt machen deutlich, dass „Anstöße 11“ vielmehr auf die Förderung analytischer Fähigkeiten, den Gebrauch des eigenen kritischen Denkens und das selbständige Arbeiten mit dem Buch abhebt, als nur auf die reine Vermittlung von Fachwissen. Hier hat das Redaktions- und Autorenteam, bestehend aus Ansgar Stich als Herausgeber und den sechs Autoren sowie den Konzeptverantwortlichen, wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Das Buch offeriert den Schülerinnen und Schülern einige Lernangebote, erwartet dabei aber mindestens genauso viel Selbstständigkeit im Denken und (Er-)Arbeiten. Beispielsweise folgen die Arbeitsvorschläge und Anweisungen sowie die Aufgabenstellungen den bereits bekannten didaktischen Mustern des Buches. Die Schülerinnen und Schüler sollen mithilfe der gegebenen Anstöße eigene thematische Zusammenhänge erfassen, Überleitungen schaffen und Bezüge zum bereits Gelernten herstellen. Hier geht es auch darum, die Fähigkeit auszubilden, die eigenen Gedanken überhaupt hervorzubringen und in eigene Worte zu fassen. Das didaktische Hauptziel dieses Buches ist es also, das eigene Bewusstsein und die eigene Kritik bzw. Urteilsfähigkeit zu schärfen. Dies wird u.a. durch diverse methodische Herangehensweisen gefördert, wie z.B. das Interpretieren von Bildern und kritische Überprüfen statistischer Daten sowie das Erstellen von Mindmaps.
Fazit
Insgesamt wird „Anstöße 11“ als solides Schulbuch wahrgenommen, das durch moderne, altersgemäße Illustrationen ansprechend gestaltet ist. Vielseitige Materialien und Aufgaben sowie einschlägige aber offene Methodenzugänge machen die Arbeit mit dem Buch interessant. Außerdem setzt man auf Aktualität und Medienbezug, wie bspw. mit dem Verweis auf das Internet als Rechercheinstrument und den Online-Links zu weiterführenden Materialien in jedem Kapitel. Obwohl zentrale Begrifflichkeiten und Wissensbestände u.a. durch ein Miniglossar erklärt werden, setzt das Buch bereits grundlegende sozialkundliche, politische und wirtschaftliche aber auch geschichtliche Kenntnisse voraus, was den Ansprüchen an das elfte Schuljahres gerecht werden sollte, die Schülerinnen und Schüler aber hoffentlich nicht von vornherein überfordert.