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Sozialkunde / Politik, Oberstufe, Gymnasium

Mensch und Politik SII

Mensch und Politik SII
Herausgegeben von Immesberger, Werner et al.
Erschienen Braunschweig: Schroedel, 2007
Seitenanzahl 460
ISBN 978-3-507-10847-9
Geeignet für Rheinland-Pfalz, Saarland
Rezensiert von Drawert, Helena (Wissenschaftlerin), 21. Juli 2011

Rezension von Drawert, Helena (Wissenschaftlerin)


Kurzvorstellung
Vorgestellt wird im Folgenden der Schülerband „Mensch und Politik SII“, 2007 - Gesamtband  Sozialkunde/Politik/Wirtschaft des Schroedel Verlags. Das Buch orientiert sich an den Anforderungen des Oberstufenunterrichts in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und des Saarlands, wobei auf der Homepage des Schroedel Verlags explizit darauf verwiesen wird, dass es zur Anwendung in Rheinland-Pfalz und im Saarland besonders geeignet sei.

Alle dazugehörigen Jahrgangs- und Doppeljahrgangsbände aus der Reihe „Mensch und Politik“ sind ebenfalls als Oberstufenliteratur konzipiert und somit für die politische Bildung in der Sekundarstufe II an Gesamtschulen und Gymnasien zugeschnitten.

Der hier zu besprechende Band will in erster Linie als Orientierungshilfe verstanden werden und den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zunächst politisches Grundlagenwissen vermitteln. Gleichzeitig soll durch die Arbeit mit dem Buch das selbstständige politische Denken und Handeln gefordert und gefördert werden. Die Leserinnen und Leser werden dazu angeregt, selbstständig Probleme aufzudecken und eigene Fragen zu formulieren sowie ein ganz persönliches Interesse an politischen Fragestellungen zu entwickeln und eigene subjektive Positionen auszubilden. Darüber hinaus stellt das Buch erste wissenschaftliche Zugänge und Methoden bereit, die als Vorschläge zur weiteren Auseinandersetzung mit den verschiedenen Themen zu betrachten sind, dabei ihrerseits aber auch eine kritische Reflexion erwarten.

Erste Orientierung
Angezeigt durch das fettgedruckte Wort „Politik“ im Titel legt das Buch auf seinen insgesamt 460 Seiten einen eindeutigen Schwerpunkt auf politische Themen. Dabei ist es erfreulicherweise auch interdisziplinär auf sozialkundliche, historische und gesellschaftsrelevante Fragestellungen ausgerichtet. „Mensch und Politik“ präsentiert sich selbstbewusst mit einem sehr übersichtlichen Inhaltsverzeichnis, das den Leserinnen und Lesern gleich auf den ersten Blick einen umfassenden Eindruck über die Konzeption und den Aufbau des Buches gewährt. Der Gesamtinhalt verteilt sich auf insgesamt sechs Oberthemen, die durch ihre rote Schriftfarbe hervortreten und dabei zugleich die nachstehenden Hauptkapitel des Buches darstellen: „1. Gesellschaft im Wandel“, „2. Die deutsche Wirtschaft im Wandel“, „3. Politische Systeme“, „4. Grundwerte und Grundrechte“, „5. Internationale Konflikte und Friedenssicherung“, „6. Globalisierung und Friedenssicherung“. Jedes dieser Hauptkapitel enthält weitere Unterkapitel in schwarzer Schrift, die meist noch untergliedert sind. So wird z.B. das Thema „Gesellschaft im Wandel“ anhand der folgenden Subthemen bearbeitet:  1. „Leben in einer sich wandelnden Gesellschaft“, „1.1 Sozialer Wandel – Aufgabenstellung für die Politik“, “1.2 Integration und Desintegration: Was hält die Gesellschaft zusammen?“, „1.3 Jugend im Wandel: Mit 17 hat man noch Träume?“. Anhand dieser Beispiele ist bereits zu erkennen, dass die Überschriften der einzelnen Subthemen häufig als Fragen formuliert sind und damit gleich zu einem ersten Mitdenken einladen. Wie bereits angesprochen, schließt sich an einzelne ausgewählte Kapitel eine ebenfalls in roter Schrift hervorgehobene Methodeneinheit an. Das hier vorgestellte methodische Repertoire ist dem jeweils vorangehenden Kapitel angepasst  und präsentiert sich den Lernerinnen und Lernern als geeignete Herangehensweise zur Bearbeitung des Themas. Als Exempel sei hier die „Anregung zur Auswertung von Fotografien“ genannt, anhand derer sich der im ersten Kapitel thematisierte Gesellschaftswandel möglicherweise gut ergründen ließe. Weitere Beispiele sind die dargebotenen Methoden zur „Auswertung von Statistiken“, zum „Umgang mit Texten“ oder für die „Karikatur-Analyse und Interpretation“, die den Erwerb einer grundlegenden Methodenkompetenz versprechen.

In das Buch eingeführt wird mit einem Zitat von Max Frisch: „Jeder Mensch erfindet sich seine Geschichte, die er dann unter gewaltigen Opfern für sein Leben hält“ und einer darauffolgenden zweiseitigen Einleitung. Die Bedeutung dieses Zitats erklärt sich erst durch weiteres Nachdenken und will, so scheint es, auf die individuelle Wahrnehmung eines Jeden und die subjektive Welt in den Köpfen der Menschen sowie auf die Wechselbeziehung zwischen „Mensch und Politik“ hinlenken. Gleichzeitig ist es ein erster Impuls, der zum selbständigen (Nach)denken ermuntert, worauf es das Buch ja grundsätzlich anlegt. Möglicherweise wird mit Max Frischs Worten auch ganz  konkret auf die Veränderungen der sozialen Welt im postmodernen Zeitalter und sie subjektive Wahrnehmung und Verantwortlichkeit eines jeden Einzelnen angespielt.

Konzept der Autoren
Die Einleitung mutet zunächst wie eine Art Verteidigungsschreiben an, bevor sie schließlich über die Anlage des Buches informiert. So wird gleich zu Beginn die Nützlichkeit von Lehrbüchern im Politikunterricht in Frage gestellt. Insbesondere die im Oberstufenunterricht verwendete Literatur, so heißt es dort, wäre mit dem Problem konfrontiert, zu schnell zu veralten und sei damit auf die Notwendigkeit von aktiver Materialbeschaffung durch die Schülerinnen und Schüler sowie das ständige Herstellen des Unterrichtsgegenstandes angewiesen. Durch den konkreten Hinweis, das Buch lediglich als Lernhilfe und Impulsgeber zu betrachten, entwinden sich die Autoren von vorneherein jedweder Kritik an seinem Umfang und Aktualitätsbezug. Mit explizitem Verweis auf  die „ungefähre Vorstellung“, die Schüler, Eltern und Lehrer vom (klassischen) Politikunterricht hätten, wird auch die Hinwendung der Autorenschaft zu altbewährten Schulbuchkonzepten und der damit verbundenen Angemessenheit des vorliegenden Politikbuchs deutlich.

Wie alle Bände der Reihe „Mensch und Politik“ ist auch das hier diskutierte Schulbuch entsprechend des Doppelseitenprinzips strukturiert und folgt einem durchgängigen konzeptionellen Aufbau, bestehend aus den deutlich voneinander getrennten Auftaktimpulsen, Autorentexten, Materialteilen, Aufgaben und Methoden-Bausteinen. Von „neuen Anforderungen unter Beibehaltung fachdidaktischer Standards“ ist in der Einleitung die Rede und so werden die Inhalte durch eine vielgestaltige aber stets wiederkehrende Abfolge diverser Textsorten, Schaubilder, Tabellen und Grafiken veranschaulicht. Das Buch ist zwar abwechslungsreich illustriert, folgt dabei aber dem Konzept eines klassischen Schulbuchs. So erwarten den Leser weder eine innovative Aufmachung noch illustrative Besonderheiten. An dieser Stelle sei noch einmal an die sich durch das ganze Buch hindurchziehende Trennung von roter und schwarzer Schrift erinnert, die besonders prägnante Aspekte hervorhebt. Die klare und sich stets wiederholende Kapitelstruktur hat einen gewissen Wiedererkennungswert, was für die Schülerinnen und Schülern hilfreich ist. Eine stichwortartige Zusammenfassung am Kapitelrand unterstützt diese Übersichtlichkeit und ermöglicht schnelle Einsichten über die angesprochenen Themen. Nützlich ist auch, dass zentrale Begrifflichkeiten und Wissensbestände am Ende des Buches anhand eines Glossars erläutert werden. Zudem verweisen hilfreiche Literaturhinweise und die Angabe von Lexika und Nachschlagewerken  auf die Notwendigkeit des selbständigen Recherchierens. Doch auch wenn diese durchgängige Struktur den Schülerinnen und Schülern sicherlich zusätzliche Vorbereitungszeit und Anstrengungen erspart, wirkt sie monoton und hemmt möglicherweise den selbständigen Denk- und Arbeitsprozess.

Fachdidaktische Positionen, fachwissenschaftliche Aktualität und Einbindung neuer Medien
Hinsichtlich des Gesamtinhalts fällt positiv auf, dass sich das Buch sehr stark an internationalen Fragestellungen orientiert und überwiegend global orientierte Themen angesprochen und in einen weltweiten Kontext gestellt bzw. diskutiert werden. Hierunter fallen z.B. die Vorstellung und der Vergleich der politischen Systeme in der Bundesrepublik Deutschland, der Europäischen Union und den USA in Kapitel 3 oder Themen wie Globalisierung, Einwanderung in Europa, Migration und Armut in der Welt und globale Sicherheit in den weiteren Kapiteln. Das Buch widmet sich den Oberthemen über rein politische Fragestellungen hinaus in umfassender und perspektivreicher Weise. Den Kapiteln werden längere informierende Autorentexte vorangestellt, die Gelegenheit zum thematischen Einstieg bieten. Über den notwendigen Lernstoff hinaus, sollen die Texte ein selbstständiges Erarbeiten von relevanten Inhalten schulen und zum kritisches Hinterfragen animieren. Das Lesen dieser Texte kann möglicherweise auch zum Aneignen von neuem Wissen begeistern und dazu dienen, bestimmte Wissenslücken aufzudecken und zu schließen. Auffällig und negativ zu betonen ist allerdings der Verzicht auf Hinweise zu neuen Medien, wie z.B. die Angabe Internetadressen, die gerade im Hinblick auf sich verändernde Gegebenheiten der Zeit, nützlich wären. Die in der Einleitung problematisierte Antiquiertheit von Inhalten könnte durch Bezugnahme  auf aktuelle Medien (Internet) und durch  Verweise auf beständige Online-Links aufgehoben werden. Ein Schulbuch kann meiner Ansicht nach nur dann als Orientierungshilfe und Impulsgeber dienen, wenn zumindest versucht wird, auch medial mit der Zeit zu gehen.

Fazit
Insgesamt habe ich „Mensch und Politik SII“ als bodenständiges Schulbuch wahrgenommen, das altbewährten fachdidaktischen und illustrativen Linien treu bleibt. Dies mag den Schülerinnen und Schülern Sicherheit bieten, stellt aber auch die vom Buch selbst geforderte Selbständigkeit des Lesers in seinem Denken und Handeln in Frage. Die umfassenden Materialangebote und Aufgabenstellungen sowie die gewissenhafte inhaltliche Aufbereitung machen die Arbeit mit dem Buch aber dennoch schätzenswert. Leider fehlt dem Buch, wie bereits erwähnt, ein direkter Bezug zu neuen Medien und deren Nutzung. Es fehlen entsprechende Verweise auf das Internet als Rechercheinstrument und die Angabe von Online-Links zu weiterführenden Materialien. Gerade weil in der Einleitung auf das Problem rekurriert wird, dass Inhalte sehr schnell veralten, ist das „Schulbuch von heute“ auf das Internet angewiesen und könnte sogar über die fachdidaktischen Ansprüchen und curricularen Vorgaben hinaus den hier vermissten Aktualitätsbezug herstellen.