Ethik / Philosophie, Oberstufe, Gymnasium
Philos – Philosophieren in der Oberstufe, Einführungsphase
Herausgegeben von | Krommer, Axel, Volker Frederking und Peter Bekes |
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Erschienen | Paderborn: Schöningh, 2014 |
Seitenanzahl | 243 |
ISBN | 978-3-14-025058-0 |
Geeignet für | Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz |
Rezensiert von | Dreut, Lara, Hannah Knöß und Annika Grubbe (Studierende), 22. Dezember 2017 |
Rezension von Dreut, Lara, Hannah Knöß und Annika Grubbe (Studierende)
Ein erster Blick auf das Schulbuch
Was ist der Mensch? Was kann ich wissen? Diese Fragen kommen einem, wenn man sich schon einmal mit Immanuel Kant auseinandergesetzt hat, ziemlich bekannt vor. Widmet man sich dem Buch PhiloS – Philosophieren in der Oberstufe werden einem diese Fragen noch einmal, wenn auch auf eine schulbezogene Art und Weise begegnen, denn das Schulbuch gliedert sich nach diesen beiden Fragen Kants in zwei große Kapitel. Dabei handelt es sich gleichzeitig um die beiden zu den Fragen Kants passenden Inhaltsfelder im Kerncurriculum Nordrhein-Westfalens, ,,Der Mensch und sein Handeln“ und ,,Erkenntnis und ihre Grenzen“. Die Schülerinnen und Schüler sollen also mit Hilfe dieses Schulbuches in dieser Kompetenz des eigenverantwortlichen und selbstständigen Denkens geschult werden, für das Kant auch in der heutigen Zeit noch steht. Deswegen haben sich die Autorinnen und Autoren von PhiloS überlegt, und hiermit kommen wir zu einem zentralen Merkmal dieses Werkes, die Vorgehensweise bei der Bearbeitung von Aufgaben und der Auseinandersetzung mit den Materialien in verschiedene Phasen zu unterteilen – Vordenken, Mitdenken, Nachdenken und Weiterdenken. Diese Methode der Texterschließung ist unserer Meinung nach nicht üblich, aber dennoch sehr interessant und hilfreich. Ein Beispiel auf Seite 64: Ein Text von John Stuart Mill ,,Über Lust als Grundlage der Moral“ wird zwischendurch kurzerhand wie folgt unterbrochen wird: Mitdenken - ,,Bevor Sie weiterlesen: […].“ (S. 64). Erst nachdem die Schülerinnen und Schüler sich also an dieser Stelle einige allgemeine Gedanken zu dem ersten kurzen Textabschnitt und eventuell darüber hinaus gemacht haben, geht man im Text weiter und führt die Schülerinnen und Schüler so leichter durch das Material, als würden alle Aufgaben am Ende folgen, der Text aber nur halb verstanden sein. Eine Art Prävention von Überforderung, die wir insgesamt für sehr gelungen halten. Auf den ersten Blick lädt auch das Cover bereits zum Nachdenken ein. Das Meer im Hintergrund, im Vordergrund ein weißer Türrahmen mit geöffneter Tür, durch die ein Mann in weißem Anzug gegangen zu sein scheint. Als hätte ihm diese Tür den Horizont erweitert – das kennt jeder, der schon einmal am Meer gewesen ist: Man steht da, blickt auf das Wasser und auf den Horizont und stellt sich dabei die Frage, wie es dahinter wohl weitergehen mag.
Überblick über und Bewertung von Aufbau, Inhalt und Konzept
Nun aber zur allgemeinen Struktur des Buches PhiloS. Das Vorwort eröffnet Lehrerinnen und Lehrern, aber auch Schülerinnen und Schülern einen wirklich guten Einblick in das Konzept, die Ziele und Inhalte des Buches. Die Autoren nennen dort zum einen als zentrales Ziel die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf das Abitur. Zum anderen sollen diese vor allem an die Auseinandersetzung mit (gängigen) philosophischen Fragestellungen herangeführt werden. Auf das motivierende und einen Überblick verschaffende Vorwort folgen dann noch einige Seiten, die das Konzept des Buches vorstellen. Dort wird erläutert, was sich die Autorinnen und Autoren bei der Texterschließungsmethode des Vor-/ Mit-/ Nach- und Weiterdenkens gedacht haben. Darüber hinaus werden einige Methoden vorgestellt, die im Verlauf immer wieder Anwendung finden, dort aber nicht noch einmal explizit erklärt werden. Bevor die eigentlichen Kapitel, die sich, wie bereits erwähnt, an den beiden Fragen Kants Was ist der Mensch? und Was kann ich wissen? orientieren, beginnen, werden noch einige Szenarien, hier sogenannte Philosophische Herausforderungen, vorgestellt, darunter beispielsweise das bekannte Gedankenexperiment des Gehirns im Tank. Anschließend wird mit Kants Text ,,Begriff von der Philosophie überhaupt“ von 1800 der Übergang zu den beiden eigentlichen Kapiteln geschaffen. Diese Kapitel gliedern sich dann in weitere Unterkapitel, die thematisch voneinander abgegrenzt sind, aber dennoch aufeinander aufbauend behandelt werden können. Da das Material in jedem Kapitel und Unterkapitel sehr umfangreich ist, muss nicht zwangsläufig chronologisch vorgegangen werden, was praktisch erscheint. Kapitel 1 und Kapitel 2 scheinen darüber hinaus nicht voneinander abhängig zu sein. Innerhalb der Kapitel gibt es Worterklärungen, Kontexterklärungen und informative Hinweise, jedoch keine Zusammenfassungen oder Übersichtsseiten am Ende eines jeden Kapitels. Auch gibt es die Worterklärungen in den Randspalten, jedoch kein separates Glossar. Das Layout der Seiten ist einheitlich, jedoch fällt auf, dass Texte sowie zugehörige Arbeitsaufträge nicht immer abschließend auf eine Seite passen und auf der nächsten Seite fortgesetzt werden. Die Materialien bestehen aus verschiedenen Textsorten, die wiederum von verschiedenen Autorinnen und Autoren stammen. Insgesamt ist das Material sehr umfangreich und kann für Lehrerinnen und Lehrer auch als Kopiervorlage dienen, denn alles wird man, zumindest in der Einführungsphase, nicht bearbeiten können. Jedoch sind die Texte und Aufgabenstellungen auch noch für die Qualifikationsphase geeignet, für die es aber auch einen eigenen Band gibt. Inhaltlich wird von den Schülerinnen und Schülern relativ viel verlangt, was uns für die Oberstufe allerdings angemessen scheint.
Charakterisierung der didaktischen Gestaltung
Oft sind Autorentexte im Original etwas anspruchsvoll und verworren und daher schwer zu verstehen, was auch für die Werke Kants gilt. Für die Schülerinnen und Schüler wurden solche Texte so weit angepasst, dass diesen Problemen entgegengewirkt werden kann. Erleichtert wird ihr Verständnis zusätzlich durch verschiedene Methoden in den anschließenden Aufgaben, die das Lese- und Textverständnis ausbauen, was sie auch später bei anderen Texten nutzen können. Diese Strategien werden gerade bei Texten von Kant angewandt, beispielsweise werden Schülerinnen und Schüler auf Seite 153f. angeleitet, einen Text von Kant aufzuspalten und zu untersuchen, oder auf Seite 190 dazu aufgefordert, zuerst Schlüsselwörter zu markieren und mit Abschnittsüberschriften zu arbeiten. Diese Aufgaben erlauben eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Text und bauen gleichzeitig die Textkompetenz der Schüler und Schülerinnen weiter aus. Auch Fachwörter werden im Text ausgeschrieben und in den Randnotizen erklärt, sodass die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit haben, sich mit diesen vertraut zu machen und anzueignen.
Im Buch wird abgesehen von Texten mit einem weiteren Medium stark gearbeitet: mit Bildern. Meist ist in jeder kleinen einleitenden Biografie eines Philosophen ein Bild eingefügt. Oft werden Bilder in diesem Buch jedoch auch dazu eingesetzt, um die Seiten etwas aufzulockern. Ist dies der Fall, ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, was das Bild genau mit der Aufgabe oder dem Text zu tun haben soll, da erklärende Bildunterschriften meist fehlen (vgl. S. 46, 50). Es kommt sogar vor, dass ein Bild neben Text steht, mit dem es auf den ersten Blick nichts zu tun hat, und man die zum Bild gehörende Aufgabe erst findet, wenn man umblättert (vgl. S. 209f.), was unserer Meinung nach nicht sehr glücklich gelöst wurde. Der (direkte) Themenbezug ist daher nicht immer vorhanden.
Weitere Medien, die allerdings nur sporadisch eingesetzt werden, sind Filme und das Internet. Die Filme sind mal mehr, mal weniger sinnvoll eingesetzt und eingebunden. Der Film „Der Club der toten Dichter“ (S. 204) aus dem Jahr 1989 wird den meisten Schülern und Schülerinnen etwa kaum noch etwas sagen. Zudem gibt es keine kurze Information, von was der Film handelt, sodass sich die Schülerinnen und Schüler die Leitgedanken erst erarbeiten müssen. Die Erwähnung des Sprichworts Nutze den Tag hätte bereits ausgereicht, der Verweis auf den Film bringt nicht viel, da er keine weitere Verwendung in den Aufgaben findet. An anderer Stelle wird Wissen über Filme auch in Aufgaben vorausgesetzt – so findet man auf Seite 210 eine Aufgabe zu dem Film „Fluch der Karibik“ ohne weitere Hinweise oder Erläuterungen. Die Internetlinks werden vor allem dazu genutzt, um die Inhalte zu vertiefen und andere Perspektiven und Methoden hineinzubringen. Jedoch sind es nicht verschiedene Internetseiten, sondern nur die des Verlages (www.schoeningh-schulbuch.de/philos) selbst, sodass in diesem Punkt keine Vielfalt gegeben ist. Der Einsatz dieser Medien scheint insgesamt nur mäßig gelungen.
Die Aufgaben sind sehr vielfältig und schließen die verschiedensten Methoden mit ein. Es wird mit bekannten Methoden wie Dilemmata (S. 13), Philosophischen Gedankenexperimenten, Rollenspielen (S. 57), einem Philosophischen Tagebuch (S. 61) und dem Erstellen von Collagen (S. 79) gearbeitet, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das philosophische Methodenrepertoire wird dennoch nicht komplett ausgeschöpft, da die genannten Methoden nur ab und zu in den Aufgaben zu finden sind. Allerdings bauen die Aufgaben und Kontexte auch lebensweltliche und alltägliche Situationen und Bezüge ein, etwa indem der Schüler/die Schülerin Sprichwörter zum Daumen finden soll (S. 35). Auch das selbstständige und kritische Denken wird durch die Aufgaben und Kontexte gefördert, etwa indem die Schülerinnen und Schüler mögliche Konsequenzen durchdenken (S. 43) oder zuerst Stellung zu einem Thema beziehen (S. 52) und im Anschluss daran eine eigene Beurteilung abgeben (S. 52) sollen. Zu bemängeln ist, dass nicht immer Operatoren Verwendung finden und mehrfach mit W-Fragen gearbeitet wurde, was man in einem Oberstufenbuch, das auf das nahende Abitur vorbereiten soll, definitiv erwartet werden kann.
Über die vielfältigen und abwechslungsreichen Aufgaben werden die unterschiedlichsten Kompetenzen geschult und ausgebaut, dies jedoch nur indirekt und bei genauerem Hinsehen, eine explizite Förderung und Erwähnung der Kompetenzen erfolgt nämlich nicht. Nur im Vorwort werden einige philosophische Kompetenzen, wie etwa die Sachkompetenz oder Urteilskompetenz kurz aufgegriffen, im Nachhinein jedoch nicht mehr erwähnt.
Generell wurden ansprechende Aufgaben und ab und an auch interessante und zutreffende Bilder gewählt, sodass eine Orientierung an den Interessen der Schülerinnen und Schüler zu erkennen ist. Vor allem durch die Kontexte sowie die Vor-, Mit-, Nach- und Weiterdenken-Felder werden sich die Schüler und Schülerinnen angesprochen fühlen, da sie nicht nur schulisch wichtige Themen aufgreifen, sondern auch Situationen, Beispiele oder Themen aus ihrem direkten alltäglichen Leben aufnehmen, was ihr Interesse und ihre Motivation weckt.
Abschließende Beurteilung
Alles in allem ist es ein gutes Schulbuch, das wir ebenfalls zu Teilen im Unterricht einsetzen würden. Die Texte sind qualitativ hochwertig und gut zu bearbeiten, auch die Struktur des Buches mit Vor-, Mit-, Nach- und Weiterdenken sowie den Kontexten hat uns sehr gut gefallen. Allerdings stört uns das Fehlen von Operatoren und die Förderung von Kompetenzen, die wir uns als angehende Lehrerinnen doch sehr wünschen. Zudem würden wir von einem dauerhaften Einsatz im Unterricht abraten, da dies zu einem einseitigen Unterricht führen würde, der sich vor allem um Textarbeit drehen würde, sodass die Schüler und Schülerinnen schnell demotiviert sein könnten.