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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

Buchners Kolleg. Themen Geschichte – Weltmacht Sowjetunion

Buchners Kolleg. Themen Geschichte – Weltmacht Sowjetunion
Herausgegeben von Grotelüschen, Katrin, Johann Martin Kaehmer und Carl Wilhelm
Erschienen Bamberg: C. C. Buchner, 2009
Seitenanzahl 144
ISBN 978-3-7661-4696-0
Geeignet für Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
Rezensiert von Eggert, Konstantin und Catrin Riegel (Studierende), 13. Dezember 2010
Projekt Christian-Albrechts-Universität Kiel, Sommersemester 2010

Rezension von Eggert, Konstantin und Catrin Riegel (Studierende)


Einleitung
Bei der Rezension eines Schulbuchs zum Thema Sowjetunion gilt es, gewisse Eigenheiten zu beachten, die dieses Thema mit sich bringt. Da Schülerinnen und Schüler heute das politische Gebilde der Sowjetunion nicht mehr persönlich erfahren haben und so allenfalls auf Erzählungen der Eltern oder Medienberichten zurückgreifen können, die aber nicht selten von stark wertenden Urteilen geprägt sind, sollte sich ein Schulbuch zum Thema vor allem um eine möglichst wertfreie Darstellung im Narrativ bemühen und hinsichtlich der Quellen der Multiperspektivität höchste Priorität zuschreiben.
Der für die Oberstufe gedachte Band „Weltmacht Sowjetunion“ aus der Reihe „Buchners Kolleg. Themen Geschichte“ aus dem C.C. Buchner Verlag erhebt den Anspruch, den oben genannten Punkten auf für Schülerinnen und Schüler motivierende Art und Weise gerecht zu werden. Gleichzeitig will es den modernen methodischen Anforderungen an ein Schulbuch durch Methodenbausteine genügen. Inwieweit dies gelingt, ist im Folgenden genau zu untersuchen, wobei zu beachten ist, dass das Buch ein Themenband ist und somit als vertiefende Ergänzung zum regulären Geschichtsbuch der Oberstufe gesehen werden muss.

Formalia und Aufbau
Auf 144 Seiten wird dem Nutzer ein ansprechendes und übersichtliches Layout präsentiert, das einerseits durch Farben und andererseits durch die Unterscheidung von einspaltigen und zweispaltigen Seiten eine schnelle Identifizierung der verschiedenen Abschnitte (Einführung, Quellen, Autorentext, Methodik) ermöglicht. Abbildungen sind in betrachtungsfreundlicher Größe und Auflösung abgedruckt und passen sich gut in die Seiten ein, auch die Anzahl ist angemessen. Nur auf wenigen Doppelseiten befindet sich gar keine Abbildung oder Grafik. Der Aufbau des Buches ist sehr stringent: Jeder Abschnitt beginnt mit einer bebilderten Einführungsseite inklusive Übersicht über die wichtigsten Daten und Ereignisse. An diese Seite schließen sich einige Quellen an, bevor die Autorentexte folgen. Diese Reihenfolge ist zumindest diskussionswürdig. Einerseits sichert eine Betrachtung der Quellen vor dem Narrativ eine objektivere Herangehensweise durch die Schülerinnen und Schüler, andererseits fehlt schlicht wichtiges Fakten- und Hintergrundwissen, das den Zugang zu den Quellen erleichtern würde. Letzteres erscheint wichtiger, zumal der Narrativ ja auch so geschrieben sein sollte, dass er keinen Einfluss auf die Quellenarbeit nimmt.
Recht nützlich ist eine Art Gebrauchsanweisung im Einband des Buches, die erläutert, wie die im Buch gestellten Aufgaben zu bearbeiten sind. Hier werden Operatoren wie „analysieren“, „charakterisieren“ oder „interpretieren“ knapp erklärt. Zwischendurch werden in optisch abgegrenzten Kästen wichtige Grundbegriffe erklärt. Aus unserer Sicht hätte man durch die Definition weiterer wichtiger Stichwörter ein wenig mehr aus dieser Formalie machen können. Am Ende des Bandes befinden sich sauber gegliederte Literatur-, Internet- und Filmhinweise, Personen- und Sachregister, Bildnachweise und einige Flaggen und Wappen mit Erläuterungen, die den insgesamt guten Eindruck des Layouts und der Formalia abrunden.

Fachliches
„Weltmacht Sowjetunion“ ist in drei große Abschnitte gegliedert, die in weitere Kapitel untergliedert sind. Der erste Teil befasst sich mit dem Staat und der Gesellschaft im Zarenreich, der zweite schildert die Geschichte der Sowjetunion im 20. Jahrhundert zwischen „Utopie und Gewalt“. Der letzte und kürzeste Abschnitt bietet einen Exkurs zur sowjetischen Außenpolitik in der Dritten Welt. Leider fehlt der Blick nach Westeuropa und auf die sowjetischen „Bruderstaaten“ fast komplett.
Perspektivisch bleibt der Band recht eindimensional. Behandelt werden hauptsächlich die politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen und auch die Wirtschaftsgeschichte findet notwendigerweise Erwähnung. Die in der modernen Geschichtsforschung eine wichtige Rolle einnehmende Betrachtung von Gender-Aspekten ist ebenso wenig vorhanden wie Einzelschicksale, bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten werden außen vor gelassen. Damit bleibt die Geschichte insgesamt sehr theoretisch sowie eingeengt und wird für die Schülerinnen und Schüler schwerer greifbar. Der Narrativ legt gut strukturiert und vor allem korrekt die wichtigsten Fakten in gebotener Kürze dar, ist an manchen Stellen aber doch zu komprimiert. Beispielsweise sind die eineinhalb Seiten für den kompletten Zweiten Weltkrieg zu wenig, hier wird nur an der Oberfläche gekratzt. Auch andere Ereignisse werden nur stichpunktartig erwähnt. Für einen groben Überblick und zur Vorbereitung auf die Quellenarbeit reichen die Autorentexte aber aus, legen sich aber zumeist auf eine Geschichtskonstruktion fest, anstatt verschiedene Deutungen zur Diskussion zu stellen.

Didaktik und Methodik
„Weltmacht Sowjetunion“ hat ein recht schwankendes didaktisches Niveau. Gerade in den besonders wichtigen Punkten Objektivität und Multiperspektivität fallen Unterschiede auf. Die Autoren bemühen sich zwar, keine Wertungen in die Autorentexte mit einfließen zu lassen und den historischen Sachverhalt möglichst sachlich und auch immer wieder auf die Quellen verweisend zu schildern. Hin und wieder blitzt dennoch eine leicht negativ wertende Wortwahl auf (S. 79 „menschenunwürdig“; S. 91 „besonders brutal“) und die meisten im Buch abgebildeten Fotos zeigen leidende und unzufriedene Menschen, was ebenfalls unterschwellig zu einem negativen Bild führt. Die Autorentexte allein laden außerdem kaum zu Diskussionen ein, nur selten stehen sie unter einer Fragestellung (wie z.B. S. 54: „Zerfällt das Russische Reich?“). Hier könnte das Motivationspotenzial noch etwas besser ausgeschöpft werden, indem die Texte offener und häufiger unter bestimmten Fragestellungen geschrieben wären. Größtenteils handelt es sich bei den Autorentexten um historische Längsschnitte ohne offenes Geschichtsbild oder Gegenwartsbezug. Insgesamt gesehen ist das Buch jedoch sehr adressatengerecht geschrieben, nur selten fallen Wörter auf, die vermutlich im Unterrichtsgeschehen noch geklärt werden müssten.
Die größte Stärke des Buches sind hingegen die Quellenabschnitte. Jedes Kapitel hat einen Quellenteil von mindestens zwei Seiten, auf denen die Quellen größtenteils in Textform mit einer Einleitung abgedruckt sind. Die Länge der Quellen ist angemessen. Oft sind sie sogar ungekürzt oder enthalten nur wenige Auslassungspunkte, was für die Interpretation und die Bearbeitung der Arbeitsaufträge einen Vorteil darstellt. Bei der Auswahl spielte offensichtlich das Kriterium der Multiperspektivität eine große Rolle, weshalb die vorherrschende Anzahl politischer Quellen (z.B. Briefe an den Zaren, ein Befehl von Stalin oder Ausschnitte aus politischen Reden) durch Abschnitte aus literarischen Werken (u.a. von Dostojewski und Gorki) und Stellungnahmen nichtrussischer Beobachter und Historiker ergänzt wird. Die Multiperspektivität wird auch durch die zu den Quellentexten gehörenden Aufgaben gestützt, die von den Schülerinnen und Schülern nicht selten Vergleiche, Diskussionen, Antworten auf Positionen und Stellungnahmen verlangen und stets dazu anregen, sich einem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu nähern. Selten (z.B. S. 32) wird eine Grafik (in diesem Fall eine Karte) explizit als Quelle gekennzeichnet oder enthält einen Arbeitsauftrag (z.B. S. 39, S. 94, S. 124). Für das Buch spricht allerdings, dass sämtliche Abbildungen, seien es Fotos, Karten, Karikaturen oder Gemälde, mit einer erklärenden Bildunterschrift versehen sind, so dass sie keinen rein illustrativen Charakter besitzen. Weiterhin können auch die (wenigen) Tabellen für die Quellenarbeit genutzt werden, da sie entweder schon einen Arbeitsauftrag mit sich bringen oder Quellen und Narrativtext unterstützen. Die Arbeitsaufträge sind gemäß den Anforderungsbereichen durch Operatoren gestaltet und jeweils passend und abwechslungsreich gewählt.
Über die fachlichen Inhalte hinaus bemüht sich das Buch darum, auch die Methodenkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu schulen. Dazu dienen die Arbeitsaufträge in den Materialteilen des Buches. Aufgaben, die als besonders wichtig für die Methodenschulung angesehen werden, sind mit einer gelben Markierung hervorgehoben. Diese bieten auch teilweise Anregungen für vertiefende Referate abseits des politisch-gesellschaftlichen Stoffes. Des Weiteren enthält das Buch zwei sogenannte Methoden-Bausteine. Der erste handelt vom „Personenkult in der bildenden Kunst“, der zweite von „Architektur in Stalins Staat“. In den beiden Abschnitten wird jeweils zunächst der allgemeine Sachverhalt (z.B. „Was heißt Personenkult?“) kurz beschrieben, dann wird ein konkretes Beispiel gewählt und zuletzt einige Leitfragen für die Analyse beispielsweise eines Gemäldes bereitgestellt. Die in diesem Band beinhalteten Methoden-Bausteine sind zweckmäßig und didaktisch gut aufbereitet, allerdings hätten es gern noch mehr sein dürfen. In Anbetracht dessen, dass dieses Buch wohl aber fast ausschließlich in der Oberstufe verwendet wird, kann man darüber hinweg sehen, da die Methodenkompetenz bereits in unteren Klassenstufen stärker thematisiert und von den Schülerinnen und Schülern erworben werden sollte. Außerdem handelt es sich ja um einen Ergänzungsband zum eigentlichen Geschichtsbuch der Oberstufe.

Fazit
„Weltmacht Sowjetunion“ ist als ergänzender Themenband zur Sowjetunion in der Oberstufe bedenkenlos einsetzbar. Vor allem die Quellenabschnitte sind sehr überzeugend und genügen den didaktischen Ansprüchen. Der Narrativ verbleibt allerdings zu oft an der Oberfläche, sodass eine Vertiefung bestimmter Themen wohl durch eigene Recherche erfolgen muss, wenn diese nicht schon in der Mittelstufe behandelt worden sind.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Eggert, Konstantin und Catrin Riegel. Rezension zu: Buchners Kolleg. Themen Geschichte – Weltmacht Sowjetunion von Grotelüschen, Katrin, Johann Martin Kaehmer und Carl Wilhelm (Hg.). Bamberg: C. C. Buchner 2009, ISBN 978-3-7661-4696-0, Edumeres 2010, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/eggert-konstantin-und-catrin-riegel/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.