Geschichte, 7./8. Schuljahr, Gymnasium
Zeiten und Menschen 3
Herausgegeben von | Lendzian, Hans-Jürgen |
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Erschienen | Paderborn: Schöningh, 2009 |
Seitenanzahl | 314 |
ISBN | 978-3-14-034517-0 |
Geeignet für | Nordrhein-Westfalen, Thüringen |
Rezensiert von | Ehrhardt, Jan H. und Lena Klaus (Studierende), 14. Juli 2010 |
Projekt | Christian-Albretchts-Universität Kiel, Wintersemester 2009/10 |
Rezension von Ehrhardt, Jan H. und Lena Klaus (Studierende)
Einleitung
„Sowjetunion und USA: Neue weltpolitische Koordinaten” lautet der Titel des ersten Kapitels im 3. Band der Geschichtswerk-Reihe „Zeiten und Menschen“, der 2009 im Schöningh-Verlag erschien und der den Abschlussband für die Sekundarstufe I an Gymnasien (G8) in Nordrhein-Westfalen darstellt. Damit wird schon auf den ersten Seiten der das 20. Jahrhundert bestimmende Ost-West-Konflikt thematisiert: Beinahe alle folgenden Kapitel stehen unter dieser Prämisse bzw. variieren die daraus folgenden Konsequenzen für Deutschland und den Rest der Welt.
Formalia
Als Herausgeber zeichnet wie bei den zwei vorigen Bänden Hans-Jürgen Lendzian verantwortlich. Das etwa dem Format DIN A4 entsprechende gebundene Buch enthält auf seinen insgesamt 314 Seiten zahlreiche farbige Abbildungen. Die Verarbeitung macht einen hochwertigen und stabilen Eindruck. Dem hier besprochenen Schülerband „Zeiten und Menschen 3“ soll 2010 noch ein Lehrerband folgen. Für die Sekundarstufe II wird die Reihe mit den zwei Bänden „Zeiten und Menschen – Geschichtswerk für die gymnasiale Oberstufe“ fortgeführt. Der Einband ist schlichter gestaltet, als die Vorgängerreihe, aber das Innere des Buches ist reich an Illustrationen (Fotos, Karikaturen etc.), die dem Leser die jeweiligen Texte und Quellen abwechslungsreich veranschaulichen. Allerdings wirkt die Auswahl zum Teil fast willkürlich, als hätte man den Lesern und Leserinnen keine nur aus Text bestehende Doppelseite zumuten wollen. Wo ist z.B. der Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler, wenn sie auf Seite 35 erfahren, wie der Moskauer Historiker Wladimir Buldakow aussieht, auf Seite 141 die Historiker und Didaktiker Klaus Bergmann und Rolf Schörken aber gesichtslos bleiben? Hier fehlt manchmal die Stringenz. Dabei ist für ein Schulbuch der Sekundarstufe I positiv anzumerken, dass mehrfach auch Schaubilder behandelt werden.
Die Sprache der Verfassertexte ist sowohl im Ausdruck als auch im Satzbau für die Sekundarstufe I angemessen, ohne zu stark vereinfachend zu wirken. Unbekannte Terminologie in den Quellen wird in Fußnoten sinnvoll erläutert und auch die Aufgabenstellungen sind verständlich und bauen systematisch aufeinander auf. Die Schülerinnen und Schüler werden direkt mit der 2. Person Plural angesprochen oder es wird durch die 1. Person Plural ein „wir-Gefühl“ erzeugt und damit eine angemessene Form der Nähe vermittelt. Überschriften innerhalb der Verfassertexte gliedern diese und tragen so zum allgemeinen Textverständnis bei.
Konzept
Der Inhalt von „Zeiten und Menschen 3“ ist vollständig auf den Kernlehrplan NRW von 2007 zugeschnitten und soll laut Verlagsangabe die Inhaltsfelder 9-12 des neuen Lehrplans abdecken. Dabei wurden die Themen zum Teil Wort für Wort aus dem Lehrplan für die einzelnen Kapitel übernommen. Der Eigenwerbung des Verlags kann zugestimmt werden, da sich alle Themenkomplexe des Curriculums auch im Schulbuch wieder finden. Nach der Vorstellung der Sowjetunion und der USA - ihrer Wurzeln, Wege und Ideologien - steht die Weimarer Republik im Vordergrund. Darauf folgt ein Kapitel, das ausführlich den Weg der Nationalsozialisten an die Macht und die Zeit vor dem Krieg bis 1939 thematisiert. Es folgt nach einer knappen Beschäftigung mit dem Kalten Krieg, die Auseinandersetzung mit der westdeutschen Bundesrepublik und der ostdeutschen Alternativlösung DDR. Der Überblick findet mit einem Kapitel zur deutschen Einheit sein Ende, das mit einer europäischen Perspektive in einer globalisierten Welt schließt. Das darauf folgende Kapitel „Was Menschen früher voneinander wussten und heute wissen“ fällt aus dem chronologischen Konzept des Buches heraus, ist aber fest im Kernlehrplan als zwölftes Inhaltsfeld verankert. Es stellt Kommunikations- bzw. Wissensmedien der Vergangenheit und der Gegenwart vor. Ihren Einflüssen auf die Identität der Menschen bis ins aktuelle Informationszeitalter wird nachgegangen und Projektvorschläge mit ausgewählten Quellen für die Schülerinnen und Schüler gemacht (z.B. „Selbst- und Fremdbild“ auf S. 298f.).
Trotz der inhaltlichen Reduzierung durch G8 ist die Themenauswahl nach dem aktuellen historischen Forschungsstand zu vertreten. Die Auswahl der Quellen schließt u.a. neuere Forscherurteile mit ein und versucht jüngere Kontroversen mit aufzunehmen. Außerdem wurde der Komplex Gender in einzelnen Kapiteln immer wieder untersucht. Dabei wird der Problemkreis „Frauen“ in verschiedenen Systemen analysiert. Durch die ausschließliche Fokussierung auf die Geschichte der Frau wird das Buch der Gender-Forschung zwar nur einseitig gerecht, aber durch die Thematisierung in verschiedenen Kapiteln lässt sich ein vielschichtiges Bild entwickeln, das durch die jeweiligen politischen Zusammenhänge begründet ist. Das gesamte Buch (Inhalte, Fragestellungen, Quellen etc.) ist sehr Deutschland zentriert. Nur selten wird über den deutschen bzw. europäischen Tellerrand hinausgeblickt (einzige Ausnahmen: Sowjetunion und USA – meist auch nur im Hinblick auf Deutschland).
Jedes Kapitel beginnt mit einer reich illustrierten Doppelseite und einer kurzen allgemeinen Einführung ins Thema, die meistens mehrere Fragen zum Thema voranstellt (z.B. S. 59 und 193). Darauf folgt generell eine Doppelseite, die mit Autorentexten, Illustrationen und einer Zeitleiste mit den wichtigsten politischen Ereignissen ausgestattet ist. Nach der Einführung beginnt in den Kapiteln die speziellere Auseinandersetzung mit der Thematik. Die relativ knappen Autorentexte werden vielfach durch Illustrationen und hellbeige Infokästen (zum Teil Quellenauszüge wie Artikel der UN-Charta auf S. 177, aber auch Ereignislisten wie zu den Maßnahmen gegen Sinti/Roma auf S. 134) ergänzt.
Die längeren Quellenauszüge sind zumeist ans Ende eines thematischen Abschnitts gestellt worden. Da ein Großteil der Unterthemen eines Kapitels auf eine Doppelseite beschränkt ist, fällt diese Trennung jedoch nicht negativ ins Gewicht, Darstellung und Quellen werden nicht zu sehr „auseinander gerissen“. Neben den schon genannten Kästen spielen die hellgrün unterlegten im Konzept des Arbeitsbuches eine wichtige Rolle. Sie werden mit einem knappen anmoderierenden Text begonnen, der meist zu einer Leitfrage führt, auf die durch die folgenden Aufgaben eine Antwort gesucht wird. Die sehr präzisen Aufgaben geben schon ein konkretes Lernarrangement und Vorgehen (u.a. Sozialform etc.) vor und durch eine vorangehende Erläuterung der Aufgaben werden die zu trainierenden Kompetenzen verbalisiert (z.B. „Wir untersuchen und beurteilen Sachverhalte im Hinblick auf beabsichtigte und unbeabsichtigte Nebenfolgen.“ S. 204).
Die stringente und transparente Kompetenzorientierung stellt für die Lehrenden eine Erleichterung dar und gewöhnt die Lernenden an die verschiedenen Kompetenzschwerpunkte. Neben der Sach-, Urteils- und der Handlungskompetenz kommt es den Autoren besonders auf die Methodenkompetenz an. Zu beherrschende Methoden werden schon im Inhaltsverzeichnis in einem Extra-Block aufgelistet, so dass eine schnelle Orientierung gegeben ist. Die einzelnen Methoden sind zwar in die Kapitel eingebunden und werden anhand der herrschenden Thematik eingeübt, die Anleitung zur Methode ist aber allgemein formuliert und kann von den Schülerinnen und Schüler leicht auf andere Themen übertragen werden. Die Methodenkästen sind mit einem hellen Gelb unterlegt und einem roten Balken am Beginn markiert, so dass sie schnell zu finden sind. Die meisten Methoden werden ausführlich auf einer ganzen Seite vorgestellt, während manche nur sehr knapp geraten sind (z.B. „Exzerpieren“) und noch nicht mal mit Methode überschrieben werden.
Durch die nicht ganz nachvollziehbare ungleiche Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Methoden und die Farbgebung der Methodenkästen wird aber auch ein wichtiger Mangel des Geschichtswerks deutlich: Wie schon oben zum Layout beschrieben wurde, wurden bei der Gestaltung des Buches reichlich Farben verwendet. Dies ist abwechslungsreich fürs Auge, aber erschwert die Übersicht. Außerdem setzen die Autoren dabei eine Souveränität der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit dem Konzept des Buches voraus, ohne die es verwirrend wirken könnte. Diese Grundannahme wird auch dadurch bestätigt, dass dem Band 3 keine Einführung vorangeht. Auf das Inhaltsverzeichnis folgt ohne Unterbrechung das erste Kapitel und das erschwert Neulingen den problemlosen Einstieg. Da „Zeiten und Menschen“ auch für die Sek. I als Reihe konzipiert wurde, gehen die Autoren wohl davon aus, dass auch die vorigen Bände 1 und 2 im Geschichtsunterricht genutzt wurden, da nur im ersten Band eine knappe „Gebrauchsanleitung“ zu finden ist.
Jedes Kapitel schließt mit einer Doppelseite „STOPP – Ein Blick zurück“. Darin werden Begriffe und Methoden aus dem vorangegangenen Kapiteln abgefragt und das erlangte (Methoden-)Wissen anhand von Quellenarbeit abschließend noch einmal angewendet. Eine nützliche Hilfestellung für die Schülerinnen und Schüler ist das Glossar am Ende des Schulbuchs, das über siebzig „Begriffe zum Nachschlagen“ bereithält (von Abrüstung bis Westintegration). Allerdings zeigt sich dabei, dass nicht alle wichtigen Begriffe aufgenommen wurden, sofern diese bereits im Text erläutert wurden (z.B. Glasnost und Perestroika, S. 256). Das macht das Glossar als Nachschlagemöglichkeit unvollständig und umständlich zu verwenden. Den Abschluss des Bandes bilden ein Register und das Bildquellenverzeichnis.
Die Autoren versuchen einen Lebensweltbezug herzustellen, indem sie die Situation der Jugend in die Geschichte einordnen. Jedoch beschränkt sich dieser Versuch nur auf wenige Kapitel, z.B. über die Jugend im Nationalsozialismus oder in der DDR. Auch die Behandlung des Alltags z.B. in der Weimarer Republik kann als Lebensweltbezug der Schüler gesehen werden. Aber im Gesamtzusammenhang nimmt dieser Aspekt nur einen kleinen Anteil ein. Die häufige Verwendung neuer Medien schließt an das Interesse der Schülerinnen und Schüler und ihrer Medienkompetenz an (u.a. Arbeiten am PC, v.a. Powerpoint, Internetrecherche, etc.).
In „Zeiten und Menschen 3“ wird den Schülerinnen und Schülern Geschichte als Kombination aus Fragestellung und Quellenanalyse präsentiert. Es werden unterschiedliche Annäherungsweisen an ein Thema versucht, so sollen die Schülerinnen und Schüler sich selbständig z.B. mit konträren Historikermeinungen auseinandersetzen und einen eigenen Standpunkt zu Kontroversen finden. Dabei betonen die Autoren immer wieder den Konstruktionscharakter von Geschichte: „Wir wissen, dass es sich bei der Darstellung von Geschichte um Deutungen handelt.“ (S. 258).
Durch verschiedene Projektvorschläge und Forschungsstationen können die Schülerinnen und Schüler lernen, eigenständige Urteile zu entwickeln und zu präsentieren. Speziell in diesen Lernarrangements scheint eigenständiges Denken und Arbeiten gefragt, ohne die Ergebnisse allzu sehr vorweg zu nehmen. Allerdings können die Leitfragen und die minutiös vorgegebenen Lernarrangements zu einer zu starken Lenkung der Schülerinnen und Schüler führen, wodurch das Konzept eines offenen Geschichtsbilds untergraben werden könnte.
Exemplarische Analyse eines Kapitels:
„Vergangenheit, die nicht vergeht - Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“
Exemplarisch soll an dieser Stelle das Kapitel „Vergangenheit, die nicht vergeht - Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“ untersucht werden. Dabei soll zunächst ein Teil des Themenkomplexes dargestellt werden, um den Aufbau deutlich zu machen. Weitere Aspekte werden dann an Hand von Beispielen aus dem weiteren Kapitelverlauf erläutert. Das Konzept des Buches sieht einen sehr ähnlichen Aufbau der einzelnen Kapitel vor. Dies macht es möglich viele Beobachtungen auf andere Abschnitte des Buches zu übertragen.
Das Kapitel umfasst 70 Seiten und ist in vier Unterabschnitte aufgeteilt. Der Einstieg erfolgt mit einer großformatig bebilderten Doppelseite, auf der das Schicksal des jugendlichen Luftwaffenhelfers Hans-Georg Henke gezeigt wird. Auf diese Weise werden die Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Lebenswelt konfrontiert. Auf der folgenden Seite wird die Geschichte Henkes kurz näher erläutert. Erfreulich ist, dass der kurze Text auf der Doppelseite bereits die Hauptproblematik des Themas anspricht, nämlich dass es sich um einen Zeitraum handelt, „über den so viele unterschiedliche Urteile existieren, über den so viel Widersprüchliches gesagt und geschrieben wurde und der so schwer zu begreifen ist“ (S. 105). Zudem wird als Ziel der Einheit definiert, dass den Schülerinnen und Schülern geholfen werden soll „eigene Fragen aufzuwerfen und eigene Antworten zu finden“ (S. 105). Inwiefern es den Autoren gelingt, dieses Ziel zu erfüllen, wird sich im Laufe der Untersuchung zeigen. Nach diesem Einstieg folgt wie in jedem Kapitel eine Übersichtsdoppelseite, die den Schülerinnen und Schülern eine knappe Orientierung über die gesamte Einheit bieten soll. Außerdem zeigt eine Zeitleiste die wichtigsten Daten der politischen Geschichte. Hier wäre es wünschenswert, wenn diese in eine Gesamtchronologie eingebettet worden wären.
Das Großkapitel konzentriert sich auf die Zeit von 1933-1945. Die Ereignisse die zur „Machtergreifung“ führten, werden im vorhergehenden Kapitel „Die Weimarer Republik: Anfang und Ende der ersten deutschen Demokratie“ behandelt. Das erscheint sinnvoll, da so der Aufstieg des Nationalsozialismus in den Kontext der besonderen politischen Situation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg eingeordnet wird. Wie der Rest des Buches ist das Kapitel wenig ereignisgeschichtlich orientiert, sondern greift bestimmte Aspekte auf, so z.B. die Machtsicherung, die Verfolgung Andersdenkender, den 2. Weltkrieg und den Holocaust. Lobenswert für die Identifikation ist die Wahl von Einzelschicksalen jugendlicher Opfer. Der Weltkrieg wird dabei thematisch eng mit dem Völkermord an den Juden verknüpft. Die Darstellung des eigentlichen Kriegsverlaufes ist mit zwei Doppelseiten sehr knapp gehalten. Das „Verbindungsstück“ zwischen Krieg und Holocaust ist dabei die Forschungsstation „Der Krieg im Osten - ein Krieg wie jeder andere?“. Hier soll der Begriff „Vernichtungskrieg“ erarbeitet und der besondere Charakter des Krieges gegen die Sowjetunion beleuchtet werden. Diese Verbindung ist legitim und auch die Schwerpunktsetzung scheint gerechtfertigt. Allerdings muss bedacht werden, dass die außereuropäische Dimension des 2. Weltkrieges nur sehr kurz angesprochen wird und in diesem Kapitel ansonsten unberücksichtigt bleibt. Erfreulich ist, dass der Krieg und der Holocaust nicht als alleinige Ereignisfelder betrachtet werden, sondern zusätzlich die Bereiche „Bombenkrieg“ und „Vertreibung“ Beachtung finden. Auch der Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird von den Autoren nicht vernachlässigt und den Schülerinnen und Schüler in seinen unterschiedlichen Ausprägungen nahe gebracht.
Wie das Kapitel als Ganzes, wird jeder Unterabschnitt, z.B. „Die Errichtung der Diktatur (1933/34)“ (S.108-111.), ebenfalls durch ein oder zwei Doppelseiten Verfassertext eingeleitet. Dies dient der Vermittlung von Grundwissen, das im Verlauf des Abschnitts vertieft werden soll. Dass auch dieser informative Abschnitt mit einem Arbeitsauftrag verbunden ist, trägt zur Sicherung bei. So sollen die Schülerinnen und Schüler z.B. eine kommentierte Datenliste erstellen. Auf die Doppelseiten folgt eine Forschungsstation, in diesem Fall „Machtsicherung konkret“, die in Form von einzelnen Themen den Schülerinnen und Schülern die Quellenbeschäftigung ermöglicht. In einem Kasten werden einleitend mehrere Forschungsfragen gestellt. Zusätzlich werden den Schülerinnen und Schülern die Methode und der Ablauf der „Forschungsarbeit“ vorgegeben. Dabei werden die Methoden als bekannt vorausgesetzt, entweder aus dem vorliegenden Band oder aus den vorigen Bänden. Jedes Thema einer Forschungsstation wird wiederum mit einem Kasten begonnen, in dem die Schülerinnen und Schüler eine kurze Einführung in die Forschungsstation und die separate Aufgabenstellung erhalten. Dabei variieren die Methoden unter den Forschungsstationen. So gibt es z.B. Analysen und Beurteilungen, aber auch eine „Zeitreise“, in der sich die Schülerinnen und Schüler in die Situation eines Schülers in der Zeit des Nationalsozialismus hinein versetzen sollen. Leider werden die Schülerinnen und Schüler bei manchen Einzelquellen alleine gelassen, so dass besondere Aspekte übersehen werden könnten, da sie in der Aufgabenstellung der Forschungsstation keine Rolle spielen. So beispielsweise die Quelle M5 auf S. 153, in der ein Historiker die Möglichkeit der Befehlsverweigerung von KZ-Wachpersonal thematisiert. Die Feststellung, dass eine solche mutmaßlich nicht bestraft worden wäre, geht in der Fragestellung „Täter-Opfer-Problematik“ etwas unter. Hier wäre eine zusätzliche Aufgabe für die Quelle wünschenswert, wie ja in anderen Fällen auch geschehen. Und es ist verwirrend, weshalb Teile des Buches, obwohl von Aufbau und Funktion identisch (z.B. „Der zweite Aufstieg des Nationalsozialismus“, S. 122), nicht die Bezeichnung „Forschungsstation“ tragen.
Die Quellenarten, die in den Forschungsstationen bearbeiten werden können, sind sehr unterschiedlich. Tagebucheinträge, Reden, Gesetzestexte und Interviews, aber auch Historikerkommentare stellen einen Großteil des Textquellenmaterials dar. Als Bildquellen werden Photographien, Karikaturen sowie zahlreiche Plakate angeboten. Zusätzlich dienen Statistiken und Schemata als Arbeitsmaterialien. Die Anteile von Bild- und Textquellen wirken ausgeglichen. Mehrfach werden Methoden zur Quellenarbeit eingeführt und eingeübt. So z.B. „eine politische Rede untersuchen“ und „Plakate interpretieren“. Hervorzuheben ist, dass auch aufwendigere Vorgehensweisen wie Archivarbeit den Schülerinnen und Schülern näher gebracht werden.
Man muss selbstverständlich bei der Beurteilung der Quellenauswahl bedenken, dass es bei dem Thema „Nationalsozialismus“ schwer fällt, Kontroversität zu erzeugen. Den Autoren gelingt es aber in den meisten Fällen jeden Unteraspekt multiperspektivisch zu beleuchten, z.B. in dem eine „Täter-Opfer-Perspektive“ eingenommen wird. Sehr deutlich wird dies im Abschnitt „Völkermord- Täter und Opfer“ (S. 152-155.). Hier werden auf einer Doppelseite Quellen über die Taten der SS in Auschwitz, der Sichtweise von überlebenden jüdischen Opfern auf der folgenden Doppelseite entgegen gestellt. Die Schülerinnen und Schüler sehen die bürokratische, unmenschliche Ebene des Tötens in den Konzentrationslagern und die Angst bzw. das Leid der Opfer.
Bestehende fachwissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussionen der jüngsten Vergangenheit werden im Verlauf des Kapitels ebenfalls aufgegriffen. So wird ein Interview mit Hans-Ulrich Wehler wiedergegeben, in dem die „Bombendebatte“ und das Problem eines entstehenden deutschen Selbstverständnisses als Opfer thematisiert werden. Es ist zu begrüßen, dass diese Kontroversen nicht ausgespart werden. Den Schülerinnen und Schülern wird auf diese Weise bewusst gemacht, dass die derzeitigen Meinungen über die Zeit von 1933 bis 1945 nicht einfach zu subsumieren sind. Da sie sich selbst intensiv mit den einzelnen Aspekten beschäftigt haben, können sie solche Diskussionen kritisch bewerten. Zwar ist das Kapitel in der Hinsicht lenkend, dass die Beschäftigung mit den Gräueltaten kaum eine andere Erkenntnis als Schrecken ermöglicht. Aber die Autoren vermeiden es, die Schülerinnen und Schüler dabei zu „überwältigen“, was primär durch die Quellen und ihre Vielfalt ermöglicht wird. Die Verfassertexte nehmen dabei zwar keine klar objektive Haltung ein - dies wäre auch so gut wie unmöglich-, überlassen es aber weitestgehend den Schülerinnen und Schülern für sich eine abschließende Beurteilung zu formulieren.
Fazit
Mit „Zeiten und Menschen 3“ haben die Autoren den Abschluss ihrer Reihe vorgelegt, die als direkte Antwort auf G8 und den Kernlehrplan Geschichte für die Sekundarstufe I in NRW konzipiert wurde. Es ist ein buntes Buch geworden – nicht nur die optische Gestaltung betreffend –, und es hat im engen Korsett der curricularen Vorgaben inhaltlich Kompromisse eingehen müssen. Dafür haben sich die Verantwortlichen in Bezug auf kreative und handlungsorientierte Lern- und Arbeitsprozesse eine Menge einfallen lassen. Hat man es geschafft, das Gewirr aus Kästen und Aufgabenstellungen zu durchschauen und sich im Konzept des Geschichtswerks zurechtgefunden, so bietet es als Arbeitsbuch die Möglichkeit methodenvielfältig und kompetenzorientiert Geschichte zu begegnen.
Die konsequente Einbindung des Bandes in das Konzept der Reihe macht seine Verwendung im Unterricht einfach, da das schülerzentrierte Arbeitsbuch als alleinige Säule der Schulstunde dienen kann und auch soll. Inwiefern dies realistisch und überhaupt sinnvoll ist, muss kritisch hinterfragt werden. Der Lehrkraft wird zwar eine umfangreiche Sammlung an Inhalten, Methoden und Quellen an die Hand gegeben, die aber tatsächlich hauptsächlich für die Verwendung im Kontext des Buches konzipiert wurde. Diese Inflexibilität des Bandes erschwert eine Nutzung in Auszügen und eine Öffnung des Konzeptes in diese Richtung wäre deshalb begrüßenswert gewesen.