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Ethik / Philosophie, 9./10. Schuljahr, Gesamtschule, Realschule, Gymnasium

Abenteuer Ethik 2 – Ausgabe Berlin

Abenteuer Ethik 2 – Ausgabe Berlin
Herausgegeben von Dreier-Horning, Anke, Melanie Heise, Frank Keller, Tanja Kunz, Karen McGuigan, Ilona Ruschmeier-Krause, Angelika Rzehak, Maria Benning, Margret Iversen, Winfried Böhm, Jörg Peters, Martina Peters, Bernd Rolf und Monika Sänger
Erschienen Bamberg: C.C. Buchner, 2017
Seitenanzahl 264
ISBN 978-3-661-20082-8
Geeignet für Berlin
Rezensiert von Engel, Laura Milena, Bilal Yaya und Ricarda Rube (Studierende), 24. Oktober 2018

Rezension von Engel, Laura Milena, Bilal Yaya und Ricarda Rube (Studierende)


Enleitung
Mit farbenfrohen Lettern auf kräftig blauem Grund tritt das Schulbuch “Abenteuer Ethik 2 Berlin” mit großen Versprechungen in Erscheinung. Ob sich dieser erste Eindruck bewahrheitet, lohnt sich bei einem genaueren Blick ins Buch herauszufinden.

Formale Gestaltung
Neben dem bunten Cover, das trotz seiner Farbenpracht recht statisch wirkt, ist das Inhaltsverzeichnis besonders wichtig für den Nutzer. Dieses ist in “Abenteuer Ethik 2 Berlin” durchaus positiv zu bewerten. Es erstreckt sich über die ersten zwei Doppelseiten und wirkt so keinesfalls überladen. Die sechs großen Kapitelüberschriften, die sich mit jenen des Berliner Kerncurriculums decken, sind in jeweils unterschiedlichen Farben gehalten. Mit der weiteren Unterteilung in kleinere Unterthemen erlangt das Inhaltsverzeichnis gute Übersichtlichkeit und wird für den Nutzer gut nachvollziehbar. Kleine Kästen weisen darüber hinaus auf die Methodenkompetenzen hin, welche in den jeweiligen Kapiteln erlernt werden können.
Die farbliche Gestaltung innerhalb des Schulbuchs hat wiederum ein Lob verdient, weil sie einem sinnvollen und gut nachvollziehbaren Schema folgt: Die Farben der einzelnen Kapitelüberschriften des Inhaltsverzeichnisses finden sich ebenfalls in den zugehörigen Kapiteln wieder, was die Orientierung innerhalb des Buches für Lehrkräfte wie für Schülerinnen und Schüler erleichtert.
Die einzelnen Kapitel sind nach einem einheitlich wiederkehrenden Schema aufgebaut. Am Anfang steht eine Einstiegsseite. Ihr Farbton ist kräftiger und weist somit auf den Beginn eines neuen Themas hin. Derselbe Farbton kommt auf der Abschlussseite zum Einsatz, auf welcher die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Lernerfolg überprüfen können.  Auf den Seiten im Kapitel verweist eine pastellige Kopfzeile jeweils auf das Kapitelthema. Darunter befindet sich, farblich hervorgehoben, die Fragestellung, mit welcher sich die Schülerinnen und Schüler auf der Doppelseite näher befassen sollen. Kopfzeile, Fragestellung sowie das gesamte Farbkonzept der Seiten sind in der Farbe des Kapitels gehalten. Damit verschafft das Buch dem Nutzer zwar eine gewisse Orientierungshilfe, schließt motivierende Effekte durch Farbkontraste aber aus. Eine Marginalspalte bietet mit Hinweisen, Verweisen auf das Glossar oder Worterklärungen nützliche Tipps. Durchweg wirken die Seiten sehr übersichtlich und strukturiert, sind aber durch die überwiegende Nutzung von Textmaterialien eher erschlagend und wenig motivierend, was durch den Aufgabenkasten verstärkt wird, der mit seinen drei bis hin zu neun Aufgaben oft die ganze untere Hälfte der zweiten Seite einnimmt. Um dem Buch optisch etwas mehr Luft zu geben und den Schülerinnen und Schülern die Lust, damit zu arbeiten, nicht zu nehmen, hätten ihm ein paar zusätzliche Seiten sicherlich gut getan.

Material
Das Buch weist eine beachtliche Vielfalt an Textsorten und Quellenmaterial auf. Es werden Gesetzestexte, Zeitungsartikel, philosophische Schriften wie auch wissenschaftliche Beiträge eingesetzt, die meist abstrakt-theoretisch, argumentierend oder informierend sind. Dazu zählen auch Stellungnahmen von gesellschaftlichen Organisationen beziehungsweise Initiativen. So wird deutlich, dass eine Meinung nicht nur von einer Person ausgehen kann, sondern sich Menschen für eine Idee zusammenschließend organisieren können. Letzteres ist auf gesellschaftlicher Ebene von immenser Bedeutung, stellt dies doch ein Kernelement einer Demokratie dar.
Durch den Einsatz von historischen Quellentexten (Beispielsweise den Flugblättern der Weißen Rose) wird auch das Historizitätsbewusstsein angesprochen. Dass es ethische Problemstellungen zu jeder Zeit gab, kann hier mithilfe dieser Texte vermittelt werden.
In jedem Kapitel ist die Quellenvielfalt gewährleistet. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich so mit verschiedenen Textsorten auseinander, was unter anderem die Textkompetenz oder in einem erweiterten Verständnis die Fähigkeit des Perspektivwechsels stärkt. Bei Bedarf kann die Lehrkraft immer noch selbst ausgewählte Texte oder Unterrichtsmaterial hinzunehmen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass seitens des Verlages zu dem Schulbuch auch eine Box mit digitalem Lehrmaterial zur Verfügung gestellt wird, in dem unter anderem methodische Hinweise zu den Aufgaben, Unterrichtsplaner oder Arbeitsblätter zum Herunterladen vorhanden sind.
Trotz der zahlreichen Stimmen, die in den Textquellen zu Wort kommen, wird die Autorenvielfalt enttäuschenderweise nicht zum Zwecke der kontroversen Themenentfaltung eingesetzt. Statt bei einem strittigen Thema verschiedene Meinungen gegenüberzustellen, ist in “Abenteuer Ethik 2 Berlin” oft nur eine Textquelle pro Thema abgedruckt, sodass die Gefahr besteht, dass die Schülerinnen und Schüler einseitig informiert werden und wichtige Argumente der Gegenposition nicht sehen. Diesem Problem wird auch durch die materialbezogenen Aufgabenstellungen nicht entgegengewirkt (wie unter den Ausführungen zur Kompetenzförderung noch näher beschrieben wird). Auch die Texte der Autorinnen und Autoren selbst weisen meist wenig „Reibungsfläche“ für Diskussionen auf.
Das sprachliche Niveau der Texte ist in Anbetracht der Altersgruppe im Allgemeinen angemessen. Auch leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sollten im Großen und Ganzen keine Verständnisprobleme bekommen. Stellenweise steigert sich allerdings doch der Anspruch, beispielsweise bei philosophischen Originaltexten oder Gesetzestexten, die auf eine unterstützende Erläuterung seitens der Lehrkraft angewiesen sind. Die kurzen begrifflichen Erläuterungen im Glossar leisten hier nur teilweise Abhilfe.
Kritisch ist außerdem das Verhältnis von Text- und Bildmaterial zu bewerten. Die teilweise erschlagende Menge an Fließtext pro Doppelseite wirkt nicht mehr zeitgemäß und ist aus Sicht der Lernenden sicherlich nicht besonders motivierend.
Im Gegensatz zu dem großzügigen Einsatz von Textquellen kommen zudem verschiedene Formen von Graphiken leider etwas zu kurz. Zwar taucht auf jeder Doppelseite Bildmaterial auf, allerdings ist dieses oft zu klein abgedruckt. Gerade Fotografien, die eine bestimmte emotionale Wirkung bei den Betrachtern auslösen sollen, entfalten so nicht mehr ihre volle Aussagekraft. Ein weiteres Manko hinsichtlich des Bildmaterials ist, dass dieses an vielen Stellen hauptsächlich illustrative Funktion erfüllt, statt dass es Fragen oder neue Gedanken zum dargestellten Thema bei den Schülern initiiert.

Umsetzung der Kompetenzförderung
Die wohl wichtigste Komponente eines Schulbuchs ist die Kompetenzorientierung, welche einen Rahmen für die inhaltlichen Themenfelder darstellen soll. Wie motivierend und ertragreich das Lernen mit dem Buch für die Schülerinnen und Schüler ist, hängt in großem Maße davon ab. In "Abenteuer Ethik 2 Berlin" ist hier leider nicht das volle Potenzial ausgeschöpft worden. Obwohl die Kompetenzen des Lehrplans alle unter den verschiedenen Themenfeldern abgedeckt werden, scheinen gerade die zentralen Kompetenzen des Ethikunterrichts – nämlich jene, die auf eine selbstreflektierte Meinungsbildung abzielen – zu kurz zu kommen. Bereits bei einem kurzen Blick in die Aufgabenkästen fällt auf, dass die Operatoren in den Aufgabenstellungen recht einseitig eingesetzt sind, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf der Textarbeit (etwa dem Beschreiben und Erklären eines vorgegebenen Texts) liegt. Zwar ist es  zweifelsohne wichtig, diese Fähigkeiten zu trainieren, weil viele anspruchsvollere Kompetenzen darauf aufbauen, doch sollte im Zentrum eines modernen Ethikunterrichts vielmehr das selbstständige Erarbeiten und Austauschen von Argumenten stehen, um zu einer wirklich reflektierten Stellungnahme zu gelangen. Etwa Aufgaben, die mit Perspektivwechsel arbeiten, wären an mehr Stellen im Buch wünschenswert, um die Kompetenz "Urteilen" besser zu fördern. Die Aufgaben sollten letztlich kreativer und interaktiver gestaltet sein, wodurch der Fokus mehr auf die Lernenden gelegt würde. Interaktives Arbeiten im Sinne eines lernerzentrierten Unterrichts bleibt bei der Arbeit mit diesem Schulbuch also leider auf der Strecke und muss somit von der Lehrkraft selbst initiiert werden.
Die Aufgabenstellungen zu gegebenen Text- oder Bildquellen sind meist sinnvoll gewählt, indem sie auf das jeweilige Problem hin orientiert sind. Oft sollte aber mehr Bezug zum Vorwissen der Schülerinnen und Schüler hergestellt werden, sodass deren persönliche Meinung besser eingebracht werden kann. In „Abenteuer Ethik 2 Berlin“ wird der Unterrichtsgegenstand nicht selten zu distanziert im Hinblick auf die Schülerinnen und Schülern dargeboten, wodurch es den Lernenden schwer fallen könnte, sich in das neue Thema einzudenken.
Als problematisch kann außerdem die Eingliederung der verschiedenen Methodenkompetenzen in das Schulbuch betrachtet werden. In „Abenteuer Ethik 2 Berlin“ wird jede Kompetenz jeweils einem Themenkapitel zugeordnet, sodass für Schülerinnen und Schüler der Eindruck entstehen könnte, dass die jeweilige Kompetenz nur in dem ihr zugeteilten Themenkapitel eine Rolle spielen. Um transparent zu machen, dass die verschiedenen Kompetenzen des Ethikunterrichts auf jeden Gegenstand angewendet werden können (und auch sollen!), wäre es doch sinnvoller, die Hierarchie umzukehren: Die Kompetenzen den Themenfeldern überzuordnen. So würden sie den Rahmen für die darin eingebetteten thematischen Inhalte darstellen. 

Fazit
Betrachtet man alle aufgeführten Aspekte in einem zusammenfassenden Resümee, lässt sich für „Abenteuer Ethik 2 Berlin“ ein deutlicher Verbesserungsbedarf feststellen. Zwar ist das grobe Konzept des Buchs stimmig, da ein roter Faden innerhalb der Themenkapitel erkennbar ist und sich somit sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler gut darin zurecht finden sollten. Auch das ausgewählte Material ist als Arbeitsgrundlage gut einsetzbar, weil vielfältige Quellen herangezogen werden und dadurch Einblicke in die außerschulische Wirklichkeit geboten werden. Doch wird dieses Potenzial leider nicht voll ausgeschöpft. Durch die meist stark textbezogenen Aufgabenstellungen werden die Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend zum Nach- und Weiterdenken angeregt, womit das oberste Ziel eines guten Ethikunterrichts nicht erreicht wird. Damit einhergehend ist zu befürchten, dass auch die Motivation der Lernenden auf der Strecke bleibt und das Unterrichten mit diesem Buch oft schleppend vonstattengehen wird.„Abenteuer Ethik 2 Berlin“ bietet letztlich eine ausreichende Grundlage, um das Minimalwissen zu den Themen des Ethikunterrichts abzudecken und sich einen groben Überblick über die jeweiligen Sachverhalte zu verschaffen. Für eine tiefergehende Auseinandersetzung und eine didaktisch anregende Unterrichtsgestaltung ist aber viel Zusatzleistung von der Lehrkraft gefragt. Gerade in Hinblick auf eine umfassende Kompetenzförderung und Methodenvielfalt ist das Buch unzureichend, um einen interaktiven und fruchtbaren Unterricht zu gestalten. Das versprochene Abenteuer bleibt für die Schüler leider aus.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Engel, Laura Milena, Bilal Yaya und Ricarda Rube. Rezension zu: Abenteuer Ethik 2 – Ausgabe Berlin von Dreier-Horning, Anke, Melanie Heise, Frank Keller, Tanja Kunz, Karen McGuigan, Ilona Ruschmeier-Krause, Angelika Rzehak, Maria Benning, Margret Iversen, Winfried Böhm, Jörg Peters, Martina Peters, Bernd Rolf und Monika Sänger (Hg.). Bamberg: C.C. Buchner 2017, ISBN 978-3-661-20082-8, Edumeres 2018, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/engel-laura-milena-bilal-yaya-und-ricarda-rube/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.