Geschichte, Oberstufe, Gymnasium
Horizonte I – III: Geschichte für die Oberstufe
Herausgegeben von | Bahr, Frank |
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Erschienen | Braunschweig: Westermann, 2006 |
Seitenanzahl | 376 Seiten; 360 Seiten; 376 |
ISBN | 978-3-14-110935-1; 978-3-14-110936-8; 978-3-14-110937-5 |
Geeignet für | Nordrhein-Westfalen |
Rezensiert von | Groth,Carolin und Arne Jendrossek (Studierende), 1. Juni 2009 |
Projekt | Christian-Albrechts-Universität Kiel, Wintersemester 2008/09 |
Rezension von Groth,Carolin und Arne Jendrossek (Studierende)
Einstieg
Die drei Bände „Horizonte. Geschichte für die Oberstufe“ decken gemäß des Curriculums der Bundesländer Berlin, Bremen, Hamburg und Nordrhein Westfalen alle vorgeschriebenen und empfohlenen Inhalte der Sekundarstufe II ab. Besonders im Hinblick auf das deutschlandweit neu eingeführte Zentralabitur bietet der Westermann Verlag einen zusätzlichen Band zur Vorbereitung auf das Abitur an. Ebenso positiv anzumerken ist der Hinweis im Anhang auf weiterführende Links im Internet.Die Einbandgestaltung ist bei allen drei Bänden einheitlich und bietet jeweils einen interessanten Bildeinstieg, der in die jeweilige Epoche einführt. Das Layout des Textes ist übersichtlich und gut lesbar gestaltet und bietet durch hervorgehobene Schlagwörter neben den jeweiligen Textabschnitten einen schnellen Überblick. Das Format ist handlich und lässt ausreichend Raum für abwechslungsreiche und großflächige Darstellungen von Gemälden, Kupferstichen, Fotos und Propagandamaterialien unterschiedlichster Art.
Konzept
Das Konzept steht für ein Lehr- und Arbeitsbuch. Neben den lehrplangemäßen Inhalten werden propädeutische Anteile angeboten. Besonderen Wert legen die Verfasser auf eine multiperspektivische Darstellung, die sowohl die Fachgebiete Politikwissenschaft, Ökonomie, Sozialgeschichte und Ökologie als auch das Themenfeld der Gender Studies anbieten. Die unterschiedlichen Textformen ermöglichen ein fächerübergreifendes Lernen.
Das Kapitel „Arbeitstechniken und Methoden“ am Ende jedes Bandes bietet einen kompakten Einblick in die „Werkzeuge eines Historikers“, jedoch wiederholen sich diverse Inhalte in den einzelnen Bänden. Da sich diese dreibändige Ausgabe ausschließlich auf die Sekundarstufe II bezieht, sind die konzeptionellen Überlegungen in der Praxis zeitlich nicht umzusetzen. Ansatzpunkte für ein vom Lehrplan gefordertes fächerübergreifendes Lernen, wie beispielsweise in einem Schulprojekt in Kombination mit dem Fach Geographie, werden leider an keiner Stelle genannt.
Inhalt
Die Inhaltsübersichten sind visuell gut gegliedert und bieten einen kurzen Überblick zu den einzelnen Themen.
Der erste Band behandelt die Themenbereiche „Griechenland“, „Rom“, „Das Mittelalter“ und „Die Frühe Neuzeit“. Die Alte Geschichte wird hierbei in zwei relativ kurzen Kapiteln komprimiert angeboten, wobei Athen als griechische Vormacht und kultureller Mittelpunkt eine herausragende Stellung einnimmt. Das Alltagsleben Roms und dessen Errungenschaften für die spätere Geschichte und Gegenwart werden ebenso thematisiert. Im Vergleich zur Alten Geschichte nimmt das Mittelalter den größten Raum in diesem Band ein. Neben den üblichen Themenbereichen wie Grundherrschaft, Investiturstreit oder Kaisertum findet die Frauengeschichte ebenso Eingang wie die Pest und die Hanse. Die Frühe Neuzeit dagegen beschränkt sich auf politische, religiöse und wirtschaftliche Themen am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Zusätzlich bietet dieser Band eine Einführung in die Geschichte und die Geschichtswissenschaft an. Neben einer Definition von Geschichte wird eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart gezogen. Hierbei wird die historische Sinnbildung einer Generation gegenüber ihrer Geschichte ebenso erläutert wie die Probleme, die sich bei einer Rekonstruktion von Geschichte ergeben, behandelt werden. Grundlagen der Geschichtswissenschaft, wie die Hermeneutik und die Quellenkunde, finden an dieser Stelle eine in knapper Form gehaltene Erwähnung. Eine sinnvolle Neuerung in der Themenauswahl stellt das Kapitel zur islamischen Welt dar. Auf etwa 25 Seiten wird ein Abriss zur Entstehung des Islam angeboten, ebenso werden Probleme innerhalb und außerhalb dieses kulturellen Raumes angesprochen. Die Rolle der Frau im Islam wird hierbei ebenso thematisiert, wie das Verhältnis zum Westen und die Problematik des Islamischen Fundamentalismus. Die Arbeitstechniken und Methoden im Geschichtsunterricht werden anhand mehrerer Beispiele am Ende des Bandes vorgestellt. Nach einer Quellendefinition folgt eine Auflistung aller historischen Hilfswissenschaften. Der Hauptteil jedoch bezieht sich auf die Quellenerschließung von schriftlichen Quellen sowie Bild- und Sachquellen. Der Band bietet zusätzlichen Raum für eine Anleitung zum Schreiben einer Facharbeit, wobei Probleme der Themenwahl, der Informationsbeschaffung und die formalen Kriterien knapp erläutert werden. Ein Glossar zu den wichtigsten Grundbegriffen aus diesem Band sowie ein Literaturverzeichnis schließen das Buch ab.
Der zweite Band setzt sich intensiv mit dem Thema „Neuzeit“ auseinander. Die verschiedenen Entwicklungsstränge des Absolutismus in Europa werden ebenso thematisiert wie die Verbindung der Amerikanischen Unabhängigkeit zur Französischen Revolution. Dem Zeitalter Napoleons schließen sich die Restauration und der Vormärz an. Grundlegende Fragestellungen, wie zum Beispiel die Bedeutung der Französischen Revolution für Europa oder des Nationalgedankens, finden gesondert Eingang in diesen Band. Mit den zusätzlichen Kapiteln „Fragen an die Geschichte“ werden derartige Themen mit Zusatzmaterialien präsentiert und bieten somit Raum für eine vertiefende Beschäftigung im Unterricht. In der Zeit zwischen der Revolution von 1848/49 und dem Ersten Weltkrieg werden „Die Industrielle Revolution“, „Das Deutsche Kaiserreich und „Der Imperialismus“ als Hauptthemen angeboten. Durch den Exkurs „Mensch und Umwelt“ wird dieser Band dem Autorenkonzept, auch Umweltgeschichte zu behandeln, gerecht. Wie auch im ersten Band werden weitere Arbeitstechniken und Methoden des Historikers erläutert.
Der dritte Band der Reihe „Horizonte“ deckt sowohl die Politikgeschichte der „Weimarer Republik“ als auch die Entwicklung des „Nationalsozialismus“ in weiten Zügen ab. Die Frage nach einer Kollektivschuld der Deutschen findet, wie auch die Gegenüberstellung verschiedener Faschismustheorien, in einem gesonderten Kapitel Beachtung. Positiv hervorzuheben ist die Problematisierung der Zweistaatlichkeit Deutschlands. Die „DDR“ wird hierbei gleichrangig zur „BRD“ behandelt. Etwas unglücklich dagegen scheint die gesonderte Beschäftigung mit der Sowjetunion ab der Oktoberrevolution in einem sich anschließenden Kapitel zu sein. Um der Globalisierung und der globalen Bedeutung von Geschichte gerecht werden zu können, werden Außenpolitik und Wirtschaft der USA im 20. Jahrhundert ebenso kurz erläutert wie das Problem der auf Religion basierenden Machtentwicklung in einer Republik am Beispiel Chinas. Die Entwicklung der Europäischen Union und die Vereinten Nationen runden neben den Exkursen zu Menschenrechten und dem Terrorismus diesen Band sinnvoll ab.
Autorentexte
Jedes Hauptkapitel beginnt mit einer Abbildung – meist ein zeitgenössisches Gemälde oder Foto, welches den Raum einer gesamten Seite einnimmt – und einem nebenstehenden einleitenden Text. Diese Autorentexte erläutern hierbei sowohl die Abbildungen in ihrer Relevanz zum Thema als auch grundlegende Fachtermini des Kapitels und stellen die jeweils folgenden Unterkapitel in einem Fließtext vor. Diese Art der Einführung vermittelt dem Lernenden einen lebendigen Einstieg in die Problematik und führt zu einer ersten Vorstellung der jeweiligen Epoche. Für SchülerInnen der Sekundarstufe II sind die Autorentexte durchaus verständlich, aber nur in geringem Maße wirklich interessant verfasst. Die wichtigsten Ereignisse, Daten und Zusammenhänge werden sachlich formuliert. Auf fachwissenschaftliche Debatten und Kontroversen wird dabei ebenso verzichtet wie auf eine Erläuterung des jeweils aktuellen Forschungsstands. Auf neue Fachtermini wird entweder gar nicht eingegangen, da sie im Glossar am Ende des Buches zu finden sind, oder sie werden auf zwei verschiedene Arten im Text erläutert. Die AutorInnen nutzen hierbei zum einen die Möglichkeit, neue Begriffe innerhalb des Satzes zu definieren. Hierzu ein Beispiel aus der Erläuterung eines Gemäldes zur Akropolis von Athen: „[…] Rechts der prachtvolle Tempel der Athena Parthenos (das Heiligtum der jungfräulichen Athene), in der Mitte die Propyläen, so bezeichnete man in der griechischen Architektur große Torbauten [...]“ (Band I, S.33). Alternativ wird nach einer schülergerechten Erläuterung der jeweilige Fachbegriff nachgeschoben: „Bei der Rivalität zwischen Athen und Sparta ging es in erster Linie um die militärische Vormacht (Hegemonie) […]“ (Band I, S.44).
Ein grundsätzliches Problem in den Autorentexten ist die oft vernachlässigte Multiperspektivität. Besonders konfliktreiche Sachverhalte sollten aus den Blickwinkeln aller Betroffenen dargestellt werden, um eine statische Vorstellung von der Geschichte zu vermeiden und den Lernenden die Möglichkeit zu eröffnen, sich aus verschiedenen Standpunkten eine eigene Vorstellung vom historischen Ereignis zu machen und so Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. Stattdessen wird den größeren Kapiteln ein farblich abgesetztes Zusatzkapitel „Fragen an die Geschichte“ hinzugefügt, welches die SchülerInnen zum kritischen Denken anregen soll. Exemplarisch soll an dieser Stelle das Kapitel „Männer machen Geschichte? Oder: Was heißt ‚Historische Größe’?“ (Band II, S.256 -258) erläutert werden. Hierbei wird auf die Rolle des Mannes, aber auch der Frau, als geschichtsschreibende Personen in der Neuzeit eingegangen. Kritisch werden die Beinamen „der oder die Große“ hinterfragt und es wird versucht festzustellen, ob nicht auch Frauen Schlüsselfunktionen in der Geschichte einnehmen können. Dieses Kapitel dient so zum einen dem wissenschaftlichen Denken in der Geschichtswissenschaft und bezieht gleichzeitig die Genderproblematik mit ein.
Quellenarbeit
Verglichen mit den Autorentexten der drei Bände bildet der Quellenapparat eines jeden Kapitels eine durchaus interessante und abwechslungsreiche Arbeitsplattform. Jedes Kapitel weist am Ende einen umfangreichen Quellenapparat auf, der sowohl Schrift- als auch Bildquellen präsentiert. Das Verhältnis von Autorentext und Quellen beträgt ein Drittel zu zwei Drittel. Von insgesamt 64 Seiten beinhaltet das Kapitel zum „Nationalsozialismus“ im dritten Band beispielsweise 41 Seiten an Quellenmaterialien. Zwar hat der Lehrende somit die Möglichkeit, Arbeitsaufträge im Unterricht vielfältig umzusetzen, doch oft wirkt die Masse an Informationen für SchülerInnen eher erschlagend. Somit gilt es, bei der Arbeit mit diesem Lehrwerk stets auf die Auswahl der Quellen zu achten. Viele Materialien, insbesondere die Schriftquellen, enthalten zahlreiche Informationen, die weit über den Inhalt des Autorentextes hinausgehen. Die Aufarbeitung dieser Informationen sowie das Miteinbeziehen der Bildquellen in den jeweiligen Kontext erfordern aufgrund der großen Auswahl zwangsläufig viel Zeit. Andererseits eröffnen sich somit weit reichende Möglichkeiten, den Geschichtsunterricht anschaulich zu gestalten. Jedes Kapitel enthält sowohl eine Vielzahl an Primärquellen als auch Textauszüge aus der Fachliteratur der Geschichtswissenschaft. Diese bieten eine hervorragende Grundlage, beispielsweise Gruppenarbeiten durchzuführen, in denen dann anschließend die Quellen gegenübergestellt werden können und so eine Diskussion ermöglicht wird. Daraus wird bereits ersichtlich, dass sich die Autorenteams viel Mühe gemacht haben, sowohl die Mehrdimensionalität als auch die Multiperspektivität im Quellenapparat mit einzubeziehen. Ein Beispiel: Im Zusammenhang zur Jugenderziehung unter Hitler werden zwei Fotos gegenüber gestellt (Bd. 3, S.71). Das eine Foto zeigt ein etwa 6-jähriges Kind in SA-Uniform mit dem Hitlergruß und weiteren uniformierten Kindern im Hintergrund. Das nebenstehende Foto dagegen zeigt einen gleichaltrigen Jungen mit erhobenen Händen bei einer Razzia im Warschauer Ghetto. Im Hintergrund ist ein SS-Soldat mit Waffe zu erkennen, der in die Richtung des Jungen zielt. Zusätzlich wird ein Auszug einer Rede Hitlers beigefügt, in der er über die Bedeutsamkeit der Stationen in der Hitlerjugend spricht. Der Auszug endet mit den Worten: „Und sie werden nicht mehr frei, ihr ganzes Leben.“ Derartige Gegenüberstellungen ermöglichen einen schnellen Einstieg in eine Unterrichtsdiskussion. Die verschiedenen Positionen, in welche schon die jüngsten Kinder im Nationalsozialismus je nach ihrer Abstammung gerieten, werden hierbei ebenso thematisiert wie die Ziele und die Probleme der Hitlerjugend.
Das Layout des Quellenapparates ist für Lernende eher undurchsichtig, da die Gestaltung der Quellen leider nicht darauf schließen lässt, ob es sich um zeitgenössische Quellen oder um Literatur handelt. Bei näherer Betrachtung des Quellenapparates erkennt man, dass es sich jedoch hauptsächlich um Literatur handelt. Zeitgenössische Quellen sind wenig vertreten. So fehlen zum Beispiel private Briefe oder Lieder. Da die Autorentexte einen ausschließlich einführenden Charakter haben, kann auf zusätzliches Quellenmaterial nicht verzichtet werden, um eine intensive und tiefgründige Beschäftigung mit einem historischen Sachverhalt zu ermöglichen. Neben Textmaterialien wird eine ausreichende Menge an Bildmaterialien in einem betrachterfreundlichen Format zur Verfügung gestellt. Negativ zu bewerten ist allerdings, dass es keinerlei Angaben zur tatsächlichen Größe des Bildes und dem Ausstellungsort gibt.
„Horizonte“ trägt mit dem Kapitel „Arbeitstechniken und Methoden“ deren Bedeutsamkeit im Geschichtsunterricht Rechnung, da die Arbeit mit historischen Quellen einen elementaren Bestandteil sowohl des Geschichtsunterrichts als auch der Geschichtswissenschaft darstellt. Hierbei werden Beispiele zur Textanalyse, Quellenerschließung im Allgemeinen sowie Bilddeutungen gegeben. Ebenso sinnvoll ist die Hilfestellung zum Erstellen eines eigenen wissenschaftlichen Textes.
Fachdidaktische und fachwissenschaftliche Aspekte
Obwohl „Horizonte I-III“ ansprechend präsentiert werden und meist reich an Informationen und Materialien sind, ist es umso bedauerlicher, dass die Aufgabenstellungen diesem Standard nicht gerecht werden. Am Ende eines jeden Kapitels befindet sich eine Box mit 5-10 Aufgaben, die zu oft einen rezeptiven Charakter aufweisen. Neben „Beschreiben Sie…“, „Zeigen Sie…“ und „Definieren Sie…“ aus dem Anforderungsbereich I beinhalten die Aufgabenstellungen ebenso die Operatoren „Untersuchen Sie…“, „Erklären Sie…“, „Charakterisieren Sie…“, und „Erläutern Sie…“ aus dem Anforderungsbereich II. Leider gibt es nur wenige Aufgaben, die Reflexions- oder Problemlösungsstrategien erfordern. Dem Anforderungsbereich III werden die Autorenteams mit den Operatoren „Vergleichen Sie…“ (III) und „Diskutieren Sie…“ (III) nur in geringem Maße gerecht.
Stets beziehen sich die Aufgabenstellungen auf einen oder mehrere Texte des Kapitels. Diese Vorgehensweise wird in allen drei Bänden aufrechterhalten. So erscheint beispielsweise nach der Aufgabe „Arbeiten Sie die wichtigsten Merkmale der SED als ‚Partei neuen Typs’ heraus.“ (Bd. III, S.150) eine Anmerkung (M6), die auf den jeweiligen Quellentext oder die entsprechende Sekundärliteratur hinzuweist. Dies scheint den Lernenden gegenüber zwar auf den ersten Blick vorteilhaft, wirkt aber im Hinblick auf die zweijährige Arbeitszeit mit diesem Lehrwerk eher langweilig und ermüdend. Somit dienen die Aufgabenstellungen ausschließlich der Wiedergabe von im Text genannten Informationen, was dem Anspruchsniveau der Sekundarstufe II nicht im ausreichenden Maße gerecht wird. Aufgabenstellungen in denen es erforderlich ist, Informationen aus anderen Quellen, wie dem Internet oder Zeitschriftenaufsätzen, zu beziehen, werden an keiner Stelle genannt. Ebenso fehlt es ganz an fächerübergreifenden Aufgabenstellungen oder Vorschlägen für Projekte. Besonders das Fach Geschichte eignet sich hervorragend als Ausgangsbasis, um beispielsweise eine Kooperation mit den Fächern Geographie, Deutsch oder Englisch anzustreben. Dieser Aspekt wird in „Horizonte I-III“ leider ausnahmslos außer Acht gelassen, obwohl einige Kapitel („Islamische Welt“ in Band I, „Industrielle Revolution“ in Band II, „USA“, „China“, „EU“ in Band III) sich für einen solchen Ansatz anbieten würden.
Positiv zu bewerten ist, dass die blau unterlegten Kapitel „Arbeitstechniken“ und „Methoden“ einen angemessenen Einblick in die Quellenarbeit bieten. Schritt für Schritt wird an Beispielen die Quellenerschließung an Texten, Bildern, Karten, Statistiken, Plakaten, Karikaturen und Fotos erläutert. Ebenso sinnvoll ist die verständlich präsentierte Herangehensweise an eine Facharbeit. Die Suche nach einem Thema, die Informationsbeschaffung sowie die Strukturierung dessen in logisch aufeinander folgenden Kapiteln wird schülergerecht an einem Beispiel erklärt. Auch wird an dieser Stelle auf die richtige Zitierweise hingewiesen.
Auffällig ist, dass die AutorInnen einen besonderen Fokus darauf gelegt haben, die Reflektion von Geschichtsbewusstsein durch „Horizonte I-III“ anzuregen. Hierzu dienen vor allem die Kapitel „Fragen an die Geschichte“, von denen fünf bis neun in jedem Band angeboten werden. Die Themen reichen von „Erinnern oder Vergessen?“ über „Warum gehen große Reiche unter?“ zu „Wird es einen Kampf der Kulturen geben?“ in Band I. Auch in den anderen Bänden werden fachwissenschaftlich bedeutsame Fragestellungen aufgeworfen. So wird zum einen auf die angebliche deutsch-französische Erbfeindschaft eingegangen, zum anderen versucht, die DDR als Staat der Stasi zu untersuchen (Band III). Auch in diesen ergänzenden Kapiteln werden Autorentexte mit Quellen und Sekundärliteratur auf wenigen Seiten kombiniert, um einen möglichst vielseitigen Zugang zu bekommen. Die Kapitel „Fragen an die Geschichte“ eignen sich im besonderen Maße für kurzphasige Projektarbeiten und sollten auch so im Lehrbuch präsentiert werden. Sowohl Methoden für einen offenen Unterricht als auch die passenden Arbeitsanweisungen und Fragestellungen fehlen in diesen abwechslungsreichen Kapiteln jedoch völlig. Da reicht es auch nicht, die Seiten gelb zu unterlegen.
In der gesamten Quellenauswahl lassen sich nur wenige Beispiele finden, durch welche Empathiefähigkeit bei den Lernenden erweckt werden kann. Probleme und Situationen der Randgruppen in der Geschichte werden unserer Meinung nach nicht deutlich genug herausgestellt und könnten bei den SchülerInnen zu Missverständnissen führen. So wird beispielsweise die Zukunft von KZ-Häftlingen im Dritten Reich anhand einer Bilderabfolge aus dem Satireblatt „Kladderadatsch“ (S. 56 Band III) spöttisch und verharmlosend dargestellt. Aus „Massendusche für Juden“ wird eine entspannende Reinigung, aus der Zwangsarbeit wird „Auslüftung“ bei einem angenehmen Spaziergang. Es wird nicht klar genug, dass es sich hierbei um eine Satire handelt. Ebenso kommt die Vertreibung der Indianer in den USA im 19. Jahrhundert zur Sprache. Das sozialhistorische Problem der Vertreibung, Unterdrückung, Hilflosigkeit und Armut von Menschen wird in allen drei Bänden kaum angesprochen, weshalb sich die Lehrkraft selbst um Materialien bemühen muss.
Aus dem Inhaltsverzeichnis wird bereits das breite Themenspektrum, welches „Horizonte I-III“ bieten, ersichtlich. Die AutorInnen haben die Möglichkeit, die sich aus einer dreibändigen Ausgabe ergibt, genutzt, um auch europäische und vor allem internationale Themeninhalte zu integrieren. Besonders im dritten Band liegt der Fokus auf einer auf Europa und die Welt gerichteten Sichtweise. Neben den USA im 20. Jahrhundert wird auch Chinas Entwicklung vom Kaiserreich zur Volksrepublik skizziert. Das sich anschließende Kapitel „Fragen an die Geschichte“, welches sich mit der Rolle des Konfuzianismus in der Geschichte und Gegenwart Chinas auseinandersetzt, komplettiert diesen internationalen Zugang. So wird die Chance genutzt, den Lernenden die Bedeutsamkeit des Faches Geschichte für einen weltweiten Rahmen zu vermitteln und deutlich gemacht, dass es neben den drei Blöcken USA – Europa – Sowjetunion noch andere Länder und Themen gibt, die behandelt werden können und sollten. Schließlich hat sich die Weltgeschichte seit den 1980’er Jahren immer mehr als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft etabliert. Hierbei sollen vor allem soziologische Aspekte, also der Mensch und dessen Kultur, als Entwicklungsstränge in der Welt herausgearbeitet und miteinander verglichen werden. „Horizonte I-III“ wird diesem noch relativ jungen Forschungsfeld insofern gerecht, als dass die Schulbuchreihe zumindest einen Blick in den Westen, in den Nahen Osten und China wagt.
Die Bände II und III bieten zusätzlich Themen im Kapitel „Exkurs“ an. So werden im zweiten Band die Themen „Mensch und Umwelt“ und „Parlamentarismus im 19. Jahrhundert“ und im dritten Band „Menschenrechte in Geschichte und Gegenwart“ sowie – als aktuelles Thema – „Terrorismus“ zur Bearbeitung angeboten. Somit integriert „Horizonte“ aktuelle Themen, die den Lernenden auch außerhalb der Schule stets begegnen und somit für einen Wiedererkennungswert im Unterricht sorgen. Die übliche Trennung von Schulthemen und alltäglichen Nachrichtenmitteilungen wird an dieser Stelle aufgehoben. Im Kapitel „Exkurs: Menschenrechte in Geschichte und Gegenwart“ wird beispielsweise auf die Entwicklung der Rechte in der internationalen Politik seit dem 13. Jahrhundert eingegangen. Neben einer internationalen Tabelle zu Völkermorden im 20. Jahrhundert findet sich eine Karikatur, die Milosevic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zeigt. Bei den schriftlichen Quellen wird besonderes Augenmerk auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ gelegt. Die SchülerInnen bekommen zusätzlich die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zum Konzept der Menschenrechte mit dem Recht der Frauen im Islam zu vergleichen. In einem weiteren Text wird aber ebenso darauf hingewiesen, dass es ‚den Islam’ nicht gibt, da der Koran in verschiedenen Regionen des Nahen Ostens unterschiedlich ausgelegt wird. Die Möglichkeit des Vergleichs mit der islamischen Welt und dessen Menschenrechtsbild komplettiert somit den internationalen und multiperspektivischen Ansatz des Schulbuchkonzepts. Besonders die Exkurs-Kapitel bedürfen einer längeren Bearbeitungsphase im Unterricht, machen die Thematik jedoch für den Lernenden umso spannender.
Schon die Ausschnitte aus der Sekundärliteratur im Anhang eines jeden Kapitels machen deutlich, dass sich die AutorInnen fast ausschließlich aus der Forschungsliteratur der 1970er und 1980er Jahre bedient. Zwar heißt das nicht automatisch, dass die Inhalte nicht mehr auf dem neuesten Forschungsstand wären, es hinterlässt jedoch den Eindruck, dass sich die Geschichtsforschung seit Ende der 1980er Jahre nicht weiterentwickelt hätte. Besonders der gesellschaftliche Aspekt, der seit den 1990er Jahren, nicht erst seit Heinrich August Winkler, an Wichtigkeit gewonnen hat, geht bei der Auswahl der Sekundärliteratur verloren. Besonders bei einer dreibändigen Ausgabe, die viel Platz für zusätzliche Texte aus der Geschichtswissenschaft bietet, hätte man aktuelle Meinungen von Historikern mit einbeziehen können. Im Anhang fällt jedoch auf, dass die weiterführende Literatur hingegen fast ausnahmslos aus den 1990ern und den Jahren nach 2000 stammt. Somit haben die Verfasser die Aktualität nur teilweise umgesetzt. Zu den Literaturvorschlägen sei noch anzumerken, dass sie nicht immer schülergerecht ausgewählt wurden, da die vorgeschlagenen Monographien oft zu umfangreich und zu anspruchsvoll sind. Eine bessere, aber vor allem knappere Auswahl an Literatur mit kurzen Kommentaren zu AutorIn und Text seitens der Herausgeber von „Horizonte I-III“ wäre für die Lernenden sicher motivierender gewesen.
Fazit
Die dreibändige Ausgabe „Horizonte I-III“ vom Westermann Verlag bietet einen vielseitigen und schülergerechten Einblick in die Themen des Geschichtsunterrichts der Sekundarstufe II. Das Layout und das Format sind ansprechend und einheitlich. Ergänzende Kapitel wie „Fragen an die Geschichte“ und „Exkurs“ bieten den Lernenden die Möglichkeit, sich Themenblöcken anzunähern, die im traditionellen Geschichtsunterricht sonst wenig Beachtung finden. Jedoch wirkt die Menge an Materialien für SchülerInnen oft ermüdend. Trotz der Fülle an Schriftquellen, Fotos, Karten und anderen Materialien haben es die AutorInnen versäumt, Anregungen für unterschiedliche Unterrichtskonzepte hierfür anzubieten. Die Aufgabenstellungen beschränken sich leider allzu oft auf die Aufgabenbereiche I und II, obwohl es die Materialien ermöglichen, sich auch tiefgründiger mit einer Thematik auseinander zu setzen. Somit muss die Lehrkraft oft eine beachtliche Vorarbeit leisten, um die jeweils passenden Materialien für den engen zeitlichen Rahmen des Schulunterrichts aufzuarbeiten. Neue Entwicklungen in der Geschichtsforschung, wie die Umweltgeschichte, die Weltgeschichte, sowie die politischen und kulturellen Probleme der Neueren Geschichte, haben Einzug in diese Schulbuchreihe gefunden. Zwar wurden die didaktischen Prinzipien der Multiperspektivität und Mehrdimensionalität in der Auswahl der Quellen bedacht, jedoch wird der sozialen Unterschicht in allen Epochen kaum Beachtung geschenkt. Die Fähigkeit, sich empathisch auf historische Probleme, Krisen und Kriege einzustellen, kann sich so schwer entwickeln. Ebenso hätten die Autorentexte eine gewisse Zuspitzung im Ausdruck gut vertragen können. Diese beschränken sich jedoch nur auf Zusammenhänge und Begriffe, die zwar als Hinführung zum Thema ausreichen, aber die Motivation und ‚Erkundungsfreude’ der SchülerInnen nicht fördern. Die Kapitel „Arbeitstechniken und Methoden“ bieten einen geeigneten Einstieg in das Handwerk des Historikers. Literaturhinweise und Internetlinks komplettieren diese Ausgabe und machen das Lern- und Lehrwerk für den Geschichtsunterricht auch als Standardwerk empfehlenswert.