Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule
Buchners Kolleg Geschichte – Ausgabe Hessen
Herausgegeben von | Freyberger, Bert et al. |
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Erschienen | Bamberg: C. C. Buchner, 2013 |
Seitenanzahl | 191 |
ISBN | 978-3-7661-4671-7 |
Geeignet für | Hessen |
Rezensiert von | Günther, Sven (Wissenschaftler), 27. Januar 2014 |
Rezension von Günther, Sven (Wissenschaftler)
Die durch G8 aufgenötigte Zusammendrängung von knapp 2500 Jahren Geschichte in ein Schuljahr im hessischen Lehrplan für die Einführungsphase zur gymnasialen Oberstufe[1] unter dem Aspekt von „Strukturmerkmalen traditionaler Gesellschaften und deren Veränderungen“ macht ein kompaktes, ein den traditionellen chronologischen Durchgang aufbrechendes Schulbuch notwendig. Es soll die zu besprechenden Themen einerseits in dem jeweiligen historischen Kontext korrekt verorten, andererseits übergreifende Fragestellungen und Problematisierungen ermöglichen, so dass alle drei Anforderungsbereiche im Hinblick auf die Qualifikationsphase wie das Abitur propädeutisch angesprochen und eingeübt werden.
Dies einzulösen und mit den modernen methodischen Anforderungen eines problemorientierten, schüleraktivierenden wie -zentrierten, an Kompetenzen ausgerichteten Geschichtsunterrichts zu verbinden, ist das vorliegende Werk als „Lern- und Arbeitsbuch“ (S. 3) zugleich angetreten.
Dieser mehr als nur doppelten Aufgabe wird formal durch einen adäquaten Aufbau Rechnung getragen: Einführungs- bzw. Orientierungsseiten problematisieren das jeweilige (Groß)-Thema, die nachfolgende Behandlung des Themas erfolgt getrennt nach Darstellungs- und Materialteil, wobei in den Darstellungsteil auch Bildelemente, zum Teil mit Erschließungsfragen, integriert sind. Zusätzlich zu den Arbeitsaufträgen im Bereich des Materialteils behandeln Sonderseiten unter dem Gesichtspunkt der Methodenkompetenz bestimmte Arbeitstechniken, so die Analyse von Verfassungsschemata (S. 37-39), von mittelalterlicher Literatur (S. 103-105), von Karten (S. 119-121) und gegenständlichen Quellen (S. 177-179). Unter „Geschichte kontrovers“ werden pro Teilthema aktuelle Streitthemen der Forschung aufgenommen, die Schülerinnen und Schüler also in die Deutungswelt durch die moderne Geschichtswissenschaft hineingeführt. Zum Weiterarbeiten regt die ebenfalls am Ende eines jeden Halbjahres eingestellte „Perspektive Abitur“ an, die Zusammenfassungs- und Vertiefungsfragen wie Literaturhinweise für weitere Recherche bietet. Den Band abschließende Hinweise zu den „Methoden wissenschaftlichen Arbeitens“ sowie zur „Bearbeitung der Aufgaben“ hinsichtlich des Aufbaus einer Klausur wie den Operatoren für die drei Anforderungsbereiche sind ebenso nützlich, müssen jedoch durch die konkrete Arbeit im Unterricht mit Inhalt gefüllt und somit erprobt werden.
Der stringente Aufbau des Werkes korreliert in inhaltlicher Hinsicht mit der vom Lehrplan geforderten Beschränkung auf Wesentliches: Athenische Demokratie mit ein bisschen (philosophischer) Vorgeschichte – als Alternativ-Thema das Römische Reich –, dann der Übergang von der christlichen Spätantike ins Mittelalter mit dem christlichen, jüdischen wie islamischen Kulturraum, all dies für das erste Halbjahr der Einführungsphase; im zweiten Halbjahr der Beginn der Moderne mit Renaissance, Reformation, Absolutismus und Aufklärung bis an den Vorabend der Französischen Revolution. Durch die Fülle der Geschichte helfen da zunächst die Orientierungsseiten mit einem chronologischen Skelett weniger (wichtiger) Ereignisse[2] und der jeweils wiederkehrenden „Funktionalisierung“ der vorangegangenen Epochen für die Moderne (in der Diktion des Buches: „Relevanz“, S. 3). Die an den Orientierungstext anknüpfenden Leitfragen sind zum Teil erst mit und nach der Beschäftigung mit dem jeweiligen Kapitel, ansonsten wohl eher nur aus dem bereits erfahrenen Wissen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten, so dass diese aus Sicht des Rezensenten hier fehl am Platze sind.
Die Darstellungstexte sind durchweg schülerfreundlich gestaltet. Nicht nur eine verständliche Sprache und Verweise auf den Materialteil, sondern auch gliedernde Zwischenüberschriften, Begriffs- und Ereigniserklärungen wie biographische Notizen als Randmarginalien zeichnen diese aus, so dass die wesentlichen Informationen schnell erarbeitet und erfasst werden können. Dass in die Darstellung (wie auch in den Materialteil) Bildelemente mit nicht nur rein illustrativem Charakter integriert sind, ist löblich. Die Leitfragen, insbesondere natürlich in Anforderungsbereich II und III, sind allerdings nicht immer schülergerecht, setzen also manchmal (weiteres) Hintergrundwissen voraus, das die Lehrkraft einzubringen hat.[3] Auch über eine sinnvolle Reihenfolge zwischen Teilen des Sachtextes und der Einbindung der Bildelemente muss im Zweifel die Lehrkraft entscheiden, werden hier doch keine Anhaltspunkte für die Lernenden als, so wenigstens die Intention des Werkes (S. 3): auch selbständig am Buch Arbeitende gegeben.
Der Materialteil umfasst mehrheitlich literarische Quellen aus der jeweiligen Epoche und Deutungsversuche durch moderne Historiker sowie die bereits erwähnten bildlichen Quellenzeugnisse. Die Arbeitsaufträge liegen schwerpunktmäßig im Anforderungsbereich II, also der Einordnung respektive dem Transfer des Inhalts in den historischen Kontext. Der Anforderungsbereich I wird hingegen (zu) wenig berücksichtigt, wobei gerade in der Einführungsphase die Arbeitstechnik einer präzisen Zusammenfassung eines Textes aus der Lehrerfahrung des Rezensenten stark und oft eingeübt werden muss, zumal auch im Abitur dieser Anforderungsbereich mit fast einem Drittel gewichtet ist. Die Beurteilungs- und Bewertungsfragen sind hingegen wie die Quellenauswahl insgesamt sachgerecht und binden gut an den Darstellungsteil an.
Insgesamt liegt ein für das hessische Lehrplankonzept passendes, aus der verkürzenden Not eine Tugend machendes Lehrwerk vor; dass die Lehrkraft sich auch bei diesem Schulbuch nicht allein auf die Rolle als Moderator zurückziehen kann, ist dabei ebenso evident wie zu begrüßen.
[1] Vgl. den Lehrplan Geschichte in der Fassung des Jahres 2010, abrufbar unter: http://verwaltung.hessen.de/irj/HKM_Internet?cid=48a34f21388de135d056cf8266b8b151 (10.12.2013), S. 33-37. Die Einführung von Bildungsstandards und daraus erwachsenden Kern- wie Schulcurricula für die Sekundarstufe II ist in Hessen für das Schuljahr 2015/16 avisiert.
[2] Auf Seite 8 ist das Ende der Ständekämpfe zwischen Patriziern und Plebeiern in Rom fälschlich auf das Jahr 297 v.Chr. gesetzt; richtig ist das Jahr 287 v.Chr.
[3] So z.B. der in relativ kleiner Abbildung vorliegende farbige (!) Rekonstruktionsversuch der Augustus-Statue von Primaporta (S. 41). Die (sinnvolle) Beschreibung und Analyse der Einzelelemente des Brustpanzers ist aufgrund der hohen Voraussetzungen im Bereich antiker Symbolik und Konnotation nicht ohne zusätzliches Material zu leisten.