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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium

Buchners Kompendium Geschichte

Buchners Kompendium Geschichte
Herausgegeben von Lanzinner, Maximilian
Erschienen Bamberg: C. C.Buchner, 2008
Seitenanzahl 559
ISBN 978-3-7661-4661-8
Geeignet für Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen
Rezensiert von Hoppe, Carolin (Studierende), 20. Mai 2010
Projekt Christian-Albrechts-Universität Kiel, Sommersemester 2009

Rezension von Hoppe, Carolin (Studierende)


Einleitung
„Buchners Kompendium Geschichte bietet einen fundierten Überblick von der Antike bis zur Zeitgeschichte für die Oberstufe. Auf das Wesentliche konzentriert und in überschaubare Einheiten gegliedert, eignet es sich als Lehrbuch in der Schule und als Arbeitsbuch für die selbstständige Erarbeitung der Themen.“ So wird das einbändige Lehr- und Arbeitsbuch des C.C. Buchner Verlages im Vorwort („Das Kompendium auf einen Blick“) vorgestellt.
Schon am Einband ist auf den ersten Blick, aufgrund eines Rahmens aus elf verschiedenen Bildern, die sich jeweils auf den Einführungsseiten der insgesamt elf Kapitel wieder finden, der Überblickscharakter dieses Geschichtsbuches zu erkennen. Um dieses Lehr- und Arbeitsbuch so detailliert wie möglich zu analysieren, wird es insbesondere am Beispiel des neunten Kapitels „Der Nationalsozialismus“ untersucht und bewertet. Dies geschieht anhand der zentralen Kriterien zur Untersuchung eines Schulbuches, Konzept, Autorentext, Text- und Bildquellen sowie Aufgabenstellung. Dabei werden auch fachdidaktische Aspekte wie Multiperspektivität, Kontroversität, Gegenwartsbezug und Problemorientierung berücksichtigt.
Der Einband sowie die Seiten sind qualitativ hochwertig und sehr stabil, weshalb sie den Belastungen des täglichen Gebrauches standhalten sollten. Der Umfang von 560 Seiten sowie das Gewicht dieses Lehrbuches, das schließlich alle Epochen abdeckt, sind erwartungsgemäß nicht gering. Zusätzlich zum Schülerband ist eine CD-ROM mit weiteren ergänzenden und für den Unterricht aufbereiteten Materialien verfügbar.

Konzept
Die Autoren stellen im Vorwort den Aufbau und das Angebot des Lehrwerks vor, nicht aber sich selbst und ihre Intentionen.
Das „Kompendium“ besteht aus insgesamt elf Kapiteln, die wiederum in weitere Unterkapitel gegliedert sind, wie aus dem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis deutlich wird. Jedes Kapitel wird durch eine Einführungsseite eingeleitet und durch eine Zusammenfassungs- und Vertiefungsseite abgeschlossen. Die Einführungsseite zeichnet sich – so das Vorwort – durch eine Skizzierung der Stoffauswahl und die Vermittlung der Relevanz der Themen aus. Das trifft aber nicht überall zu, wie z B. für die Einführungsseite des Kapitels zum Nationalsozialismus (S. 319). Hier beschränkt sich der Text darauf, den Schülerinnen und Schülern die Relevanz des Themas zu vermitteln. Das ist allerdings bei diesem Thema sehr sinnvoll und geschieht durch einen gelungenen Gegenwartsbezug. Schließlich heißt es, dass heutzutage unsere nationalsozialistische Vergangenheit durch „Gedenktage, Denkmalsprojekte, Buchveröffentlichungen, Medienberichte und andere Formen des Erinnerns“ (S. 319) so präsent sei wie kein anderer Abschnitt der deutschen Geschichte – ganz im Gegensatz zur unmittelbaren Nachkriegszeit.  So werden die Phasen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus von der Nachkriegszeit bis heute miteinander verglichen. Es werden zudem aktuelle Leitfragen der Geschichtswissenschaft gestellt. Dabei geht es u.a. um die Frage der Gewichtung deutscher Schuld und Verantwortung, die die Schülerinnen und Schüler sicher auch aufgrund des allgegenwärtigen Erinnerns an die Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen wird. Diese Thematik wird im letzten Unterkapitel „Umgang mit der NS-Zeit“ und am Ende des Kapitels auf der Vertiefungs- und Zusammenfassungsseite wieder aufgegriffen, wodurch das Kapitel sinnvoll abgerundet wird. Lösungsskizzen zu den Aufgaben dieser Zusammenfassungs- und Vertiefungsseiten befinden sich auf der Homepage des Verlages, so dass den Schülerinnen und Schülern selbstständiges Arbeiten z.B. zur Klausurvorbereitung ermöglicht wird.
Die Unterkapitel bestehen immer aus einem Darstellungsteil, der selbst durch eine Auftaktseite eingeleitet wird, und einem gesonderten Materialteil. Die Auftaktseite macht nur eine Teilseite aus und besteht laut Vorwort aus einem Bild und einer Chronologie, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, einen Überblick über die Ereignisse des Themas zu erlangen. Allerdings ist nicht auf jeder Auftaktseite eine Chronologie vorhanden. Das geschieht nur dann, wenn es den Autoren im jeweiligen Kontext sinnvoll erschienen ist, wie z.B. im ersten Unterkapitel „Nationalistische Diktaturen in Europa“ (S. 320). Dort liegt der Schwerpunkt eher auf der Beschreibung der Zustände in Europa sowie der Erörterung möglicher Ursachen faschistischer Mentalitäten.
In jedem Kapitel befindet sich ein Methodenbaustein, der den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gibt, den Umgang mit den verschiedenen Quellenarten der relativ umfangreichen Materialteile zu erlernen. Methodenbausteine werden zu schriftlichen Quellen, Architektur, Bildern, gegenständlichen Quellen und Sachquellen, Umgang mit Sekundärliteratur, Statistiken und Diagrammen, Karten, Plakaten, Film und „Wochenschau“, „Oral History“ und Karikaturen angeboten. Damit wird ein breites Spektrum der Quellenarbeit bzw. der Arbeit eines Historikers abgedeckt. Zusätzlich bietet das Kapitel „Kompetenter Umgang mit Quellen“ im Anhang des Buches weitere Hinweise, allerdings in Form einer Checkliste, sodass keine unnötige Doppelung entsteht.
Im Anhang sind außerdem die Kapitel „Hinweise zur Bearbeitung der Abituraufgabe“ und „Arbeits- und Präsentationsformen“, Literaturhinweise und ein Personen- und Sachregister zu finden. Insbesondere die Literaturhinweise halte ich für gelungen. Mit Hilfe der aufgeführten Literatur ist es möglich, das erworbene Wissen zu vertiefen, sei es aus Interesse oder für die Abiturvorbereitung. Zudem wird eine Linksammlung präsentiert. Schließlich spielt das Internet in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler eine nicht zu unterschätzende Rolle und das sollte auch für die Schule genutzt werden.

Autorentext
Durch seine klare und deutliche Sprache ist der Autorentext gut verständlich. Es werden aber auch in einem angemessenen Maße Fachbegriffe, die kursiv hervorgehoben sind, und Fremdwörter, die in einer Fußnote erklärt werden, verwendet, sodass das Oberstufenniveau deutlich wird. Die Schülerinnen und Schüler werden sich nicht unterfordert sondern gefordert fühlen. Selten kommt es vor, dass Fachbegriffe nicht erklärt werden (z.B. S. 321: „Democrazia Cristina“). Ein Glossar ist leider nicht vorhanden.
Auch durch die übersichtliche Gliederung in Abschnitte, die zudem mit Zwischenüberschriften versehen sind, wirkt das „Kompendium“ leicht zugänglich. Eine schnelle Orientierung wird ermöglicht. Allerdings ist im Unterkapitel „Von der ‚Bewegung’ zur alleinigen Regierungspartei“ ein Abschnitt mit der Überschrift „Mitglieder und Wähler der NSDAP“ (S. 329) betitelt, obwohl der Abschnitt sich nur mit den Mitgliedern befasst, aber mit keinem Wort die Wähler erwähnt. Das kann die Schülerinnen und Schüler leicht in die Irre führen. Nur die durch einen Verweis mit diesem Abschnitt verbundene Quelle im Materialteil geht auf die Wähler ein, was aber ungenügend ist. Im Autorentext sollte eine Gruppe nicht vollständig ignoriert werden, die in der Überschrift erwähnt wird, zumal es sich bei Mitgliedern und Wählern der NSDAP in den meisten Fällen um zwei völlig unterschiedliche Gruppen handelt.
Das Narrativ ist nur an wenigen Stellen explizit problemorientiert. Ein Beispiel dafür ist die Frage, warum einzelne Länder dem Faschismus verfielen und andere widerstehen konnten (S. 321). Zur Beantwortung dieser Frage bzw. zur Lösung dieses Problems werden zwei Erklärungsmodelle angeboten. Problemorientiertes Denken wird hingegen vielmehr durch die vielen Querverweise im Autorentext auf die Textstellen der vorangehenden Kapitel gefördert, sodass den Schülerinnen und Schülern Ursachen und Wirkungen deutlich werden und das historische Verständnis gefördert wird. So wird beispielsweise der Zusammenhang des Nationalismus im 19. Jahrhundert mit der NS-Ideologie (S. 324) aufgezeigt.
Der Text enthält relativ wenige deutliche Werturteile. Besonders hervorzuheben ist das Unterkapitel über den „Umgang mit der NS-Zeit“, das sich u.a. mit der Verantwortung der Deutschen und der Relativierung der Verbrechen auseinandersetzt. Hier machen die Autoren ihre Meinung und Stellung zum Historikerstreit deutlich. Trotzdem können sich die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe des Materialteils eine eigene Meinung bilden und lernen, sich mit konkurrierenden Standpunkten auseinander zu setzen.
Auch wenn sich das „Kompendium" als Überblickswerk versteht und der Autorentext im Vergleich zum Materialteil knapp gehalten ist, ist es an manchen Punkten unabdingbar, ein wenig in die Tiefe zu gehen. Die Unterkapitel „Der Weg in den Krieg“ und „Der Zweite Weltkrieg“ werden auf nur insgesamt vier Seiten Autorentext zu knapp behandelt. Schließlich sind die zahlreichen Ereignisse sowie die schwerwiegenden Folgen dieser Zeitabschnitte von großer Bedeutung für Deutschland, Europa und die Welt. Auch die Materialseiten können in diesem Fall den Autorentext nicht ausreichend ergänzen.

Text- und Bildquellen
Im „Kompendium“ wird eine große Vielfalt an Text- und Bildquellen in einem solchen Umfang angeboten, dass es der Bezeichnung als Lehr- und Arbeitsbuch gerecht wird. Die meisten Quellen mit Ausnahme einiger Bildquellen, die in den Darstellungsteil integriert sind, befinden sich in einem sich dem Darstellungsteil anschließenden, farblich abgehobenen Materialteil. Allerdings sind der Darstellungs- und der Materialteil durch Verweise im Autorentext auf die einzelnen nummerierten Quellen des Materialteils miteinander verbunden, sodass die Schülerinnen und Schüler die jeweiligen Quellen in den Kontext einordnen können. Dies kann der Quellenarbeit nur zuträglich sein.
Bei der Auswahl der Textquellen wurden sowohl zeitgenössische Quellen als auch Forschungsliteratur berücksichtigt. Mit Blick auf das Kapitel zum Nationalsozialismus befinden sich unter den zeitgenössischen Quellen u.a. Auszüge aus zentralen Quellen wie dem Parteiprogramm der NSDAP, Hitlers „Mein Kampf“, aus Verordnungen, Briefen, Berichten, Reden und Flugblätter in angemessener Länge. Das bedeutet, dass die Auswahl der Auszüge hinsichtlich der dazugehörigen Aufgabenstellung inhaltlich sinnvoll ist. Besonders die Auswahl der Forschungsliteratur erscheint, hinsichtlich der Abbildungen kontroverser Sichtweisen, gelungen. So werden beispielsweise zum Historikerstreit drei verschiedene Stellungnahmen angeboten (S. 383-385). Hingegen wird die Multiperspektivität bei der Auswahl der zeitgenössischen Textquellen nur unzureichend berücksichtigt, da meistens nur die Nationalsozialisten in Form von z.B. Reden und Verordnungen zu Wort kommen, „nicht-nationalsozialistische“ Stimmen aber kaum. Das wird besonders im Unterkapitel „Terror und Holocaust“ (S. 369-373) deutlich. Im Materialteil kommen nur die Täter zu Wort, nicht aber die Opfer, obwohl es sich doch gerade hier anbietet. Selbst die ausgewählten fachwissenschaftlichen Texte befassen sich nur mit den Tätern.
Die Auswahl der Bildquellen ist wie die der Textquellen vielfältig und sinnvoll: Es gibt u.a. Fotos, Gemälde, Plakate, Karikaturen, Karten, Statistiken und Schaubilder. Zu kritisieren ist allerdings, dass einige Abbildungen zusammenhanglos bleiben. So befindet sich z.B. im Materialteil des Unterkapitels „Terror und Holocaust“ eine Karte mit einer Übersicht über die  Konzentrationslager in Mitteleuropa (S. 373), die im Gegensatz zu den anderen Quellen weder nummeriert noch mit Aufgaben versehen ist. Sie steht in keinem direkten Zusammenhang zur vorangehenden Textquelle und würde viel eher in den Darstellungsteil passen. Die meisten Bilder stehen zwar in direktem Zusammenhang zum Autorentext oder anderen Materialien, doch scheinen viele eher als Illustrationen oder Belege der Ereignisse zu dienen. Häufig fehlen zureichende Bildunterschriften und Aufgabenstellungen, was problematisch ist, da es sich beim „Kompendium“ doch auch um ein Arbeitsbuch handelt.
Zudem wird bei der Auswahl der Bildquellen die Multiperspektivität – wie schon bei den Textquellen – nicht genügend berücksichtigt Es handelt  sich bei den verschiedenen Bildproduzenten zwar um Kritiker, Opfer, und Befürworter des Nationalsozialismus. Jedoch überwiegt wieder die Perspektive Letzterer. Darüber hinaus sind bei manchen Bildern die Bildunterschriften nicht ausführlich genug bzw. lückenhaft. Die Funktion eines Bildes, das bloß als Druck bezeichnet wird (S. 348), oder der Zeitpunkt sowie die Umstände der Entstehung einer Kinderzeichnung (S. 366) werden nicht näher erläutert. Auch wenn die Details unklar sind, sollte dies erwähnt werden. Schließlich sollen die Schülerinnen und Schüler mit diesem Material arbeiten können.

Aufgabenstellung
Fast alle Aufgaben zu den einzelnen Materialien werden durch Operatoren eingeleitet, die auf den ersten beiden Seiten des Buches erläutert werden. Zudem werden sie einem der drei Anforderungsbereiche Reproduktion, Reorganisation und Transfer sowie Reflexion und Problemlösung zugeordnet. Ein vierter Bereich umfasst die Operatoren, die mehreren der drei Anforderungsbereichen zugeordnet werden können. Auf diese Weise und mit Hilfe der Methodenbausteine können sich die Schülerinnen und Schüler informieren, was genau von ihnen in einer Aufgabe verlangt wird. Der Dreischritt wird bei den Aufgabenstellungen des Kapitels zum Nationalsozialismus aber nur selten eingehalten. Besonders häufig kommt ein Zweischritt vor, was den Anforderungen beispielsweise einer Klausur nicht sehr nahe kommt, aber an vielen Stellen doch sinnvoller ist, als krampfhaft den Dreischritt einzuhalten. Daher ist es prinzipiell fraglich, ob die derzeit strikte Orientierung an den Operatoren und ihren drei Anforderungsbereichen überhaupt Sinn macht.
In welcher Sozialform die Aufgaben gelöst werden sollen, wird in der Aufgabenstellung nicht vorgeschlagen, obwohl sich an manchen Stellen Partner- und Gruppenarbeit anbieten würde (insbesondere beim „Umgang mit der NS-Zeit“).

Fazit
Das „Kompendium“ überzeugt leider nur bedingt. So besticht das Lehr- und Arbeitsbuch zwar durch ein wohldurchdachtes und sinnvolles Konzept und eine umfassende Anleitung zur Quellenarbeit in den Methodenbausteinen und dem Kapitel „Kompetenter Umgang mit Quellen“. Doch leider erfüllt das Buch seinen Anspruch ein Arbeitsbuch zu sein v.a. bei den Bildquellen nur unzureichend. Die Autoren offenbaren eine Skepsis gegenüber Bildquellen, die sich in fehlenden Bildinformationen und unzureichenden Bildunterschriften ausdrückt. Die Quellenauswahl im hier untersuchten Kapitel „Der Nationalsozialismus“ ist zwar größtenteils gelungen und enthält zahlreiche zentrale Quellen, sollte aber wichtige fachdidaktische Prinzipien wie das der Multiperspektivität stärker berücksichtigen. So ist in den Quellen eine Dominanz der Täterperspektive zu bemerken. Zudem ist der Autorentext an einigen Stellen zu knapp. Auch wenn es sich beim „Kompendium“ um ein Lehr- und Arbeitsbuch handelt, sollte es an einigen Stellen ausführlichere Einlassungen der Autoren geben. Aufgrund des Überblickscharakters ist es auch nur z.T. für die Abiturvorbereitung zu gebrauchen. Abhilfe schafft in diesem Punkt aber das Literaturverzeichnis, das den Schülerinnen und Schülern Fachliteratur bietet, mit der sie sich selbstständig vorbereiten können. So hinterlässt das „Kompendium“ einen zwiespältigen Eindruck: Bemüht seinen anspruchsvollen Ansatz zu erfüllen, stößt es an einigen Stellen an seine selbstgezogene Grenzen.

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