Geschichte, 9./10. Schuljahr, Realschule
von … bis 2
Herausgegeben von | Simianer, Norbert |
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Erschienen | Paderborn: Schöningh, 2010 |
Seitenanzahl | 252 |
ISBN | 978-3-14-024840-2 |
Geeignet für | Rheinland-Pfalz |
Rezensiert von | Knyazev, Kristina (Studentin), 25. Januar 2011 |
Rezension von Knyazev, Kristina (Studentin)
Schnee von gestern? – Im Lehrbuch „Von … bis“, Band 2, erschienen 2010 im Schöningh Verlag, wird Geschichte lebendig vermittelt. Parallelen zur Gegenwart veranschaulichen den aktuellen Bezug von historischen Ereignissen, sozialen Fragen und Problematiken. „Eine spannende Reise in die Vergangenheit“ sind die einleitenden Worte des Buches. Damit ist der Rahmen des eigenen Anspruches gesteckt. Man will ein abgestaubtes Bild von der neuesten Geschichte zeichnen und die Schülerinnen und Schüler in vergangene Realitäten eintauchen lassen. Geschichte zum Anfassen durch plakative Darstellungen, übersichtliche Form und neue Lehrmethoden. Es geht um Kinderarbeit im 19. Jahrhundert – und um die Vergegenwärtigung: „Noch vor wenigen Monaten wurde der 11 Jahre alte Lagani morgens um 5 Uhr vom Lastwagen der Ziegelbrennerei abgeholt, nach 12 Stunden Arbeit mit nur einer kleinen Pause wurde er wieder nach Hause gebracht. Seit einigen Wochen besucht er nun auf Initiative der Hilfsorganisation Terre des Hommes eine Schule.“ An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Texte des Buches die historischen Ereignisse immer wieder mit aktuellen verknüpfen und problematisieren. Dabei wird Geschichte oftmals personifiziert, was den Lernenden die Möglichkeit zur Identifikation und Empathieentwicklung und folglich zum besseren Verständnis der Ereignisse bieten soll.
Kapitelaufbau
Der zweite Band der Geschichtsbuchreihe „Von … bis“ ist in sechs Kapitel unterteilt, welche jeweils durch eine Auftaktseite eröffnet werden. Diese ist als eine Doppelseite gestaltet und enthält neben Bildern auch kurze Texte, die die Lernenden in das Thema einführen sollen und dabei erste Anregungen oder mögliche Fragen zur Unterrichtseinheit liefern. Weiterhin wird das Prinzip der Doppelseite beibehalten (eine Ausnahme findet man am Ende des letzten Kapitels), so dass eine bessere Orientierung innerhalb des Buches gewährleistet ist, da auf dieser immer nur ein Thema behandelt wird.
Das Lehrwerk
Das vorliegende Lehrwerk orientiert sich an den aktuellen Standards für Geschichtsschulbücher. Dies bedeutet, dass neben den methodischen Aspekten auch der aktuelle historische Forschungsstand berücksichtigt wird – wobei der Anspruch der Aktualität aufgrund des langwierigen Entstehungsprozesses relativiert werden muss. Es werden zahlreiche Methoden zum abwechslungsreichen Arbeiten angeboten, wobei sich diese sowohl an Einzel- als auch an Partner- bzw. Gruppenarbeit orientieren. Das Geschichtsbuch „Von … bis“ orientiert sich neben den historischen Ereignissen auch an der Lebenswelt der jungen Lernenden. Das historische Wissen wird multiperspektivisch dargestellt. Neben den „handelnden Akteuren“ finden auch die alltäglichen Ereignisse und die kulturelle Lebenswelt der Menschen ihren Platz im Buch. Das Lehrwerk selektiert jedoch, da darin ausschließlich die Ereignisse der europäischen und abendländischen Geschichte abgedeckt werden. Folglich können die Lernenden anhand dieses Geschichtsbuches weder Kenntnisse zur Globalgeschichte erwerben noch in andere Sichtweisen zu den Ereignissen im „Westen“ eintauchen. Man muss sich die Frage stellen, ob diese Herangehensweise an Geschichte noch aktuell und dem kulturellen Miteinander in Deutschland, sowie den späteren beruflichen Anforderungen angemessen ist.
Das Konzept der Autoren
Gleich zu Beginn des Buches werden die Lernenden in Konzept und Aufbau des Buches eingewiesen. Ihnen wird ermöglicht, sich im Buch zu orientieren, ohne an die chronologische zeitliche Abfolge der behandelten historischen Ereignisse gebunden zu sein. Hilfreich ist dabei auch die Info-Leiste, die sich am unteren Rand jeder Doppelseite befindet. Den Lernenden wird das übersichtliche Konzept des Buches in einer leicht verständlichen Sprache präsentiert. Die Autoren verweisen auf die Auftaktseiten, die erste Anregungen zum zu behandelnden Thema liefern sollen. Weiterhin wird der Aufbau der Kapitel beschrieben, indem auf die Texte, Bilder, Grafiken etc. verwiesen wird. Außerdem wird der Nutzen bestimmter Methoden sowie Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie etwa der Texterschließung, vermittelt und an einfachen Beispielen erklärt. In diese Methoden führt das Buch ein, wobei sie von den Lernenden auch im Sinne des Curriculum genutzt werden sollen. Die Methodenvielfalt wirkt dabei anregend und für die Schülerinnen und Schüler motivierend, da sie ihnen auch die Möglichkeit zum selbständigen und erfolgreichen Arbeiten verspricht. Einer schnellen Klärung unbekannter Begriffe dienen zum einen der Verweis auf den Überblick, der sich mit einer kurzen Wiederholung des behandelten Themas am Ende jedes Kapitels befindet und zum anderen die am Ende des Buches aufgeführten Begriffe zum Nachschlagen sowie das Register.
Es fällt auf, dass das Buch insgesamt – obgleich mit vielfältigen Quellengattungen unterstützt – doch eher textlastig ist. Folglich dienen auch alle im Buch angebotenen Methoden, Fragen und Arbeitsweisen indirekt der Erschließung der Texte. Das ist insofern problematisch, da sich bei einer Verwendung des Lehrwerkes als alleinige Grundlage für den Unterricht einerseits eine doch recht monotone Arbeitsweise einzustellen droht, die die Lernenden nicht mehr zu motivieren vermag. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass Lernende, die Schwierigkeiten mit dem Begreifen von (längeren) Texten haben, vom Unterrichtsgeschehen praktisch ausgeschlossen werden und den Stoff nur unzureichend erfassen können. Positiv dabei ist jedoch, dass die Lernenden so immer wieder in der Entwicklung der nicht nur fachspezifisch relevanten Kompetenzen der Texterschließung gefördert werden. Der Unterrichtsansatz genügt dem Anspruch an Binnendifferenzierung nicht.
Hilfreich sind die am Ende eines jeden Kapitels angelegten Lernzirkel. Laut Autorenintention sollen diese neben der Wiederholung und Vertiefung des behandelten Stoffes auch dem Spaß im Unterricht dienen. Jeder Lernzirkel besteht aus drei bis sechs Stationen, wobei die erste und zweite jeweils eine Lernkartei und ein Bildmemory sind. Die Lernkartei ist als eine Ansammlung von Karteikarten mit den wichtigsten Begriffen zum jeweiligen Thema zu verstehen und kann von den Lernenden eigenständig ergänzt werden. Das Bildmemory soll die erlernten Ereignisse nochmals visualisieren. Dieses ist zwar ein für den Lernprozess hilfreicher Ansatz, birgt jedoch die Gefahr, dass die Bilder in verkehrte historische Zusammenhänge gebracht werden, die bei den Lernenden wiederum zu einem verfälschten Geschichtsbild führen können, da an dieser Stelle auch die Quellenangaben und der Kontext der Bilder fehlen. Auch sind weitere Stationen nicht unkritisch zu betrachten: In einem Tückentext (S. 117) sollen die Lernenden dreizehn schwere Fehler herausfinden. Lernpsychologisch ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich etwas Gelesenes, obwohl nachträglich als verkehrt gekennzeichnet, dennoch im Gedächtnis etabliert. Andererseits findet man auch durchaus interessante und hilfreiche Stationen, die die Lernenden auf eine einfache und abwechslungsreiche Weise zum gewünschten Lernerfolg bringen können. Diese sind etwa Karikaturen (S. 35, S. 89, S. 189, S. 241), Fotoalben, die in die richtige Reihenfolge gebracht werden sollen, um anschließend einen Text zu formulieren (S. 151) und Beispiele aus der Werbung der damaligen Zeit (S. 205). Durch die Einführung zahlreicher Arbeits- und Lernmethoden verspricht das Lehrwerk, die Lernenden in der Entwicklung zahlreicher und recht differenzierter Fachkompetenzen zu unterstützen.
Das Lehrwerk ist um Multiperspektivität bemüht. Dieses zeigt sich beispielsweise in dem Vergleich der englischen mit der deutschen Industrialisierung (S. 62ff.) sowie in dem Kapitel „Neue Weltmächte – USA und UdSSR“ (S. 153ff.). Die Themen werden aus der Sicht verschiedener historischer Akteure behandelt.
Arbeit mit Textquellen und Bildmaterial
Neben deskriptiven Texten dienen im Lehrwerk Primärquellen der zusätzlichen Kontextualisierung und Problematisierung von Sachverhalten. Das Verständnis der in ihrer sprachlichen und inhaltlichen Komplexität teils unterschiedlichen Texte soll anhand der am Rand jeder Doppelseite aufgeführten Fragen und Arbeitsvorschläge sowie der Bilder, Karten, Grafiken etc. gefördert und ggf. ergänzt werden. Neben Sachtexten werden die Lernenden u.a. auch durch zahlreiche erzählende Texte, lyrische Texte, (fiktive) Interviews, Verordnungen, Reden und Briefe informiert. Diese Vielfalt der Textarten kompensiert die Textlastigkeit des Lehrwerks, da so die Gefahr eines monotonen Unterrichts zumindest teilweise gemindert wird. Anhand der Quellenvielfalt wird den Lernenden auch der subjektive Charakter der Geschichtsschreibung vermittelt, indem zum Teil doch recht unterschiedliche Sichtweisen auf dasselbe Ereignis geboten werden, so dass im Lernprozess auch ein kritisches Denken und Hinterfragen der Textquellen in ihrem Ursprung und Inhalt gezielt gefördert werden kann. So sollen die Lernenden künftig nicht zuletzt dazu befähigt werden, historische Inhalte eigenständig und möglichst objektiv zu erfassen.
Auch auf der Seite der grafischen Materialien und Bildmaterialien bietet das Lehrwerk eine den Ansprüchen der gültigen Lehrpläne und der didaktischen Forderungen genügende Vielfalt. Unter ihnen findet man Plakate, Malerei, Fotos von Personen und Schauplätzen, Karikaturen, Karten, Skizzen, Grafiken und Tabellen. Die genaue Herkunft der Bildquellen sucht man in den meisten Fällen vergebens und auch das Bildquellenverzeichnis am Ende des Buches kann nur unzureichend helfen, da Herkunft der Bildquelle, ihr Gestalter und Entstehungsdatum nicht benannt werden. Des Weiteren ist das Bildquellenverzeichnis alphabetisch geordnet, so dass einem Namen/Ort mehrere Bilder zugeordnet sein können. Die Suche nach der Quelle des Bildes gestaltet sich für Lernende sehr problematisch. Weiterhin kann ein solches Vorgehen im Lehrwerk sich nicht des Vorwurfs der Verfälschung entziehen, da Bildquellen oftmals ohne einen Textverweis angeboten werden. Eine Fehlpositionierung und -interpretation der Bildquelle kann somit nicht ausgeschlossen werden und hat ggf. weitreichende Konsequenzen für die Vermittlung des Lernstoffes.
Der Gestaltung der Bildquellen wie insgesamt dem Layout des Lehrwerks wurde im Entstehungsprozess ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet, um ein visuell ansprechendes, gut strukturiertes, übersichtliches und informatives Lehrwerk entstehen zu lassen. Auch die Karten, Grafiken und Tabellen werden farbig gut unterteilt, was die Lesbarkeit und das Verständnis fördert. Ebenso werden die Lernenden in ausreichend vielfältige Möglichkeiten der Arbeitsweisen mit Bildquellen methodisch eingeführt, so dass ein produktiver Arbeitsprozess ermöglicht wird. Die Fragen und Anregungen am Rand einer jeden Doppelseite fördern dies zusätzlich.
Das Lehrwerk orientiert sich primär an der klassischen Arbeitsweise – der Einsatz sogenannter neuer Medien, wie etwa des Internet oder audiovisueller Hilfsmittel bleibt dahinter eher zurück.
Aufgabenstellungen
Durch die Aufgabenstellungen sollen die Lernenden der Sachanalyse, der Beurteilung der behandelten Sache und des Werturteils befähigt werden, indem sie beispielsweise Fragen beantworten, Gründe erforschen, Bildquellen beschreiben und interpretieren. An der Formulierung der Aufgabenstellungen ist nichts zu beanstanden, da diese stets eindeutig und für Lernende gut verständlich sind. Auch werden die Lernenden zum Diskutieren und Kritisieren sowie folglich dem selbständigen Analysieren und Bewerten angeregt. Die Aufgabenstellungen richten sich dabei sowohl an die einzelnen Lernenden als auch an zwei oder mehr Arbeitspartner oder ein Klassengespräch, ohne dass die Gruppenarbeit überall explizit aus dem Aufgabenverlauf extrahiert wird und eine Sonderstellung findet.
Fazit
Insgesamt bietet der zweite Band der Geschichtsbuchreihe „Von … bis“ eine seriöse Grundlage, um den Lernenden das partielle Eintauchen in neugeschichtliche Themen zu ermöglichen. Das Konzept des Buches ist fachlich und didaktisch aktuell und erscheint anregend. Jedoch genügt das Lehrwerk nicht der Anforderung, dauerhaft als alleinige Grundlage für einen motivierenden und abwechslungsreichen Unterricht zu fungieren, da die Lebenswelt der Lernenden teils vernachlässigt wird, was sich u.a. in der geringfügigen Nutzung neuer Medien zeigt, welche heute die Lebenswelt und Arbeitsweise der Lernenden stark prägen und von diesen oftmals die Entwicklung anderer Kompetenzen verlangen als sie im Lehrwerk Berücksichtigung finden. Wünschenswert wäre beispielsweise eine stärkere kritische Auseinandersetzung mit der kulturellen Geschichtsvermittlung, wie sie etwa in Filmen stattfindet, mit denen die Jugendlichen im Alltag permanent konfrontiert werden. Da gerade die audiovisuellen Medien häufig verfälschte Geschichtsbilder provozieren, indem sie die Historie als einen Rahmen für sich verwenden und in erster Linie unterhalten wollen, wäre für das Geschichtsbewusstsein der jungen Menschen eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Medien sinnvoll. Auch lässt die überwiegend eurozentrische Sichtweise des Lehrbuches den Lernenden kaum Möglichkeiten andere Perspektiven einzunehmen. Positiv erscheint, dass das Buch alle wesentlichen Dimensionen der Geschichtswissenschaft und -didaktik berücksichtigt: Es wird keine Geschichte einzelner Akteure vermittelt, die Umwelt und die Kultur der Menschen finden ebenso einen Platz in den Unterrichtsmaterialien wie es die Politik und die Wirtschaft tun.