Geschichte, Oberstufe, Gymnasium
Horizonte 12
Herausgegeben von | Freist, Dagmar und Ulrich Baumgärtner |
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Erschienen | Braunschweig: Westermann, 2010 |
Seitenanzahl | 256 |
ISBN | 978-3-14-111033-3 |
Geeignet für | Bayern |
Rezensiert von | Köhler, Britta (Studentin), 29. Dezember 2011 |
Projekt | Leibniz Universität Hannover, Sommersemester 2011 |
Rezension von Köhler, Britta (Studentin)
Was hatte oder hat „Hermann der Cherusker“ mit deutschem Nationalgefühl zu tun? Woher kommen die „Völker“ und „Nationen“, mit denen wir uns heute identifizieren? Wie beeinflussen uns diese und andere „Erinnerungen“ bei der Bildung einer nationalen Identität und was bedeutet überhaupt Nationalismus? – Dies sind nur einige Fragen, die sich Schülerinnen und Schüler stellen können, wenn sie sich mit der Auftaktdoppelseite des ersten Kapitels von Horizonte 12 beschäftigen. Dabei stehen sich in diesem Kapitel ein Bild des Hermanndenkmals und ein problematisierendes Essay zum Kapitelthema „‘Volk‘ und ‚Nation‘ als Identifikationsmuster“ gegenüber.
Mit dem Ziel den Schülerinnen und Schülern der 12. Klasse die Entwicklung von eigenen Fragestellungen und einen problemorientierten Zugang zu ermöglichen, wird jedes Kapitel in Horizonte 12 derart eingeleitet. Aber kann dies erreicht werden und setzt sich dies im Darstellungs- und Materialteil fort? Diese Aspekte soll die vorliegende Rezension beleuchten.
Erste Orientierung
Das Schulbuch „Horizonte 12“ wurde 2010 für die Sekundarstufe II an Gymnasium in Bayern zugelassen und erschien im gleichen Jahr im Westermann-Verlag.
Ergänzend zum Schülerband ist ein Band für Lehrer mit „Handreichungen“ erschienen. Dieser bietet unter anderem Vorschläge zum Themeneinstieg, Informationen zum Kapitelaufbau und zu den Materialien und Hinweise zur Bearbeitung der Aufgaben.
„Horizonte 12“ ist dadurch zu charakterisieren, dass neben den Autorentexten im Darstellungsteil auch im Materialteil eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen zur Verfügung gestellt wird.
Die Gestaltung des Bandes in Bezug auf die Qualität des Drucks, Einband und Layout ist sehr gut. Die Abbildungen sind in Format und Qualität ebenfalls angemessen. Wichtige Details sind gut erkennbar. Erwähnenswert ist, dass schlecht oder gar nicht lesbare Texte in Bildquellen in Textform separat neben der Quelle abgedruckt sind.
Aufbau des Schulbuches
Das Buch besteht aus zwei Themenkomplexen: Teil A „Historische Komponenten europäischer Kultur und Gesellschaft“ und Teil B „Konfliktregionen und Akteure internationaler Politik in historischer Perspektive“. Jeder Themenkomplex umfasst drei beziehungsweise zwei Kapitel, deren Überschriften den vom Lehrplan vorgeschriebenen Unterrichtseinheiten entsprechen.
Jedes Kapitel besteht aus einem Darstellungs- und einem Materialteil. Der Darstellungsteil umfasst Autorentexte, verschiedene bildliche Darstellungen und Karten. Am Ende des Darstellungsteils gibt es zudem eine Zusammenfassung des Themas auf einer Doppelseite. Hier sind die wichtigsten Ergebnisse des Kapitels, Literaturhinweise, eine Zeittafel und der Verweis auf eine kommentierte Linkliste (www.westermann.de/geschichte-linkliste) zusammengestellt. Im Materialteil befinden sich Textquellen, Bildquellen, Ausschnitte aus Sekundärliteratur und Aufgaben, die sich auf die Materialien beziehen. Das Verhältnis von Darstellungstexten und Quellen bzw. Materialien ist insgesamt ausgewogen. An den Materialteil schließt sich eine Methodendoppelseite an. Ebenfalls im Buch vorhanden sind ein Register, ein Mini-Lexikon und das Bildverzeichnis.
Didaktische Ansätze
Anders als andere Lehrwerke beginnt das Buch nicht mit der Vorstellung des Konzeptes des Buches durch die Autoren. Eine Vorstellung des Konzeptes findet sich allerdings auf der oben genannten Verlagsseite. Aus dieser geht hervor, dass es den Autoren darum geht, dass die Schülerinnen und Schüler selbstständig mit dem Buch arbeiten können. So sollen sie in den Einstiegskapiteln eigene Fragestellungen zu den einzelnen Themen entwickeln, die sie motivieren, sich mit den Kapiteln auseinanderzusetzen. Auch die Arbeitsaufträge im Materialteil wurden so konzipiert, dass sie eine selbstständige Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Die Autoren wollen mit ihrem Konzept eine quellennahe Beschäftigung mit dem Thema gewährleisten, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, selbstständig Informationen herauszuarbeiten und geschichtliche Entwicklungen zu beurteilen. Dieses Konzept wird durch Methodenseiten vervollständigt, die den Schülerinnen und Schülern den Umgang mit verschiedenen Quellentypen vermitteln sollen.
Autorentext
Die Autorentexte, die von Fachwissenschaftlern verfasst wurden, sind in einer altersangemessenen und verständlichen Sprache verfasst. Mit Hilfe von Worterklärungen am Rand wird in die Fachsprache eingeführt, eine Überfülle von neuen Begriffen wird vermieden. Die Autorentexte sind so geschrieben, dass sie die Schülerinnen und Schüler knapp mit dem Thema und den Problemstellungen des Themas vertraut machen. Die Autoren versuchen dabei Werturteile zu vermeiden, indem sie Standpunkte kritisch offen legen und im historischen Kontext deuten.
Quellen und Materialien
Im Darstellungsteil befinden sich neben den Autorentexten zahlreiche Materialien wie Bilder, Karten und Zeichnungen. Man gewinnt den Eindruck, dass diese hauptsächlich zur Illustration der Texte dienen, da sie nicht in Aufgabenstellungen eingebunden sind. Anders die Quellen und Materialien im Materialteil. Diese sind mit Aufgabenstellungen verknüpft. Hierbei fällt auf, dass vielfältige Quellengattungen wie amtliche Urkunden, private Briefe, Reden, politische Schriften, Chroniken und Lieder zur Verfügung gestellt werden. Auch eine angemessene Vielfalt von Bildquellen liegt vor, die durch Angaben zu Künstler und Entstehungsdatum ergänzt werden. Ein Kritikpunkt ist jedoch, dass zwischen Quellen und Materialien nicht unterschieden wird. Beide erhalten die Kennung M und werden in den einzelnen Kapiteln fortlaufend durchnummeriert.
Zu jedem Thema werden verschiedene Materialien und Quellen angeboten. So werden in Kapitel 1.1 („Die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. – ‚Urknall‘ deutscher Geschichte“), das sich mit der Rezeptionsgeschichte der Varusschlacht beschäftigt, verschiedene Text- und Bildquellen aus verschiedenen Epochen präsentiert. Dazu gehört die Schrift „Arminius-Dialog“ von Ulrich von Hutten (1488-1523), die Dichtung „Deutscher Sieg im klassischen Morast“ (1844) von Heinrich Heine, die Inschrift des Hermannsdenkmals (eingeweiht 1875), ein Text aus einem Geschichtsbuch von 1910 zum Thema „Die Germanen“ und verschiedene Meinungen zur Bedeutung der Varusschlacht aus dem Jahr 2006.
Methodenkonzept und neue Medien
Horizonte 12 verfügt über fünf farblich abgesetzte Methodenseiten, die sich auf Bildquellen beziehen und den Umgang mit Karikaturen, historischen Karten, Gemälden, Fotografien und Filmplakaten schulen sollen. Die Methodenseiten umfassen dabei Informationen zu den einzelnen Gattungen und einen Fragenkatalog, der bei der Interpretation abgearbeitet werden soll.
Durch Hinweise auf Internetseiten zum Thema, kommentierte Link-Seiten und Aufforderungen zur Internetrecherche wird das Internet als Medium in das Schulbuch eingebunden.
Aufgabenstellungen
Die Aufgabenstellungen in Horizonte 12 zeichnen sich zum einen durch präzise Arbeitsanweisungen und zum anderen durch ihre Differenzierung nach den Anforderungsbereichen I bis III aus. Die Präzisierung der Arbeitsanweisungen gelingt durch die Verwendung von Operatoren, um innere und äußere Schülerhandlungen zu beschreiben. Die Aufgaben zu den einzelnen Unterkapiteln sind zudem nicht beliebig aneinandergereiht, sondern folgen einem Problematisierungszusammenhang und bauen aufeinander auf. Den Schülerinnen und Schülern wird so ermöglicht, sich mit verschiedenen Gesichtspunkten des Themas auseinanderzusetzen und verschiedene Sichtweisen auf das Thema zu erhalten.
Fachdidaktische Aspekte
In Horizonte 12 wird deutlich zwischen Autorentexten und Materialien unterschieden.
Positiv zu beurteilen ist es, dass die Autoren von Horizonte 12 zentrale fachdidaktische Prinzipien wie Multiperspektivität, Kontroversität, Problemorientierung und Gegenwartsbezug berücksichtigen.
Die Auswahl der schriftlichen und bildlichen Quellen folgt dem fachdidaktischen Prinzip der Multiperspektivität. Den Schülerinnen und Schülern werden verschiedene Quellen präsentiert, die verschiedene Sichtweisen auf das Thema bieten. Beispielsweise werden in Kapitel „Die USA – Von den rebellischen Kolonien zur globalen Supermacht“ verschiedene Positionen zum Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg aus einer Zeit dargestellt. Auch das Prinzip der Kontroversität berücksichtigen die Autoren. In Kapitel 1.1 werden z.B. zwei verschiedene Sichtweisen von Fachwissenschaftlern aus der heutigen Zeit zur Bedeutung der Varusschlacht für die deutsche Geschichte dargestellt. Diese machen den Schülerinnen und Schülern die Deutungsabhängigkeit historischen Wissens deutlich. Problemorientierung und Gegenwartsbezug wird unter anderem durch die Konzeption der Aufgabenstellungen und der Auftaktseiten der Kapitel erreicht.
Anzumerken ist, dass in Horizonte 12 zwar viel Wert auf die selbstständige Arbeit der Schülerinnen und Schüler gelegt wird, allerdings werden im Schülerbuch keine Anregungen zu abwechslungsreichen Sozialformen oder Handlungsmustern gegeben.
Fachwissenschaftliche Aspekte
Das Lehrwerk Horizonte 12 berücksichtigt die zentralen Dimensionen der Fachwissenschaft. In den Kapiteln werden Aspekte von Wirtschafts-, Politik- und Gesellschaftsgeschichte berücksichtigt. Die einzelnen Themen werden diachron betrachtet. Dabei steht die prozessartige Entwicklung von Geschichte, die bis in die Gegenwart reicht und diese beeinflusst, im Zentrum der Betrachtungen. Man kann zudem davon ausgehen, dass die Autorentexte dem aktuellen Forschungsstand entsprechen, da sie von Fachwissenschaftlern geschrieben wurden.
Fazit
Abschließend lässt sich feststellen, dass das Lehrbuch „Horizonte 12“ empfehlenswert ist. „Horizonte“ zeichnet sich dabei besonders durch die vielfältigen Quellen und Materialien aus, die dem Nutzer an die Hand gegeben werden. Diese können es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich in Verbindung mit den Autorentexten und den Aufgabenstellungen selbstständig mit dem Thema auseinander zu setzen und dieses umfassend zu betrachteten. Kritikpunkte sind lediglich die fehlende Kommunikation mit dem Leser, die in die Arbeitsweise mit dem Buch und in das Konzept der Autoren einführen könnte, und dass verschiedene Sozialformen und Handlungsmuster nicht eingebunden sind.
Den Schülerinnen und Schülern wird es aber dennoch ermöglicht, anhand der Materialien und Aufgabenstellungen über Geschichte und die Interpretation von Geschichte zu reflektieren und so ihr Geschichtsbewusstsein zu trainieren.