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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

Historisch-Politische Weltkunde

Historisch-Politische Weltkunde
Herausgegeben von Rohlfes, Joachim und Tobias Arand
Erschienen Stuttgart: Klett, 2010
Seitenanzahl 244
ISBN 978-3-12-456202-9
Geeignet für Hamburg
Rezensiert von Kummerfeldt, Jessica und Simon Huemer (Studierende), 13. Dezember 2010
Projekt Christian-Albrechts-Universität Kiel, Sommersemester 2010

Rezension von Kummerfeldt, Jessica und Simon Huemer (Studierende)


Einleitung
„Die ‚Historisch-Politische Weltkunde‘ will auf Geschichte neugierig machen. Auch dieser Band der Reihe möchte Sie dazu anregen, sich eine eigene Meinung zu bilden, womöglich auch gegen gängige Urteile.“ (S. 3). Dieses hochgesteckte Ziel wird in der Einleitung zum Band der Reihe Historisch-Politische Weltkunde, Weimarer Republik und Nationalsozialismus, formuliert. Im Zentrum dieser Rezension sollen die ersten vier Kapitel zur Weimarer Republik, die von Karl Heinrich Pohl verfasst wurden, stehen. Für die Kapitel fünf bis zehn zeichnen Joachim Radkau und Bernd Hey als Autoren verantwortlich. Zum weiteren Verständnis des Buches muss einleitend angemerkt werden, dass es sich um Kursmaterialen für die Oberstufe handelt. Treu dem selbst gesteckten Ziel folgend, versteht sich dieser Band als Lehr- und Arbeitsbuch, das „zu methodisch genauem Arbeiten, zu präziser Denkarbeit und zum historischen Argumentieren“ (S. 3) anregen will. Dementsprechend sucht dieser Band ein Mehr an Quellen zu bieten und eigene Akzente und Schwerpunkte zu setzen, um so das zugrunde liegende Schulgeschichtsbuch als Kursmaterial zu ergänzen und ein „Lernen aus der Geschichte“ als offenen Prozess zu ermöglichen (S. 3).

Der grundlegende Zugriff dieses Bandes auf die Vergangenheit ist der der Multiperspektivität, um somit den Konstruktionscharakter von Geschichte freizulegen. Ziel dieser Rezension wird es sein, zu prüfen, ob mittels der dargebotenen Informationen und Quellen die Lernenden in den Stand versetzt werden, sich am Prozess „Lernen aus der Geschichte“ zu beteiligen und eigene Positionen auszubilden (S. 3).

Aufbau und Gestaltung
Der Aufbau des Bandes folgt den Richtlinien der gesamten Reihe. Dem Anspruch, weitere Materialien und Quellen für die Diskussion im Unterricht bereitzustellen, wird das Schulbuch bei einem allgemeinen quantitativen Verhältnis der Verfassertexte zu den Quellen und Materialien von eins zu zwei gerecht (S. 26-28). Es lässt sich schwerlich von einem strengen chronologischen Aufbau sprechen, da die Überschriften der vier einzelnen Themeneinheiten den jeweiligen Schwerpunkt bereits in sich tragen, z.B. „1. Revolution – Republik – Friedensvertrag, Rätesystem oder parlamentarische Republik?“, in welchem die Anfänge der Republik unter eben dieser Hypothese untersucht werden. In den strukturellen Aufbau der Reihe gehört der direkte Anschluss der Quellen an die jeweiligen Verfassertexte, so dass hier eine Sinneinheit entsteht, die es den Lernenden möglich macht, schnell zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Informationsgabe zu wechseln.

Zum Verfassertext gehören Worterklärungen, die den einzelnen Textabschnitten in grünen Kästen beigeordnet sind und somit einen direkten Zugriff auf die Erläuterungen im Lesefluss gewährleisten, die allerdings nicht in einem gesonderten Glossar wiederaufgenommen werden. Besonders gelungen ist die Umsetzung der Reihenvorgaben für die Einleitung der Themeneinheiten durch ein Bild und zwei Zitate im Falle des ersten Kapitels, in dem die Fotografie „Revolutionäre Truppen vor dem Brandenburger Tor in Berlin“ mit zwei sich kontrastierenden Zitaten von Rosa Luxemburg und Marie Juchacz verbunden wird (S. 7). Allein dieses Arrangement lädt die Rezipienten bereits zur Stellungnahme und Diskussion ein. Im Weiteren wird jede Themeneinheit durch einen allgemein gehaltenen Text plus Bild eingeleitet und mit einem Zeitstrahl kombiniert, der einen kurzen und schnellen Überblick über den Themenschwerpunkt und seine zeitliche Einordnung ermöglicht.

Konzeptionelle Gestaltung
Unter dem Punkt konzeptionelle Gestaltung soll die spezielle Ausrichtung des Bandes als Kursmaterial betrachtet werden. Durch die diesem Band eigenen Schwerpunkte, z.B. „‚Fallbeispiel München‘ – Das ‚System Eisner‘“ (S. 26), gilt es, das Verhältnis zwischen Verfassertexten und Quellen nicht allein unter einem rein quantitativen Aspekt, sondern in Anbetracht der zeitlich und regionalen Fokussierung auch in qualitativer Hinsicht zu untersuchen.

a) Verfassertexte
Es kann konstatiert werden, dass es nicht möglich ist, Verfassertexte eines Schulgeschichtsbuches objektiv zu gestalten. Die Verfassertexte des vorliegenden Werkes sind weitestgehend in neutraler Sprache abgefasst. Dort, wo emotionale Wertungen stattfinden, werden diese im Text kenntlich gemacht, so z.B. auf Seite 9, wo es um die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Fortschrittspartei im Oktober 1918 geht: „Sie erhielten jetzt – wenn auch viel zu spät – einen Teil der Macht [...]“

Der grundlegende Zugriff des Werkes findet sich nicht nur in der Quellenauswahl wieder, sondern kennzeichnet auch die Verfassertexte: Eine multiperspektive Darstellung wird angestrebt, die z.B. durch die Darstellung des Versailler Vertrages aus polnischer, französischer und deutscher Perspektive (S. 31-33) realisiert wird. Subjektive Tendenzen der Verfassertexte können die Grundlage zur Kontroversität bilden, die insbesondere in der gymnasialen Oberstufe die Kompetenz der Werturteilsbildung unterstützen. So kann z.B. der ungekennzeichnete Terminus „Strafe“ (S. 31) für die Reparationszahlungen die Lernenden zu Diskussionen über den Charakter der Reparationen anregen.

Der Sprachgebrauch des vorliegenden Schulgeschichtsbuches ist der gymnasialen Oberstufe angemessen, was sich in klaren und verständlichen Formulierungen sowie einem treffenden Gebrauch von Fachtermini äußert: z.B. „Die politische Rechte erstarkte“ (S. 58). Auffällig ist jedoch der häufige Gebrauch von umgangssprachlichen Formulierungen, wie z.B. auf Seite 13, wo es heißt, dass das Militär der Reichsregierung bezüglich radikaler Splittergruppen „den Rücken frei [hielt]“ und auf Seite 38, auf der von einer „stecken gebliebenen Revolution“ die Rede ist. In diesem Zusammenhang ist zudem auffällig, dass der Gebrauch von Anführungsstrichen, der im Verfassertext häufig vorkommt, zum einen den Gebrauch von umgangssprachlichen Formulierungen und zum anderen die Nutzung von zeitgenössischen Termini zum Ausdruck bringt: So ist z.B. umgangssprachlich von einem „verfassungspolitisch ,zurückgebliebenen‘ Kaiserreich“ die Rede (S. 22). Der häufige Gebrauch von Anführungsstrichen innerhalb des Verfassertextes wirkt irritierend, zumal der Gebrauch aus ambivalenten Intentionen heraus erfolgt.

Die Funktion einer gelungenen Überschrift ist zum einen der Aspekt, dass sie Aufmerksamkeit weckt und zum anderen, dass sie einprägsam und zutreffend ist. Die Überschriften der Kapitel des vorliegenden Buches sind einprägsam und dem Inhalt des nachfolgenden Verfassertextes zutreffend. Positiv ist zudem, dass sie häufig auch kontrovers sind, wie z.B. „Zur Diskussion: Parlamentarische Demokratie, Rätesystem oder ein, dritter Weg‘?“ (S. 29). Die Überschriften gliedern den Verfassertext in Sinneinheiten, die schlüssig sind und bereits im Inhaltsverzeichnis einen guten Überblick geben und den Einstieg in die Thematik erleichtern.

b) Bilder
Die Verfassertexte werden durch Bilder ergänzt, die diese sinnvoll illustrieren und somit – wie die Überschriften – zur Einprägsamkeit beitragen und eine Personifizierung erreichen. Als Beispiele lassen sich eine Fotografie einer schwimmenden Eisdiele auf dem Berliner Wannsee (S. 58) und eine Fotografie eines bettelnden Kriegsinvaliden (S. 67) anführen. Additiv zu ihrem illustrierenden Charakter eignen sich die Bildquellen zur Quelleninterpretation im Unterricht. Die Fotografien haben häufig eine emotionale Wirkung, was zu einer intrinsischen Motivation der Lernenden gegenüber dem Lerngegenstand beitragen kann.

c) Quellen
Die verwendeten Quellen helfen maßgeblich den Anspruch des Bandes, „sich eine eigene Meinung zu bilden“ (S. 3) zu realisieren. Das verwendete Quellenmaterial erstreckt sich über die unterschiedlichsten Formen von Textquellen, z.B. Memoiren, politische Reden sowie Verfassungstexte und Bildquellen, z.B. Fotografien sowie eine Vielzahl von Karikaturen. Es ist hervorzuheben, dass die schriftlichen Quellen meistens nur geringfügig gekürzt wurden. Diese Vielfalt der Quellengattungen ermöglicht ein Arbeiten und Lernen an den unterschiedlichsten Zeugnissen und eröffnet somit eine multiperspektivische Sichtweise auf die Vergangenheit. Hier wird die Chance eröffnet, im Unterricht nicht nur Quellenkritik an unterschiedlichen Beispielen einzuüben, sondern auch den Konstruktionscharakter von Geschichte durch die unterschiedlichen Perspektiven der Quellen zu erfahren. Im ersten großen Quellenblock zu „1. Rätesystem und parlamentarischen Republik“ (S. 14-20) wird dieses Prinzip ganz bewusst aufgegriffen, indem in ihm das Prinzip der Personifizierung in der Darstellung von historischen Abläufen und Strukturen mit dem der Multiperspektivität verbunden wurde. So werden die Positionen zur Weimarer Republik von Personen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Milieus untersucht. Die Aufgabenstellungen berücksichtigen sowohl Genderaspekte wie auch die unterschiedlichen Wertesysteme der einzelnen Milieus, mit dem bewussten Ziel diese einander gegenüberzustellen (S. 15: Q1, b; Q2, b; Q3, c).

Im Rahmen der Quellenbesprechung muss ebenfalls auf die dem Band eigene Schwerpunktsetzung, z.B. „System Eisner“ (S. 26), verwiesen werden. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit wirklicher Meinungsbildung abseits des üblichen schulischen Kanons. Außerdem fügen sich diese Akzente in den Prozess des historischen Lernens ein, indem sie sich in das Konzept der in den Überschriften formulierten Fragestellungen einreihen und ein durch Hypothesen angeleiteten Lernprozess ermöglichen. Im „Fallbeispiel München – Das System Eisner“ wirkt daher der Anstoß zu einer Diskussion über die Vorstellung von Fremden in der Republik anhand von zwei Bildquellen eher befremdlich. Um alle Möglichkeiten dieses Themenschwerpunktes sinnvoll nutzen zu können, ist eine weitere Informationsrecherche in Anbetracht der Kürze des Verfassertextes unbedingt angebracht. Ansonsten gilt zu beachten, dass das Verhältnis zwischen Verfassertext und Quelle immer auch der zusätzlichen Recherche bedarf, da ansonsten eine sinnvolle Quelleninterpretation aufgrund der knappen Rahmung durch die Verfassertexte schwerlich möglich wird. Teilweise wird hierzu durch Literaturhinweise zu den einzelnen Kapiteln angeleitet. Die Notwendigkeit zur weiteren Recherche zeigt sich vor allem im Bezug auf die verwendeten Karikaturen. So ist z.B. für die Interpretation der Karikaturen in „Q19 Gustav Stresemann und das Jahr 1923“ (S. 43) die Erarbeitung eines weiteren Kontextes unverzichtbar, da Stresemann selbst im Verfassertext des zugehörigen Kapitels kaum Erwähnung findet. Neben diesem Aspekt wird wiederum das Prinzip der Multiperspektivität umgesetzt. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei das französische Bild von Stresemann im Spiegel einer deutschen Karikatur im Kladderadatsch dar. Wie sehr das Prinzip der Multiperspektivität die Quellenauswahl bestimmt, wird auch an dem bereits besprochenen Teilkapitel „Der Versailler Vertrag: Eine erfolgreiche europäische Friedensordnung?“ deutlich. Die Quellenlage wird durch die Sicht Frankreichs und Polens bestimmt, wobei die polnische Sichtweise wiederum durch eine Karikatur vertreten ist. Diese lässt zwar an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig, jedoch fehlt hier die zum besseren Verständnis nötige Übersetzung des polnischen Textteils.

Aufgabenstellungen
Die Aufgabenstellungen sind sprachlich klar und verständlich formuliert. Sie sind im Hinblick auf die Berücksichtigung von Operatoren aus verschiedenen Anforderungsbereichen gestaltet. In den Aufgabenstellungen werden immer wieder Gegenwartsbezüge hergestellt, wie z.B. der Vergleich von Genderaspekten in der Weimarer Politik und in heutigen Parteiprogrammen (S. 69). Die historische Bedingtheit der eigenen Gegenwart wird somit erfahrbar gemacht. Neben Fragestellungen zu Quellen sind nach jedem Themenkomplex Fragen vorhanden, die sich auf diesen beziehen. Diese Fragestellungen sind sehr komplex formuliert und entsprechen einem hohen Anspruchsniveau, was jedoch der gymnasialen Oberstufe angemessen ist. Die Fragestellungen sind epochenübergreifend, multiperspektivisch, stellen Gegenwartsbezüge her und berücksichtigen Genderaspekte beider Geschlechter. Die Aufgabenstellungen sind zudem häufig so konzipiert, dass eine eigene Meinungsbildung der Lernenden intendiert ist.

Methodenschulungen
In die einzelnen Themeneinheiten sind inhaltlich sinnvoll vier Methodenschulungen integriert: erstens Umgang mit Geschichtskarten, zweitens Umgang mit „Meistererzählungen“, drittens Interpretation einer schriftlichen Quelle im Zusammenhang der „Stresemannschen Politik“, viertens Politische Plakate analysieren. Besonders hervorzuheben ist die Methodenschulung Umgang mit Meistererzählungen, hier gelingt es dem Autor den Konstruktionscharakter von Geschichte ganz explizit deutlich zu machen, indem er ihn selbst zum Gegenstand der Untersuchung erhebt. Dies eröffnet den Lernenden über das konkrete Beispiel hinaus die Chance, sich mittels der Methode der Dekonstruktion jenseits des herrschenden Diskurses eine eigene Meinung zu bilden. Hier wird ein allgemeiner Beitrag zur Heranbildungen eines autonom denkenden und handelnden Individuums geleistet.

Fazit
Das selbst gesetzte Ziel, den Lernenden das eigenständige Arbeiten anhand vielfältigen Quellenmaterials zu ermöglichen, erfüllt das Werk. Moderne Prinzipien im Bereich der Didaktik und Methodik finden dabei Berücksichtigung. Die multiperspektive Betrachtungsweise unterschiedlicher Milieus im nationalen und internationalen Kontext und Quellenmaterial, das über den üblichen schulischen Kanon hinausgeht, bilden die Besonderheit dieses Buches. Durch die vorhandene Multiperspektivität wird den Lernenden ein offenes Geschichtsbild vermittelt, in dem der Konstruktionscharakter von Geschichte betont wird. Kompetenzerwerb sowohl auf fachlicher als auch auf methodischer Ebene ist durch dieses zu empfehlende Werk vielfältig möglich. Das Buch bedarf wegen seines Zweckes als Kursmaterial der Ergänzung durch weiterführende Recherche, dessen sollte man sich bei der Anschaffung bewusst sein. Dies fördert jedoch im Weiteren nur die Fähigkeit sich im historischen Diskurs selbst zu orientieren.


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Info Zitation Kummerfeldt, Jessica und Simon Huemer. Rezension zu: Historisch-Politische Weltkunde von Rohlfes, Joachim und Tobias Arand (Hg.). Stuttgart: Klett 2010, ISBN 978-3-12-456202-9, Edumeres 2010, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/kummerfeldt-jessica-und-simon-huemer/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.