Geschichte, 9./10. Schuljahr, Realschule
Geschichte kennen und verstehen 9
Herausgegeben von | Fink, Hans-Georg et al. |
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Erschienen | München: Oldenbourg, 2009 |
Seitenanzahl | 191 |
ISBN | 978-3-637-88869-2 |
Geeignet für | Bayern |
Rezensiert von | Lipp, Katharina (Studentin), 1. Juni 2009 |
Reihe | Geschichte kennen und verstehen |
Projekt | Christian-Albrechts-Universität Kiel, Wintersemester 2008/09 |
Rezension von Lipp, Katharina (Studentin)
Einleitung
Das für diese Rezension untersuchte Unterrichtswerk ist für den Geschichtsunterricht der 9.Klassen an sechsstufigen Realschulen in Bayern konzipiert worden.
Die Themenbereiche, die in diesem Band behandelt werden, entsprechen den curricularen Vorgaben des bayrischen Kultusministeriums exakt. Sogar die Bezeichnungen der jeweiligen Kapitel lassen sich 1:1 im Lehrplan* wiederfinden. Die Kapitelüberschriften lauten: 1. Industrialisierung und Wandel des europäischen Staatensystems (28 Seiten), 2. Europa und die Welt im Zeitalter des Imperialismus (22 Seiten), 3. Erster Weltkrieg und Nachkriegsordnung (30 Seiten), 4. Erfolg und Scheitern der Weimarer Republik (26 Seiten), 5. Totalitäre Herrschaft und Zweiter Weltkrieg (54 Seiten). An die Kapitel schließt sich ein Abschnitt mit der Bezeichnung „Wiederholen-Vertiefen-Verknüpfen“ (17 Seiten).
Im hinteren Teil des Buches findet man ein Glossar mit Grundbegriffen vor, dass für die Schüler nützlich ist. Das Buch wird am Ende von Namen- und Sachregister sowie einem Bild- und Textquellenverzeichnis beschlossen.
Das Buch ist mit knapp 540g leicht und ist mit einem Hardcovereinband solide verarbeitet. Es ist für 22,95Euro erhältlich.
Zu diesem Band ist außerdem ein Lehrerband erhältlich. Er ist nicht Gegenstand dieser Rezension.
Zur Rezension dieses Unterrichtswerks wurden ausgewählte Kapitel („Europa und die Welt im Zeitalter des Imperialismus“, „Erster Weltkrieg und Nachkriegsordnung“ und „Erfolg und scheitern der Weimarer Republik“) auf Aufbau, Autorentext, Bild-und Textquellen, Aufgabenstellung sowie auf fachdidaktische und fachwissenschaftliche Aspekte untersucht. Die Ergebnisse wurden dann stichprobenartig an den übrigen Kapiteln überprüft.
Aufbau und Konzept des Buches
Noch vor dem Inhaltsverzeichnis findet der Leser eine Doppelseite mit einem Überblick über die Geschichte, die in diesem Band thematisiert wird und über Geschehnisse, die darüber hinaus gehen. Auf den ersten Blick mag diese Doppelseite überladen erscheinen, doch widmet man der Aufmachung einen kurzen Moment mehr, so „entdeckt“ man die Zusammenhänge sehr wohl. Neben einem Zeitstrahl finden sich diverse Illustrationen und politisch-gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und technische Aspekte. Diesen Überblick an den Anfang zu stellen ist durchaus sinnvoll und vermag eventuell die Schüler zum „mehr wissen wollen“ anzuregen. Eine zusätzliche Erläuterung vom Lehrer zu den einzelnen Aspekten erscheint jedoch unverzichtbar zu sein.
Das Inhaltsverzeichnis des Buches macht einen übersichtlichen, gut gegliederten Eindruck. Man erkennt, dass die Autoren des Werks sich ein Konzept für die verschiedenen Unterpunkte der Kapitel überlegt haben. Leider wird dieses Konzept dem Leser in keiner Form erklärt, was sich besonders in einer fehlende Legende zu den verwendeten farbigen Markierungen der einzelnen Themen niederschlägt. Lilafarbene, grüne und orange Kästchen werden, so kann man vermuten, sicherlich eine Bedeutung haben – aber welche?
Ebenso wie die Autoren an dieser Stelle eine Erklärung oder Erläuterung ihres erdachten Konzepts schuldig bleiben, so verhält es sich mit dem gesamten Buch. Es wäre wünschenswert gewesen, den Leser zu Beginn direkt anzusprechen und sich und das vorliegende Konzept vorzustellen.
Die einzelnen Kapitel werden jeweils mit einer bebilderten Einzelseite eröffnet, die über das Dargestellte den Zugang zum nachfolgenden Zeitabschnitt eröffnen soll. Unter den Bildern, die oftmals Gemälde oder Karikaturen zeigen, findet sich ein farbig unterlegtes Textfeld, dessen Inhalt Erläuterungen zum Gezeigten liefert. So beginnt beispielsweise das Kapitel über das Zeitalter des Imperialismus mit einer amerikanischen Karikatur aus dem Jahr 1898 mit dem Titel „Come and be saved“, die Bezug auf die forsche Großmachtpolitik Wilhelms II. nimmt.
Im weiteren Verlauf sind die Kapitel in Unterkapitel unterteilt, was dem Lehrer sicherlich die Arbeit erleichtert, in dem er seinen Stundenverlauf an die Unterteilung anpassen kann.
Innerhalb der Kapitel findet der Leser Auszüge aus Erzählungen, die sogenannte „Geschichten aus der Geschichte“, die mit historischen Themen die verschiedenen Zugangsformen zum Fach abrunden (z.B. Seite 94: „Geschichte eines Deutschen – Die Erinnerungen 1914-1933.“ - Auszug aus einem Buch von Sebastian Haffner). Am Ende eines jeden Großkapitels steht ein Abschnitt namens „Überprüfe dein Wissen!“, der Fragen und Materialien zu den Inhalten des gesamten Kapitels enthält und mit Sicherheit zum nachhaltigen Lernen beiträgt und daher als sehr positiv bewertet werden kann.
Sehr gelungen ist ein zusätzliches Kapitel mit dem Titel „Wiederholen, Vertiefen, Verknüpfen“. Hier finden sich kapitelübergreifende Aufgaben und Zusammenhänge. Außerdem werden die SchülerInnen animiert, Geschichte im Rahmen eines Projektes selbst zu präsentieren (S.182/183: Präsentation der Geschichte des Augsburger Bahnhofs.).
Leider befinden sich weder in diesem, noch in einem der anderen Bände, Einführungen in bestimmte Methoden und Arbeitstechniken, wie beispielsweise Quellen, Diagramme, Schaubilder, Karten, etc. analysiert werden.
Autorentext
Noch vor dem Autorentext stehen grundsätzlich Bild- und/oder Textquellen, oftmals auf einer Doppelseite. Erst dann folgen die durch einzelne farbige Überschriften klar gegliederten Informationstexte. Sie sind in altersgerechter Sprache verfasst und leicht verständlich (kurze Sätze, wenige Fremdwörter). Zudem liefern sie ohne zu ausführlich zu werden und die SchülerInnen quasi zu „überfluten“ die wichtigsten Informationen zur Bearbeitung eines Sachverhalts oder Themas. Die Kernaussagen und wichtigsten Stichworte im Text sind fett gedruckt und entweder direkt im Text oder im Glossar erläutert, worauf ein Symbol in Form einer Papierrolle hinweist. Leider wird die Bedeutung dieses Symbols im Vorfelde nicht erläutert.
Die Autorentexte sind sachlich verfasst und geben keine eigenen Wertungen der Autoren wieder (so weit dies möglich ist, schließlich ist das Verfassen eines Textes immer subjektiv). Sie versuchen faktenorientiert geschichtliche Zusammenhänge herzustellen und bilden somit den geschichtlichen Rahmen, in welchen die vorstehenden Bild- und Textquellen passend eingebettet sind.
Bildquellen
Die einzelnen Kapitel sind gut bebildert, jedoch keinesfalls überladen. Die Bilder befinden sich meist an den Außenrändern der Seiten, so dass eine klare Struktur den Gesamteindruck der Seite ausmacht. Sie dienen keinesfalls nur zur reinen Illustration , sondern stellen einen Lerngewinn dar, indem sie an die übrigen Quellen und die Autorentexte angepasst sind.
Alle Bildquellen sind beschriftet und im Bildquellenverzeichnis wieder zu finden. Bilder, die an den Autorentexten stehen sind besonders genau erklärt, falls nötig sogar näher erläutert (z.B. S.29, M4c). Das mag zum einen positiv erscheinen, nimmt den SchülerInnen allerdings auch die Möglichkeit eine eigene Bildinterpretation zu entwickeln, da sich diese schon unter dem Bildmaterial finden lässt (z.B. S.53, „Der kochende Kessel“ mit der Bildunterschrift „[...] Nur mit Mühe gelingt es ihnen sich zu halten (= einen großen, allgemeinen Krieg zu vermeiden).“ oder auch S.117, „Adolf Hitler als Führer mit Hakenkreuzfahne“). Allerdings tritt dieser kleine Makel eher in den Hintergrund, da in den Aufgabenstellungen genügend eigene Interpretation der Bilder gefordert wird.
Besonders positiv fällt auf, dass fremdsprachige Schriftzüge übersetzt und damit für die SchülerInnen verständlich gemacht werden.
Textquellen
Die Kapitel bieten regelmäßig vielfältige Quellengattungen wie beispielsweise Zeitzeugenberichte (z.B. Seite 103), Gesetzestexte (z.B. Seite 118), Auszüge aus politischen Debatten und Reden (z.B. Seite 90) oder private Briefe (z.B. Seite 72). Dabei ist die Auswahl an Textquellen im Hinblick auf Länge, Themenbezug und Verständlichkeit sinnvoll. Dass die Autoren großen Wert auf die Arbeit mit Bild- und Textquellen legen erkennt man daran, dass die einzelnen Kapitel und deren Unterkapitel konsequent mit Bild- und Textquellen beginnen. Hierbei liefern gelungene Überschriften und Erläuterungen kurze Einstiegshilfen zum Verständnis der Texte (z.B. Seite 102).
Aufgabenstellungen
Zu den verschiedenen Materialien in Form von Bild- und Textquellen finden sich zahlreiche Aufgabenstellungen. Diese sind klar formuliert, sind keine unspezifischen W-Fragen und verlangen als Antwort keinesfalls nur ein „Ja“ oder „Nein“ der SchülerInnen, sondern Interpretationen, Analysen, Meinungen und Wertungen, szenische Darstellungen, etc.. Die Fragen sind durchaus in ihrem Schwierigkeitsgrad und ihrer Komplexität abgestuft. So gibt es Aufgaben, die als Antwort eine simple Wiedergabe von Text- oder Bildinhalten verlangen (S.36, Aufgabe 1 zu M2), aber auch Aufgaben, bei denen die Schüler bereits erlerntes Wissen anwenden müssen um zu einer Antwort zu gelangen (S.134, Aufgabe 3 zu M2). Die Aufgaben befinden sich lediglich auf den Quellen-und Materialseiten und beziehen sich ausschließlich auf diese. Es gibt keine Fragen, die sich direkt auf die Autorentexte beziehen.
Fachdidaktische Aspekte
Der Bereich Multiperspektivität ist in „Geschichte kennen und verstehen“ oft umgesetzt worden. Zum einen durch die gelungene Auswahl von verschiedenen Quellen- und Materialiengattungen (Karten, Briefe, Gesetzestexte, Fotos, Karikaturen etc.) aus verschiedenen Sichtweisen (z.B. Industrialisierung und Frauenbewegung, Kolonisation aus der Sicht der Kolonialherren und der Einheimischen), zum anderen bieten auch die Autorentexte multiperspektivische Ansätze (z.B. Seite 47).
Die Autoren von „Geschichte kennen und verstehen“ haben es an vielen Stellen erfolgreich geschafft unterschiedliche Aspekte des modernen Geschichtsunterrichts einzubinden. So findet man beispielsweise ein Kapitel zum „Wandel in der Kunst“ (S.100/101), ein Kapitel „Zur Rolle der Frau in der Weimarer Republik“ (S.102/103) oder ein Kapitel namens „Jugendliche folgen verschiedenen Leitbildern“ (S.170/171), dass u.a. durch die sorgfältig ausgewählten Texte, aber auch durch Anregungen zur Projektarbeit (S.171 „Projektideen“) einen Bezug zur Lebenswelt der SchülerInnen schafft.
Neben den genannten Aspekten, lässt sich erkennen, dass die Autoren das Buch nach bestimmten Kernfragen gestaltet haben, die sich auch im bayrischen Lehrplan wiederfinden lassen: Unter welchen politischen Bedingungen lebten Menschen?, Wie erklärten sich Menschen ihre Welt?, Wie lebten Menschen im Alltag?, Wie begegneten Menschen anderen Kulturen?, Wie wirkte sich die Lebensumwelt auf Menschen aus, wie gestalteten sie ihre Umwelt?.i
Fazit
Nach gründlicher Durchsicht des Werkes lässt sich feststellen, dass die Autoren ein durchdachtes Konzept hatten und dieses erfolgreich umgesetzt haben, auch wenn jenes wie schon eingangs bemängelt leider nicht vorgestellt wird. Durch den strikt eingehaltenen Aufbau des Buches sollten die Schülerinnen und Schüler schnell „den Dreh raus haben“ wie mit diesem Werk zu arbeiten ist. Dabei sorgen die vielfältigen Materialien und die unterschiedlichen Aufgabenstellungen dafür, dass den SchülerInnen das Arbeiten mit dem Buch nicht langweilig wird. „Geschichte kennen und verstehen“ ist Alles in Allem also ein Werk mit dem sich im Unterricht sicher gut arbeiten lässt.