Geschichte, Oberstufe, Gesamtschule, Gymnasium
Buchners Kolleg. Themen Geschichte – Imperialismus
Herausgegeben von | Barth, Boris und Harald Focke |
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Erschienen | Bamberg: C. C. Buchner, 2007 |
Seitenanzahl | 152 |
ISBN | 978-3-7661-4693-9 |
Geeignet für | Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen, Berlin, Bayern, Brandenburg |
Rezensiert von | Litten, Mirjam (Lehrerin), 1. November 2007 |
Reihe | Buchners Kolleg. Themen Geschichte |
Rezension von Litten, Mirjam (Lehrerin)
Einleitung
Zwei Männer schleppen einen schweren Balken, an dem eine Hängematte befestigt ist. Die beiden sind kräftig gebaut, einfach gekleidet und dunkelhäutig. In der Hängematte zwischen ihnen liegt ein hellhäutiger Mann im schwarzen Anzug, entspannt, träge, ein Gewehr in den Händen. Mit der Abbildung dieser kongolesischen Holzplastik aus dem späten 19. Jahrhundert auf dem Umschlag präsentiert der Band aus dem Buchners Kolleg sein Thema: Imperialismus. Als die Last, an der die kolonialisierten Völker zu tragen haben.
Auch dieser thematische Schwerpunkt des niedersächsischen Zentralabiturs 2008 und 2009 ist eine Last, an der Lehrer und Schüler tragen. Die Vielzahl der verbindlichen Unterrichtsinhalte sowohl auf grundlegendem als auch auf erhöhtem Niveau macht vor allem ein erhöhtes Unterrichtstempo erforderlich. Da ist der Imperialismusband von Boris Barth eine große Entlastung. Indem er die vom niedersächsischen Zentralabitur vorgeschriebenen Inhalte nahezu vollständig behandelt, stellt er eine gute Grundlage für den Kursunterricht dar.
Inhalte
Die Betrachtung des gesamten kolonialen Zeitalters von den Entdeckungsfahrten bis zur Entkolonialisierung im 20. Jahrhundert ist die Grundlage für das Semesterthema, das sich jedoch im Kern um den Hochimperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts dreht. Dieser Vorgabe kommt der Themenband durch ein einleitendes (1) und ein abschließendes Kapitel (5) nach. Dabei werden die sozioökonomischen Voraussetzungen des Imperialismus (Industrielle Revolution) allerdings recht knapp im Einführungskapitel untergebracht, das hauptsächlich einen Überblick über die etwa 500jährige europäische Expansion gibt.
Mehr Raum erhalten die Varianten der imperialistischen Machtpolitik (2). Ausgehend vom in dieser Hinsicht vorbildlichen Großbritannien (2.1.) werden Motive (2.2.) und legitimierende Ideologien (2.3.) des europäischen Imperialismus behandelt. Im dritten dieser Kapitel wird zudem die Beschäftigung mit der Praxis der europäischen Kolonialherrschaft angeregt. Kurze Erwähnung finden hier auch der Widerstand der kolonialisierten Völker am Beispiel der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika sowie die zeitgenössische Imperialismuskritik anhand einer Rede des SPD-Abgeordneten Bebel.
Das anschließende Kapitel (3) stellt dem europäischen Imperialismus den der USA im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gegenüber. Die Darstellungen enden mit dem Eintritt der Mächte in den ersten Weltkrieg.
Als Beispiele für die Perspektive der Objekte der europäisch-imperialistischen Expansionsgier werden im folgenden in je einem eigenen Unterkapitel China (4.1.) und Japan (4.2.) dargestellt, die unterschiedliche Konsequenzen aus ihrer Opferrolle zogen: Während in China die alte Zentralgewalt zerfiel, erstarkten in Japan Reformkräfte, die das Land seinerseits zur expansiven Großmacht modernisierten.
Im Schlusskapitel (5) werden Wege in die Unabhängigkeit der kolonialisierten Länder und die globalen Folgen des Imperialismus dargestellt.
Konzept des Buches
Dem Themenband gelingt eine attraktive Gestaltung seiner Kapitel, die zudem äußerlich sehr übersichtlich gegliedert sind. Jedes Kapitels beginnt mit einer Auftaktseite, die neben einer zeitgenössischen bildlichen Darstellung eine Zeitleiste zeigt. Darauf folgen in bunter Mischung schriftliche und farbige bildliche Quellen. Erst die zweite Kapitelhälfte enthält darstellende Texte, die wiederum durch Bildquellen aufgelockert sind.
An das erste und das vierte Kapitel sind zudem zwei als Methoden-Bausteine bezeichnete Doppelseiten gebunden, in denen der Umgang mit Statistiken und Karrikaturen vermittelt wird, die sich direkt auf die Kapitelinhalte beziehen. Zusätzlich gibt es im Kapitel 3.2 und 5 je eine Seite zu den Grundbegriffen Imperien und Globalisierung. So kann methodisches Arbeiten im Sinne einer Unterrichtseinheit geübt werden.
Im Anhang finden die Leser vier Seiten mit Hinweisen zur methodischen Quellenarbeit im Geschichtsunterricht, denen Literaturhinweise, ein Personenregister, ein Sachregister und abschließend eine Seite mit Bildnachweisen folgen.
Autorentext
Die darstellenden Texte sind den Autoren insgesamt sehr gut gelungen. Sie sind in übersichtliche Abschnitte gegliedert, klar betitelt und durchweg für Oberstufenschüler gut verständlich geschrieben. Die historische Darstellung wirkt im Wesentlichen ausgeglichen, unterschiedliche Forschungsmeinungen werden ausgewogen berücksichtigt. Lediglich im Schlusstext, der die Folgen des Imperialismus für die sogenannten Entwicklungsländer bilanziert, drängt sich der Eindruck auf, die Autoren wollten sich der Schuldvorwürfe der ehemaligen Kolonien erwehren. Wenngleich der Text damit interessante Anstöße für die Unterrichtsdiskussion bieten kann, muss er selbst ebenso problematisiert werden.
Arbeit mit Textquellen
Weniger erfolgreich gestaltet sich die Arbeit mit den Textquellen. Diese sind zwar auf unterschiedliche, insgesamt brauchbare Länge gebracht. Auch sind die Texte für Schüler gut verständlich und im Hinblick auf das Thema gut verwertbar. Doch mit der Vielfalt der Quellengattungen ist es nicht weit her. Hier werden im Wesentlichen Schriften, Reden und offizielle Verlautbarungen der imperialistischen Politiker und Machthaber präsentiert. (Ausnahme ist die berühmte Ballade von Rudyard Kipling, „The White Man’s Burden“, das um ein Gedicht von Ernest Crosby ergänzt wird, Kap.3.2., S.84f). Inoffizielle, nicht politisch intendierte, private Quellen werden dagegen nicht angeboten.
Abgesehen davon, dass eine größere Vielfalt von Quellengattungen den Geschichtsunterricht auch bei Zeitknappheit attraktiver gestalten dürfte ist gerade beim Thema Imperialismus der Verzicht auf die Multiperspektivität unangenehm bis peinlich. So kommen die Kolonialvölker vor allem in den Beiträgen ihrer Besatzer vor, kaum aber selbst zu Wort. Weder Inder noch Hereros noch Nama haben in diesem Buch eine Sprache, sie werden nur auf Fotos gezeigt, als Opfer der imperialistischen Besatzer. Auch das Chinakapitel weist überraschend wenig Quellen aus chinesischer Sicht auf; etwas, aber nicht bedeutend besser ist es im Japankapitel. Konsequenterweise haben auch im Schlusskapitel die Nachkommen der imperialistischen Mächte das letzte Wort: Ihre Bilanz der Epoche des Imperialismus gibt den Schülern die Grundlage für ein eigenes Urteil. Der abschließende Beitrag von Herbert Lüthy, aus dem Jahre 1961 (!!!) findet eine überraschend versöhnliche Sicht auf das Zeitalter des Kolonialismus, zu der man sich eine kritische Einschätzung durch Vertreter der befreiten Kolonialvölker gewünscht hätte. Alles in allem ist der von den RRL und den Themen des niedersächsischen Zentralabiturs eingeforderte Perspektivenwechsel nicht mithilfe der Quellen nachzuvollziehen.
Als ein weiterer Nachteil erweist sich die unbekümmerte Mischung von Primär- und Sekundärquellen, die auch äußerlich nicht voneinander unterscheidbar sind. Das ist unübersichtlich, insbesondere da Schüler selbst in der Kursstufe häufig genug Schwierigkeiten haben, Primär- von Sekundärquellen zu unterscheiden. Angesichts der ausreichend umfangreichen Darstellungstexte wäre der Verzicht auf die Verwendung von weiteren Sekundärquellen als Erarbeitungsmaterial für Sachverhalte wünschenswert, zumal so einige thematische Aspekte überhaupt nicht durch primäre Quellen abgedeckt werden.
Erschwerend kommen die teilweise recht lange Bildüberschriften hinzu, die zwar interessante bis wichtige Hinweise auf den Quellenkontext geben, aber ein rasches Erkennen von Quellenautor und Erscheinungsdatum verhindern. Gerade im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei dem Text um eine Primär- oder eine Sekundärquelle handelt, verspielt das Buch hier seine Übersichtlichkeit.
Mitunter ärgerlich sind die quellenbezogenen Fragestellungen, die teilweise unklar formuliert sind und vor allem die klassische Reihenfolge des historischen Arbeitens im Unterricht (Reproduktion, Reorganisation, Reflexion) nicht berücksichtigen. Unglücklich ist auch, dass viele Fragen sich gar nicht auf den Text beziehen, sondern umfassendere, das ganze Kapitel betreffende Arbeitsaufträge darstellen oder zur Reflexion von anderen Zitaten auffordern. Selbst wenn diese Arbeitsaufträge brauchbar sind, so dienen sie doch nicht zur Quellenauswertung.
Arbeit mit Bildquellen
Der Themenband ist reich bebildert. Die überwiegend farbigen Abbildungen sind vielfältig: Gemälde, Fotos von Skulpturen und historischen Gebrauchsgegenständen, zeitgenössische Landkarten und darstellende Geschichtskarten, zeitgenössische fotografische Aufnahmen, Karrikaturen, Film- und Ausstellungsplakate. Diese reichhaltige Bebilderung ist motivierend und macht das Buch optisch sehr attraktiv.
Dennoch sind die Bildmaterialien nicht immer zur interpretatorischen Auswertungen nutzbar zu machen. Gerade detailreiche Gemälde sind zu klein abgedruckt, um sie umfassend bearbeiten zu können. Das ist insbesondere bei den Auftaktseiten ärgerlich, deren Bildquellen man für den Einstieg in die Kapitel gut nutzen könnte, wenn man mehr auf ihnen erkennen könnte.
Andere Abbildungen scheinen eher der Bebilderung als der Quellenanalyse zu dienen. Dieser Eindruck wird dadurch unterstützt, dass den Abbildungen zwar erklärende Legenden, nicht aber Fragestellungen beigefügt werden. Von dieser ärgerlichen Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, die allerdings kaum hilfreich sind. So wird dem Filmplakat über Disraeli von 1929 die Aufforderung zur Seite gestellt, eine Liste mit weiteren Filmen über historische Persönlichkeiten zu erstellen (S.26). Ohne erkennbaren Bezug zum Thema Imperialismus erscheint dieser Auftrag wie die reine Beschäftigungstherapie.
Hilfreich hingegen sind die Methoden-Bausteine, mit denen das Einüben methodischer Arbeitsweisen sinnvoll möglich ist, da sich die Versuchsmaterialien thematisch auf das Kapitel beziehen, dem der Baustein angegliedert ist. Das gilt insbesondere für den Baustein: Statistiken am Ende des ersten Kapitels. Die Statistiken selbst geben jedoch gelegentlich Rätsel auf: Was, um nur ein Beispiel zu nennen, ist unter einem „Industrialisierungsniveau pro Kopf“ (M2, S.20) zu
Der zweite Methoden-Baustein Karrikaturen, der erst an das vorletzte Kapitel über Japan (in dem wiederum nur europäische Karrikaturen gezeigt werden) angegliedert ist, kommt hingegen etwas spät. Denn zeitgenössische Karrikaturen sind auch schon in den vorangehenden Kapiteln abgebildet. Dabei muss lobend hervorgehoben werden, dass der Themenband viele Zeichnungen zeigt, die nicht zum Karrikaturenkanon deutscher Imperialismusschulbücher gehören.
Was einen etwas ratlos zurück lässt, sind die beiden Einzelseiten zu den Grundbegriffen Imperien und Globalisierung. Immerhin bietet die Globalisierungsseite am Ende des Buches noch die Grundlage zu einer Diskussion über die Zusammenhänge von Imperialismus und Globalisierung, ohne dass jedoch diesbezügliche Arbeitsaufträge angefügt würden. Den Grundbegriff Imperien in einem Themenband zum Imperialismus aber in der Buchmitte zu präsentieren, erscheint doch allzu ungeschickt.
Fazit
Dank der gut geschriebenen Darstellungstexte, der attraktiven Aufmachung und der insgesamt akzeptablen Quellenauswahl stellt der Themenband eine sinnvolle Grundlage für den Kursunterricht im Rahmen des niedersächsischen Zentralabiturs dar. Die Aufbereitung aller wichtigen Unterrichtsinhalte ist eine wohltuende Entlastung nicht nur für Lehrer, sondern auch für Schüler, die sich mithilfe des Buches selbständig thematische Inhalte erschließen können. Der Themenband kann helfen, den Unterricht problemorientiert zu gestalten. Für eine stringente Quellenauswertung muss jedoch auf eigene Fragestellungen zurückgegriffen werden, beim Bemühen um Multiperspektivität ist der Rückgriff auf zusätzliche Materialien erforderlich.