Das Projekt „Schulbuchrezensionen“ wurde zum 1. Januar 2019 nach fast 15 Jahren Laufzeit abgeschlossen.
Bisher verfasste Rezensionen bleiben weiterhin auf edu.reviews einsehbar. Ein Verfassen neuer Rezensionen ist leider nicht mehr möglich.

Zurück zur Übersicht

Ethik / Philosophie, 9./10. Schuljahr, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium

Normen und Werte 9/10

Normen und Werte 9/10
Herausgegeben von Eisenschmidt, Helge
Erschienen Leibzig: Militzke, 2012
Seitenanzahl 110
ISBN 978-3-861-89555-8
Geeignet für Niedersachsen
Rezensiert von Milz, Julia (Studentin), 8. März 2015
Projekt Leibniz Universität Hannover, Wintersemester 2014/15, Schulbuchanalysen: Säkular-weltanschauliche Diversität im Werte und Normen-Unterrichtsmaterial

Rezension von Milz, Julia (Studentin)


Einleitung
Das Lehrbuch „Normen und Werte“ vom Militzke Verlag bietet einen schlichten und auf das Wesentliche reduzierten ersten Eindruck, der sich später in den Inhalten und deren Aufbereitung wiederfindet. Das Cover ist in einem entsprechend einfachen Stil gestaltet, lässt sich durch seine hellblaue Farbgebung jedoch zügig zwischen anderen Unterlagen entdecken. Die Rückseite gibt die Themen des Lehrbuches durch die Verknüpfung eines kleinen Bildes mit der zugehörigen im Buch vertretenen Kapitelüberschrift wieder. Das Frontcover bedarf zunächst einer Interpretation durch den Betrachter, um eine Verbindung zu den behandelten Themen herzustellen.
Vorgesehen ist das Lehrbuch für die 9. und 10. Klasse. Eine Angabe zur empfohlenen Schulform lässt sich auf oder in dem Buch selbst nicht finden.
In dieser Rezension soll der Fokus im Besonderen auf der Umsetzung und Gestaltung von säkular-weltanschaulicher Diversität liegen.

Aufbau, Inhalt und Konzept
Auf den insgesamt 240 Seiten des Lehrbuches werden fünf größere Oberthemen und Kapitel behandelt: Entwicklung und Gestaltung von Identität, Alter – Sterben – Tod, Konflikt und Gewalt, Wahrheit und Wirklichkeit, Weltreligionen und Weltanschauungen. Diese sind wiederum in vier bis fünf Unterkapitel eingeteilt. Der Umfang, der diesen Themen jeweils gewidmet wird, ist ausgeglichen und bewegt sich zwischen 40 und 50 Seiten pro Einheit. Am Ende einer solchen befindet sich jeweils eine Methodenseite, die in wenigen Schritten und mit Hilfe von kleineren Aufgaben jeweils eine Methode, z. B. das Bauen eines Standbildes, erklärt. An dieser Stelle sollte die Lehrperson abwägen, wie sinnvoll das Einführen der einzelnen Methoden für den Unterricht tatsächlich ist oder ob einige, wie das eben genannte Beispiel, in der 9. und 10. Klasse nicht bereits bekannt sind.
Insgesamt befindet sich an fast jedem Text und jeder Aufgabe ein Buchstabe (A(ufgabe), Ü(bung), P(rojekt), Q(uelle), D(efinition), Pfeilsymbol für Tipp/Hinweis), der in seiner Bedeutung im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis in einer Art Legende übersetzt wird. Die Vielfalt angebotener Aufgabentypen, die hierbei suggeriert wird, findet sich jedoch nicht in den Aufgabenstellungen wieder. Gerade die Typen Aufgabe, Übung und Projekt lassen sich von ihrem Anspruch, dem damit verbundenen Aufwand und Umfang, den Operatoren, sowie dem Lerngehalt nicht unterscheiden und damit im Einzelnen auch nicht klar definieren. Eine derartige Differenzierung ist daher unnötig, wobei eine Hervorhebung von Definitionen und das Markieren von Quellen in jedem Fall sinnvoll sind. An sich handelt es sich bei der Art der Aufgaben generell um weiterführende, die eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema fordern. Es geht weniger nur um die unreflektierte Wiedergabe von Gelesenem, sondern vielmehr um die kritische Einschätzung und die eigene Meinungsfindung der Schüler/innen.
Die Texte im Lehrbuch fallen in ihrer Gesamtheit sehr kurz aus und überschreiten selten die Länge einer Seite. Damit bietet das Buch einerseits mehr Breite als Tiefe in den Inhalten, was den Lehrer dazu anhalten sollte, an gegebener Stelle Zusatzmaterialien anzubieten, um die jeweilige Thematik ihrer Relevanz für den Unterricht nach angemessen bearbeiten zu können. Andererseits setzt dies das an die Aufgaben anschließende Klassengespräch in den Fokus. Der Meinungs- und Gedankenaustausch wird dadurch zentral und fördert die Toleranz anderer Meinungen.
In Ergänzung zu dem Lehrbuch ist auch ein Lehrerbegleitbuch vorhanden, das auf 59 Seiten die Vorgehensweise und Aufgabenstellungen des Lehrbuches in ihrer Intention chronologisch vorgehend erklärt. Zum Anfang jedes Kapitels befindet sich ein Kasten mit Vorschlägen für Literatur zur Vorbereitung des Unterrichts. Inhalte verschiedener Kapitel werden an passender Stelle miteinander Verknüpft, mögliche Schwierigkeiten mit dem Material oder auch Lücken im Themenfeld aufgezeigt und damit Unterrichtsimpulse für den Lehrer und dessen Unterricht geliefert.
Die restlichen 50 Seiten bestehen aus von den Autoren ausgewählten Kopiervorlagen, die innerhalb der ersten Hälfte des Lehrerbegleitbuches für den Unterrichtsverlauf vorgeschlagen werden, jedoch optional betrachtet werden sollen und keine dringende Notwendigkeit für die erfolgreiche Erarbeitung der Thematik darstellen.

Säkular-weltanschauliche Diversität
Der Aspekt der säkular-weltanschaulichen Diversität wird in dem 5. Kapitel des Lehrbuches, das 47 Seiten umfasst, unter dem Titel „Weltreligionen und Weltanschauungen“ behandelt.
Einleitend beschäftigt sich diese Einheit auf 13 Seiten mit dem Hinduismus und Buddhismus als zwei der „fünf Weltreligionen“ (Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus), die darauffolgend in einer doppelseitigen, tabellarischen Übersicht in verschiedenen Charakteristika skizziert werden. Eine eindeutige Begründung der Auswahl, Hinduismus und Buddhismus in ausführlicherer Form als die anderen drei zu besprechen, ist im Lehr-und Lehrerbegleitbuch nicht gegeben. Sinnvoll ist die Auswahl in der Hinsicht, dass Hinduismus und Buddhismus in ihrer Entstehung eine gewisse Nähe zueinander aufweisen und besonders der Buddhismus als Religion ohne Gott eine mögliche Brücke zwischen den sogenannten „Weltreligionen“ und anderen Weltanschauungen herstellen kann. Ein differenzierter Umgang mit dem Begriff der „Weltreligionen“ wird in dem Kapitel nicht initialisiert, obwohl er in der Wissenschaft kritisch betrachtet wird. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit diesem Begriff wäre entsprechend von der Lehrkraft anzuregen.
Im Gegensatz dazu bietet das Lehrbuch die Möglichkeit für die Schüler/innen, sich über zwei Seiten ausführlich mit dem Begriff „Religion“ auseinanderzusetzen. Hier werden, den gestellten Aufgaben im Lehrbuch allgemein entsprechend, eigene Gedanken der Schüler/innen angeregt und der kritische Umgang mit abstrakten Begriffen wie diesem gefördert. Das Gedankenexperiment, was Religion ist, öffnet dabei auch den Bereich des Nicht-Religiösen, um den es im Anschluss an die Erarbeitung der „Weltreligionen“ gehen soll. Damit ist der Aufbau des Kapitels durchaus eingehend und verdeutlicht den natürlichen Zusammenhang zwischen religiösen und nicht-religiösen Elementen.
Auf den folgenden acht Seiten werden verschiedene Konzepte von Weltanschauungen jeweils recht komprimiert vorgestellt. Die relativ aktuelle Buskampagne Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott wird in Verbindung mit dem Atheismus und Agnostizismus angeführt. Darüber hinaus werden vom Atheismus ausgehend Humanismus und Naturalismus kurz dargestellt. Das Heranziehen weiterer Quellen und Texte liegt hier erneut in dem Ermessen des Lehrers.
Auch zwei politische und ideologische Konzepte werden vorgestellt: Kommunismus und Anarchismus. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass das Lehrbuch zu diesen beiden Seiten selbst Kritik übt; Der Begriff der Ideologie werde nicht eingeführt und definiert. Dazu gibt es im Lehrerbuch eine mögliche Ergänzung, die dem Lehrer für seinen Unterricht vorgeschlagen wird.
Daran anschließend soll sich mit dem Projekt Weltethos auseinandergesetzt werden. Der kritisch reflektierte Umgang steht auch hier über die gesamte Einheit bei den gestellten Aufgaben im Vordergrund.
Von der erarbeiteten Übersicht an Angeboten ausgehend, zeigt das Lehrbuch auf, wie und aus welchen Gründen einzelne Individuen sich für eine der existierenden Religionen oder Weltanschauungen entscheiden. Als Beispiele werden dazu nicht fiktive Personen angeführt, sondern relativ bekannte deutsche Persönlichkeiten, wie die Bundeskanzlerin, Angela Merkel und Xavier Naidoo.
Das Konzept der Patchwork-Religionen wird im Folgenden, nebst dem Begriff der Toleranz, dem Fundamentalismus und Fanatismus thematisch bearbeitet.
Abschließend setzt sich das Lehrbuch auf sieben Seiten mit Religionskritiken und wiederum mit der Kritik an der Religionskritik auseinander.
Das Kapitel Weltreligionen und Weltanschauungen bietet eine große Vielfalt an betrachteten Aspekten der säkular-weltanschaulichen Diversität. Die Tiefe, die dabei erreicht wird, ist jedoch stark abhängig von den Arbeitsmaterialien und Zusatztexten, die der Lehrer in seinen Unterricht selbst einbringt. Das Lehrbuch an sich will zunächst mehr einen Überblick über Inhalte verschaffen, als diese Tiefe erzeugen.
Die Art der Aufgabenstellungen ist dabei bei den Themen nicht gleichbleibend. Solange es um die „Weltreligionen“ geht, soll von den Schülern mehr beschrieben und verstanden werden, was beispielsweise innerhalb der jeweiligen Lehre erreicht werden will und wie der Weg zu dem formulierten Ziel gestaltet ist. Sobald das Kapitel die Weltanschauungen betrachtet, findet sich in fast jeder Aufgabe der Operator „diskutiere“. Der zuvor mehrfach erwähnte kritische Blick auf Inhalte wird von dem Lehrbuch also mehr auf die Weltanschauungen gelenkt, als auf die Religionen. Die Vielfalt an verschiedenen Medien unterstützt diesen Eindruck. Während im Zusammenhang mit Hinduismus und Buddhismus, sowie Judentum, Christentum und Islam, lediglich zu den Texten und beschriebenen Szenen beispielhafte Bilder zur visuellen Unterstützung zu finden sind, werden bei den Weltanschauungen auch Karikaturen und Diagramme angeführt, die mehr zu einer kritischen Betrachtung anregen.

Abschließende Beurteilung
Das Lehrerbegleitbuch stellt eine gute und größtenteils sinnvolle Ergänzung zu den Inhalten im Lehrbuch dar. Über die Inhalte des Buches hinausgehende Texte und Arbeitsmaterialien sollten je nach Unterrichtsziel und der zur Verfügung stehenden Zeit durch die Lehrkraft angeboten werden. Auch die Aufgabenstellungen im Bereich der Religionen könnten durch kritische Impulse durch den Lehrer an die im Bereich der Weltanschauungen angeglichen werden. Der Aufbau des Buches und der Kapitel sind grundsätzlich nachvollziehbar und logisch.
Insgesamt würde ich daher das Lehrbuch „Normen und Werte“ für den Gebrauch im Unterricht empfehlen. Die Schulform, in der es anzusetzen wäre, bewegt sich meiner Meinung nach zwischen Realschule und Gymnasium, je nach zusätzlich zugeführtem Materialumfang.

Weitere Rezensionen zu dieser Publikation