Geschichte, 9./10. Schuljahr, Gymnasium
Anno 3
Herausgegeben von | Askani, Bernhard und Elmar Wagener |
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Erschienen | Braunschweig: Westermann, 1996 |
Seitenanzahl | 288 |
ISBN | 978-3-14-110943-6 |
Geeignet für | Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein |
Rezensiert von | Nachtigall, Stephan und Christian Vaterodt (Lehrer), 8. April 2010 |
Rezension von Nachtigall, Stephan und Christian Vaterodt (Lehrer)
Im November 2009 waren 13 Magdeburger Studenten des Instituts für Geschichte als Autoren für ein regionalisiertes Geschichtslehrbuch der neunten und zehnten Klasse tätig. In dem hier präsentierten Erfahrungsbericht berichten sie über Vorgehensweisen und Eindrücke während der mit dem Verlag Westermann in Kooperation stehenden Projektarbeit.
Lessons learned! - Erfahrungsbericht zum Schulbuchprojekt
Einleitung
Zu einer bisher einzigartigen Kooperation fanden sich im Wintersemester 2008 / 2009 der Braunschweiger Schulbuchverlag Westermann und das Institut für Geschichte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zusammen: Geschichtsstudenten sollten unmittelbar an der Entstehung eines Geschichtslehrbuches für die neunten und zehnten Klassen der Gymnasien ihres Bundeslandes beteiligt werden. Ein zweifellos lehrreiches Semester verbrachten 13 Studierende der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften mit dem „Projekt Anno 3“.
Die Lehrveranstaltung zum „Projekt Anno 3“
Das Vorlesungsverzeichnis des Geschichtsinstituts der Universität wies im Vorfeld des Wintersemesters 2008 / 2009 eine ihrem Titel zufolge eher gewöhnliche Lehrveranstaltung aus: „Zivilbevölkerung im Krieg – 1939 bis 1945“.
Ein besonderes Merkmal der angebotenen Übung war jedoch bereits die Art der Durchführung: Zwei Dozenten, Frau Dr. Steffi Kaltenborn vom Lehrstuhl für Neueste Geschichte / Zeitgeschichte und Herr Dr. Uwe Lagatz, Fachdidaktiker des Instituts, zeichneten sich für die Lehrveranstaltung verantwortlich. Zudem stellte die Seminarankündigung das Erstellen von „Lehrbuchseiten zum Thema“ in Aussicht, war es doch gerade diese Randinformation, welche aufgrund ihres innovativen Anstriches das Interesse der Studierenden weckte.
Vor dem Hintergrund des angestrebten Ergebnisses setzte die Teilnahme an der Lehrveranstaltung ein breites fachliches Wissen sowie gefestigte methodisch-wissenschaftliche Fertigkeiten in der Teildisziplin voraus, was die Zulassung ausschließlich erfahrenerer Magister- und Lehramtsstudenten ab dem siebten Fachsemester zur Folge hatte. Die somit beschränkte Teilnehmerzahl ermöglichte darüber hinaus eine gute Betreuung durch die Dozenten als auch ein Arbeitsklima, das ein hohes Maß an Produktivität zu versprechen vermochte.
Die Umsetzung des Projektes „Anno 3“
Das Projekt „Anno 3“ wurde in drei aufeinanderfolgenden Abschnitten realisiert. Das Fundament bildete die oben beschriebene Lehrveranstaltung, in der vor allem unter Berücksichtigung regionalgeschichtlicher Aspekte die thematischen Schwerpunkte in Form von Referaten, Gruppenarbeiten und Selbststudium unter Anleitung der Dozenten abgesteckt wurden. Aufbauend auf dieser Grundlage wurde eine intensive Einführung und Analyse des für die gymnasiale Oberstufe einschlägigen Lehrplanes vorgenommen. Hierin sah insbesondere die Mehrheit der teilnehmenden Magisterstudenten eine wichtige Erweiterung ihres Erfahrungshorizontes gegenüber ihrer bisherigen Ausbildung. Die theoretische Einführung mündete in einer lehrreichen Diskussion darüber, welche Lücken bisherige Schulbücher aufwiesen.
Den Abschluss der ersten beiden Abschnitte bildete der Besuch des verantwortlichen Redakteurs beim Bildungshaus Schulbuchverlage, Herrn Christoph Meyer. Unter der Überschrift „Theorie trifft Praxis“ konnten die Studierenden allerlei Fragen an Herrn Meyer richten und in ein außerordentlich vielversprechendes Gespräch mit einem „Mann der Praxis“ eintreten. Bestand hierbei zum einen die Möglichkeit, einen interessanten Berufszweig kennenzulernen, so konnten die Studierenden zum anderen und darüber hinaus Eindrücke vom inneren Gefüge des Verlagswesens, Projektplanung und -Durchführung sowie von Grundproblemen des Marketings gewinnen.
Mit gefestigten Vorstellungen und formulierten Zielstellungen brach der dritte Abschnitt des Projektes an: das konkrete Erarbeiten von möglichst druckreifen Seiten für das Schulbuch Anno 3. In mehreren Gruppen fanden sich die Studierenden zu den unterschiedlichen Themen zusammen, um regionalgeschichtliche Inhalte für den entstehenden Band aufzubereiten. Unter Berücksichtigung der didaktischen Anforderungen und den Maßgaben des Lehrplanes begann die Arbeit an den jeweiligen Seiten. Erarbeitete Entwürfe und Vorschläge unterlagen nicht nur dem erfahrenen Blick der Dozenten, sondern mussten auch im Sinne eines „Peer-Review-Systems“ vor den anderen Seminaristen bestehen.
Vertiefungsseiten zum NS-Terror in Sachsen-Anhalt
Im Laufe des Semesters entstanden mehrere wertvolle Beiträge, welche schließlich auch den kritischen Augen der Redaktion Gefallen abnötigen und zum Druck gelangen sollten. Neben den Themen „Kriegsalltag in Sachsen-Anhalt“, „Die Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945“ und „Kriegsende im heutigen Sachsen-Anhalt“, wurde durch zwei Studenten das Thema „NS-Terror im heutigen Sachsen-Anhalt“ auf vier Vertiefungsseiten für das Schulbuch erarbeitet. Anhand dieses Beispiels soll in kurzen Zügen der Facettenreichtum der Arbeit am Projekt dargestellt werden.
Das ambitionierte Ziel war es, neben der regionalgeschichtlichen Aufarbeitung des Themas einen möglichst genauen Ausschnitt des Netzes von Konzentrations- und Außenlagern in den heutigen Grenzen des Bundeslandes Sachsen-Anhalt abzubilden, der nicht zuletzt geschichtswissenschaftlichen Ansprüchen Rechnung tragen sollte. Neben dem Verfassen eines Autorentextes, einer intensiven Bilderrecherche sowie dem Erarbeiten von Materialien und Fragestellungen entschied man sich für die Erstellung einer Karte. Diese wurde in umfangreicher Recherche und Fleißarbeit von den beiden Studenten erstellt und ist damit die erste ihrer Art für das Bundesland Sachsen-Anhalt. Des Weiteren konnten die beiden Studenten Auszüge aus dem Tagebuch eines Zeitzeugen einbringen, das damit in dieser Form erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Eine vergleichbare Arbeit wird im Themenkomplex „Kriegsalltag im heutigen Sachsen-Anhalt“ deutlich, in dem ein für das Schulbuch geführtes Interview genutzt werden konnte.
Der Dank aller Studierenden gilt an dieser Stelle den Angehörigen aber auch den Zeitzeugen und darüber hinaus den Gedenkstätten des Landes Sachsen-Anhalt, denen durch ihre tatkräftige Mithilfe ein erheblicher Anteil am Gelingen dieses bis dato einmaligen Projektes zuteilwerden konnte.
Fazit oder: „Der Weg ist das Ziel“
„Entscheidend ist, was hinten herauskommt“, könnte man angesichts des Erfolgs konstatieren, den dieses Projekt schlussendlich hatte. Die Teilhabe an einer gelungenen Publikation bereits während des Studiums vorweisen zu können, darf durchaus als nicht zu verachtenden Anstrich in der eigenen Vita verstanden werden. Allerdings barg die zurückliegende Arbeit weitaus mehr als „nur“ dieses Endprodukt: Als einfache Lehrveranstaltung „getarnt“, entpuppte sich das Seminar in seinem Verlauf geradezu als eine Art „Offenbarung“, als etwas, worauf eine Vielzahl von Studierenden geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen im Rahmen ihrer Ausbildung vielleicht hofft, jedoch allzu oft vergebens warten muss – den akademischen Elfenbeinturm zu verlassen, um außerhalb selbigen mitunter belächelten Gebäudes einen Teil des unfassbar breiten Spektrums an Möglichkeiten kennenzulernen, seine im Studium erworbenen Fähigkeiten nutzbringend einzusetzen. So dürfen sich alle Beteiligten zurecht das Verdienst ins Stammbuch schreiben, gemeinsam ein Projekt realisiert zu haben, das zu gleichen Teilen Theorie und Praxis in sich vereinte und den Weg zum Ziel werden ließ.
So muss nun das Schlusswort dieses Erfahrungsberichts eindeutigen Appellcharakter besitzen, kann es doch für die Zukunft nur wünschens- und vor allem erstrebenswert sein, wenn sowohl die Hochschulen ein kompatibles Lehrangebot schaffen als auch Verlage die Möglichkeiten erkennen würden, die derartigen Kooperationen innewohnen. Es sollte schließlich der Anspruch aller an Bildung Interessierten sein, dass dem „Projekt Anno 3“ bald nur noch das Attribut „erstmalig“ gebühren, die bisherige Einmaligkeit hingegen durch Nachfolgeprojekte aufgehoben werden wird.