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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium

Horizonte III: Geschichte für die Oberstufe

Horizonte III: Geschichte für die Oberstufe
Herausgegeben von Bahr, Frank
Erschienen Braunschweig: Westermann, 2006
Seitenanzahl 376
ISBN 978-3-14-110937-5
Geeignet für Nordrhein-Westfalen
Rezensiert von Ohlsen, Merle und Jens-Peter Rachau (Studierende), 1. Juni 2009
Projekt Christian-Albrechts-Universität Kiel, Wintersemester 2008/09

Rezension von Ohlsen, Merle und Jens-Peter Rachau (Studierende)


Einleitung
Die Geschichtsbuchreihe „Horizonte“ ist im Westermann Verlag sowohl als zwei- als auch als dreibändige Ausgabe verfügbar. Grundlage dieser Rezension ist die Ausgabe Horizonte III aus dem Jahr 2006. Dieser Band ist für Gymnasien bzw. die Sekundarstufe II der Bundesländer Berlin, Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen zugelassen. Die Inhalte des Buches finden sich jedoch auch in anderen Lehrplänen wieder, wie z.B. dem Curriculum für Geschichte in Schleswig-Holstein.
Bei der Auswertung des Unterrichtswerkes wurden ausgewählte Themenbereiche („Die Weimarer Republik“, „Die Sowjetunion“, „China“ und „Der Weg zum vereinten Europa“) ausführlich anhand der folgenden Anforderungen, die die fachdidaktische Diskussion an ein Schulgeschichtsbuch stellt, untersucht: Multiperspektivität, Kontroversität, Übersichtlichkeit, Vielseitigkeit, Selbstständigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Anschaulichkeit und Aktualität. Die Ergebnisse dieser Analyse wurden dann stichprobenartig an den übrigen Kapiteln geprüft.

Formale Kriterien
Mit seinen 775 Gramm ist der Band III überraschenderweise schwerer als er aussieht. Dies spricht für die solide Bindung, die sich ebenfalls durchweg in der inhaltlichen Gestaltung des Buches zeigt. Einzig der Einband – Paperback – lässt hier zu wünschen übrig. Bereits nach zwei Transporten im „schülerüblichen“ Rucksack zeigten sich hier erste, kleinere Beschädigungen.
Speziell zum Band III wird ein Begleitheft mit Übungsklausuren zur Vorbereitung auf die schriftliche Abiturprüfung in Nordrhein-Westfalen angeboten. Auf S. 373 findet sich darüber hinaus eine Internetadresse, die auf weitere Links zu den Themen im Buch (und andere historische Inhalte) verweist.
Des Weiteren ist in der Reihe „Horizonte“ ebenfalls eine CD-ROM zur interaktiven Methodenschulung erschienen, die vom Geschichtslehrerverband mit dem Qualitätssiegel und dem Prädikat "Empfehlenswert" ausgezeichnet wurde. Ein zusätzlicher Lehrerband wurde bislang nicht angekündigt.
 
Aufbau und Konzept
„Horizonte III“ enthält folgende Themen:
Weimarer Republik
Nationalsozialismus
Deutschland: Von der Teilung zur Wiedervereinigung
Die Sowjetunion
Die USA im 20. Jahrhundert
China
Der Weg zum vereinten Europa
Die Vereinten Nationen

Die Inhalte von „Horizonte III“ entsprechen nicht nur den Anforderungen der Lehrpläne von Bremen, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, sondern finden sich größtenteils auch in den Curricula anderer Bundesländer wieder. Im Band III gibt es aber die größten Übereinstimmungen mit den thematischen Anforderungen der schriftlichen Abiturprüfung des Zentralabiturs für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Nordrhein-Westfalen (vgl. in den Anforderungen den Bereich: „Das kurze 20. Jahrhundert“).
Der Aufbau der einzelnen Themenbereiche und Unterpunkte zeigt eine klare und immer wiederkehrende Struktur:
1. Beginn eines neuen Themenbereiches (z.B. „China“) durch eine Auftaktdoppelseite (eine Seite mit ganzseitiger Abbildung, eine Seite einleitender Autorentext)
2. Unterpunkte des Themenbereiches (z.B. „Vom Kaiserreich zur Volksrepublik“ und Autorentexte in Verbindung mit ergänzendem Material, z.B. Fotos, Karten, Diagramme, Karikaturen etc.)
3. Chronologie zum Thema des Unterpunktes
4. Textquellen und weiteres Material, z.B. Fotos, Karten, Diagramme, Karikaturen etc.
5. Aufgabenteil (zwischen 3 bis 15 Aufgaben)

Die Unterpunkte der Themenbereiche werden ausnahmslos mit aussagekräftigen Überschriften eingeleitet. Die Texte sind zudem in klare Absätze mit aufschlussreichen Marginalien gegliedert. Die Kombination aus Überschrift und Marginalien erlaubt einen schnellen und chronologischen Überblick über das Thema und erleichtert die Orientierung (z.B. Überschrift: „Das Ende der Sowjetunion“ Marginalien dazu: „Krise“, „Die Politik der Perestroika“, „Glasnost“, „Reform von Oben“, „Dynamik des politischen Wandels“, „Der Putsch“).
Auf die ein bis vier Seiten Autorentext der einzelnen Unterkapitel folgen umfangreiche Abschnitte mit Quellenmaterial (bei insgesamt 22 von 37 Unterkapiteln ist der Materialteil größer als der Anteil des Autorentextes oder gleich).

Material
Die Quellen im Band III decken ein breites Spektrum von Texten, Abbildungen, Fotografien, Diagrammen, Tabellen und Karikaturen ab. Die überwiegende Mehrheit der Abbildungen im Buch wird dabei auch als Quelle zur Bearbeitung angeboten. Von den 300 Abbildungen im Band III werden lediglich 19 ausschließlich zu Illustrationszwecken eingesetzt.
Alle Abbildungen sind durchweg mit Erklärungen versehen. Leider nehmen diese Bildunterschriften vereinzelt eine Interpretation vorweg (z.B. „An der Nähmaschine der französische Außenminister Robert Schuman; die Sicherheitsnadeln beinhalten eine Anspielung auf die Maginot-Linie; dem zwischen 1929 und 1932 erbauten Befestigungssystem an der französischen Nordostgrenze…“ (S. 314)).
Einige Quellengattungen kommen allerdings zu kurz im Band III. So gibt es z.B. nur 25 Karten im gesamten Buch. Darunter ist leider keine einzige Abbildung einer historischen Karte. Selbst im Methodenteil am Ende des Buches werden die Möglichkeiten, die historische Karten in Bezug auf ihre Interpretation und Aussagekraft bieten, vorenthalten. (So hätte z.B. die bekannte Karte mit dem Titel „Deutschlands Verstümmelung“, die 1928 von der Reichsregierung als offizielle Wandkarte für den Schulgebrauch herausgegeben wurde, thematisch gut in die Themenbereiche „Weimarer Republik“ und „Nationalsozialismus“ gepasst).  
Auch das Herangehen an Architektur, Münzen oder Denkmäler als weitere Quellengattungen findet keine Erwähnung in diesem Band (Ausnahme: Das im Buch als Quelle angebotene Denkmal „Arbeiter und Kolchosebäuerin“ auf S. 217. Dies findet aber keine Berücksichtigung im dazugehörigen Aufgabenteil).
Die vorhandenen Quellen schließen sich inhaltlich dem Autorentext sehr gut an und geben einen tieferen Einblick in die Geschichte. So ermöglicht es die Analyse der Quellen, Begründungen und Ursachen für die im Autorentext geschilderten Inhalte zu entdecken: „Als im Herbst des Jahres 1918 die militärische Niederlage zur Gewissheit wurde, drängte die OHL auf eine Parlamentarisierung“ (S. 8). Die Quelle M5 (eine Äußerung General Ludendorffs vor Vertrauten) gibt hier Aufschluss über die militärische Lage und die befürchteten Auswirkungen eines Durchbruchs der Alliierten (S. 12).
In die Analyse der Quellen führt ein gesonderter Abschnitt über Arbeitstechniken und Methoden am Ende des Buches ein. Hier wird zum Umgang mit schriftlichen Quellen, Karikaturen, Bildern, Plakaten, Statistiken und Karten angeleitet. Das Herangehen wird dabei im Wesentlichen durch entsprechende Leitfragen anschaulich umgesetzt (z.B. zu Schriftquellen: „Wer ist der Verfasser?“, „Welchen Inhalt hat der Text?“, „Aus welchem Anlass wurde der Text verfasst?“ usw.).

Inhalt (Autorentexte)
„Deutschland, 8. Mai 1945: Das Dritte Reich hat kapituliert. Ein Soldat vor dem zerstörten Reichstag in Berlin: erschöpft und am Ende. Wie der Einzelne so auch das Land…“ (S. 117). So wird beispielsweise in das Kapitel „Deutschland: Von der Teilung zur Wiedervereinigung“ eingeführt. Diese Art von Texten, die zum Weiterlesen motivieren sowie ein großformatiges Bild finden sich auf der Auftaktdoppelseite eines jeden Kapitels. Die Texte sind spannend und können den Leser berühren (sehr gut z.B. S. 278). Sie machen zudem „Lust auf mehr“ und wecken den Drang selbständig nachzuforschen.
Die Autorentexte sind prägnant, gut verständlich und der Oberstufe angemessen formuliert. Die Texte bzw. Absätze sind dabei sehr oft deutlich kürzer als 80 Zeilen (Ausnahmen sind hier nur die folgenden Textquellen: S. 91 f., S. 125f., S. 138, S. 148, S. 178f., S. 270f., S. 272ff., S. 302f., S. 307f., S. 331f., S. 334f., S. 335, S. 343f. – wobei wir längere Quellen für die Oberstufe eher als vorteilhaft einschätzen).
Auftretende Fachbegriffe oder Fremdwörter werden größtenteils in Klammern direkt im Text erklärt (z.B. „Die spontan sich bildenden Sowjets (Arbeiterräte) spielten zum ersten Mal eine führende Rolle…“, S. 187). In einem eigenen Kapitel am Ende des Bandes werden zudem die von den Autoren als wichtig erachteten historisch-politischen Grundbegriffe verständlich vorgestellt.
Einziger Wermutstopfen sind die häufig anzutreffenden „Mini-Zitate“, die zumeist fachwissenschaftliche Begriffe oder Konventionen bezeichnen. Diese werden zwar oft direkt im Text erläutert (z.B. S. 280 „Periode der Ungleichen Verträge“), bleiben aber mindestens genauso oft unkommentiert (z.B. S. 186 „Heilige Allianz“).

Aufgaben
Die Aufgaben beziehen sich häufig auf mehrere Quellen sowie den Autorentext (z.B. „Konfrontieren Sie die [Dolchstoß-] Legende mit den historischen Fakten“ (Aufgabe 1, S. 18). Als Bearbeitungshinweise sind hier zum einen der Autorentext und zum anderen die bereits erwähnten Ausführungen Ludendorffs zur militärischen Lage angegeben. Die Aufgabenstellungen sind sehr vielfältig: von „erläutern“ und „erklären“ über „überprüfen“ und „diskutieren“ bis hin zu „stellen Sie gegenüber“. Sie decken in der Regel die Operatoren in allen drei Anforderungsbereichen ab. Leider wurden die Aufgaben nicht aufeinander aufbauend konzipiert. Die Mehrheit der Aufgabenstellungen ist darüber hinaus in den Anforderungsbereichen I und II angesiedelt (also Reproduktion und Reorganisation/Transfer). Der Anforderungsbereich III (Reflexion und Problemlösung) wird nur selten direkt angesprochen. Die Aufgabenstellungen beziehen sich somit überwiegend auf das Erläutern von Sachverhalten oder Begriffen und auf das Zusammenfassen oder Wiedergeben von Gelesenem. Der engen Ausrichtung des Inhaltes des Bandes III an den Lehrplananforderungen und an das Zentralabitur ist es wohl geschuldet, dass sich keine Aufgaben finden, die ausdrücklich auf Methoden zur Förderung des Kontroversprinzips oder gar auf Gruppenarbeit zurückgreifen.
Methoden wie z.B. die Nachbildung öffentlicher Gesprächsformen, die Pro-Contra-Debatte, die Talkshow oder sonstige Planspiele und Streitgespräche werden in den Aufgabenstellungen nicht ausdrücklich berücksichtigt. Obwohl die Webseite des Verlages angibt, dass sich dieser Band besonders für selbstständiges Lernen und Projektarbeit eignet, wird im gesamten Buch kein Vorschlag für ein Projekt aufgeführt.
Gegen Ende der meisten Kapitel des Buches finden sich auf einer bis drei gelblich unterlegten Seiten „Fragen an die Geschichte“. Hier werden sensible Fragestellungen zu den jeweiligen Themenbereichen aufgeworfen wie z. B. „Gibt es eine Kollektivschuld der Deutschen?“ (S. 110) oder „Die DDR – ein Staat der Stasi?“ (S. 163). Obgleich die Autorentexte und Quellen in diesen Teilen sicher Anregungen zum Nachdenken und zur Diskussionen geben, bleibt dabei offen, ob SchülerInnen überhaupt mit Fragestellungen konfrontiert werden sollten, auf die selbst die Fachwissenschaft keine schlüssige Antwort hat.

Fachdidaktische und fachwissenschaftliche Aspekte
Obgleich das Buch den Lehrplänen für die gymnasiale Oberstufe, die sich zum großen Teil auf die Neuere und Neueste Geschichte aus europäischer Sicht konzentrieren, folgt, bietet es mit den Kapiteln zu China, den USA, der NATO sowie den beiden Exkursen (Islam und Menschenrechte) einen etwas weiter gefassten Blick.
Dabei nutzt das Buch eine Vielzahl an Dimensionen der historischen Forschung. Texte aus unterschiedlichen Fachgebieten werden neben Primärquellen und fachwissenschaftlicher Sekundärliteratur herangezogen. Im Vordergrund steht dabei die Politik- und Sozialgeschichte. Andere Bereiche der Geschichtsforschung, z.B. Wirtschafts- und Kulturgeschichte oder Frauengeschichte, werden auszugsweise aber ebenso beleuchtet (z.B. S. 67ff., S. 140f., S. 309, S. 331f.).
Der Aspekt der Kontroversität kann im Band III nur selten (z.B. anhand von mitgeliefertem Material) vom Schüler selbst entdeckt werden. So wird auf kontroverse Meinungen der historischen Forschung zwar häufig hingewiesen (z.B. bezüglich der Beurteilung der Novemberrevolution 1918/1919: „Die Novemberrevolution hat bis heute in der historischen Forschung keine einhellige Beurteilung gefunden“, S. 11), die unterschiedlichen Meinungen der HistorikerInnen hierzu werden jedoch nicht dargelegt. Dennoch wird den LeserInnen von Autorentexten und Textquellen bewusst, dass Geschichte nicht immer nur Konsens bedeutet.  
Dadurch, dass die Themenbereiche mehrheitlich in den gleichen Zeiträumen (20. Jahrhundert) betrachtet werden, hätten ausgewählte Aspekte der dargestellten Themenbereiche gut länderübergreifend und aus verschiedenen Blickwinkeln erforscht werden können (z.B. die Entstehung der beiden deutschen Staaten). Diese Möglichkeit wird im Buch so gut wie nie aufgegriffen und beispielsweise nicht über Aufgaben oder andere Arbeitsaufträge genutzt. Eine Ausnahme ist hier z.B. die Aufgabe auf Seite 18. Hier sollen die revolutionären Ausgangsbedingungen in Russland und Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht werden. Dessen ungeachtet kann durch die von den Autoren getroffene Auswahl und den Inhalt der unterschiedlichen Quellengattungen häufig dennoch ein multiperspektivischer Blick auf die Vergangenheit geworfen werden.
Die Darstellung im Band III genügt problemlos den fachlichen Standards. Sämtliche Quellen sind mit Herkunftsangaben versehen, Zitate, Anmerkungen und Verweise sind durchweg korrekt wiedergegeben und die Literaturangaben entsprechen den Gepflogenheiten der Fachwissenschaft.
Die Nähe zur fachwissenschaftlichen Aktualität des Bandes III zeigt sich durchweg in der verwendeten Literatur und den Beiträgen der Forschung in den Materialteilen. So sind die im Kapitel „Weiterführende Literatur“ angebotenen Werke immer wieder fester Bestandteil der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion (z.B. Joachim Fest, Staatsstreich, Berlin 1999, Ian Kershaw, Hitler, Stuttgart 2002, Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, München 2001, etc.).

Fazit
Auch wenn die Aspekte von Multiperspektivität und Kontroversität zwar deutlich indirekt vermittelt werden, bietet Horizonte III kaum Material, um diese selbst z.B. anhand von Aufgaben herauszuarbeiten. Dennoch überzeugt der Band durch seine sehr große Übersichtlichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Die thematische Anordnung der Kapitel gepaart mit der klaren Struktur, dem hohen Anteil an Quellen und Bildmaterial und den sehr treffenden Autorentexten verbinden Lesen und Lernen motivierend miteinander.
Die Eignung des Bandes für Projekt- oder Gruppenarbeit wird durch die Abwesenheit von konkreten Arbeitsvorschlägen zu diesen Methoden zwar erschwert, kann aber durch Eigeninitiative durchaus hergestellt werden.
Als Lese- und Lernbuch für die (selbständige) Vorbereitung auf die (zentrale) Abiturprüfung im Unterricht und zu Hause ist der Band III - unserer Meinung nach - gut geeignet.


Lizenz: CC BY-ND 4.0 Lizenz „Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ (CC BY-ND 4.0)


Info Zitation Ohlsen, Merle und Jens-Peter Rachau. Rezension zu: Horizonte III: Geschichte für die Oberstufe von Bahr, Frank (Hg.). Braunschweig: Westermann 2006, ISBN 978-3-14-110937-5, Edumeres 2009, https://edu-reviews.edumeres.net/rezensionen/rezension/ohlsen-merle-und-jens-peter-rachau/, zuletzt geprüft am 26.03.2024.