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Geschichte, Oberstufe, Gymnasium, Andere Schulart

Zeiten und Menschen 1

Zeiten und Menschen 1
Herausgegeben von Lendzian, Hans-Jürgen
Erschienen Paderborn: Schöningh, 2007
Seitenanzahl 595
ISBN 978-3-14-024970-6
Geeignet für Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen
Rezensiert von Schenk, Toralf (Wissenschaftler), 1. Januar 2009

Rezension von Schenk, Toralf (Wissenschaftler)


Einführung
Das Unterfangen, 2500 Jahre europäische Weltgeschichte in einem gesamten Lehrwerk festzuhalten, ist keineswegs neu. In chronologischer und übersichtlicher Form ist dies den Autoren des Oberstufenbandes „Zeiten und Menschen“ gelungen.
Das knapp 600 Seiten umfassende Schulbuch ist für den Einsatz in der Oberstufe konzipiert. Der Zuschnitt auf einen bestimmten Lehrplan ist nicht ausgewiesen. Allerdings behandelt der erste Band Themen, die in den Oberstufen-Curricula der meisten Bundesländer wiederzufinden sind. Das vorliegende Lehrwerk greift, der strikten Chronologie folgend, in zehn Kapiteln alle bekannten europazentrierten Geschichtsthemen von der Entwicklung der Demokratie in Athen bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges auf. Dies lässt bereits der Hardcovereinband erahnen, der neben dem Titel vier kleine typische Bilder unterschiedlicher Epochen von der Antike über das Mittelalter und die Renaissance bis zum Revolutionszeitalter zeigt. Doch nicht nur auf dem Einband, sondern im gesamten Lehrbuch finden sich in einer für Oberstufenklassen angemessenen Anzahl zahlreiche farbliche und sinnvoll ausgewählte Abbildungen wieder, die allerdings nicht immer optimal aufgelöst sind.
Dennoch tragen sie, ergänzt durch historische Karten und ein ausgewogenes Verhältnis von Autoren- und Quellentexten, zu einem präzisen und ansprechenden Gesamteindruck des Schulbuches bei.

Aufbau des Lehrwerkes
Das Inhaltsverzeichnis auf den Seiten drei bis sieben ist dank unterschiedlicher Schriftgrößen und teilweise auch -farben sowie durch eine tabellenartige Darstellungsweise schnell überschaubar. Neben dem Hauptkapitel werden lediglich die einzelnen Themen und Methoden benannt. Auf zahlreiche Unterthemen bzw. -kapitel wird an dieser Stelle verzichtet, was das Verzeichnis insgesamt leicht handhabbar erscheinen lässt.
Der Herausgeber und sein Autorenteam stellen sich dem Leser nicht vor. Den Schülerinnen und Schülern werden dennoch eingangs einige wichtige Hinweise zum Umgang mit dem Lehrwerk gegeben. Jedes Kapitel besteht aus sieben Teilen, die sich allerdings von Kapitel zu Kapitel in ihrem Umfang unterscheiden. Während das erste Kapitel zur „Demokratie im antiken Athen“ 36 Seiten umfasst, misst Kapitel sechs „Auf der Schwelle zur Moderne“ mit 84 Seiten mehr als doppelt so viel.
Eine gelb unterlegte Auftaktdoppelseite, auf der neben großen farbigen Abbildungen ein erster kurzer begleitender Textauszug zum Thema zu finden ist, steht am Anfang eines jeden Kapitels. Dieses Vorgehen ist schülerfreundlich, ohne aber den komplexen Charakter historischer Ereignisse zu vernachlässigen. Allerdings ist nicht immer eine zentrale Frage- und Problemstellung zu erkennen, die die Schülerinnen und Schüler zur Bearbeitung der folgenden Seiten animiert. Die einleitende Frage zum Kapitel „Herrschaft und Gesellschaft im Imperium Romanum“, „warum man sich mit dem alten Rom beschäftigen sollte und ob das alles nicht zu lang her sei“, erscheint sogar eher trivial als anregend für eine Oberstufe. Unübersichtlich und fast schon erschlagend wirkt lediglich die Auftaktdoppelseite zum neunten Kapitel „Das Deutsche Kaiserreich“. Hier hätten zwei Abbildungen genügt, um das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne zu verdeutlichen.
Nach der Auftaktseite folgt auf einer weiteren farblich unterlegten Doppelseite mit dem Titel „Auf einen Blick“ ein, wie der Name verspricht, Überblick über den Aufbau des Kapitels, in dem eine detaillierte Gliederung des Autorenteils gegeben wird, auf die im Inhaltsverzeichnis zu Recht verzichtet wurde. Zudem werden die vertiefend behandelten Themen, die vorgestellte Methode und das Diskussionsthema angekündigt. Dies ermöglicht den Schülerinnen und Schülern in der Stoffmenge des Lehrwerkes den Überblick zu wahren.
Im Anschluss an die Auftaktseiten findet sich Raum für einen umfangreichen Autorenteil, der jeweils etwa ein Drittel des Kapitels ausmacht. Dieser als „Info“ bezeichnete Abschnitt zur Information über ereignisgeschichtliche Zusammenhänge und historische Strukturen des Kapitelthemas dient dem Aufbau eines soliden Grund- und Orientierungswissens. Trotz der notwendigen Reduzierungen erfassen die Texte die wesentlichen Sachverhalte des vorgestellten historischen Zeitabschnittes. Das Sprachniveau und der Textumfang sind für die Zielgruppe angemessen.
Im weiteren Verlauf des Kapitels finden die Schülerinnen und Schüler blau markierte „Themen“, die sich auf vier bis acht Seiten vertiefend mit relevanten historischen Problemstellungen der jeweiligen Epoche beschäftigen, z.B. zum „bellum iustum – Das Problem der ‚Rechtfertigung’ von Kriegen“, zur „Entwicklung des Kreuzzugsgedankens im Mittelalter“ oder zur „Politischen Emanzipation und Partizipation der Frau“. Jedes Kapitel enthält zwischen zwei und fünf dieser Themen, die neben einem kurzen inhaltlichen Aufriss und einer Problematisierung vor allem Quellenmaterialien verschiedener Gattungen enthalten. Zudem werden die Themen durch Leitfragen inhaltlich strukturiert, die zur kritischen Auseinandersetzung mit den Materialien und zum vernetzenden Denken anregen. 
Um die Schülerinnen und Schüler mit historischer Forschung vertraut zu machen und damit sie erkennen können, dass Geschichte nicht allein die Rekonstruktion des Vergangenen, sondern auch Perspektivübernahme und die Wahrung von Multiperspektivität bedeutet, haben sie auf den grün gekennzeichneten „Forum“ Seiten eines jeden Kapitels die Möglichkeit, Einblicke in die Geschichtsforschung zu bekommen. Nach einem knappen Einführungstext wird ihnen mit Hilfe von Leitfragen das „Forum“ vertraut gemacht. Es folgen Arbeitsaufträge und Materialien. Darin kommen Historiker und Publizisten zu Wort, die sich kritisch und analytisch mit unterschiedlichen Standpunkten zum Thema auseinandersetzen. Für die Schülerinnen und Schüler eröffnet sich damit die Teilnahme an historisch-politischen Urteilen. Auf diesem Weg können sie zu einem historischen begründeten Sach- und Werturteil gelangen und ihren eigenen Standpunkt formulieren, nachdem sie verschiedene Perspektiven zum Thema kennen gelernt haben.  
Mit Ausnahme von Kapitel zwei und vier umfasst jedes Kapitel eine gelb gerahmte Methodenseite. Sie ermöglicht dem Leser den fachbezogenen Umgang mit ausgewählten Methoden des historischen Lernens, wie z.B. das Interpretieren von Fotos, Postkarten oder Gemälden. Zudem befinden sich am Ende des Buches auf den Seiten 560-575 Informationen über Basiskompetenzen und -methoden, die über die Spezifika des Faches Geschichte hinausreichen und der wissenschaftlichen Propädeutik zugehörig sind.
Am Ende eines jeden Kapitels befinden sich auf zwei bis drei beige unterlegten Seiten eine Zusammenfassung mit den wichtigen Kernbegriffen des Kapitels und vernetzende Aufgabenstellungen zum Inhalt der „Info-“ oder „Forum-“ Abschnitte. An dieser Stelle bietet sich den Schülerinnen und Schülern auch die Möglichkeit zum Klausurtraining. In gegliederter Form und unter verschiedenen Aufgabenstellungen können sie sich je nach Kapitel entweder mit einer historischen Quelle oder wissenschaftlicher Sekundärliteratur auseinandersetzen.
Neben den zehn Kapiteln und dem Basismodul zum Methodenlernen folgen auf den Seiten 576-590 ein Glossar mit den in den Zusammenfassungen verzeichneten Kernbegriffen, und auf den Seiten 591-595 ein Personen- und Sachregister. Die letzte Seite des Schulbuches gehört den Bildnachweisen.

Methodisch-didaktischer Kommentar
Durch den sich wiederholenden klar strukturierten Aufbau aller Kapitel, die inhaltliche Gliederung in Unterkapitel und deren farbliche Absetzung bietet das Schulbuch eine geeignete Arbeitsgrundlage für die selbstständige Schülerarbeit. „Zeiten und Menschen“ ist somit nicht nur ein Lehrwerk für den lehrerzentrierten Unterricht, sondern eignet sich vielmehr als Arbeitsbuch für schülerzentriertes Lernen. Zudem ist es aber auch ein Nachschlagewerk und Lexikon, das sich zum Wiederholen und Üben eignet. Vor allem die „Info“-Abschnitte setzen auf die selbstständige Schülerarbeit, weil sie durch Zwischenüberschriften, überschaubare Unterkapitel, ansprechende Bildmaterialien und sinnvoll verwandte Marginalien den Leser sicher durch die Geschichte leiten. Die „Themen“- Abschnitte eigenen sich zwar auch zur eigenständigen Bearbeitung, allerdings sollte die Diskussion der zentralen Leitfrage durch den Dialog innerhalb der Lerngruppe geschehen. Dies trifft auch für das „Forum“ zu, da historische Urteilsbildung den Austausch über verschiedene Perspektiven voraussetzt. Insgesamt eignen sich beide Abschnitte hervorragend zur Verwirklichung kooperativen Lernens im Geschichtsunterricht, da ausgehend von einer gemeinsamen Leitfrage unterschiedliche Materialien unter verschiedenen Aufgabenstellungen bearbeitet werden können, bevor abschließend die Leitfrage im Plenum ausgewertet und diskutiert wird.
Dazu bieten auch die ausgewählten Materialien eine solide Arbeitsgrundlage. Sowohl die Auswahl als auch die Wiedergabe der Quellen überzeugt, sie decken ein breites Spektrum an Bildern und Texten ab. Aufgrund von Kürzungen erweisen sich die Quellen in ihrem Umfang als dem Oberstufenniveau angemessen, ohne jedoch das Verständnis und den Schwierigkeitsgrad der Quelle zu beeinträchtigen. Im „Themen“-Abschnitt wurden die Materialien hilfreich mit Zeilenzahlen versehen und nummeriert, worauf im „Info“-Abschnitt allerdings verzichtet wurde. Dies beeinträchtigt vor allem den Umgang mit den Bild- und Kartenmaterialien im Autorentext.
Aufgabenstellungen findet man lediglich zu Beginn eines jeden „Themen“-Abschnitts. Auch wenn jedes Kapitel über eine Leitfrage verfügt, so hätten sowohl für den Informationsabschnitt als auch für den Materialteil mehr Aufgabenstellungen gefunden werden können, ohne dabei jedoch der Kleinschrittigkeit zu verfallen.
Die Formulierungen der Aufgabenstellungen sind konventionell und decken nahezu alle drei Anforderungsbereiche ab, wobei der Schwerpunkt jedoch auf der Reproduktion und Rekonstruktion von Gelerntem liegt. Auf den Konstruktionscharakter wird weitgehend verzichtet. So hätten häufiger Aufforderungen zu interaktiven Lernspielen, Gesprächsforen oder außerschulischen Lernarrangements erfolgen können. Die Aufgabenstellungen bedienen jedoch ein breites Spektrum an Handlungsaufforderungen, die zudem auf den Methodenseiten S. 570f erklärt werden. Deren Bewältigung verlangt von den Schülerinnen und Schülern neben methodisch-analytischer Kompetenz vor allem auch Deutungs- und Urteilskompetenz.

Fazit
Insgesamt überzeugt die neue Ausgabe des Oberstufenbandes „Zeiten und Menschen“ vom Schöningh Verlag. Dem Herausgeber und den Autoren ist ein umfangreiches, gut strukturiertes und inhaltlich ansprechend aufbereitetes Schulbuch gelungen, das als Arbeitsbuch vor allem Wert auf die Schülerselbsttätigkeit bei der Erarbeitung legt. Sowohl dieser Aspekt als auch die didaktisch sinnvoll berücksichtigten Konzepte der Multiperspektivität und der Kontroversität prägen das Schulbuch im besonderen Maße.