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Sozialkunde / Politik, Oberstufe, Gymnasium, Gesamtschule

Dialog Sowi 2

Dialog Sowi 2
Herausgegeben von Stiller, Edwin
Erschienen Bamberg: C. C. Buchner, 2005
Seitenanzahl 552
ISBN 978-3-7661-6832-0
Geeignet für Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
Rezensiert von Schenk, Toralf (Lehrer), 1. Januar 2009

Rezension von Schenk, Toralf (Lehrer)


Einleitung
Die Autorinnen und Autoren des Lehrbuches „Dialog sowi 2“ haben langjährige Unterrichtserfahrung und sind zudem seit vielen Jahren in der Lehrerausbildung, Lehrerfortbildung und fachdidaktischen Konzeptentwicklung tätig.
Der Herausgeber Edwin Stiller ist ein renommierter Autor im Bereich der Sozialwissenschaften. Seit fast drei Jahrzehnten publiziert er und ist Herausgeber der Schulbuchreihe „Dialog sowi“ beim Buchner Verlag.
Beim Unterrichtswerk für Sozialwissenschaften „dialog sowi 2“ handelt es sich um ein Arbeitsbuch für die gymnasiale Oberstufe. Die Leitdisziplinen Ökonomie (Kapitel 1-3), Soziologie (Kapitel 4 und 5) und Politologie (Kapitel 6) sind inhaltlich gleichberechtigt im Buch vertreten und werden durch die stark interdisziplinär ausgerichteten Kapitel zu den internationalen Themen „Europa“ (Kapitel 7) und „Krieg und Frieden“ (Kapitel 8) ergänzt. Das Kapitel 9 zum Thema „Menschenrechte“ reorganisiert alle Inhalte der Qualifikationsphase und bereitet auf die Abiturprüfung vor. Zudem legt das Lehrwerk einen besonderen Schwerpunkt auf das methodische Rüstzeug für eigenständiges Lernen.

Zur Konzeption und zum Aufbau des Lehrwerkes
Das Schulbuch umfasst insgesamt 552 Seiten mit meist farbigen Abbildungen im Hochglanzdruck. Der Hardcovereinband verspricht eine lange Haltbarkeit,  jedoch wird sich das Buch auf Grund seines Umfanges und seines Gewichtes von über einem Kilogramm beim Schüler nicht großer Beliebtheit erfreuen. Dieser Nachteil ergibt sich allerdings zwangsläufig bei den Bestrebungen ein kompaktes Unterrichtswerk für die gesamte Oberstufe zu veröffentlichen.   
Zur besseren Orientierung sind die neun Themenbereiche mit Hilfe von kleinen eher spielerisch wirkenden Symbolen in der oberen Ecke einer jeden Seite versehen. Trotz dieser Hilfestellung wirkt das Lehrbuch auf den Leser nicht nur im ersten Moment erschlagend und unübersichtlich. Verstärkt wird diese Wahrnehmung durch die vorangestellte Gliederung, die mit acht Seiten nicht nur sehr lang ausfällt, sondern mit Ausnahme der ersten Gliederungsebene auf Nummerierungen vollständig verzichtet. Auch wenn die Unterkapitel jedem Themenbereich angepasst sind, so erscheint die Vielzahl der Teilüberschriften als zu kleinschrittig.
Dies zeigt sich auch in der Seitengestaltung des Lehrwerkes, die insgesamt überladen wirkt. Zum Beispiel wären bei längeren Textpassagen, vgl. dazu S. 64-68 oder S. 445-446, breitere Ränder angebracht, die ggf. auch Raum für Marginalien geboten hätten. Hilfreich wiederum sind die Zeilenmarkierungen, die einen schnellen Textbezug bei der Arbeit am Material zulassen.
Die verwandten Materialien stammen von renommierten Instituten oder Verlagen, wie dem Erich Schmidt Verlag, dem Statistischen Bundesamt oder überregionalen Zeitungen, und sind mehrheitlich ansprechend und aussagestark. Allerdings sind sie nicht immer aktuell, was wohlweislich bei Lehrwerken zur politisch-ökonomischen Bildung nur schwer möglich ist. Allerdings sollten Grafiken wie z.B. auf S. 53 zur Arbeitslosigkeit das Jahr 1997 nicht mit einer Schätzung bedienen, was darauf schließen lässt, dass diese Abbildung bereits zum Druck annährend 10 Jahre alt war. Auch Abbildungen erscheinen teilweise nicht mehr zeitgemäß (S. 272 oder S. 306f.). Der Leser vermisst ebenfalls eine Nummerierung der Abbildungen, was die Arbeit und den Überblick für Schüler und Lehrkräfte erleichtert hätte. Ob alle Abbildungen immer das Niveau der Sekundarstufe II bedienen, ist zu hinterfragen. So erscheinen beispielsweise die „Panzerknacker“ von Walt Disney auf S. 229 oder das Bild des Sozialstaates auf S. 240 nicht unbedingt altersgemäß. 
Dem Lehrwerk fehlt es insgesamt an Frische und einem modernen klar strukturiertem Layout. Vielmehr wirkt es nicht zuletzt aufgrund seines Umfanges und Gewichtes schwerfällig und überfrachtet, so dass ihm eher der Status eines Materialbandes denn eines Arbeitsbuches zukommt. So sprengen beispielsweise vier Grafiken, eine Karikatur, ein Autorentext und Zeitungsmeldungen aus der Wirtschaftswoche auf einer Doppelseite den Rahmen (vgl. S. 54f.). Unübersichtlich wiederum zeigt sich das Lehrwerk auch auf der Doppelseite 246f, auf der drei Themenbereiche angesprochen werden. Neben der Methodeninformation zum „Sozialstaatsquiz“, die sich ungünstig getrennt über beide Seiten erstreckt, befinden sich noch Grafiken und Aufgabenstellungen zum Unterkapitel des deutschen Sozialstaatsmodells aber bereits auch schon ein Sachtext von Ulrich Beck zum Sozialhilfeabbau in den USA.
Dennoch bietet dialog sowi 2  auch Ansätze für einen modernen Unterricht. Dazu tragen vor allem die Methodenseiten bei. Über 30 verschiedene Makro- und Mikromethoden der politisch-ökonomischen Bildung, die sich konkret auf Materialien aus dem Lehrwerk beziehen, werden dem Lernen übersichtlich und präzise vorgestellt. Allerdings hätten diese Methoden auch bei den Aufgabenstellungen häufiger Anwendung finden können.
Am Ende des Lehrwerkes sind drei Verzeichnisse angeführt. Ein präzises Glossar zu den wichtigsten Grundbegriffen der politisch-ökonomischen Bildung bietet dem Nutzer auf den Seiten 535-545 einen schnellen Überblick. Ebenso ermöglicht das Sach- und Personenregister auf den folgenden sieben Seiten einen schnellen Zugriff, was dem Lehrwerk bedingt auch die Funktion eines Nachschlagewerkes zukommen lässt. Mit einem separaten Methodenregister auf Seite 552 schließt das Lehrbuch. Hinweise für weiterführende Literatur hätten dieses Verzeichnis noch ergänzen können.
Außerdem sei auf den direkten Kontakt zum Autorenteam durch die begleitende Website www.dialog-sowi.de verwiesen. Hier trifft der Leser parallel zum Schulbuchwerk auf ein Online-Lehrerhandbuch, in dem Ergänzungsmaterialien, Lösungsschlüssel, Linklisten und ein Forum zu finden sind. Sie stellen dem Internetnutzer fachdidaktische und fachmethodische Ideen vor und bieten zu speziellen aktuellen Fragen unterrichtspraktische Hilfen an.

Methodisch-didaktische Aspekte
Das Vorwort des Lehrwerkes setzt mit einem Zitat des Sozialwissenschaftlers Anthony Giddens ein, indem er auf eine unruhige und zugleich verheißungsvolle Zukunft einer sich wandelnden Welt verweist. Um in dieser Welt verantwortungsbewusst leben und diese mitgestalten zu können, sind vielfältige Kompetenzen vonnöten. Nicht nur das Wissen über wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Zusammenhänge, sondern auch die Fähigkeit angemessen und sachgerecht zu argumentieren, aufzutreten, Kompromisse auszuhandeln, Koalitionen zu schmieden oder eingeholte Informationen auszuwerten sind in einer zunehmend komplexeren und schier unübersichtlicheren Welt[1] wichtig. Die Autoren bescheinigen dem Buch auf diese Kompetenzen einzugehen.
Ausgehend von dem Zitat Giddens` stehen gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Fragen und Herausforderungen im Mittelpunkt der Abhandlungen und Darstellungen, die zukunftsperspektivisch sind, ohne aber den Blick in die Vergangenheit zu vernachlässigen. Da Fragen Antworten zur Folge haben, ergibt sich daraus ein Dialog, in dessen Auseinandersetzung oftmals erst die eigentlichen Probleme und Kontroversen sichtbar werden. Aus diesem Grund ist das Lehrwerk nicht zuletzt des Titels wegen als Dialog zu verstehen. Der Dialogcharakter kommt in allen Kapiteln zum Tragen.
Im ersten Schritt der „Annäherung und Planung“ wird das Problemfeld abgesteckt. Danach folgen Grundlagen- und Vertiefungsbausteine zur Auseinandersetzung mit der Problematik, ergänzt um eine Vielzahl von inhaltsbezogenen Methodenübungen, nicht zuletzt um sich den abschließenden Kontroversen zur Thematik stellen zu können. Dieses Vorgehen ist zu begrüßen und spiegelt den Anspruch auf Kontroversität, Diskursivität und Problemorientierung wider. Allerdings hätte sich dies auch in den Titeln der Kapitel und in den Unterkapiteln wieder finden müssen, um den fragenden Charakter, den das Lehrwerk nach eigenen Angaben verfolgt, noch deutlicher zu versinnbildlichen. Lediglich das dritte und fünfte Kapitel „Globalisierung – weltweiter Wohlstand für alle?“ und „Lebensgestaltung im 21. Jahrhundert – grenzenlose Freiheit und Gleichheit?“ laden mit ihren Fragestellungen von Beginn an zum Dialog ein, auch wenn sie um die Verbspitzenstellung hätten ergänzt werden können, um dem Kernproblem des Themenbereiches mehr Aufmerksamkeit abzugewinnen. Dieses Vorgehen hätte bei allen Kapiteln Berücksichtigung finden können. Idealerweise würde dann die Beantwortung der Teilfragen im jeweiligen Unterkapitel der „Kontroverse“ zur Stellungnahme gegenüber dem gesamten Kapitel führen.

Aufgabenstellungen
Die Aufgabenstellungen befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Materialien, sowohl am Beginn eines Kapitels im Bezug auf die Abbildung als auch direkt im Anschluss an Grafiken, Fach- oder Autorentexte. Dies erleichtert dem Nutzer die Handhabung und verhindert langes und umständliches Blättern. Die Farbgebung ist auf die Aufgabennummern und -ränder der Kapitel abgestimmt, wie auch die Farbwahl der Überschriften und Methodenseiten. Dies dient der besseren Orientierung.
Die Aufgabenstellungen bedienen alle Schwierigkeitsstufen: Reproduktion, Rekonstruktion und Konstruktion bzw. Reflexion von Gelerntem. Damit sind sie einerseits sehr stark am Material orientiert, indem Informationen direkt entnommen oder übertragen werden müssen. Andererseits wird der Schüler veranlasst sich mit einzelnen Textpassagen oder Details auseinanderzusetzen. Diese materialgebundenen Aufgaben dominieren die Aufgabenstellungen. Offene und kreative Aufgabenstellungen geraten dabei ins Hintertreffen. Gerade vor dem Hintergrund des Anspruchs an die Schülerinnen und Schüler nicht nur politisch analysieren und beurteilen, sondern auch handeln zu können, besteht ein wesentlicher Mangel in der Aufgabenkultur des Lehrbuches. Damit kann auch dem Selbstanspruch des Werkes, politische Handlungskompetenz auszubilden, nicht im vollen Umfang entsprochen werden.
Ein Grund dafür liegt in der nicht immer einheitlichen und nachvollziehbaren Aufgabenformulierung. So stehen „W-Fragen“ als reine Reproduktionsaufgaben gleichberechtigt neben treffenden Operatoren, die den Schülerinnen und Schülern als konkrete Handlungsaufforderungen dienen. Dies führt zudem zu erheblichen Niveauunterschieden bei der Auseinandersetzung und Bearbeitung der Arbeitsaufträge. Orientiert an den einheitlichen Prüfungsanforderungen, die eine Berücksichtigung aller Niveaustufen fordern, hätten die Aufgabenformulierungen angeglichen werden müssen.

Fazit
Insgesamt erhebt das Buch den Anspruch, bewährte und innovative Themen, Inhalte und Methoden, Person und Sache, alte und neue Medien zu verbinden. Dies ist, trotz Mängeln und Schwächen in der Darstellung, gelungen. Die Ambition mit Hilfe dieses Unterrichtswerkes sozialwissenschaftliches Orientierungswissen, wissenschaftspropädeutische Grundqualifikationen, soziale, ökonomische und politische Handlungskompetenz und das methodische Rüstzeug für eigenständiges Lernen zu vermitteln, ist hoch gesetzt, wurde jedoch weitgehend verwirklicht, vor allem dann, wenn das Lehrwerk als Arbeitsband angesehen wird. Letztendlich entscheiden die Unterrichtsgestaltung, die Lehrperson und der gezielte Einsatz des Buches darüber, ob der Lerner dazu befähigt wird, die benannten Kompetenzen im Unterricht zu erwerben.
Seinem Titel Dialog wird das Lehrbuch gerecht, da es die Beteiligung an aktuellen sozialwissenschaftlichen Debatten, an kritisch-kontroversen Diskussionen sowie die eigene Urteilsbildung ermöglicht.

 


[1] Vgl. dazu Ulrich Sarcinelli: Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft: Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Opladen 1998.