Geschichte, 9./10. Schuljahr, Gymnasium
Forum Geschichte Bd. 4
Herausgegeben von | Hofmeier, Franz und Hans-Otto Regenhardt |
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Erschienen | Berlin: Cornelsen, 2007 |
Seitenanzahl | 231 |
ISBN | 978-3-464-64434-8 |
Geeignet für | Bayern |
Rezensiert von | Schmid, Alexandra (Studentin), 24. Februar 2012 |
Projekt | Universität Regensburg, Wintersemester 2011/12 |
Rezension von Schmid, Alexandra (Studentin)
Einleitung
Der vierte Band des Geschichtslehrwerkes „Forum Geschichte“ ist für die 9. Klasse an Gymnasien in Bayern konzipiert. Das Lehrbuch stimmt größtenteils mit dem bayerischen Lehrplan überein. Nur das erste Themengebiet über die Weimarer Republik fehlt. Dies ist bedingt durch die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium in Bayern. Ein zusätzlicher Teilband übernimmt das Kapitel „Die Weimarer Republik“ aus Band 3 und ist für Klassen geeignet, die aufgrund des G8-Lehrplans das Thema nicht mehr am Ende der 8., sondern zu Beginn der 9. Jahrgangsstufe behandeln. Zusätzlich gibt es einen Lehrerband mit Handreichungen für den Unterricht, Kopiervorlagen und einer CD-ROM. Die vorliegende Rezension beschränkt sich auf das Hauptlehrwerk „Forum Geschichte Band 4: Vom Ende der Weimarer Republik bis in die 1960er Jahre“.
Das Schulbuch umfasst 232 Seiten und ist mit einem Hardcover-Einband versehen. Das Motiv des Einbandes stellt das Ölgemälde „Der Eiserne Steg“ von Max Beckmann dar und zeigt die industrialisierte Stadt Frankfurt am Main. Das Umschlagbild eines „modernen Großstadtbetriebs“ scheint bezüglich der Schwerpunktgebiete, die in diesem Schulbuch behandelt werden (totalitäre Herrschaftssysteme in Europa, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Blockbildung und Kalter Krieg) eher unpassend.
Positiv ist die chronologische Zeittabelle zu bewerten, die sich auf der Einbandinnenseite befindet. Wenn auch sehr einfach gehalten, liefert sie eine gute Überblicksdarstellung, auf die die Schülerinnen und Schüler während des ganzen Schuljahres zurückgreifen und sich orientieren können.
Aufbau und Konzept
Das Inhaltsverzeichnis dieses Schulbuches ist übersichtlich und gut strukturiert. Die vier Hauptthemengebiete werden durch größere Schriftart, Teilüberschriften und durch Fettdruck hervorgehoben. Zusätzlich werden Seiten, die eine Vertiefung laut Lehrplan darstellen, mit einem roten Kreuz gekennzeichnet. Wünschenswert wäre allerdings, dass Sonderseiten wie Methodenseiten bereits im Inhaltsverzeichnis durch unterschiedliche Farben besser hervorgehoben würden. Im Text selbst erkennt man die Themenseiten anhand eines gelben, Sonderseiten anhand eines blauen Balkens am oberen Seitenrand. Auch hier wäre eine größere Palette an Farbvariationen zum besseren Überblick hilfreich.
Nach dem Inhaltsverzeichnis findet der Leser die Doppelseite „So arbeitest du mit diesem Buch“. Darin stellen die Autoren ihr Konzept vor. Sie schafft durch die direkte Ansprache den persönlichen Bezug zu den Schülerinnen und Schülern. Die im Lehrwerk verwendeten Symbole werden erläutert und durch bebilderte Beispiele wird der Aufbau des Buches für die Schülerinnen und Schüler leicht verständlich. Zum Einstieg jedes Kapitel findet man eine ansprechend illustrierte Auftaktdoppelseite, die mit Bildquellen, einem Darstellungstext und teils schriftlichen Quellen zum Thema hinführt und die Schülerinnen und Schüler zu einer ersten Diskussion einlädt. Abgeschlossen werden die einzelnen Themenblöcke mit der Doppelseite „Zusammenfassung“, die eine Zeitleiste mit den behandelten geschichtlichen Ereignissen enthält. Lobenswert ist, dass auch auf diesen Seiten Materialien einbezogen werden. Im rechten Teil der Doppelseite finden sich zwei Kästen mit Grundwissen und Methoden, die im jeweiligen Kapitel gelernt wurden. Am Ende des Buches bietet das Lehrwerk zu jedem der vier Themengebiete eine sogenannte „So kannst du dein Wissen überprüfen“-Seite. Hier kann der oder die Lernende sein Wissen nach Abschluss eines Kapitels testen. Da diese Seiten für das Selbststudium gedacht sind, wären Lösungsvorschläge für die Schülerinnen und Schüler hilfreich gewesen.
Darüber hinaus wurden Grundwissensseiten aus den Bänden 1 bis 4 beigegeben, die eine gute Übersicht über den Stoff der vorherigen Schuljahre einschließlich der 9. Klasse geben. Da aber in den Bänden 1 und 2 die Antike und das Mittelalter behandelt werden, scheint der Bezug zu Themengebieten der 9. Jahrgangsstufe etwas schwer nachzuvollziehen. Viel sinnvoller sind dagegen die anschließenden Methodenseiten, die erlernte Methoden aus den gesamten vier Jahrgängen wieder aufnehmen. Sie zeigen Arbeitstechniken, die grundlegende Kompetenzen fördern sollen, egal welches Themengebiet gerade behandelt wird. Beim Lexikon am Ende des Buches ist erneut anzumerken, dass die Darstellung durchaus übersichtlicher sein könnte. Fachbegriffe sind lediglich durch Fettdruck von der jeweiligen Definition hervorgehoben.
Autorentext und Materialien
Jedes Einzelkapitel beginnt mit einem Darstellungstext, der den Schülerinnen und Schülern laut Autoren „einen Überblick über das Thema“ vermittelt. Am Beispiel des Abschnittes „Weltanschauung der Nationalsozialisten“ (S. 44) kann man in der Tat feststellen, dass die Autoren bemüht sind, in verständlicher Sprache eine Hinführung zum Thema zu bieten. Die Sätze sind nicht zu lang, auf überfordernde Fachterminologie wird verzichtet. Am Ende jeder Doppelseite stehen Arbeitsfragen. Neue Begriffe werden entweder in den Grundwissenskästchen auf derselben Seite oder, falls mit einem Stern gekennzeichnet, im Lexikon erklärt.
Die Autoren schreiben in einem neutralen, wertfreien Stil. Sie geben den Schülerinnen und Schülern im Materialteil die Möglichkeit, plurale Perspektiven zu einem Thema zu berücksichtigen. Als Beispiel seien hier die verschiedenen Ansichten bezüglich der Jugendorganisationen im Dritten Reich genannt (vgl. S. 63). Mit der Auswahl solcher Quellen wird deutlich, dass die Autoren in ihrem Buch großen Wert auf Multiperspektivität legen. Trotz der guten Inhalte muss allerdings betont werden, dass der Materialteil im Hinblick auf die Darstellungsweise nicht überzeugt. Alle Quellen und Materialien sind nur mit dem Buchstaben M gekennzeichnet. Man unterscheidet nicht zwischen echten Textquellen und Darstellungstext, denn jedes Textmaterial ist einheitlich mit blauer Schrift gedruckt und gelb hinterlegt (siehe z.B. S. 46/M7 und S. 48/M11 und M12). Die verwendeten Quellen werden aber durchgehend gründlich mit Literaturangaben nachgewiesen.
Bei Bildquellen wird insbesondere auf Bildunterschriften mit kurzen Erklärungen Wert gelegt. Alles in allem fällt auf, dass die Autoren ihren Schwerpunkt in diesem Buch auf Material- bzw. Quellenarbeit legen, da diese den Darstellungstext quantitativ überragt (vgl. S. 62-65, einer Darstellung folgen elf Materialien). Plakate, Fotos, Grafiken, Tabellen, Zeitzeugenberichte und Lieder - der Materialteil ist mit vielfältigsten Quellengattungen vertreten. Diese bilden den Hauptbestandteil einer Themeneinheit. Der Darstellungstext dient mehr als Hinführung zum Thema oder gibt einen Überblick über geschichtliche Ereignisse. Das heißt, erst nach Erschließung und Behandlung des Materialteils wird die Themeneinheit für die Schülerinnen und Schüler wirklich transparent.
Aufgabenstellung
Die im Anschluss zu bearbeitenden Aufgaben am Ende einer Themeneinheit sind meist kurz und prägnant gestellt. Da die Arbeitsanweisungen ausschließlich mithilfe von Operatoren gestellt werden, sind sie auf recht hohem Niveau gehalten, was die Schülerinnen und Schüler zu kritischer Quellenanalyse anregt. In der Regel verweisen die Arbeitsaufträge direkt auf die vorangegangenen Materialien, manchmal auch auf den Darstellungstext. Teilweise erkennt man eine bestimmte Systematik bei der Aufgabenstellung: Bei den ersten beiden Aufgaben ist von den Schülerinnen und Schülern oft Rekonstruktionsarbeit gefordert (z.B. beschreibe, zeige, S. 103 und 121). Anschließend folgt Transferarbeit (z.B. erkläre, analysiere, S. 167). Daraufhin kommt eine Reihe von Aufgaben, die kritische Urteilsbildung zum Ziel haben (z.B. erörtere, diskutiere, S. 171). Positiv ist anzumerken, dass häufig die Arbeit in verschiedenen Sozialformen (z.B. Partnerarbeit, S. 171 oder Klassendiskussion, S. 155) initiiert wird, was die Kommunikation innerhalb der Klasse fördern dürfte. Des Weiteren wird der oder die Lernende manchmal dazu aufgefordert, bestimmte fachspezifische Methoden zur Beantwortung einer Frage einzusetzen (z.B. analysiere mithilfe der Methode, S. 65/8 und S. 183/1). Dadurch wird ein vertiefter Erwerb von Methodenkompetenz gefördert. Wenn möglich, werden die Arbeitsaufträge auch mit aktuellen Ereignissen verknüpft, wie auf S. 127 bei Frage 4 deutlich wird. Vom Verhältnis zwischen Israel und Deutschland in den 1950er Jahren ausgehend, sollen die Schülerinnen und Schüler die heutigen Beziehungen der beiden Länder mithilfe von Zeitungsartikeln untersuchen. Als Ausgangspunkt dient eine aktuelle Quelle (M4). Das Buch bietet demnach ansatzweise auch Gegenwartsbezüge.
Fachdidaktische Kriterien
Speziell durch schriftliche Quellen versuchen die Autoren in ihrem Lehrwerk das didaktische Prinzip der Multiperspektivität zu berücksichtigen. Dies gelingt ihnen in jedem der vier Kapitel. Beispiele sind u.a. Ansichten über die landwirtschaftliche Lage Palästinas, die aus israelischer und palästinensischer Sicht beurteilt wird (S. 168f., M3 und M5) oder die
unterschiedliche Urteile in beiden deutschen Staaten in Bezug auf den Arbeiteraufstand vom 17. Juni in der DDR (S. 122f., M3 und M5). Diese Multiperspektivität der Quellen öffnet den Schülerinnen und Schülern ein differenziertes Geschichtsbild aus verschiedenen Blickwinkeln.
Ansätze von Kontroversität finden sich in Forum Geschichte weniger. Die Thematisierung kontroverser Ansichten erfolgt im Darstellungsteil kaum. Im Materialteil findet man zwar öfter eine Beurteilung durch verschiedene Historiker: So erklärt der Historiker Bernd Stöver die Entstehung des Kalten Krieges (Bsp.: S. 141/M4), Wilfried Loth diskutiert die Vermeidbarkeit des Kalten Krieges (S. 144/M6) und Elmar Krautkrämer bringt den Ausbruch des jüdisch-arabischen Konflikts näher (M6, S. 169). Eine konträre Gegenüberstellung unterschiedlicher Historikerurteile ist jedoch kaum zu finden.
Hervorzuheben ist, dass die Experten den aktuellen Stand der Forschung wiedergeben. Keine der eben genannten Materialien sind vor dem Jahr 2000 veröffentlich worden. Somit stellt „Forum Geschichte 4“ einmal mehr seine Aktualität unter Beweis.
In einem letzten Punkt soll auf die zahlreichen Angebote des Lehrwerks hingewiesen werden, die Empathie ermöglichen. Es gelingt nämlich den Autoren außerordentlich gut – besonders in der Auswahl der visuellen Quellen – bei den Schülerinnen und Schülern Emotionen hervorzurufen. So helfen ergreifende Bilder, wie das der deutschen Flüchtlinge aus Polen (S. 98/M1) oder das des abgemagerten Überlebenden eines KZs (S. 85/M3), aus Geschichte zu lernen. Mitunter werden auch grausame und „blutige“ Bilder miteinbezogen (z.B. Hinrichtungen in Minsk, S. 73/M7 oder das Oktoberfestattentat, S. 94/M6). Wenn diese auch umstritten sind, so tragen sie dennoch zur Schaffung eines Geschichtsbewusstseins bei den Schülerinnen und Schülern bei.
Fazit
Abschließend lässt sich ein positiver Gesamteindruck von „Forum Geschichte 4“ feststellen. Wenn das Schulbuch auch nicht sofort durch ein ansprechendes oder verständliches Layout überzeugt, so erkennt man doch bei näherem Hinsehen eine klare Struktur, bei der auf unnötige Ausschmückungen verzichtet wird. Diese wird spätestens nach der Vorstellung des Konzepts der Autoren (S. 6-7) deutlich. Verständliche Autorentexte, vielseitige und illustrative Materialien mit den unterschiedlichsten Aufgabenstellungen ermöglichen einen abwechslungsreichen Unterricht. Die didaktische Konzeption wird nicht zuletzt durch das umfangreiche Materialangebot unterstützt, das einen schülerorientierten und quellengestützten Unterricht ermöglicht. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das Erlernen von Methoden, das die Schülerinnen und Schüler zum selbständigen Arbeiten anleitet. „Forum Geschichte 4“ ist ein modernes, gut aufbereitetes Schulbuch, das für die 9. Jahrgangsstufe durchaus zu empfehlen ist.