Geschichte, Erdkunde, Sozialkunde / Politik, 5./6. Schuljahr, Hauptschule, Gesamtschule, Realschule, Gymnasium, Andere Schulart
Trio. Geschichtlich-soziale Weltkunde. 5./6. Schuljahr
Herausgegeben von | Brinkmann, Marc et al. |
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Erschienen | Braunschweig: Schroedel, 2004 |
Seitenanzahl | 288 |
ISBN | 978-3-507-36047-1 |
Geeignet für | Bremen, Niedersachsen |
Rezensiert von | Stöber, Georg (Wissenschaftler), 1. März 2005 |
Rezension von Stöber, Georg (Wissenschaftler)
Der Band ist vom Verlag zum Gebrauch in Hauptschulen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorgesehen. (Zum Zeitpunkt der Rezension stand eine endgültige Zulassung noch aus.) Thematisch entspricht der Band im Wesentlichen den curricularen Vorgaben des niedersächsischen Kultusministeriums für die Fächer Geschichte und Geographie aus dem Jahre 2004* nach der Abkehr von Orientierungsstufe und integrierter Welt- und Umweltkunde. So sind Geschichte und Geographie hier zwar in einem Buch vereint, werden aber als getrennte Fächer eingeführt und behandelt. Dennoch ergeben sich Synergieeffekte durch gelegentliche Verweise, die, da sie nicht auf ein anderes Fach hinweisen, sondern auf Kapitel im selben Buch, viel eindeutiger und einfacher nachzuvollziehen sind. Positiv fällt zudem auf, dass die beiden Teile nicht auseinanderfallen, sondern das Buch in Gestaltung und Methodik einen guten, einheitlichen Eindruck vermittelt.
Die ersten fünf Unterrichtseinheiten sind der Geschichte gewidmet: "Schritt für Schritt zurück in die Geschichte" führt ein in historisches Denken und geht dabei von den Lernenden (unterschiedlicher Herkunft!) selbst aus. "Leben in vorgeschichtlicher Zeit" stellt die veränderten Lebensbedingungen in Altsteinzeit, Neolithikum und Bronzezeit dar. "Ägypten, eine frühe Hochkultur" thematisiert Gesellschaftsstrukturen, Glaubensformen und Lebensweise am Nil. Die Unterrichtseinheit "Römisches Reich" geht ein auf Aspekte römischen Lebens, aber auch auf die Germanen und ihr Verhältnis zu Rom. "Mittelalter - Leben auf dem Land und in der Stadt" schließlich stellt die mittelalterliche Gesellschaftsstruktur und das Leben auf Burg, in Land und Stadt vor. Die alltagsgeschichtliche Orientierung ist sicherlich der Lerngruppe angemessen. Ein Problem, das sich bei diesem (auch vom Lehrplan vorgesehenen) Vorgehen einstellt, kann auch dieses Buch nicht ganz vermeiden: Die Hinwendung zu Strukturen und die Generalisierung über ganze Epochen hinweg macht Entwicklungen unsichtbar; es wird oft nicht deutlich, dass sich diese Strukturen erst herausbilden mussten und sich auch innerhalb der Epochen (weiter-)entwickelten. Die Diachronie der Geschichte tritt (trotz Zeitleisten) zugunsten einer für den Lernenden fassbaren und eingängigen synchronisierenden Darstellung in den Hintergrund. Das ist jedoch ein allgemeines Problem des Ansatzes, nicht oder nur bedingt den Autoren anzulasten und zugunsten der Verständlichkeit hier wohl in Kauf zu nehmen. Auch auf die "großen Namen" und auf (nationale) Mythen wird auf diese Weise verzichtet - wie auch auf eine Behandlung des antiken Griechenlands, das ja im Rahmen des europäischen Identitätsdiskurses eine so wichtige Rolle spielt. Durch seinen Bezug zu Germanien, also zu "unserer" Geschichte, steht das römische Reich den Schülern aber wohl näher als die "Wiege der Demokratie".
Der Band stellt Geschichte als Rekonstruktion dar. Leider geschieht dies in Form eines "So-wars", weniger als ein "Das-sind-unsere-Vorstellungen-davon". Fast ganz unterbleiben Hinweise darauf, worauf diese unsere Vorstellungen basieren. Wenn stattdessen beispielsweise kurz angesprochen würde, dass Prähistoriker sich mit der Interpretation materieller Funde begnügen müssen und wir dennoch recht viel über das Leben der "Steinzeitmenschen" zu wissen meinen, würde dies weder die Zielgruppe überfordern, noch das Stoffvolumen aufblähen. Für das Geschichtsverständnis wäre es aber eine Bereicherung. Der Geographieteil besteht aus 7 Unterrichtseinheiten. "Region und Umwelt - wir erkunden unseren Nahraum" ist als praxisnaher Einstieg in räumliches Denken gedacht. "Unser Planet - die Erde" führt ein in Grundlagen unseres geographischen Weltbildes. "Deutschland und Europa" gliedert den Kontinent und befasst sich mit Verkehrsthemen. "Unser Lebensraum Niedersachsen" reißt die glaziale Formung der Landschaften und die politische Gliederung des Bundeslandes an. "An der Nordseeküste" behandelt Gezeiten, Sturmfluten, aber auch den Nationalpark Wattenmeer. "Zusammenleben verschiedener Kulturen" geht auf den Migrationshintergrund vieler Schüler/innen (Flucht, Verfolgung, Arbeitsmigration), aber auch auf das Herkunftsland Türkei ("Anatolien - meine Heimat") und Fragen (nationaler) Stereotype und des Zusammenlebens ein. "Leben in verschiedenen klimatischen Regionen" schließlich befasst sich mit Lebensweisen in der Wüste (Sahara: Tuareg, Oasen) und der Polarregion (Inuit), ohne bei dem Blick auf die Anpassungsleistungen an den Lebensraum die heutige Situation aus dem Gesichtskreis zu verlieren.
In die Unterrichtseinheiten integrierte Sonderseiten stellen Methoden vor, beinhalten spielerische Selbsttests oder - handlungsorientiert - Anleitungen zu zusätzlichen Aktivitäten. Auch die Methodenseiten sind, v.a. im Geschichtsteil des Buches, z.T. Bastelanleitungen: des Modells eines Hünengrabes, einer Pyramide, eines Hieroglyphenfrieses. Das Anfertigen eines Zeitstrahls der eigenen Lebensgeschichte und das Lesen von Geschichtskarten erfüllen dagegen eher das Kriterium fachbezogener Arbeitstechniken. Weitere Basteleien, beispielsweise von "Steinzeitschmuck" oder Tongefäßen, finden sich als Anregungen auf Sonderseiten für zusätzliche Aktivitäten und sollen den Schülern die fremde Lebensweise, z.B. des Neolithikums, nahe bringen. Die im Geographieteil des Bandes enthaltenen Methodenseiten erscheinen dagegen stärker an fachlichen Techniken und Konzepten orientiert: Erkundung und Kartierung, Zeichnen von Diagrammen und Kartenskizzen, Textanalyse, aber auch ein Experiment zum Deichquerschnitt und das Anfertigen eines Höhenschichtenmodells. Die Zahl der handlungsorientierten Sonderseiten ist etwas geringer als im Geschichtsteil. Ein Spiel zur räumlichen Orientierung, die Herstellung eines Globus oder ein Versuch zur Entstehung von Tag und Nacht sind hier neben einer Internetrecherche enthalten.
Schon die Vorstellung der Sonderseiten gibt Hinweise auf die methodische Orientierung des Unterrichtswerks. Der Unterricht ist nicht rein inhaltsorientiert. Wenn auch der Erdkundeteil vielleicht stärker kognitiv ausgerichtet ist als der Geschichtsteil, spielen neben der Durchdringung des alters- und schulartbedingt reduzierten Stoffes doch in beiden Teilen weitere Aspekte eine Rolle: Spielerische Elemente unterstützen Interesse und Lernvorgang. Gelegentliche Gruppenarbeit soll Teamfähigkeit herausbilden helfen. Aufgabestellungen fördern die Imagination, das Hineindenken in fremde Lebenszusammenhänge und -situationen sowie Vergleiche und stellen gelegentlich auch Bezüge zur eigenen Lebenswirklichkeit her. Das Buch aktiviert die Schüler, für rezeptiven Frontalunterricht - der der Vergangenheit angehören sollte - ist es weniger geeignet.
Stofflich wie sprachlich erscheint der Band dem Adressatenkreis angemessen. Die Texte sind gut verständlich. Neben dem darstellenden Autorentext weisen die (Doppel-)Seiten diverse Materialien auf, die vom Umfang her dominieren. Arbeitsaufträge verweisen auf diese Materialien. Schriftquellen sind farblich hinterlegt. Z.T. finden wir aber keine echten Quellentexte. Sie sind dann in der Regel jedoch als Autorentexte gekennzeichnet, sofern sie nicht als Schilderungen in den normalen Autorentext integriert sind. (V.a. im Geographieteil bleibt es leider manchmal offen, ob echte oder konstruierte Quellen und Personen vorgestellt werden).
Bildquellen spielen eine wichtige Rolle. Bildliche Darstellungen bestehen neben Photos v.a. im Geschichtsteil aus Zeichnungen/Bildern aus heutiger Zeit, die versuchen, geschichtliche Alltagsszenen einzufangen. Dass diese nicht nur der Illustration dienen, sondern zum Analysegegenstand gemacht werden und die Schüler/innen zu Aussagen über vergangene Lebensweisen führen sollen, mag als ebenso problematisch empfunden werden wie konstruierte Quellentexte. Dass sie aber zugänglicher sind als alle echten Bildquellen - soweit überhaupt welche verfügbar sind - ist gerade bei dieser Zielgruppe ein durchaus ins Gewicht fallendes Argument. Dennoch sollte auch Hauptschüler/innen bewusst werden, dass es sich hier nicht um authentische Aussagen über die Vergangenheit handelt, sondern um Rekonstruktionen. Alle Bilder und Diagramme liegen in einer angemessenen Größe vor, so dass die entsprechenden Sachverhalte deutlich werden. Die verschiedenen Kategorien von Sonderseiten sind in ihrem Layout herausgehoben. Die Gestaltung der "normalen" Doppelseiten folgt keinem ganz festen Schema, sondern variiert je nach Material, so dass sich ein abwechslungsreiches, aber noch übersichtliches Gesamtbild ergibt.
Neben Inhaltsverzeichnis und den Unterrichtseinheiten verfügt der Band über eine kurze Einführung in die Arbeit mit dem Buch, über ein vierseitiges Glossar/Index für geschichtliche und geographische Termini sowie einen Bildnachweis. Es liegt in guter Druckqualität vor und besitzt einen festen Einband im Format 20 x 26,5 cm und ein Gewicht von 700 g. Der Schülerband wird ergänzt durch Arbeitsheft und Lehrerband mit zusätzlichen Arbeitsblättern.
Insgesamt liegt in den Augen des Rezensenten trotz der geäußerten Bedenken ein ausgezeichnetes, auf moderne Unterrichtsmethoden zugeschnittenes Buch vor.
* Niedersächsisches Kultusministerium: Curriculare Vorgaben für die Hauptschule Schuljahrgänge 5/6 Erdkunde
Niedersächsisches Kultusministerium: Curriculare Vorgaben für die Hauptschule Schuljahrgänge 5/6 Geschichte