Religion, 5./6. Schuljahr, 7./8. Schuljahr, 9./10. Schuljahr, Gymnasium, Gesamtschule, Realschule
Das Kursbuch Religion 1–3
Herausgegeben von | Petri, Dieter et al. |
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Erschienen | Braunschweig: Diesterweg, 2006 |
ISBN | 978-3-425-07805-2; 978-3-425-07807-6; 978-3-425-07809-0 |
Geeignet für | Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Berlin, Thüringen |
Rezensiert von | Tzschoppe, Maria (Studentin), 12. Dezember 2013 |
Projekt | Philipps-Universität Marburg, Sommersemester 2013, Die Darstellung religiös-weltanschaulicher Diversität im Schulbuch |
Rezension von Tzschoppe, Maria (Studentin)
Einleitung
In der heutigen Zeit, die durch Migrations- und Globalisierungsprozesse geprägt ist, wird die Kenntnis von religiös-weltanschaulicher Diversität innerhalb unserer pluralen Gesellschaft immer wichtiger. Dazu zählt unter anderem, dass Schüler/innen neben den zwei großen christlichen Kirchen – der evangelischen und der katholischen – auch kleinere Gruppierungen, sogenannte Freikirchen, kennenlernen. Diese Rezension untersucht daher, wie und in welchem Kontext diese Gruppen im evangelischen Schulbuch thematisiert und dargestellt werden. Außerdem soll der Umgang mit dem Begriff „Freikirche“ analysiert werden. Untersucht werden die Bände 1 bis 3 des „Kursbuch Religion“ und die zugehörigen Lehrer/innenmaterialien. Das Lehrwerk richtet sich in erster Linie an die gymnasiale Sekundarstufe I.
Die Kursbücher zeichnen sich durch eine schülerfreundliche Abwechslung unterschiedlicher Textsorten sowie durch vielfältige lebensnahe Bildmaterialien aus. Das fächerübergreifende Lernen wird durch zahlreiche Methodenseiten unterstützt. Ein „Lern-Check“ zum Kapitelende, welcher die jeweiligen Schlüsselfragen eines Kapitels beinhaltet, fördert nachhaltiges Lernen, da die Schüler/innen direkt durch Selbstevaluation ihr Wissen überprüfen können und konkret auf Lücken hingewiesen werden. Das zugehörige Lehrer/innenmaterial liefert weiterführende Unterrichtsmaterialien und didaktisch-methodische Hinweise zur Unterrichtsgestaltung. Auch hier wird die Kompetenzorientierung der gesamten Reihe deutlich, indem jedem Kapitel die zu erwerbenden Kompetenzen vorangestellt werden. Abwechslungsreiche Impulse in den Schülerbüchern und den Lehrer/innenmaterialien, wie beispielsweise das Anfertigen einer Mindmap oder eines Plakates, das Schreiben eines Zeitungsartikels oder die Einbindung von Film und Internet, helfen, das Interesse und die Aufmerksamkeit der Schüler/innen zu wecken und fördern den Umgang mit unterschiedlichen Medien. Generell wird nicht nur Verfügungswissen über Religion bereitgestellt, sondern es werden auch fächerübergreifende Methoden vermittelt.
Aufbau
Auswahl und Reihenfolge der Kapitel sind frei wählbar. Durch Verweise auf andere Kapitel mit passenden Sachverhalten erfolgt eine logische Vernetzung des gesamten Buches. Außerdem folgen alle drei Bände der Reihe der Kompetenzorientierung und bauen durch Rekurse auf bereits erlernte Methoden und bekannte Themen aufeinander auf. Weiterhin sind die Bände mit je acht Kapiteln strukturell gleich ausgearbeitet (mit Ausnahme des zusätzlichen Kapitels „Islam: Leben nach Gottes Willen“ im Kursbuch 2). Auch die Gestaltung der Aufgabenstellungen, die Verweise zu anderen Themengebieten und die Kompetenzziele auf der ersten Seite eines jeden Kapitels (ab Kursbuch 2) behalten ihre Struktur durch Farbe und Formen bei. Um einen mehrdimensionalen Vernetzungsaspekt zu fördern, schlagen die Autor/innen die Anfertigung eines Zeitstrahls oder Plakates vor, sodass den Schüler/innen jederzeit bekannt ist, in welchem Themengebiet sie sich befinden. Kritisch anzumerken ist, dass die Quellen sowohl in den Schülerbüchern als auch in den Lehrer/innenmaterialien oft nicht eindeutig angegeben sind.
Die Behandlung des Themas „Freikirchen“
Betrachtet man das Thema Freikirchen genauer, fällt auf, dass diese weniger eigenständig behandelt, sondern eher als Beispiele für bestimmte Themengebiete herangezogen werden. Somit existiert in keinem der drei Bände ein eigenständiges Kapitel „Freikirche“.
Mit Blick auf die Begrifflichkeit „Freikirche“ muss geklärt werden, dass die Bezeichnung als ein Sammelbegriff zu verstehen ist, der für eine Anzahl recht unterschiedlicher christlicher Kirchen und Bewegungen steht und somit schwer zu definieren ist. Eine dezidierte Klärung des Begriffs erfolgt erst im Lexikonbereich des fortgeschrittenen Kursbuchbands 3. Freikirchen werden hier von „Sekten und Sondergemeinschaften“ (Kursbuch 3, S. 253) abgegrenzt, da Freikirchen sich „nicht auf besondere Offenbarungen“ (ebd.) berufen würden. Einerseits findet an dieser Stelle eine undifferenzierte Begriffsverwendung von „Sekten und Sondergemeinschaften“ statt und andererseits ist die vollzogene Abgrenzung nicht plausibel.
Bereits das „Kursbuch Religion 1“ führt die Schüler/innen an drei freikirchliche Gemeinden heran. Waldenser stellen ein Beispiel für so genannte Glaubensflüchtlinge im Kapitel „Menschen vor Gott“ dar, wohingegen Baptisten für das Beispiel Taufe im Kapitel „Den Glauben leben“ herangezogen werden. Methodisten werden im selben Kapitel im Themenbereich „Ökumene“ genannt.
Die Gemeinde der Waldenser wird auf einer Doppelseite im Unterkapitel „Fremde finden Heimat“ ausführlich beschrieben, wobei der Fokus auf der Ansiedlung und Integration der Religionsgemeinschaft in Württemberg liegt. Die Gemeinde wird weder im Schulbuch noch in den Lehrer/innenmaterialien als Freikirche bezeichnet. Stattdessen werden Geschichte und Integrationsprobleme anhand eines Sachtextes und einer Gruppenunterhaltung abwechslungsreich behandelt und unterschiedliche Meinungen zur Sprache gebracht. Auch Abbildungen wie Wappen oder ein Gedenkstein der Waldenser werden verwendet. Der jahrgangsgerechte Einstieg in das Thema ermöglicht im weiterführenden Religionsunterricht, wenn Freikirchen erneut behandelt werden, den Rekurs auf dieses bereits bekannte Beispiel.
Im Gegensatz zu den Waldensern wird die baptistische Gemeinde nur knapp anhand eines Dialogs im Kontext der Erwachsenentaufe behandelt. Auch die Lehrer/innenmaterialien liefern nur wenig zusätzliche Erläuterungen. Allerdings empfehlen diese den Besuch einer baptistischen Gemeinde, was den Praxisbezug des didaktischen Ansatzes betont. Im Schulbuch taucht an dieser Stelle im Zuge der Selbstbezeichnung der Gemeinde zum ersten Mal der Begriff „freikirchlich“ (Kursbuch 1, S. 165) auf. Eine Klärung der Bezeichnung bleibt jedoch aus. Außerdem wird keine Verbindung zu den Waldensern hergestellt.
Auch die methodistische Gemeinde findet nur am Rande Erwähnung. Sie stellt eine Erweiterung im Themenbereich „Ökumene“ dar. Die Einbeziehung einer Freikirche in dieses Thema, das meist nur den Bereich evangelisch–katholisch behandelt, stellt eine Verbesserung zum Vorgängerband dar, wie die Autor/innen hervorheben. Das Blickfeld der Schüler/innen wird erweitert und sie erfahren anhand eines Gesprächs zwischen zwei Schülern und einem Pfarrer die Grundzüge jener Gemeinde, wobei die Quelle allerdings unbekannt bleibt.
Im „Kursbuch Religion 2“ bleiben Freikirchen weitgehend unbehandelt – zumindest findet sich in keinem Kapitel eine dezidierte Erwähnung. Im Aufgabenbereich des Unterkapitels „Superapostel“ taucht die Neuapostolische Kirche auf. Diese wird an jener Stelle undifferenziert im Zusammenhang mit Mormonen und Zeugen Jehovas genannt und als „so genannte[…] Sekte[…]“ (Kursbuch 2, S. 147) bezeichnet – eine Kontextualisierung des Begriffs „Sekte“ bleibt dabei jedoch aus. Neben der pauschalen Begriffsverwendung wird ein inhaltlicher Widerspruch der Schulbücher deutlich, da der folgende Band 3 Freikirchen von „Sekten und Sondergemeinschaften“ abgrenzt. Die Gründer jener Gemeinschaften werden als „Superapostel“ beschrieben, welche „behaupteten, besondere Offenbarungen erhalten zu haben“ (ebd.). Die Bezeichnung als Superapostel, welche im Kapitel negativ konnotiert sind, suggeriert eine Abgrenzung zur Bezugsreligion des Unterrichts.
Wie bereits erwähnt, wird die Bezeichnung „Freikirche“ erst in Band 3 des Schülerbuchs behandelt. Das Beispiel einer solchen Kirche stellt die Herrnhuter Brüdergemeinde dar, welche im Kapitel „Kirche: Wir gehören zusammen“, im Themengebiet „Mission damals und heute“ als positives Exempel aus der Missionsgeschichte herangezogen wird. Sachtexte und ein Brief sowie eine Charakterisierung liefern den Schüler/innen abwechslungsreiche Informationen zur Gemeinde, hauptsächlich, dem Themengebiet entsprechend, in Bezugnahme zu Mission. Kritisch ist an dieser Doppelseite die unkommentierte Verwendung des diskriminierenden Begriffs „Negersklavin“ (Kursbuch 3, S. 170) in einem Sachtext, dessen Quelle nicht angegeben ist. Selbst in den Lehrer/innenmaterialien lässt sich der Ausdruck ohne weiteren Kommentar finden. Im selben Sachtext taucht auch die ebenfalls diskriminierende Bezeichnung „Mulatte/Mulattin“ (ebd.) auf, welche im Lexikonteil genauer erklärt, aber nicht kontextualisiert bzw. kritisch hinterfragt wird.
Eine weitere Freikirche, die im Schulbuch behandelt wird, sind die Quäker im Kapitel „Jesus Christus“. Sie findet sich im Unterkapitel „Christusnachfolge“ und soll exemplarisch für eine Gruppe genannt werden, welche in „besonders deutlicher Weise den christlichen Glauben zum Ausdruck“ (Lehrer/innenmaterialien 3, S. 110) bringt. Obwohl jene Gemeinde nicht als Freikirche, sondern als Friedenskirche bezeichnet wird, empfehlen die Lehrer/innenmaterialien eine Verbindung zu anderen Freikirchen, wie beispielsweise zur Herrnhuter Brüdergemeinde. Sachtexte, welche durch das Lehrer/innenmaterial noch ergänzt werden, liefern ausführliche Informationen zu Geschichte, Name, Kennzeichen und Gottesdienst der Quäker. Im Aufgabenbereich des Buches und der Lehrer/innenmaterialien werden zusätzlich die Amish und die Mennoniten genannt, die als Referatsthemen empfohlen werden und auf Gemeinsamkeiten untersucht werden sollen. Ähnlich wie die Quäker werden auch diese Gemeinden als Friedenskirchen und nicht als Freikirchen betitelt. Eine Klärung, ob diese Bezeichnungen im Zusammenhang stehen oder was überhaupt unter Friedenskirchen zu verstehen ist, erfolgt an keiner Stelle der Bücher.
Weiterhin wird eine Verbindung zum Unterkapitel „Die Bergpredigt“ geknüpft. Die Thematisierung unterschiedlicher Auslegungen steht dabei im Vordergrund. Zusätzlich wird an dieser Stelle auf die Amish, die Mennoniten und die Hutterer verwiesen. Außerdem wird Rekurs auf die Waldenser aus Band 1 genommen, womit Vorwissen aktiviert und mit neuen Themen verknüpft werden soll.
Schließlich werden Freikirchen im Unterkapitel „Weltweite Christenheit“ in einen Stammbaum der Kirchen eingeordnet. Dabei werden erneut Themen des Kursbuches 1 wiederholt, indem als Beispiele Methodisten und Baptisten genannt werden.
Fazit
Letztlich ist zu vermerken, dass die Schüler/innen durch größtenteils selbstständige Aufgaben den Bereich freikirchlicher Gemeinden erschließen und diese besonders im Themengebiet Ökumene als gleichwertige Gemeinschaften anzusehen lernen. Somit werden sie für eine religiös-weltanschauliche Vielfalt sensibilisiert. Der Begriff „Freikirche“ wird dabei – wenn überhaupt genannt – kaum kontextualisiert und erläutert. Hinsichtlich der erwähnten „Sekten“ werden normative Aussagen zur Beschreibung genutzt, die die religiös-weltanschauliche Diversität negativ konnotieren.