Erdkunde, 7./8. Schuljahr, 9./10. Schuljahr, Gymnasium, Gesamtschule
Seydlitz Geographie 2
Herausgegeben von | Dorsch, Volker und Hartmut Rupprecht |
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Erschienen | Braunschweig: Schroedel Westermann, 2008 |
Seitenanzahl | 256 |
ISBN | 978-3-507-52692-1 |
Geeignet für | Hessen |
Rezensiert von | Vogel, Robert und Martin Hesse (Studierende), 16. Januar 2012 |
Projekt | Universität Potsdam, Somersemester 2011 |
Rezension von Vogel, Robert und Martin Hesse (Studierende)
Wer rastet, der rostet, wer rostet ist Schrott
Januar 2011, die Welt steckt im ökonomischen und ökologischen globalen Mit- und Gegeneinander, wir sprechen von Globalisierung, der künftigen Wirtschaftsmacht China oder dem Klimawandel.
Nahezu allgegenwärtig sind die monatlichen Meldungen von Experten über das Auftreten neuer auf den Klimawandel zurückzuführender Naturereignisse auf der Erde.
Wird dies im Unterricht besprochen? Das Lehrbuch „SEYDLITZ Geographie 2 Gymnasium Hessen G8“ sieht diese Themen nicht vor. Trotzdem beschäftigten sich die Autoren Volker Dorsch und Hartmut Rupprecht mit einer Vielzahl weiterer geographischer Themen und deren Einbettung in den Unterrichtsalltag an hessischen Gymnasien.
Der erste Überblick
Auf den ersten Blick wirkt das Lehrbuch sehr übersichtlich und klar strukturiert. Das Buch im Festeinband wirkt in seiner Verarbeitung und Haptik stabil genug, um den täglichen Transport im Schulranzen eselsohrfrei zu überstehen. Auffällig sind die optisch sehr ansprechenden Seiten, welche mit Bildern, dezenten Farben und Texten unterlegt sind. Die Seiten sind einladend gestaltet und wirken zu keiner Zeit überladen. Im oberen Seitenbereich gibt es für eine bessere Orientierung in den Kapiteln und Themenbereichen des Lehrbuches eine einheitliche Farbleiste. Neben der gerade beschriebenen Kapiteluntergliederung nach inhaltlichen Themenbereichen finden sich im Lehrbuch auch Kapitel zu Lernmethoden, sogenannte GEO-Kapitel. Von diesen GEO-Kapiteln gibt es im Buch insgesamt vier verschiedene Arten: Geo-Praxis, Geo-Projekt, Geo-Wissen und Geo-Lexikon. Diese Lernmethoden (didaktische Hilfsmittel) dienen dem Zweck, die theoretischen Inhalte durch verschieden Anwendungen, Beispiele oder Experimente vereinfacht darzustellen, um sie für die Schülerinnen und Schüler greifbarer und verständlicher zu gestalten.
Die Inhalte
Das Lehrbuch ist auf seinen 256 Seiten in sechs große Bereiche gegliedert. Einleitend werden „Der Planet Erde“ sowie u.a. die Unterpunkte „Die Entstehung von Jahreszeiten“ und „Die Landschaftszonen der Erde“ behandelt. Hier sollen den Schülerinnen und Schülern grundlegende Informationen bezüglich unserer Erde vermittelt werden. Der zweite Themenschwerpunkt beschäftigt sich mit dem „Relief der Erde“ und insbesondere den Aspekten „Erdbeben und Vulkanismus in Deutschland“, „Kreislauf der Gesteine“ oder „Tsunamis – lange Arme ferner Beben“. Die Themengebiete drei und vier beschäftigen sich mit dem „Eingriff in den Naturhaushalt“, sowie mit dem Schwerpunkt „Struktur und Entwicklungschancen weltweit“. Themengebiet fünf ist mit „Raumbeispiele“ betitelt. Hierbei werden die Länder Russland, Japan, China, Indien, die USA und die Kontinente Afrika, Südamerika und Australien global und regional mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten betrachtet. Im letzten Kapitel wird das regionale Thema „Das Rhein-Main-Gebiet“ behandelt. Insgesamt ist das Lehrbuch vom Großen (global) zum Kleinen (lokal) aufgebaut.
Bewertung
Das Lehrbuch wirkt in seinem Erscheinungsbild und beim ersten Durchblättern interessant und lädt zum Weiterlesen ein. Beim genaueren Betrachten fallen allerdings einige Defizite und vor allem Tatsachen ins Auge, welche die Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern markant falsch beeinflussen könnten. Bereits auf der dritten Seite werden die Schülerinnen und Schüler durch eine völlig falsche Darstellung von Tag- und Nachtzuständen auf der Erde visuell geprägt. Mit dem Bildtitel „Die Erde bei Tag…“ wird den Schülerinnen und Schülern optisch dargestellt, dass Einwohner der USA, Deutschlands und Japans parallel den Tag mit gleichem Sonnenstand erleben, obwohl dies aufgrund des sich ständig wechselnden Erdstandes zur Sonne, der Erdneigung und der Kugelform der Erde überhaupt nicht möglich ist. Das gleiche Bild bei Nacht: Auch hier wird den Schülerinnen und Schülern ein falsches Bild vor Augen geführt. Hierbei hätte man anhand zweier Bilder den Tag- und Nachtstand aus deutscher Sicht global darstellen können.
Ein weiter Kritikpunkt findet sich bei den Inhalten. Während auf den ersten Blick auch hier der Gedanke vom Globalen zum Lokalen nachvollziehbar wirkt, ist die Tatsache, dass es keinerlei Verbindung der einzelnen Themen untereinander gibt, ein beträchtliches Defizit. Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten stündlich willkürliche Themen, welche inhaltlich nicht gezielt miteinander verknüpft werden können. Es werden aus globaler Sicht Themen wie Tsunamis behandelt, aber überhaupt nicht auf die lokale oder regionale Ebene (wirtschaftliche und ökologische Folgen für Tsunamiregionen) heruntergebrochen.
Neben der fehlenden inhaltlichen Verknüpfung ist unser größter Kritikpunkt jedoch die Themenwahl im fünften Kapitel „Raumbeispiele“. Hierbei wirkt eine Vielzahl von Themen gesellschaftlich überholt und fördert bei den Schülerinnen und Schülern ein stigmatisierendes Denken. Während das 1979 in China in Kraft getretene Gesetz der Ein-Kind-Politik vor der Jahrtausendwende womöglich noch aktuell wirkte, ist es mittlerweile selbst in Bezug auf die darin angesprochene Problematik überholt. Relevanter wären sicherlich die inzwischen negativen Auswirkungen dieser Politik auf die Bevölkerungsstruktur (= Vergreisung) zu behandeln und dabei die Chancen und Risiken solcher Politikansätze zu diskutieren.
Grundsätzlich ist uns in „SEYDLITZ Geographie 2“ eine Vielzahl von Themen aufgefallen, welche in ihrer Aufarbeitung und Sichtweise den vielfach genannten Nerv der Zeit nicht mehr treffen. Die permanente Stigmatisierung des Gesamtkontinents Afrikas als Hunger- und Aidskontinent, China als Ein-Kind-Politikstaat, Südamerika als ehemaliger Kolonialherrschaftsstaat, all diese Punkte tragen im täglichen Umgang zu Vorurteilen bei.
Viele sehr sensible Themen wirken im Lehrbuch aufgrund ihrer willkürlichen Aneinanderreihung mit anderen Themen aus vorangegangen und folgenden Stunden in ihrem Tun und Wirken nicht logisch nachvollziehbar. Die Probleme müssen polykausal diskutabel sein und sich wie ein roter Faden durchs Lehrbuch ziehen. Die Schülerinnen und Schüler müssen ein Verständnis, einen aktuellen Bezug und eine Vergleichbarkeit für ihr zu bearbeitendes Problem entwickeln. Es muss erreicht werden, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit dem Problem direkt auseinandersetzen und versuchen, dieses Problem in ihren ganz persönlichen Alltag zu transportieren, um eine lebendige Vorstellung für das Problem zu entwickeln.
Fazit
Unser grundsätzliches Plädoyer dieser Rezension ist es nicht, das gesamte Lehrbuch zu kritisieren, sondern nur die einzelnen von uns ausgewählten Beispiele. Dies soll nicht die Gesamtqualität des Lehrbuches in Frage stellen, sondern lediglich als Hilfe zur Verbesserung dienen. Die Rezension soll anregen, bestimmte Inhalte und Methoden noch einmal zu hinterfragen und zu prüfen, ob sie noch aktuell und pädagogisch sinnvoll sind.