Das Projekt „Schulbuchrezensionen“ wurde zum 1. Januar 2019 nach fast 15 Jahren Laufzeit abgeschlossen.
Bisher verfasste Rezensionen bleiben weiterhin auf edu.reviews einsehbar. Ein Verfassen neuer Rezensionen ist leider nicht mehr möglich.

Zurück zur Übersicht

Geschichte, Oberstufe, Gymnasium

Zeiten und Menschen 2

Zeiten und Menschen 2
Herausgegeben von Lendzian, Hans-Jürgen
Erschienen Paderborn: Schöningh, 2005
Seitenanzahl 544
ISBN 978-3-14-024961-4
Geeignet für Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
Rezensiert von Willich, Thomas (Wissenschaftler), 1. Juli 2006

Rezension von Willich, Thomas (Wissenschaftler)


Der erste Band der zweibändigen Neuausgabe des Oberstufen-Geschichtsbuches von Zeiten und Menschen wurde an dieser Stelle bereits vorgestellt. Inzwischen liegt der zweite Band des Schülerbuchs vor, der chronologisch an den ersten Band anschließt, indem er sich auf die Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart bezieht. Im Band selbst wird nicht explizit auf den Lehrplan eines bestimmten Bundeslandes verwiesen. Allerdings führt der Verlag auf seiner Homepage die Eignung für Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein an. Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Angaben des Verlags zudem eine Ausgabe für Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen existiert (ISBN 3-14-024971-3), die andere Inhalte aufweist und nicht Gegenstand dieser Rezension ist.
Innerhalb der Zeiten und Menschen-Reihe waren Vorgänger des vorliegenden Bandes: der dritte Band der Ausgabe G (Grundlagen und Entwicklungen der Gegenwart. Der Aufstieg der Supermächte und die Welt nach 1945) und der Band 4/II der Ausgabe K (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft von 1945 bis zur Gegenwart).
Wie der erste Band folgt auch der zweite einem Modernisierungskonzept. Die Texte des Buches beziehen sich immer wieder auf die Frage, wie menschliches (Zusammen-)Leben in der modernen Welt gestaltet werden kann. Dabei werden die Schüler wiederholt zur Reflexion der "Fakten" und zur Diskussion von Alternativen aufgefordert. Als ein gewisses Defizit erscheint, dass der Begriff der "Moderne" weder auf geschichtstheoretischer Grundlage noch vor dem Hintergrund der aktuellen Weltprobleme näher thematisiert resp. problematisiert wird. Die Einführungsseiten des ersten Bandes können diese Lücke nicht schließen. An Themen aufgenommen wurde, was aus nationalstaatlicher und europäischer Perspektive sowie mit Rücksicht auf die politischen Weltprobleme der unmittelbaren Gegenwart unverzichtbar erscheint:

  • "Die Welt im Schatten des Ost-West-Konfliktes",
  • "Zusammenbruch und Neubeginn: Deutschland 1945-1949",
  • "Ein Volk - zwei Geschichten: Bundesrepublik Deutschland und DDR",
  • "Die deutsche Einheit: Aus der Vergangenheit in die Zukunft",
  • "Europa - auf dem Weg zur Einheit in Vielfalt?",
  • "Krisen Balkan - zwischen Integration und Konflikt",
  • "Die islamische Welt auf der Suche nach einem Platz in der Moderne",
  • "Asien - China und Japan auf dem Weg in die Moderne".

Insgesamt bietet der Band mit diesen Kapiteln ein ausgewogenes Panorama der Welt nach 1945. Die mäßige Häufung von drei Themen zur deutschen Geschichte ist mit Rücksicht auf die schulischen Lehrpläne nachvollziehbar. Sehr zu begrüßen ist aber vor allem, dass die Geschichte Deutschlands durch die fünf weiteren Kapitel in den Kontext der europäischen und weltpolitischen Entwicklung gestellt wird. Der Band liefert damit Grundlagen für einen perspektivreichen, gegenwartsbezogenen Unterricht. Hinsichtlich der Zugriffsweisen auf die Vergangenheit überwiegt die Politikgeschichte; andere Dimensionen (Geschlecht, Religion, Wirtschaft u.a.) kommen dann zur Geltung, wenn sie im Zusammenhang mit dem politischen Leitthema stehen.
Der Aufbau der Kapitel entspricht dem des ersten Bandes: Auf eine Auftakt-Doppelseite folgen der Überblick zum Inhalt des Kapitels, ein Darstellungsteil, Themen-Seiten zur Vertiefung ausgewählter historischer Probleme, in drei Kapiteln verbunden mit Methoden-Seiten, schließlich das Forum zu wissenschaftlichen und politischen Kontroversen und die abschließenden Arbeitsanregungen Zusammenfassen, Üben und Darstellen mit den Schlüsselquellen. Insgesamt kann diese Aufteilung durch ihre Übersichtlichkeit überzeugen. Positiv hervorzuheben ist weiter die Informationsdichte der Darstellungsteile, die nicht auf Kosten der sprachlichen Klarheit geht. Zudem haben die Autoren durchgehend die Kontroversität und Multiperspektivität von Geschichte berücksichtigt.
Das erste Kapitel "Die Welt im Schatten des Ost-West-Konfliktes" vermittelt grundlegendes Wissen zur Weltpolitik im Zeitalter der beiden Supermächte. Die zum Verständnis notwendigen Kenntnisse zum Aufstieg der USA einerseits und der UdSSR andererseits werden im Darstellungstext geliefert. Als historisches Fallbeispiel für die Konfrontation zur Zeit des Kalten Kriegs wurde die Kuba-Krise gewählt.
Misst man die Kapitel zur deutsch-deutschen Geschichte von 1945/49-1989/90 am Begriffspaar "Abgrenzung und asymmetrische Verflechtung" (Christoph Kleßmann), so wird deutlich, dass die Autoren eher die Unterschiede, die Abgrenzung zwischen den beiden deutschen Staaten betonen. Dieser Eindruck entsteht insbesondere durch die eher chronologisch-additive Behandlung der Geschichte der beiden Staaten. Vergleichend angelegte Themen (insbesondere: Flüchtlinge, Entnazifizierung, Konsumwelten, Frauen) und Angebote zur kontroversen Diskussion in den Foren ("Wer trägt die Schuld an der deutschen Teilung?", "Die Wende 1989 - Zusammenbruch oder Revolution?", "Ist zusammengewachsen, was zusammengehört?") geben jedoch Anregungen, die zu Fragen der deutsch-deutschen Verflechtung führen sollten.
In den Kapiteln, die unmittelbaren Bezug auf Gegenwartsfragen nehmen (Europa, Balkan, Islam, Asien), werden diese in ihren langfristigen historischen Dimensionen erfasst. So wird z.B. der Leser des Kapitels zum Islam über die Anfänge dieser Weltreligion zur Zeit Muhammeds informiert, um in einem luziden Überblick bis zur islamischen Welt der Gegenwart geführt zu werden, wobei das Islamismus-Problem im Mittelpunkt steht. Dabei ist - wie auch in den anderen Kapiteln - die Auswahl der Texte, Bilder, Karten etc. stets sachbezogen und sinnvoll.
Auf den explizit Methoden gewidmeten Seiten werden im vorliegenden Band die "Ideologiekritische Quelleninterpretation", die "Analyse historischer Konflikte", das "Historische Streitgespräch" und "Der historische Vergleich" erläutert. Zusammen mit den im ersten Band vorgestellten Methoden liegt damit ein hilfreicher Überblick zu wesentlichen Verfahren historischen Arbeitens vor. Als Desiderata erscheinen die kriteriengeleitete Auswertung von Karten, der Umgang mit literarischer Verarbeitung von Vergangenheit und die Analyse von Fotografien. Letztere wird an anderer Stelle ("Schlüsselquelle") durch den Vergleich zweier Aufnahmen im Ansatz geliefert (Band 2, S. 415). Im zweiten Band werden wiederholt Materialien als "Schlüsselquellen" geliefert, deren sachgerechte Auswertung im ersten Band erklärt wurde (z.B. Reden, Plakate, Karikaturen). Nützlich wären hier regelmäßige Querverweise auf die entsprechenden "Methoden"-Abschnitte gewesen. Zudem hätte es sich gerade bei den Themen dieses Bandes angeboten, erneut (mindestens) eine Zeitzeugen-Befragung als Methode anzubieten (und auf Band 1, S. 502 zu verweisen).
Für den Umgang mit geschichtskulturellen Darstellungsformen von Geschichte bietet der Band Ansatzpunkte, insbesondere jeweils im "Forum" (zu wissenschaftlichen und politischen Kontroversen). Explizit thematisiert wird eine Form von Geschichtskultur, wenn im "Balkan"-Kapitel "Erinnerungskultur versus Vergangenheitspolitik" am Beispiel der "Schlacht auf dem Amselfeld" thematisiert wird. Weiterführende Angaben bzw. Hinweise (u.a. auf Filme und Denkmäler) hätten sich jedoch gerade in diesem Band auch an anderer Stelle angeboten.
Auf den Seiten 96/97 bietet der Band Erklärungen zu Operatoren. Ein Vergleich mit der entsprechenden Übersicht in den "Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Geschichte" (EPA) ergibt dem Sinn nach weitgehende Übereinstimmungen. Warum aber die zentralen, in der EPA genannten (und in den beiden Bänden wiederholt gebrauchten) Arbeitsaufträge "Interpretation" und "Analyse" fehlen, wird nicht klar.
Den Band beschließen ein Glossar zu zentralen Fachbegriffen und ein Register der Personennamen und ausgewählter Sachwörter. Insgesamt bestätigt sich sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch der Form der sehr positive Eindruck, den bereits der erste Band hinterließ.

Weitere Rezensionen zu dieser Publikation