Geschichte, 9./10. Schuljahr, Gymnasium
Forum Geschichte 10
Herausgegeben von | Regenhardt, Hans-Otto und Claudia Tatsch |
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Erschienen | Berlin: Cornelsen, 2008 |
Seitenanzahl | 208 |
ISBN | 978-3-06-111068-0 |
Geeignet für | Niedersachsen |
Rezensiert von | Schinze-Gerber, Marco (Lehrer), 1. März 2009 |
Reihe | Forum Geschichte |
Rezension von Schinze-Gerber, Marco (Lehrer)
Ein Arbeits- und Lernbuch zugleich!
Der neue Band 10 der Reihe „Forum Geschichte“ für Niedersachsen (2008) thematisiert die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Gegenwart und besticht durch ein qualitatives Layout, klare Farben und ein hohes Maß an Abwechslung.
Konzeption des Lehrwerks
Der Aufbau des Buches dürfte den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler zugute kommen. Zum einen finden sie ein Arbeitsbuch vor, das im Gruppenunterricht genutzt werden kann, zum anderen aber erleichtert es vor allem durch deutlich gekennzeichnete Lernseiten und Zusammenfassungen die Wiederholung und Klausurvorbereitung. Häufig beklagen sich Schülerinnen und Schüler über den ausschließlichen Charakter von Arbeitsbüchern, die zum Lernen und Wiederholen nicht genügen. Das vorliegende Buch vereinigt Arbeitskapitel mit darstellenden Lernabschnitten. Als eine gelungene äußere Form der Buchgestaltung sind die Arbeitshilfen im ausklappbaren Einband zu bewerten, die durch eine nachvollziehbare Darstellung methodischer Arbeitsschritte Hilfestellung zur Analyse und Bewertung von Quellen, Orientierungswissen und kritische Recherchetipps für die Arbeit mit dem Internet geben. Die Autorinnen und Autoren stellen einleitend den Aufbau der Kapitel vor und geben Aufschlüsse über die Konzeption der Seiten, zum Beispiel darüber, wie Arbeitsaufträge oder Grundwissen im Buch gekennzeichnet sind. Jedes Themenkapitel beginnt mit einer doppelten Auftaktseite, welche den Schülerinnen und Schülern durch Bilder, knappe Texte und zentrale Fragestellungen erste Impulse zum Thema anbietet. Warum allerdings die erste Auftaktseite zur Nachkriegsgeschichte für Niedersachsen Fotos aus München, Köln und Berlin bietet und das eigene Bundesland ausspart, ist nicht nachvollziehbar. – Nach den einführenden Impressionen folgen zwei bis sechs Themenseiten, die vorab Hintergrundwissen durch einen Autorentext vermitteln. Darauf aufbauend folgen Arbeitsaufträge zu verschiedenen Quellen, Tabellen oder Schaubildern, die entsprechend gekennzeichnet sind. Ferner enthalten die Abschnitte ausgewiesene Kästen mit Grundwissen, in denen wichtige Begriffe erklärt werden. Bestandteil der Kapitel sind auch sogenannte Werkstatt- und Methodenseiten. Diese Seiten sollen den Schülerinnen und Schülern vermitteln, mit welchem „Handwerkszeug“ sie aus den Materialien Erkenntnisse und Urteile gewinnen können. Hier finden sie beispielsweise Arbeitsschritte zur Auswertung von Bildern, Karten, Quellen oder etwa der Durchführung einer Umfrage. Am Ende eines jeden Kapitels befindet sich eine doppelseitige Zusammenfassung, meist in Form eines kurzen Textes, einer Karikatur, eines Registers mit Seitenverweisen auf „Grundwissen“ sowie einem Zeitstrahl. Weiterhin sollen die Schülerinnen und Schüler mit sogenannten „Im Blickpunkt“-Seiten Zusammenhänge zwischen Entwicklungen in Vergangenheit und Gegenwart untersuchen. Dieser Zugriff wird allerdings nur zweimal im gesamten Band angeboten, und zwar zu den Themen „Die Halbstarken … in den 1950er Jahren“ (S. 46f) und „Terrorismus“ (S. 182f) – ein durchgehendes Prinzip ist hier also nicht angelegt. Der Festigung dient ein Anhang „So kannst Du Dein Wissen überprüfen“ (S. 184-188) durch kurze Quellenmaterialien mit Fragen- und Aufgabenstellungen. Darüber hinaus enthält der Anhang eine Methodenübersicht sowie Lexikon und Register. Der Autorentext ist überwiegend knapp gehalten, prägnant und für Schülerinnen und Schüler der Stufe 10 altersangemessen. Fachtermini werden in der Rubrik „Grundwissen“ (s.o.) erläutert, sie sind sinnvoll ausgewählt. Teilweise erscheinen die Autorentexte als reine Überleitungen zwischen zwei Quellen, die einführenden Beiträge sind hingegen themenmotivierend.
Inhalte und Arbeit mit Bild- und Textmaterialien
Der dem Rezensenten vorliegende Band 10 (Herbst 2008) enthält die geforderten Schwerpunktthemen in Niedersachsen. Nach der Einführung im Themenbereich Globalisierung folgen die Themenabschnitte „Deutschland in der Zeit des Kalten Krieges“, „Europa und die Welt in der Zeit des Ost-West-Konflikts“ sowie „Auf dem Weg zum Endes des Ost-West-Konflikts“. Die letzten beiden Kapitel thematisieren die „Überwindung der Ost-Westkonfrontation“ und „Europa und die Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts“.
Zwischen der Einführung und den Hauptthemen tritt ein evidenter inhaltlicher Bruch auf. Die vier Einführungsseiten sind textquellendominiert, ein thematischer Übergang von der Einführung zum ersten Kapitel ist nicht ersichtlich. Die Einführung gibt Aufschluss über das „Leben in der Zeit der Globalisierung“ in Form eines knappen Autorentextes mit der zentralen Fragestellung: „Welche Ursachen und Folgen hat die Globalisierung?“. Hierauf folgen sieben Textquellen und zwei Tabellen. Ohne Bezug auf diese Fragestellung zu nehmen folgt auf die Printquellen der Einführungstext des ersten Kapitels. Ein Schließen des Bandes mit Bezug auf die Eingangsfragestellung und entsprechendem Schlussteil sucht man vergeblich. Insgesamt wirkt die Einleitung losgelöst vom eigentlichen Buch.
Innerhalb der fünf Themenabschnitte wird die Grundkonzeption des Buches mit den gekennzeichneten Auftakt-, Themen- und Methodenseiten, gefolgt von den Zusammenfassungen, zuverlässig eingehalten.
Zahlreiche Geschichtskarten bereichern jedes Kapitel. Diese zeigen beispielsweise die militärische Blockbildung im Kalten Krieg oder die Dekolonisation der Welt zwischen 1945 und 1990. Die abgebildeten Karten sind ein gutes Hilfsmittel für den Unterricht, verdeutlichen sie doch gerade bei der Blockbildung ein Bildnis des „Eisernen Vorhangs“. Ferner berücksichtigen die Autorinnen und Autoren auch in der Karte „Flucht, Vertreibung und Umsiedlung 1945-1950“ die heute aus dem Blickfeld verschwundenen ehemaligen deutschen Ostgebiete, die zur Zeit der Vertreibung und in den Folgejahren im gesellschaftlichen und politischen Leben täglich präsent waren.
An dieser Stelle sei besonders der vielfältige Einsatz zeitgenössischer Plakate, Bilder, Fotografien und Karikaturen hervorgehoben, die vornehmlich in den Auftaktseiten ihren Platz finden, gut detailliert sind und über eine hohe Qualität verfügen. Hier erscheinen Geschehnisse der Nachkriegszeit perspektivnah und greifbar, wie beispielsweise der Warschauer Kniefall des Bundeskanzlers Brandt. Die Verwendung derart aussagekräftiger Bilder erlaubt die emotionale Einbindung des Betrachters. In der Auftaktphase können diese Quellen aber auch manipulierend wirken. So ist das Bild der brennenden Türme des WTC in New York für die Schülerinnen und Schüler zum Teil schon emotional behaftet, weil sie es in den Medien bereits wahrgenommen haben. Eine objektive oder gar kritische Auseinandersetzung wird beeinträchtigt. Ferner stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, wenn auf dieses emotional stark ansprechende Bild zum Thema des islamistischen Terrorismus zunächst zwanzig Seiten Europäische Union und Balkankonflikt folgen, ehe man thematisch zum Nahostkonflikt und der US-amerikanischen Außenpolitik gelangt.
Stets sinnvoll und durchweg positiv zu bewerten sind in diesem Zusammenhang allerdings die Aufgabenstellungen zu Bild- und Textquellen. Innerhalb des Themenbereiches „Wirtschaftliche und soziale Folgen der Einheit“ werden zwei Fotografien gegenübergestellt. Auf der Ersten sind Leipziger Montagsdemonstrierer am 23. Oktober 1989 abgebildet, das zweite Foto zeigt einen Anti-Kapitalismus-Demonstranten fünf Jahre später, welcher ein Schild mit der Aufschrift „Scheiß Kapitalismus - DDR war sozial besser!“ hält. Die Schülerinnen und Schüler erhalten im Aufgabenteil den Auftrag, die beiden fotografischen Darstellungen in einen Zusammenhang zu bringen. Zusammen mit den Methodenseiten wird hier ein Fokus auf den Erwerb von entsprechenden Fachkompetenzen zur Analyse und Bewertung von Quellen gelegt.
Neben den Bildquellen und Darstellungen verwendet das Lehrwerk vielfältige Statistiken, die zum Beispiel Aufschluss über die Ausstattung mit Konsumgütern in den beiden deutschen Staaten in den Jahren 1969 bis 1978 geben, oder die Kosten der deutschen Einheit darstellen. Sehr hilfreich ist für die Darstellung der Flüchtlingsbewegung aus der DDR in die BRD 1950 bis 1990 das Einfließen der Ereignisse, die für Minima und Maxima der Flüchtlingskurve gesorgt haben. Es bleibt allerdings eine Streitfrage, ob es methodisch vorteilhaft ist, diese Ereignisse schon in der Darstellung zu benennen. Die Antwort auf die Frage, welche Ereignisse zu den An- bzw. Abstiegen in der Statistik geführt haben könnten, wird damit leider vorweggenommen. Insgesamt sind die eingebundenen Statistiken und Tabellen jedoch gut ausgewählt und informativ.
Die Textmaterialien sind zahlreich, überwiegend abwechslungsreich und mit hundert bis zweihundert Wörtern dem Alter der Zielgruppe in Auswahl und Länge angemessen. Die Auswahl reicht von zeitgenössischen Zeitungsberichten, Briefen und Statements aus (Auto-) Biographien und Reden bis hin zu Auszügen aus Verträgen und Abkommen. Ferner lässt die Selektion der Textquellen weitgehend ein breites Meinungsspektrum zu. Im Themengebiet politischer und sozialer Bewegungen in Ost und West werden die 68er-Protestaktionen allerdings einseitig dargestellt, eine zeitgenössische Kritik an dieser Form des Protestes findet keine Berücksichtigung. Darüber hinaus wird auf die Organisation und Handlungen der RAF nur kurz hingewiesen, indem man sie der Studentenbewegung als Splittergruppe zuordnet.
Sehr gut gelungen sind die vereinzelt vorkommenden Schaubilder. Komplexe Sachverhalte und Interaktionen werden hier skizziert und leicht nachvollziehbar durch Organigramme und Pfeildiagramme dargestellt. Die Schaubilder beinhalten u.a. den Zusammenhang zwischen Konflikt, Rüstung und Feindbild sowie beispielsweise den Aufbau und die Herrschaftsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1989. Der „Teufelskreis der Weltarmut“ eignet sich jedoch nur bedingt zur Darstellung als Pfeildiagramm im Unterricht, da die Ursachen wissenschaftlich umstritten sind. Zusammengetragene und erarbeitete Schaubilder sind häufig Bestandteil des „klassischen“ Geschichtsunterrichtes, sie dienen der Visualisierung von Ereignissen und Gedankengängen. Durch neue Informationen werden diese Schritt für Schritt aufgebaut und bleiben dadurch dem Gedächtnis länger präsent, als wenn sie komplett dargestellt werden. Es scheint daher die Intention der Verfasser zu sein, dieses Erarbeiten nicht beeinträchtigen zu wollen und sie haben daher diese „fertigen“ Visualisierungen nur dann genutzt, wenn sie auch sinnvoll erscheinen. Begleitmaterialien und neue Medien Den Schwerpunkt der Begleitmaterialien bilden Seiten aus dem Internet. Die Auswahl erscheint allerdings nur zur Einbindung dieses neuen Mediums erfolgt zu seien, da die Qualität innerhalb der zu besuchenden Seiten stark divergiert. Einige Links existieren darüber hinaus nicht mehr, eine Themeneinordnung der Seite (z.B. Kartenmaterial, Organigramm, o.ä.) wäre wünschenswert gewesen. Sehr hilfreich ist hingegen eine Anleitung zur Beschaffung und Bewertung von Informationen aus dem Internet, die einhergeht mit der Methodik zur Textquellenanalyse. Gerade hier wird eine sinnvolle Hilfestellung gegeben, sich in der Informationsflut zurechtzufinden, um die Daten und Informationen zu erhalten, die die Schülerinnen und Schüler suchen. Andere Begleitmaterialien sind dem Lehrwerk nicht beigefügt. Neben dem Internet erfolgen vereinzelt Verweise auf andere Medien, z.B. Filmtipp: „Das Leben der Anderen“ oder Sekundärliteratur. Fazit Der für Niedersachsen bearbeitete Band 10 aus der Reihe „Forum Geschichte“ im Cornelsen-Verlag ist abwechslungsreich, besitzt ein ausgewogenes Verhältnis von Textumfang und Bebilderung und ist ein ansprechendes Arbeits- und Lernbuch für die Zielgruppe. Zwar ist die Auswahl mancher Quellen in einigen Kapiteln unzureichend geglückt, wie zum Beispiel das erwähnte WTC-Bild, den Gesamtband beeinträchtigt sie jedoch nur geringfügig. Sehr gut sind vor allem die Methodikanteile zu bewerten, die ein für die Schülerinnen und Schüler zuverlässiges Hilfsmittel zur Quellenanalyse und Bewertung von Quellenmaterialien darstellen.