Geschichte, 9./10. Schuljahr, Gymnasium
Forum Geschichte 10
Herausgegeben von | Regenhardt, Hans-Otto und Claudia Tatsch |
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Erschienen | Berlin: Cornelsen, 2008 |
Seitenanzahl | 208 |
ISBN | 978-3-06-111068-0 |
Geeignet für | Niedersachsen |
Rezensiert von | Tschorn, Julia (Studentin), 13. Juli 2012 |
Reihe | Forum Geschichte |
Rezension von Tschorn, Julia (Studentin)
Einführung und Gliederung
Der vierte Band des Lehrwerks „Forum Geschichte“ für den Geschichtsunterricht an Gymnasien in Niedersachsen ist für die 10. Jahrgangsstufe konzipiert. Der Untertitel des Bandes lautet: „Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute“. In erster Auflage ist der Band im Jahre 2008 im Cornelsen Verlag in Berlin erschienen. Herausgeber des Bandes sind Hans-Otto Regenhardt und Claudia Tatsch.
Der Einband des Werkes ist mit einem Ausschnitt des Bildes „Zukunft der Metropole Berlin“ von Matthias Koeppel aus dem Jahre 1991 bedruckt. Die wechselvolle Geschichte Berlins in der Nachkriegszeit und besonders auch in den 1960er Jahren scheint ein Grund für die Wahl dieses Bildes zu sein; es kann den Schülern einen ersten Eindruck von dieser Zeit vermitteln. Das Schulbuch umfasst 208 Seiten und ist in fünf große Kapitel gegliedert.
Weiterhin ist ein umfangreicher Anhang mit Methodenwissen, Grundwissen, einem Lexikon, einem Register und Nachweisen der Bildquellen vorhanden. Nach einer kurzen Einführung in die Arbeit mit dem Buch und einer Einführung zu dem Thema „Leben in der Zeit der Globalisierung“ besteht die Gliederung der Kapitel aus den Themen: 1. Deutschland in der Zeit des Kalten Krieges, 2. Europa und die Welt in der Zeit des Ost-West-Konflikts, 3. Auf dem Weg zum Ende des Ost-West-Konflikts, 4. Die Überwindung der Ost-West-Konfrontation, 5. Europa und die Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts.
Thematisch gesehen umfasst das Schulbuch die Nachkriegsgeschichte und neueste Geschichte bis zum Jahre 2003. Bei einem Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt sich ganz deutlich, dass die Autoren des Werkes bemüht waren eine internationale Themenauswahl zu treffen. Zentral steht in den fünf Kapiteln immer der Ost-West-Konflikt unter verschiedenen Schwerpunkten und Entwicklungsstufen im Vordergrund. Themen der deutschen Geschichte finden sich in jedem der Kapitel, aber immer in Verbindung mit der Geschichte Europas, Amerikas oder des Nahen Ostens.
Auf den ersten Seiten stellen die Autoren sich und das Konzept ihres Buches knapp auf zwei Seiten vor. Des Weiteren erfolgt an dieser Stelle eine kurze Einleitung zur Arbeit mit dem Buch, wie beispielsweise die Erklärung der verwendeten Symbole und des Aufbaus der Kapitel. Durch eine direkte Ansprache an die Schülerinnen und Schüler bauen die Autoren einen persönlichen Bezug auf. Die Ausgabe dieses Schulbuchs ist für das Land Niedersachsen gedacht. Aufgrund dieser Zuordnung wird an einigen Stellen im Buch besonders auf die Geschichte Niedersachsens eingegangen und Bild- und Quellenmaterial aus Hannover oder Braunschweig verwendet.
Aufbau
Die Kapitel beginnen immer mit einer so genannten Auftaktdoppelseite. Auf diesen Seiten werden das Thema des Kapitels und erste Fragen vorgestellt. Die Auftaktseiten werden mit Bildern zum jeweiligen Thema ergänzt, welche den Schülerinnen und Schülern einen ersten Eindruck vermitteln sollen, sich durch entsprechende Nachfragen auch zur Überprüfung des Vorwissens eignen. Es folgen ca. 2-6 Themenseiten, die aus Darstellungstexten am Anfang und weiteren Materialien wie Quellen, Karten und Schaubildern bestehen. Auf
den Methoden- und Werkstattseiten sind Arbeitsschritte zur Auswertung einer Karte, eines Bildes oder einer schriftlichen Quelle erklärt. Des Weiteren gibt es in manchen Kapiteln für Schüler die Möglichkeit Materialien und Recherchen selber zu gestalten. Am Ende eines jeden Kapitels finden sich ein zusammenfassender Text und „Karteikarten“ mit wichtigen Begriffen, Jahreszahlen und Methoden. Weiterhin finden sich dort auch eine Zeitleiste und verschiedene Aufgaben zur Wissensüberprüfung. Unter der Rubrik „Im Blickpunkt“ sollen
die Schüler Zusammenhänge zwischen Entwicklungen in der Vergangenheit und heutigen Fragestellungen oder Problemen verstehen. In diesem Werk wird beispielsweise das Thema „Terrorismus“ aus heutiger Sicht im Vergleich zu den Attentaten der RAF untersucht.
Damit wird das Buch dem geschichtsdidaktischen Prinzip gerecht, dass der historische Unterricht immer auch den Gegenwartsbezug der jeweiligen Inhalte deutlich machen soll. Am Ende des Buches werden zu jedem Kapitel Aufgaben und Quellen angeboten, mit denen die Schüler ihr Wissen überprüfen können. Diese Seiten können entweder mit in den Unterricht eingebaut werden oder den Schülern zur eigenständigen Wiederholung oder Klausurvorbereitung dienen. Allerdings ist anzumerken, dass keine Lösungsvorschläge für die Aufgaben vorhanden sind, so dass eine selbstständige Überprüfung der Ergebnisse nicht stattfinden kann.
Didaktische Aspekte und Gestaltung
Die Autoren des Lehrwerkes versuchen das fachdidaktische Prinzip der Multiperspektivität umzusetzen. Sowohl Schrift- als auch Bildquellen sind in einer vielfältigen Auswahl aufzufinden. Die Schriftquellen setzen sich unter Anderem aus Zeitungsausschnitten, Auszügen aus Reden und Briefen, Gesetzesvorschlägen und einer Vielzahl weiterer Schriftdokumente von unterschiedlichen historischen Akteuren zusammen. In der Regel sind die Quellen auf eine Länge gekürzt, die für die Arbeit im Unterricht sinnvoll ist und den Schülerinnen und Schülern einen ausreichenden Eindruck von dem dargestellten Geschehen zu vermitteln.
Die Wahl der Bildquellen ist ebenfalls sehr vielfältig und multiperspektivisch ausgefallen. Insbesondere die Auftaktseiten zu einem Kapitel sind mit einer Vielzahl Bilder versehen und sollen motivierend wirken. Alle Bilder sind mit einer Bildunterschrift versehen, die das Erscheinungs- oder Entstehungsjahr, einen Titel und zusätzliche Sachinformationen beinhaltet. Bei einigen Bildquellen ist ebenfalls der Verfasser genannt. Grafische Darstellungen sind in Form von Zeitstrahlen, Schaubildern, kurzen Chroniken, Säulendiagrammen und Tabellen ebenfalls vorhanden. Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe,
mit Hilfe der kontroversen Quellen Vergleiche anzustellen, um dem Prinzip der Multiperspektivität gerecht zu werden. Andere Aufgaben bieten die Möglichkeit eine eigene Perspektive zu einem historischen Ereignis einzunehmen oder frühere gesellschaftliche Entwicklungen mit heutigen zu vergleichen.
Außer dem Lehrwerk sind keine weiteren Begleitmaterialien für die Schüler vorhanden. Im Buch ist auch kein weiterer Hinweis auf Materialien für Lehrer gegeben. Die Arbeit mit den neuen Medien wird von dem Lehrwerk aufgegriffen und auf den Methodenseiten werden die Schülerinnen und Schüler zu verschiedenen Internetrecherchen angeregt. Auf der Innenseite des Buchrückens findet sich weiterhin eine Anleitung zum Umgang mit Informationen aus dem Internet.
Die Epoche der 1960er Jahre – eine exemplarische Analyse
Im Folgenden wird exemplarisch untersucht, inwiefern im Buch die Epoche der 1960er Jahre dargestellt wird. Insbesondere soll auf den Umfang der Darstellung, die Auswahl der Ereignisse und die nationale und internationale Perspektive eingegangen werden. Im Kontext der Nachkriegszeit stellen die 1960er Jahre einen wichtigen und ereignisreichen Zeitabschnitt dar. Modernisierungen in vielen Lebensbereichen, politische und wirtschaftliche Entwicklungen, aber auch Veränderungen auf internationaler Ebene spielen eine wichtige
Rolle. Insofern sollte dieses Jahrzehnt ein bedeutender Bestandteil des Unterrichts am Ende der Sekundarstufe sein.
Das Lehrwerk „Forum Geschichte“ bezieht sich auf den Themenschwerpunkt „Geschichte Deutschlands nach 1945 im europäischen und internationalen Kontext“ des niedersächsischen Kerncurriculums. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, dass sich die Schülerinnen und Schüler des 10. Schuljahres mit „weltpolitischen und europäischen Rahmenbedingungen für die deutsche Nachkriegsgeschichte“ und „wesentlichen Etappen“ dieser Zeit beschäftigen. Zentrale politische Themen aus den 1960er Jahren, die der Rahmenlehrplan nennt, sind lediglich der Mauerbau 1961 und der Kalte Krieg. Weiterhin sollten Personen wie John F. Kennedy, Willy Brandt oder Nikita Chruschtschow behandelt werden. Im gesellschaftlichen Bereich ist vorgegeben, dass die Jugendkultur, die 1968er und die Konsumgesellschaft
als unterschiedlichen Formen gesellschaftlichen Lebens bearbeitet werden.
Die 1960er Jahre tauchen insbesondere in den Kapiteln „1. Deutschland in der Zeit des Kalten Krieges“, „2. Europa und die Welt in der Zeit des Ost-West-Konflikt“ und „3. Auf dem Weg zum Ende des Ost-West-Konflikts“ auf. Im ersten Kapitel finden sich Quellen und Bilder zum Mauerbau von 1961 und einer Gegenüberstellung der beiden deutschen Staaten. Die Konsumentwicklung und Jugendkultur werden ab den 50er bis in die 60er Jahre vorgestellt und in der Rubrik „Im Blickpunkt“ mit heutigen Jugendkulturen verglichen.
In Kapitel zwei finden sich Quellen zu dem Vertrag über die Deutsch-Französische Zusammenarbeit aus dem Jahre 1963, sowie zwei Ausschnitte aus Reden zur Planung Großbritanniens der EWG beizutreten. Ein besonderer Schwerpunkt in diesem Kapitel liegt auf der Entkolonialisierung Afrikas. Diesem Thema werden mehrere Seiten mit zahlreichen Bild- und Schriftquellen gewidmet, die sich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren erstrecken. Auf die 1960er Jahre bezogen wird das Thema „Das afrikanische Jahr 1960“ und die Unabhängigkeitsbewegungen afrikanischer Staaten wie beispielsweise des Senegals vermittelt. Der Nord-Süd-Konflikt im Kalten Krieg spielt hierbei eine wichtige Rolle und wird auch in einem kurzen „Grundwissen-Artikel“ erläutert. Einige Seiten weiter folgen
noch Texte zum Kongo-Konflikt von 1950 bis 1965 und zur Rolle der UNO im Kongo.
In einem weiteren größeren Teil des Kapitels werden die Gründung des Staates Israel und die darauf folgenden Unruhen im Nahen Osten thematisiert. Der Sechs-Tage-Krieg 1967 ist mit einem Einführungstext, zwei Quellen und einer Chronik zum Nahost-Konflikt dargestellt.
In dem dritten Kapitel ist bereits auf der Auftaktseite ein Foto aus dem Jahre 1970 vom Kniefall Willy Brands vor dem Mahnmal im ehemaligen Warschauer Ghetto zu sehen. Auf den folgenden Seiten wird die Kubakrise thematisiert. Verschiedene Auszüge aus Reden von John F. Kennedy und einem Briefwechsel von Fidel Castro und Nikita Chruschtschow sind hier zu finden. In einem folgenden Teil des Kapitels wird der Vietnamkrieg von 1964-1973 behandelt. Auf zwei Seiten wird das Thema zwar mit Bildern und Karten veranschaulicht, aber dennoch recht kurz abgehandelt. Weiterhin wird auf internationaler Ebene noch das Thema „USA und UdSSR: Sicherheitsdenken und Entspannung“ behandelt, welches mit amerikanischen und sowjetischen Quellenauszügen arbeitet. Ein Thema, welches die Geschichte Deutschlands behandelt ist: „Politische und soziale Bewegungen in Ost und
West“. Es finden sich auf diesen Seiten ein Darstellungstext und eine Datensammlung zur Studentenbewegung von 1968, Vergleiche mit Bewegungen in Ostdeutschland und Texte zu den weiteren Entwicklungen in den 1970er und 1980er Jahren bezüglich dieser Thematik. Auf einer Methodenseite sollen die Schüler eine historische Kontroverse zu dem Thema der 1968er bewerten und die Kritik und die Forderungen der Demonstranten herausarbeiten.
Im restlichen Teil des Lehrwerkes wird die Zeit der 1960er Jahre nur noch am Rande angesprochen oder dient in einem kurzen Einführungsteil als Erklärung zum besseren Verständnis des folgenden Themas. Für den inhaltlichen Teil bezüglich der genannten Zeitspanne lässt sich zusammenfassend sagen, dass wesentliche politische Ereignisse sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene dargestellt werden. Teilweise werden die Themen wie beispielsweise der Vietnamkrieg nur sehr kurz behandelt, andere Themen wie die Geschichte der Gastarbeiter oder die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King in
den USA werden gar nicht thematisiert. Internationale und nationale Ereignisse der
1960er werden insgesamt ungefähr im gleichen Verhältnis dargestellt.
Kulturgeschichtliche Spurensuche und Multiperspektivität:
Einen ganz anderen Blick auf die Vergangenheit bietet der letzte Bereich des Buches. Hier heißt es: „Auf den folgenden Seiten begeben wir uns auf Spurensuche. Wir erproben dabei für uns neue Quellen. So versuchen wir zu verfolgen, wie Filmemacher mit Quellenmaterial umgehen, wie Geschichte im Film transportiert wird.“ (S. 192) Dazu lautet das erste Kapitel:„Darf man das glauben? Geschichte im Spielfilm.“ (S. 194f.). Es soll die Kompetenz im Umgang mit Filmmaterial zur Geschichte fördern. Dazu steht eine Fülle von Bildern und
Fragenmaterial zu Verfügung. Man kann sich gut vorstellen, davon ausgehend einige Unterrichtsstunden sinnvoll zu konzipieren. Anhand dieses Kapitels lässt sich auch ein in diesem Buch verwirklichtes Prinzip der Geschichtsdidaktik – die Multiperspektivität – veranschaulichen. Während im konventionellen Geschichtsunterricht – wohlbekannt aus der eigenen Schulzeit – ein Thema sowohl inhaltlich wie auch methodisch nur eindimensional betrachtet wird, liefert dieser Bereich vor allem die Möglichkeit, einen methodisch vielgestaltigen
Blick auf den Schulstoff zu werfen.
In weiteren Kapiteln werden Architektur und herrschaftliche Symbole behandelt: „Wir wenden uns auch der Architektur zu: Geschichte wird nicht zuletzt an Gebäuden sichtbar. Wenn wir zum Beispiel Burgen und Schlösser betrachten, kommen dabei ganz unterschiedliche Lebens- bzw. Machtvorstellungen zum Ausdruck. Wie sich Herrschaft ausdrückt, welche Symbole dabei wichtig sind, wird in einem eigenen Kapitel beleuchtet.“ (S.193) Auf den entsprechenden Seiten folgt allerdings dazu weniger als vermutet. Hier werden die angesprochen Themengebiete leider nicht in der Ausführlichkeit behandelt, die die
Übersicht zu hoffen gibt. Erwähnte Punkte werden nur kurz angerissen und nicht weiter verfolgt, was etwas schade ist.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass das Schulbuch „Forum Geschichte: Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute“ insgesamt einen äußerst positiven Eindruck macht. Eine umfassende internationale Themenauswahl zeugt von einer Vielfältigkeit und auch Multiperspektivität, die vergleichsweise in vielen anderen Schulbüchern zugunsten der deutschen Geschichte vernachlässigt wird. Dennoch bildet auch die deutsche Geschichte einen wichtigen und ausreichenden Anteil des Buches. Die vielfältige und gute Quellenauswahl kann einen schülerorientierten und abwechslungsreichen Unterricht unterstützen und bietet zusätzlich mit Hilfe des Buches Möglichkeiten zum Selbststudium. Ebenso bieten sowohl
die Aufgabenstellung als auch Darstellungen der Quellen eine gute Möglichkeit zu einem problemorientierten Unterricht. Die Quellenauswahl bis zum Jahre 2003 spricht für eine gewisse Aktualität des Werkes. Bezüglich der 60er Jahre wird den Schülerinnen und Schülern eine gute Kombination aus nationalen und internationalen Themen geboten. Im Vergleich zu anderen Schulbüchern werden die 60er Jahre auch deutlich umfassender dargestellt, als es oftmals üblich ist. Ein Kritikpunkt an der Darstellung wäre die Ordnung der Themen, die in keiner bestimmten chronologischen oder inhaltlichen Reihenfolge vorhanden
ist. Man kann demnach kein vollständiges Kapitel zu den 60er Jahren bearbeiten,
sondern kommt immer mal wieder in unterschiedlichen Kapiteln auf diese Zeit zurück.
Dennoch mindert diese Kritik nicht den positiven Gesamteindruck des Werkes, welches für die 10. Jahrgangsstufe des Gymnasiums durchaus zu empfehlen ist.